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Schweizerisches Bundesblatt.

44. Jahrgang. IV.

Nr. 36.

31. August 1892.

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Druck und Expedition der Buchdruckern Karl Stämpfli & Oie. in Bern.

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Nachtrag zur

Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend die Bewaffnung, die Ausrüstung und den Unterricht des Landsturms.

(Vom 9. August 1892.)

Tit.

In unserer Botschaft vom 15. Juni 1892 betreffend die Bewaffnung, die Ausrüstung und den Unterricht des Landsturms (Bundesbl. 1892, III, 861) ist auf Seite 864, Alinea 2, folgende Stelle enthalten : ,,Mit den periodischen Besammlungen, die wir uns als eintägige denken, für welche weder Besoldung noch Verpflegung ausgerichtet würde etc."

Es stützt sich dieser Passus betreffend Besoldung und Verpflegung auf den Art. 217, Alinea 2, der Militärorganisation, welcher lautet : ,,Für eintägige Inspektionen wird weder Sold noch Verpflegung ausgerichtet."

Es ist nun sofort nach Bekanntwerden obiger Botschaft unser Militärdepartement von der Presse und von Privatpersonen auf den schlechten Eindruck aufmerksam gemacht worden, welcher beim Landsturm hervorgerufen werde, wenn man beabsichtige, demselben das Opfer einer Anzahl eintägiger Uebungen aufzuerlegen, ohne daß die Mannschaft besoldet und verpflegt werde.

Bundesblatt. 44. Jahrg. Bd. IV.

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Was die Besoldung anbelangt, so wäre eine solche mit großen administrativen Schwierigkeiten verbunden und wllrde am Tage der Besammlung so viel Zeit in Anspruch nehmen, daß die militärischen Uehungen bedeutend verkürzt werden müßten. Auch wäre es sehr fraglich, ob man in allea Landsturmkompagnien die geeigneten Organe für die Auszahlung des Soldes finden würde, oder ob nicht vielmehr die Verabfolgung des Soldes an manchen Orten mit s& wenig Geschick und mit so wenig Ordnung vor sich gehen würde, daß sie Reklamationen rufen müßte, welche auf die Disziplin einen höchst bedenklichen Einfluß haben könnten. Auch läßt sich annehmen, daß in den meisten Fällen der Sold kaum der Familie des Landsturmmannes zu gute kommen, sondern daß er nur dazu dienen würde, die Heimreise etwas angenehmer zu gestalten, aber auch Anlaß zu Ausschreitungen geben könnte, die dann wieder eine große Zahl von Bestrafungen nach sich ziehen müßten.

Und schließlich würden sieh die dießbezüglichen Ausgaben des Bundes -- 4 Uebungstage angenommen -- und die gleichen Besoldungsansätze wie bei Auszug und Landwehr vorausgesetzt, jährlich auf circa Fr. 150,000 belaufen.

Wir sehen uns aus diesen Gründen nicht veranlaßt, einen Antrag auf Besoldung des bewaffneten Landsturms bei den eintägigen Uebungen zu stellen.

Die gleichen Gründe für Nichteintreten bestehen hingegen nicht für die Verpflegung des Landsturms an den eintägigen Uebungen.

Wenn die Verpflegung nur aus Wurst oder Käse und Brod besteht, wie unser Militärdepartement in Aussicht nimmt, so ist die Beschaffung und Vertheilung dieser Lehensmittel nur mit ganz geringen Schwierigkeiten verbunden.

Es wird dagegen eine Verpflegung der Mannschaft ermöglichen, den Besammlungstag für die militärischen Uebungen besser auszunutzen.

Die Vertheilung der Lebensmittel wird nur wenig Zeit in Anspruch nehmen, so daß die Uebungen nur für kurze Zeit unterbrochen werden müssen. Würde hingegen keine Verpflegung vorgesehen, so dürfte die Uebungszeit höchstens auf 4 Stunden ausgedehnt werden und müßte bei solchen Kompagnien noch bedeutend mehr beschränkt werden, von welchen einzelne Abtheilungen größere Märsche bis zum Sammelplatz zurückzulegen hätten. Oder man wäre dann genöthigt, zu dem Mittel zu greifen, die Mannschaft während .der Uebungszeit abtreten zu lassen, damit sie sich auf eigene Kosten verpflege, was nicht nur viel Zeit in Anspruch nehmen würde, sondern für die Disziplin von höchst fatalen Polgen werden könnte.

299 Eine solide Verpflegung würde aber auch den Ausschreitungen auf dem Heimmarsche vorbeugen. Denn die schlimmsten Erscheinungen in dieser Richtung zeigen sich immer, wenn sich die Mannschaft bei leerem Magen dem Alkoholgenuß hingibt. Es ist diese Seite der Frage bei dem voraussichtlich geringen militärischen Halt der Landsturmmannschaft von nicht zu unterschätzender Bedeutung.

Die Kosten der Verpflegung mit Wurst oder Käse und Brod würden sich pro Portion auf 30 Cts. stellen und würden, 4 Uebungstage per Jahr vorausgesetzt, circa Fr. 50,000 betragen.

Es bleibt nun noch die Frage zu untersuchen, ob nicht deiin Art. 217 der Militärorganisation enthaltene Grundsatz eine Verpflegung bei eintägigen Uebungen ausschließe. Dieser Artikel fand offenbar Aufnahme in die Militärorganisation mit Rücksieht auf die in diesem Gesetze ebenfalls festgesetzten eintägigen Inspektionen der Landwehr, welche seither ohne Gesetzesänderung durch die Wiederholungskurse der Landwehr ersetzt worden sind. Es kann also wohl jene Bestimmung nicht so ohne Weiteres auf die erst in's Leben zu rufenden Uebungs- (nicht Inspektions-) Tage des Landsturms Anwendung finden.

Im Fernern sind für den Landsturm mehrere Uebungstage im Jahr vorgesehen, die Anforderungen für die Mannschaft also größere, als es bei den eintägigen Inspektionen der Landwehr der Fall war, die nur einmal im Jahr abgehalten wurden; ja diese Anforderungen sind für den Landsturm nahezu ebenso große, wie wenn er zu Uebungen, die mehrere Tage hintereinander dauern, einberufen würde. Es kann also die Verpflegung als eine Art Kompensation für diese höhern Leistungen, die man verlangen wird, betrachtet werden.

Wir sehen deßhalb kein grundsätzliches Hinderniß, die Verpflegung bei den eintägigen Landsturinübungen einzuführen, und empfehlen Ihnen dieselbe namentlich auch mit Rücksicht darauf, daß eine solche Bestimmung bei der landsturmpflichtigen Mannschaft, von welcher nun in Zukunft auch größere Opfer für den Dienst des Vaterlandes verlangt werden sollen, einen guten Bindruck machen dürfte und daß dieselbe demgemäß auch freudiger zu den Uebungen einrücken wird. Und beim Landsturm hängt das gute Gelingen der Uebungen wesentlich vom guten Willen der Mannschaft ab.

Gestützt auf obige Ausführungen gestatten wir uns, Ihnen zu beantragen, es sei in dem Gesetzesentwurfe nach Art. 3 folgender neue Artikel einzuschalten :

300

,,Art. 3bis. Die Mannschaft erhält bei diesen Uebungen Verpflegung, aber keine Besoldung."

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 9. August 1892.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Vizepräsident:

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft,:

Ringier.

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Nachtrag zur Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend die Bewaffnung, die Ausrüstung und den Unterricht des Landsturms. (Vom 9. August 1892.)

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