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Kreisschreiben des

Bundesrathes an sämmtliche Kantonsregierungen über das Inkrafttreten und die Vollziehung des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1892 betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden.

(Vom 1. November 1892.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Durch Art. 12 des Bundesgesetzes betreffend die P a t e n t t a x e n der H a n d e l s r e i s e n d e n vom 24. Juni 1892 ist der Bundesrath beauftragt, nach erfolgter Bekanntmachung den Beginn der Wirksamkeit des Gesetzes festzusetzen. Dasselbe ist am 13. Juli 1892 im Bundesblatte (Bd. IV, S. 69) veröffentlicht worden. Am 11. Oktober lief die Einspruchsfrist unbenutzt ab. Infolge dessen sind wir in der Lage, dem uns durch die angeführte Gesetzesbestimmung ertheilten Auftrage nachkommen zu können.

Zufolge Art. 11 hat der Bundesrath auch die zur Vollziehung des Gesetzes erforderlichen Anordnungen zu treffen.

Nachdem wir heute eine Reihe von Verfügungen getroffen haben, die bestimmt sind, die Ausführung des Gesetzes vorzubereiten und zu sichern, beehren wir uns, Ihnen dieselben hiernach zur Kenntniß zu bringen ; sie lauten : 1. Das Bundesgesetz betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden vom 24. Juni1892 ist in die eidgenössische Gesetzsammlung aufzunehmen und tritt am 1. Januar 1893 in Kraft.

2. Die Kantone werden bis spätestens Ende November 1892 die Amtsstellen bezeichnen, welche die zur Aufnahme von Bestellungen gemäß Art. 4 des Gesetzes erforderlichen Ausweiskarten zu verabfolgen haben.

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Solche Amtsstellen sollen sowohl an den Kantonshauptorteu als auch an den Bezirkshauptorten bestehen. Am Kantonshauptorte befindet sich die mit der Bundesbehörde verkehrende Centralstelle.

Die kantonalen Amtsstellen sind sofort dem Bundesrathe zur Kenntniß zu bringen und überdies durch Einrttckung in das Schweizerische Handelsamtsblatt und in die kantonalen Amtsblätter öffentlich bekannt zu machen.

3. Die Ausweiskarten der Handelsreisenden erhalten den aus Beilage I und II ersichtlichen Inhalt und werden den Kantonen nach ihrem Bedürfnisse zum Kostenpreise geliefert.

4. Jeder Handelsreisende, der Bestellungen aufnimmt, bedarf einer Ausweiskarte.

Es ist gestattet, e i n e Karte für m e h r e r e R e i s e n d e ausstellen zu lassen, wenn sie nur von dem einen o d e r dem andern derselben gebraucht werden soll. Nehmen dagegen mehrere Reisende eines Hauses g l e i c h z e i t i g Bestellungen auf, so bedarf ein jeder derselben einer Ausweiskarte.

Umgekehrt hat ein Reisender, der mehrere Handelsgeschäfte vertritt, nur e i n e Ausweiskarte zu lösen.

5. Will ein Handelshaus innerhalb der Geltungsdauer einer Ausweiskarte einem auf dieser nicht eingeschriebenen Reisenden die Aufnahme von Bestellungen übertragen, .so wird der Name dieses Reisenden durch die zuständige Amtsstelle unentgeltlich auf der Karte nachgetragen, wenn derselbe nicht gleichzeitig mit anderen Reisenden des Hauses Bestellungen aufsuchen soll.

6. Diejenigen Handelshäuser, welche für ihre Reisenden die in Art. l, Absatz 2, des Gesetzes vorgesehene Befuguiß, Waaren mit sich zu führen, erlangen wollen, haben sich zu diesem Zwecke in schriftlicher Eingabe an den Bundesrath zu wenden.

Schweizerische Häuser haben ihrem Gesuche das Gutachten der Regierung des Kantons, in dem sie niedergelassen sind, auswärtige Häuser dasjenige der Regierung des Kantons, den sie zuerst besuchen, beizulegen.

7. Es wird festgestellt, daß zur Zeit sämmtliche europäische Staaten, mit Ausnahme von Portugal und von Schweden und Norwegen, ferner von überseeischen Ländern die Vereinigten Staaten Nordamerika^ Salvador, Ecuador, Transvaal und Congostaat, Japan, Hawaï, sowie alle europäischen Kolonien, mit Ausnahme der portugiesischen und der spanischen, durch Vertrag den Vertretern schweizerischer Handelshäuser in ihrem Gebiete die gleiche Behandlung zugesichert haben, deren sich die inländischen Häuser erfreuen.

