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Bundesblatt

98. Jahrgang.

Bern, den 14. Februar 1946.

Band I.

Erscheint in der Segel alle 14 Tage. Preis HO Franken im Jahr, IO Franken im Halbjahr, eazüglich Nachnahme- and Postbestellnngsgetühr.

Etnrncknngsgebühr ; 50 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an

Stämpfli £ de. in Bern,

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4915

Botschaft des

Bandesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines .Bundesbeschlusses betreffend die Genehmigung der Urkunde über die Abänderung der Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation.

(Vom 9. Februar 1946.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen nachstehend eine Botschaft mit einem Beschlussesentwurf betreffend Genehmigung der Urkunde über die Abänderung der Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation, beschlossen an der 27. Internationalen Arbeitskonferenz in Paris am 5. November 1945, zu unterbreiten.

I. Einleitung.

Nachdem infolge des zweiten Weltkrieges die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation seit dem Frühjahr 1989 nicht mehr zusammengetreten war -- ausgenommen im Aprii/Miai 1944 in Philadelphia -- vereinigte sie sich nach Kriegsende erstmals wieder zu ihrer 27. Tagung in Paris vom 15. Oktober bis 5. November 1945. Zur Beratung standen folgende Traktanden : 1. Bericht des Direktors (Sozialprobleme der Nachkriegszeit, insbesondere für Europa, Grundlegende Prinzipien der künftigen Aktion und Programm der Internationalen Arbeitsorganisation).

2. Aufrechterhaltung eines hohen Beschäftigungsstandes während des Wiederaufbaus und der Wiederbelebung der Industrie.

3. Schutz der Kinder und jugendlichen Arbeiter.

4. Konstitutionelle Fragen.

5. Mindestnormen für die Sozialpolitik in den abhängigen Gebieten.

6. Bericht über die Durchführung der Übereinkommen.

Bundesblatt. 98. Jahrg. Bd. I.

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254 Ferner waren die acht Regierungsvertreter für den Verwaltungsrat zu wählen, deren Länder keinen ständigen Sitz haben, ebenso die Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer im Verwaltungsrat.

Der Bundesrat bestellte die schweizerische Delegation wie folgt (Herr Dr. Willi, Direktor des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit, war krankheitshalber an der Teilnahme verhindert) : Dr. William Eappard, Professor für Volkswirtschaft an der Universität Genf und Direktor des Institut universitaire des Hautes-Etudes internationales, sowie Fürsprech Max Kaufmann, Vizedirektor des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit; Arbeitgebervertreter: Charles Kuntschen, Sekretär des Zentralverbandes schweizerischer Arbeitgeberorganisationen; Arbeitnehmervertreter: Charles Schürch, Sekretär des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes. · Dazu kamen eine grössere Anzahl technischer Berater.

An der Konferenz nahmen 48 Staaten teil mit insgesamt rund 500 Delegierten und technischen Ratgebern. Alle Mitgliedstaaten waren vertreten, in der Folge auch Italien und Guatemala, die wieder aufgenommen wurden, ebenso das neu aufgenommene Island.

Über den Verlauf und das Ergebnis der Konferenz wird der Bundesrat den eidgenössischen Eäten in gewohnter Weise berichten, sobald alle Unterlagen vorhanden sind. Eine der in Paris behandelten Fragen bedarf jedoch der sofortigen Berichterstattung und auch der möglichst baldigen Beschlussfassung durch das Parlament : die Änderung der Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation, weil nur durch eine Ratifikation der von der 27. Internationalen Arbeitskonferenz gefassten Beschlüsse durch die vorgeschriebene Zahl von Mitgliedstaaten bis spätestens zum Herbst dieses Jahres die rechtliche Grundlage für die weitere Existenz der Organisation geschaffen werden kann.

II. Allgemeines zur Umgestaltung der Internationalen Arbeitsorganisation.

Die Internationale Arbeitsorganisation entstand nach dem Weltkrieg 1914--1918 und ist ein Organ des durch den Friedensvertrag von Versailles geschaffenen Völkerbundes. Die tiefgreifende Veränderung der internationalen Lage infolge des letzten Weltkrieges und die bereits während dessen Dauer unternommenen Bemühungen um den Wiederaufbau einer neuen Friedensorganisation brachten es mit sich, dass man sich im Schoss der Internationalen
Arbeitsorganisation schon frühzeitig mit den aus dieser Entwicklung resultierenden Problemen befasste. Dabei war man sich von vornherein klar, dass die grundlegend veränderten Verhältnisse eine gründliche Überprüfung des Statuts der Internationalen Arbeitsorganisation und ihrer künftigen Stellung in der Welt erforderten. Mit zwingender Notwendigkeit ergab sich dies im Augenblick der Errichtung einer neuen Weltorganisation, d. h. als durch die Charta von San Franzisko vom 26. Juni 1945 die Gründung der Vereinigten Nationen beschlossen und gleichzeitig die Auflösung des Völkerbundes ins Auge gefasst wurde.

255 Nach eingehender Vorbereitung durch den Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes, vorab durch eine von ihm bestellte Kommission, kam die Angelegenheit vor die 27. Internationale Arbeitskonferenz. Grundlage der Beratungen bildete ein umfangreicher Bericht des Internationalen Arbeitsamtes, betitelt « Questions résultant des travaux de la Commission des questions constitutionnelles, Fascicule 1 : Eelations avec les organismes internationaux», ferner ein unmittelbar vor Konferenzbeginn beschlossener Bericht des Verwaltungsrates des Internationalen Arbeitamtes sowie der übliche «Geschäftsbericht» des Direktors des Internationalen Arbeitsamtes an die Konferenz.

Zur näheren Prüfung des weitläufigen und schwierigen Fragenkomplexes, dem eine grosse politische Bedeutung zukommt, setzte die Konferenz eine Kommission von 64 Mitgliedern ein (82 Eegierungs-, 16 Arbeitgeber-, 16 Arbeitnehmervertreter), in welche fast durchwegs die massgebenden Delegierten abgeordnet wurden. .Nach langwierigen, zum Teil recht bewegten Diskussionen, einigte sich die Kommission auf einen Bericht mit konkreten Anträgen, der an das Plenum der Arbeitskonferenz ging, die -- ebenfalls nach ausgiebiger Diskussion ·-- den Bericht und die darin enthaltenen Vorschläge ihrerseits guthiess.

Die Bearbeitung der die zukünftige Gestaltung der Internationalen Arbeitsorganisation betreffenden Fragen zeigte schon gleich zu Beginn, dass es sich um ein Eevisionswerk handelt, welches bis zur abschliessenden Eegelung -- sofern man von einer solchen überhaupt sprechen kann -- sehr lange Zeit beansprucht, und dass zu unterscheiden ist zwischen Fragen, die einer sofortigen Lösung bedürfen und solchen, die noch näher abgeklärt werden müssen. Dementsprechend beschränkte sich die Arbeitskonferenz in Paris darauf, nur diejenigen endgültigen Beschlüsse zu fassen, die wegen ihres dringlichen Charakters keinen Aufschub erleiden. Alle andern konstitutionellen Fragen dagegen wurden zum näheren Studium einer von der Konferenz bestellten Delegation von sechs Eegierungs-, sowie je drei Arbeitgeber- und Arbeitnohmervertretern überwiesen mit dem Auftrag, einen Bericht auszuarbeiten, der zu gegebener Zeit den Regierungen der Mitgliedstaaten zur Meinungsäusserung zugestellt werden soll. Auf Grund der eingegangenen Antworten soll von der Delegation der Konferenz
ein neuer Bericht mit konkreten Vorschlägen in bezug auf weitere Änderungen des Statuts der Internationalen Arbeitsorganisation abgefasst werden,, über welche die Internationale Arbeitskonferenz vom Herbst dieses Jahres definitiv zu beschliessen haben wird. Wegleitend für dieses Vorgehen waren folgende Überlegungen: -- die Notwendigkeit, über bestimmte Probleme, die sich aus der Ablösung des Völkerbundes durch die Vereinigten Nationen ergeben, endgültig Beschluss zu fassen; -- der Umstand, dass über die andern Probleme erst dann endgültig entschieden werden kann, wenn die vorgesehenen Verhandlungen zwischen der Internationalen Arbeitsorganisation und den Vereinigten Nationen weiter fortgeschritten sind;

256 -- der Wunsch, den Eegierungen die nötige Zeit zu lassen, um verschiedene der aufgeworfenen Fragen zu prüfen; -- das Bedürfnis, die konstitutionellen Fragen der Internationalen Arbeitsorganisation in ihrer Gesamtheit zu prüfen, namentlich auch, um die Wechselwirkung all der gemachten Vorschläge beurteilen zu können.