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Die Reisenden f r a n z ö s i s c h e r Häuser werden bis zur definitiven Entscheidung über das Handelsabkommen zwischen der Schweiz und Frankreich provisorisch wie solche der meistbegünstigten Nation behandelt.

Der Bundesrath behält sich vor, mit den Staaten, welche der Schweiz bis jetzt in Bezug auf die Behandlung der Handelsreisenden keine Zusicherungen gemacht haben, diesfällige Vereinbarungen zu treffen. Inzwischen haben die Kantonsregieruagen jeden einzelnen Fall, der Reisende aus solchen Staaten betrifft, dem eidgenössischen Departement des Auswärtigen (Handelsabtheilung) sofort eiüzuberichten.

8. Die zur Ausstellung von Ausweiskarten ermächtigten kantonalen Amtsstellen führen zum Zwecke der in Art. 7 des Gesetzes vorgeschriebenen Abrechnung, sowie behufs der Herstellung und Veröffentlichung einer jährlichen Statistik des Verkehrs der Handelsreisenden ein monatlich abzuschließendes Verzeichniß nach dem Formular, dessen Inhalt aus Beilage III ersichtlich ist.

Die Bezirksstellen übersenden ihre Verzeichnisse der kantonalen Centralstelle.

Die Centralstelle prüft die Verzeichnisse und trägt die Summen der von den einzelnen Stellen erhobenen Gebühren in einem Kontrolbuche ein; sie übermittelt hierauf binnen vierzehn Tagen nach dem Monatsabschlusse sämmtliche Verzeichnisse der Handelsabtheilung des eidg. Departements des Auswärtigen.

Das genannte Departement nimmt nach Schluß des Jahres die Abrechnung mit den kantonalen Centralstellec vor.

Dasselbe besorgt und veröffentlicht überdies die auf den Verkehr der Handelsreisenden bezügliche jährliche Statistik.

9. Das eidg. Departement des Auswärtigen (Handelsabtheilung) wird dafür sorgen, daß die vorstehenden Verfügungen richtig ausgeführt werden.

Dasselbe hat überhaupt, unter der Oberaufsicht des Bundesrathes, die Vollziehung des Gesetzes zu überwachen und die einschlägigen Geschäfte, je nach ihrer Natur, von sich aus zu erledigen oder durch Antragstellung an den Bundesrath zur Erledigung zu bringen.

Getreue, liebe Eidgenossen!

Das Bundesgesetz betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden hat vornehmlich die Aufgabe, in einem für den einzelnen Bürger und für das nationale Interesse unseres Landes gleich wichtigen Gebiete des Verkehrs die von den Vertretern des Handels und

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des Gewerbewesens schon längst als ein dringendes Bedürfniß herbeigewünschte einheitliche Ordnung sowohl im Innern der Eidgenossenschaft als auch in den Beziehungen zum Auslande herzustellen.

Die Handhabung dieses Gesetzes erfordert die volle Aufmerksamkeit der Behörden ; sie soll überall eine gleichmäßige und strenge sein.

Allein es widerspräche durchaus der Absicht des Gesetzgebers, wenn die Anwendung des Gesetzes in einer den Handel und Verkehr unnöthig hindernden und beengenden und dadurch schädigenden Weise erfolgen würde. Das Gesetz will Ordnung schaffen, aber keine Fesseln anlegen da, wo Freiheit der Bewegung ein durch die Verfassung des Landes anerkanntes Lebensprinzip ist. Mit andern Worten : Die Handhabung des Gesetzes darf nicht in polizeiliche Plackerei ausarten.

Die Handelsabtheilung unseres Departements des Auswärtigen stellt sich den Kantonsbehörden zur Aufschlußertheilung über alle die Anwendung des Gesetzes besehlageuden Fragen zur Verfügung.

Indem wir Ihren sachbezüglichen Mittheilungen entgegensehen, benutzen wir diesen Anlaß, um Sie, getreue, liebe Eidgenossen, sammt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 1. November 1892.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident: Hauser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Bingier.

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Beilage I.

Ausweiskarte fUr Handelsreisende.

Carte de légitimation pour voyageurs de commerce.