Diesen Kriterien entsprechend hat die 27. Internationale Arbeitskonferenz in bezug auf die konstitutionellen Fragen folgende Beschlüsse gefasst: 1. Besolution betreffend die Beziehungen zwischen der Internationalen Arbeitsorganisation und den Vereinigten Nationen.

2. Besolution betreffend die gegenseitigen Beziehungen zwischen der Internationalen Arbeitsorganisation und andern internationalen Organisationen.

3. Besolution betreffend die Interessen der Internationalen Arbeitsorganisation an bestimmten Liegenschaften und andern Gutem des Völkerbundes, ebenso an den die Internationale Arbeitsorganisation berührenden Funktionen und Tätigkeiten des Völkerbundes.

4. Urkunde über die Abänderung der Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation.

5. Eesolution betreffend das Inkrafttreten der Urkunde über die Abänderung der-Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation.

6. Besolution betreffend den Ort der nächsten Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz.

7. Besolution betreffend vorübergehende Massnahmen in bezug auf die Zustellung der Urkunden bei der Batifikation von Übereinkommen. · Der vorstehende Bericht befasst sich nur nüt den unter Ziffer 4 und 5 genannten Beschlüssen. Die andern der aufgeführten Beschlüsse werden Gegenstand der Berichterstattung über die 27. Internationale Arbeitskont'erenz als Ganzes bilden. Was die übrigen konstitutionellen Fragen angeht -- es sind ihrer eine ganze Menge, worunter viele von weittragender Bedeutung --, so sollen sie wie schon erwähnt noch näher abgeklärt werden, insbesondere durch Verhandlungen mit den Vereinigten Nationen, und kommen erst nächstes Mal, zum Teil wohl noch später, zur endgültigen Beratung und Beschlussfassung vor die Konferenz.

Immerhin sei nachstehend, um ein Bild davon zu geben, mit welchen Absichten und in welchem Geist die Änderung der Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation beschlossen wurde, der wesentliche Inhalt der in Paris einstimmig angenommenen Besolution betreffend die Beziehungen zwischen
der Internationalen Arbeitsorganisation und den Vereinigten Nationen wiedergegeben. Es wird darin gesagt, dass die. Internationale Arbeitskonferenz: 1. mit lebhafter Genugtuung Kenntnis nimmt vom Inkrafttreten der Charta der Vereinigten Nationen und verspricht, dass die Internationale Arbeitsorganisation mit den Vereinigten Nationen eng zusammenarbeiten werde,

257 um die Ziele zu erreichen, welche in der Charta der Vereinigten Nationen, in den Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation und in der Erklärung von Philadelphia niedergelegt sind; 2. mit lebhafter Genugtuung feststellt, dass auf Grund der Charta die Vereinigten Nationen fördern -- die Schaffung besserer Lebensbedingungen, die Herbeiführung der Vollbeschäftigung und des -wirtschaftlichen und sozialen Fortschrittes, --' die Lösung von internationalen wirtschaftlichen und sozialen Problemen wie solchen des Erziehungs- und des Gesundheitswesens sowie verwandter Gebiete, die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet von Kultur und Erziehung, -- die allgemeine Achtung und Rücksichtnahme für Menschenrechte und grundlegende Freiheiten für alle, ohne Unterschied von Basse, Geschlecht, Sprache oder Glaube, und die Mitglieder verpflichtet sind, gemeinsam und einzeln in Zusammenarbeit mit der Organisation der Vereinigten Nationen die Verwirklichung dieser Ziele anzustreben; 3. den Wunsch der Internationalen Arbeitsorganisation bestätigt, mit den Vereinigten Nationen unter noch zu vereinbarenden Bedingungen in Verbindung zu treten, dergestalt dass die Internationale Arbeitsorganisation, in welcher die Vertreter der Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit denjenigen der Regierungen gleichgestellt sind, in vollem Masse an der Verwirklichung dieser Zwecke mitarbeiten kann, unter Wahrung jedoch der Bechte und Befugnisse, wie sie zur Erfüllung der ihr durch die Satzungen der Organisation und die Erklärung von Philadelphia übertragenen Obliegenheiten notwendig sind; 4. den Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes ermächtigt, mit den zuständigen Organen der Vereinigten Nationen alle dem genannten Zwecke dienenden Abmachungen zu treffen, vorbehaltlich der Genehmigung durch die Internationale Arbeitskonferenz.

m. Die beschlossenen Satzungsänderungen.

Die von der 27. Internationalen Arbeitskonferenz beschlossenen Abänderungen des Statuts beschränken sich -- abgesehen von einer kleinen rein formellen Änderung in der Präambel -- auf eine Revision der Bestimmungen über -- die Mitgliedschaft der Internationalen Arbeitsorganisation (Art. 1), -- die Finanzen und den Voranschlag (Art. 13), --- das Verfahren für Abänderungen der Satzungen (Art. 86).

Die neuen Vorschriften nehmen zwar Bezug auf die durch die Charta von San Franzisko errichtete neue Weltorganisation, ohne aber damit die zukünftige endgültige Gestaltung der Internationalen Arbeitsorganisation irgendwie zu

258 präjudizieren, insbesondere auch nicht das Verhältnis der Organisation zu den Vereinigten Nationen; die Internationale Arbeitsorganisation wird übrigens im Statut der Vereinigten Nationen nirgends genannt. Sinn und Zweck der angenommenen Satzungsänderungen ist vielmehr der, im Hinblick auf die bevorstehende Auflösung des Völkerbundes die rechtliche Grundlage für die weitere Existenz und Aktionsfähigkeit der Internationalen Arbeitsorganisation zu schaffen.

Die gefassten Beschlüsse sind niedergelegt in der in Beilage 2 wiedergegebenen «Urkunde über die Änderung der Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation» («Instrument pour l'amendement de la Constitution de l'Organisation internationale du Travail»).

I. M i t g l i e d s c h a f t .

Art. l der Satzungen, welcher diese Frage regelt, lautet in seiner geltenden und seiner neuen Fassung wie folgt (Übersetzung) : Geltender Text.

Art. 1.

!.. Es wird eine ständige Organisation geschaffen, die dazu berufen ist, an der Verwirklichung des in der Einleitung dargelegten Planes zu arbeiten, 2. Die ursprünglichen Mitglieder des Völkerbundes sind zugleich die ursprünglichen Mitglieder dieser Organisation; spater bringt die Mitgliedschaft im Völkerbunde die Mitgliedschaft in der genannten Organisation mit sich.

Neuer Text.

Art. 1.

1. Es wird eine ständige Organisation geschaffen, die dazu berufen ist, an der Verwirklichung des in der Einleitung dargelegten Planes zu arbeiten.

2. Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation sind die 'Staaten, die am 1. November 1945 Mitglieder der Organisation waren, und alle weiteren . Staaten, die nach den Bestimmungen von Absatz 3 und 4 dieses Artikels Mitglieder werden.

8. Jedes ursprüngliche Mitglied der Vereinigten Nationen und jeder Staat, der durch Entscheid der Generalversammlung nach den Bestimmungen der Charta als Mitglied der Vereinigten Nationen aufgenommen wird, kann die Mitfliedschaft bei der Internationalen Ar^ eitsorganisation erwerben durch eine Mitteilung an den. Direktor des Internationalen Arbeitsamtes, worin in aller Form die Annahme der aus den Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation ihm erwachsenden Verpflichtungen erklärt wird.

4. Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation kann auch Mitglieder durch einenMehrheitsbeschluss von zwei Dritteln der an der Tagung anwesenden Delegierten, einschliesslich von zwei Dritteln der anwesenden und stimmenden Regierungsdelegierten, in die

259 Organisation aufnehmen. Eine solche Aufnahme tritt in Kraft auf Grund einer Mitteilung der Begierung des neuen Mitgliedes an den Direktor des Internationalen Arbeitsamtes, worin in aller Form die Annahme der aus den Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation ihm erwachsenden Verpflichtungen erklärt wird.

5. Kein Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation kann aus dieser austreten, ohne zuvor seine Absicht dem Direktor des Internationalen Arbeitsamtes bekanntgegeben zu haben. Eine solche Erklärung tritt zwei Jahre nach dem Tag in Kraft, an dem der Direktor sie erhalten hat, unter dem Vorbehalt, dass das Mitglied in diesem Zeitpunkt alle ihm aus der Mitgliedschaft erwachsenden finanziellen Verpflichtungen erfüllt hat. Wenn ein Mitglied ein Internationales Arbeitsübereinkommen ratifiziert hat, so berührt ein solcher Austritt für die im Übereinkommen vorgesehene Dauer in keiner Weise die Gültigkeit der Verpflichtungen, die sich aus dem Übereinkommen oder in Verbindung damit ergeben.

6. Falls ein Staat aufgehört hat, Mitglied der Organisation zu sein, regelt sich seine Wiederaufnahme als Mitglied nach den Bestimmungen von Absatz 3 und 4 dieses Artikels.

Nach dem geltenden Art. l, Abs. 2, wird durch die Mitgliedschaft zum Völkerbund ipso facto die Mitgliedschaft zur Internationalen Arbeitsorgani· sation erworben. Eine entsprechende Bestimmung, wonach die Zugehörigkeit zu den Vereinigten Nationen automatisch die Zugehörigkeit zur Internatior nalen Arbeitsorganisation mit sich bringt, fehlt in der Charta von San Franzisko. Die Internationale Arbeitsorganisation strebte immer nach Universalität und hat wiederholt den Wunsch bekundet, es sollten alle Staaten, welche Mitglieder der Vereinigten Nationen sind, möglichst weitgehend an den Arbeiten der Organisation mitwirken. Die neuen Bestimmungen (Abs. 2 und 8) sehen demgemäss vor, dass Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation nicht nur die ihr am 1. November 1945 angehörenden Staaten sind, sondern dass darüber hinaus auch jedes ursprüngliche Mitglied der Vereinigten Nationen sowie jeder Staat, der in vorgeschriebener Weise als deren Mitglied aufgenommen wurde, bei der Internationalen Arbeitsorganisation die Mitgliedschaft erwerben kann, und zwar durch eine blosse Mitteilung an den Direktor des Internationalen Arbeitsamtes, worin die Annahme der aus den Satzungen der Internationalen

260 Arbeitsorganisation ihm erwachsenden Verpflichtungen erklärt wird. Auf diese Weise hofft man, das Prinzip der Universalität möglichst vollständig verwirklichen zu können. Und in der Tat: alle Bestrebungen nach einer internationalen Verständigung auf sozialem und ·wirtschaftlichem Gebiet werden erschwert, wenn nicht verunmöglicht, sobald wichtige Länder sich abseits halten. Deshalb wurde auch schon im Zeitraum zwischen den beiden Weltkriegen die Mitgliedschaft zum Völkerbund nicht als unerlässhche Voraussetzung für die Mitgliedschaft zur Internationalen Arbeitsorganisation betrachtet, obschon die Satzungen selber hierüber keine besondere Bestimmung enthalten. Vielmehr wurden wiederholt Staaten in die Internationale Arbeitsorganisation aufgenommen, die dem Völkerbund nicht angehörten (so schon im Jahr 1929 Deutschland und Österreich, im Jahr 1934 die Vereinigten Staaten von Amerika und erst letztes Jahr noch Italien, Guatemala und Island) oder es gab Staaten, die nach anfänglicher Zugehörigkeit zum Völkerbund daraus austraten, aber Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation blieben (wie Deutschland, Brasilien und Japan).