Für das Jahr

$

I. Semester

&

Pour l'année

1er semestre IImesemestree

II. Semester

(Gültig in der Schweiz zur Aufnahme von Bestellungen, mit oder ohne Muster, bei Geschäftsleuten, welche den Handelsartikel wiederverkaufen oder in ihrem Gewerbe verwenden.

Valable en Suisse pour prendre des commandes, avec ou sans échantillons, auprès de maisons opérant la revente des articles ou en faisant usage pour leurs besoins professionnels.

Firma Maison f Reisender Voyageurf Geschäftszweig Ì Branche de commerce } Angabe, ob und eventuell welche Waaren der Reisende kraft besonderer Verfügung des Bundesrathes mit sich führen darf. -- Dire si et quelles marchandises le voyageur est autorisé à avoir avec lui en vertu de décision spéciale du conseil fédéral Datum.

Date.

(L. S.)

Stempel und Unterschrift der Amtsstelle : Timbre et signature de l'office:

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Strafbestimmnngen.

Das Bundesgesetz vom 24. Juni 1892 betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden enthält folgende Strafbestimmungen: Mit einer Geldbuße bis auf Fr. 1000 werden bestraft : a. Die Handelsreisenden, welche die Schweiz bereisen, ohne im Besitze einer Ausweiskarte zu sein; 6. die Handelsreisenden, welche Waaren mit sich führen, ohne hiezu ermächtigt zu sein ; c. die keine Taxe bezahlenden schweizerischen und die ihnen gleichgestellten "ausländischen Handelsreisenden, wenn sie mit Personen, die nicht den Handelsartikel wiederverkaufen oder in ihrem Gewerbe verwenden, in Verkehr treten.

TJnerhältliche Bußen sind in Gefängniß umzuwandeln; dabei ist für je Fr. 5 Buße ein Tag Gefängniß zu rechnen.

Gegen Bückfällige kann die Strafe verdoppelt und der Patententzug verfügt werden; überdies kann Rückfälligen das Kecht zum Erwerb eines Patentes auf l bis 5 Jahre aberkannt werden.

Dispositions pénales.

La loi fédérale du 24 juin 1892 concernant les taxes de patente des voyageurs de commerce contient les dispositions pénales que voici: Seront punis d'une amende jusqu'à 1000 francs: a. les voyageurs de commerce pratiquant en Suisse sans être porteurs de la carte de légitimation; 6. les voyageurs de commerce qui, sans y être autorisés, ont des marchandises avec eux; c. les voyageurs de commerce suisses qui ne sont astreints à aucune'taxe et les voyageurs étrangers qui leur sont assimilés, s'ils entrent en relations d'affaires avec d'autres personnes que celles qui opèrent la revente des articles ou en font usage pour leurs besoins professionnels.

Les amendes qui ne peuvent être recouvrées sont converties en emprisonnement. Un jour d'emprisonnement compte pour 5 francs d'amende.

En cas de récidive, la peine peut être doublée et la carte de légitimation annulée; en outre, le contrevenant pourra être déclaré déchu, pour une période de 1 à 5 ans au maximum, du droit d'obtenir une carte de légitimation.

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Beilage II.

Ausweiskarte fUr Handelsreisende.

Carte de légitimation pour voyageurs de commerce.

Für das Jahr

ß

Pour

l'annéö

Ier semestre

I. Semester II. Semester

IIme semestre Taxe Fr.

Gültig in der Schweiz zur Aufnahme von Bestellungen mit oder ohne Muster bei Handelund Gewerbtreibenden sowohl als auch bei Privatpersonen.

Valable en Suisse pour prendre des commandes, avec ou sans échantillons, soit chez les commerçants et les industriels, soit chez les particuliers.

Firma Maison ( Beisender \ Voyageur ) Geschäftszweig \ Sranche de commerce ) Datum.

Date.

(L.S.)

Stempel und Unterschrift der Amtsstelle : Timbre et signature de l'office:

Diese Karte berechtigt nicht zum Mitfahren von Waaren.

Cette carte n'autorise pas son porteur à avoir avec lui des marchandises.

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Straf bestimmufigen.

Das Sundesgesetz vom 24. Juni 1892 betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden enthält folgende Strafbestimmungen: Mit einer Geldbuße bis auf Fr. 1000 werden bestraft: a. Die Handelsreisenden, welche die Schweiz bereisen, ohne im Besitze einer Ausweiskarte zu sein: &. die Handelsreisenden, welche Waaren mit sich führen, ohne hiezu ermächtigt zu sein; c. die keine Taxe bezahlenden schweizerischen und die ihnen gleichgestellten ausländischen Handelsreisenden, wenn sie mit Personen, die nicht den Handelsartikel wiederverkaufen oder in ihrem Gewerbe verwenden, in Verkehr treten.

Unerhältliche Bußen sind in Gefängniß umzuwandeln; dabei ist für je Fr. 5 Buße ein Tag Gefängniß zu rechnen.

Gegen Bückfällige kann die Strafe verdoppelt und der Patententzug verfügt werden; überdies kann Rückfälligen das Recht zum Erwerb eines Patentes auf l bis 5 Jahre aberkannt werden.

Dispositions pénales.

La loi fédérale du 24 juin 1892 concernant les taxes de patente des voyageurs de commerce contient les dispositions pénales que voici: Seront punis d'une amende jusqu'à 1000 francs: a. Les voyageurs de commerce pratiquant en Suisse sans être porteurs de la carte de légitimation ; &. les voyageurs de commerce qui, sans y être autorisés, ont des marchandises avec eux; e. les voyageurs de commerce suisses qui ne sont astreints àaucune taxe et les voyageurs étrangers qui leur sont assimilés, s'ils entrent en relations d'affaires avec d'autres personnes que celles qui opèrent la revente des articles ou en font usage pour leurs besoins professionnels.

Les amendes qui ne peuvent être recouvrées sont converties en emprisonnement. Un jour d'emprisonnement compte pour 5 francs d'amende.

.En cas de récidive, la peine peut être doublée et la carte de légitimation annulée; en outre, le contrevenant pourra être déclaré déchu, pour une période de 1 à 5 ans au maximum, du droit d'obtenir une carte de légitimation.

718 Abrechnungsformular.

Kanton Bezirk Verzeiclmiss der ira Monat Ausweiskarten fUr Geschäftssitz des Hauses.

«

Datnm.

·^3

3.

h « W M <ü

·tì

Käme des Hanses. 2)

Name des Reisenden. s)

C K

Ort.

1

(Binder & Oie. \ Zürich \Fr.Muller, Sohn) Kettig, Mois Zürich

7. 2 Kegard & Oie. ( Regard, Jetin Genf

Geschäftszweig.

Land.

Schiveiz Schweiz

Schweiz Segar d, Phil.

S. 3 Meson & Norton Aleson, Olaf StocJcholm Schweden 15. 4 Lefelre fils & Oie. Petit, Alfred Bordeaux Frankreich 22. 5 F. & A. Weil Deutschland Wolf, Emil Berlin

Maître tailleur Bonneterie

Bijouterie Zündhölzchen Wein Büreauartikel

') Die Karten sind ohne Bttcksicht auf ihre Verschiedenheit wäarend eines J ßhres fortlauf 'end zu numeriren.

a ) Vertritt ein Reisender mehrere Häuser, so sind die Namen der letzteren hei der betreffenden Nummer auf besonderen Linien unter einander anzuführen.

') Soll eine Karte alternativ von mehreren Reisenden benutzt werden, so sind deren Namen in gleicher Weise unter einander anzuführen.

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Beilage III.

Zürich.

189.

Handelsreisende.

verabfolgten

Verabfolgte Karten und erhobene Taxen.

Für Bestellungen bei PrivatFUr Bestellungen bei Handelund Gewerbetreibenden.

personen.

Inländische und Der Taxe unterworfene Inländische Häuser. Ausländische Häuser.

gleichberechtigte ausländische Häuser.

ausländische 6 Monate. 12 Monate. 6 Monate. 12 Monate. 6 Monate. 12 Monate.

Häuser.

--

-}

--

150 --

--

Zum Mitführen der Waare berechtigt.

Gratis --

200

--

--

Gratis

200

Bundesblatt. 44. Jahrg.

--

--

Bd. IV.

Bemerkungen.

150

100

--

100

--

Total Fr. 450.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Kreisschreiben des Bundesrathes an sämmtliche Kantonsregierungen über das Inkrafttreten und die Vollziehung des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1892 betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden. (Vom 1. November 1892.)

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Foglio federale

Jahr

1892

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

45

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

02.11.1892

Date Data Seite

710-719

Page Pagina Ref. No

10 015 909

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