Die andern Neueruhgen (Abs. 4, 5 und 6) bedeuten eigentlich nichts anderes als eine Sanktionierung der bisherigen Praxis bei Aufnahme neuer Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation durch die Allgemeine Konferenz sowie beim Austritt eines Mitgliedstaates aus der Organisation. Obwohl wie soeben erwähnt seit Bestehen der Internationalen Arbeitsorganisation wiederholt Staaten aufgenommen wurden, die dem Völkerbund nicht angehörten, fehlte es im Statut an Vorschriften hierüber, insbesondere auch über die erforderliche Mehrheit. Praktisch hatte bis jetzt diese Frage insofern keine Bedeutung, als alle Neuaufnahmen einstimmig erfolgten. Im neuen Abs. 4 wird nun aber ausdrücklich bestimmt, dass die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation auch Mitglieder durch einen Mehrheitsbeschluss von zwei Dritteln der an der Tagung anwesenden Delegierten, einschliesslich von zwei Drittem der anwesenden und stimmenden Begierungsdelegierten, in die Organisation aufnehmen kann. Das Erfordernis des qualifizierten Mehrs der Begierungsvertreter ist deshalb aufgestellt worden, weil den mit der Aufnahme neuer Staaten zusammenhängenden Fragen eine wichtige politische
Bedeutung zukommt und in erster Linie die Begierungsdelegierten darüber zu befinden haben werden, ob die Begierung des neu bei tretenden Staates die internationale Stellung besitzt, um die von ihr zu übernehmenden Obliegenheiten erfüllen zu können. Was den Austritt eines Mitgliedstaates aus der Internationalen Arbeitsorganisation betrifft, so wird nun ausdrücklich bestimmt (Abs. 5), dass eine Austrittserklärung erst zwei Jahre nach dem Tag in Kraft tritt, an welchem der Direktor des Internationalen Arbeitsamtes sie erhalten hat, und unter dem Vorbehalt, dass das Mitglied in diesem Zeitpunkt alle ihm aus der Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen erfüllt hat. Weiter wird vorgeschrieben, dass ein austretendes Mitglied, das ein internationales Arbeitsübereinkommen ratifiziert hat, während der Geltungsdauer dieses Übereinkommens an die durch die Batifizierung übernommenen Verpflichtungen gebunden bleibt.

261 2. Finanzen.

Der diese Frage regelnde Art. 18 der Satzungen lautet in seinem geltenden und in seinem neuen Text folgendermaßen (Übersetzung) : .

Geltender Text.

Art. 13.

1. Jedes Mitglied zahlt die Kosten der Reise und des Aufenthalts der von ihm zur Konferenz entsandten Vertreter und ihrer technischen Katgeber sowie gegebenenfalls seines Vertreters auf den Tagungen des Verwaltungsrates.

2. Alle andern Kosten des Internationalen Arbeitsamtes, der Tagungen der Konferenz und des Verwaltungsrates werden dem Direktor durch den Generalsekretär des Völkerbundes zu Lasten des allgemeinen Haushaltes des Völkerbundes erstattet.

3. Der Direktor ist dem Generalsekretär des Völkerbundes für die Verwendung aller Gelder, die ihm nach den Bestimmungen dieses Artikels ausbezahlt werden, rechenschaftspflichtig.

Neuer Text.

Art. 13.

1. Die Internationale Arbeitsorganisation kann mit den Vereinigten Nationen die als angezeigt erscheinenden Vereinbarungen über Finanzen und Voranschlag treffen.

2. Bis zum Abschluss solcher Vereinbarungen, oder falls in irgendeinem Zeitpunkt keine solchen Vereinbarungen in Kraft sind, gilt folgendes: a. Jedes Mitglied zahlt die Reise- und Aufenthaltskosten seiner Delegierten und ihrer technischen Ratgeber ebenso wie seiner Vertreter, die entweder an den Tagungen der Konferenz oder an denen des Verwaltungsrates teilnehmen.

6. Alle andern Kosten des Internationalen Arbeitsamtes und der Tagungen der Konferenz oder des Verwaltungsrates werden vom Direktor des Internationalen Arbeitsamtes aus den allgemeinen Krediten der Internationalen Arbeitsorganisation bestritten.

c. Die Vorschriften über die Genehmigung des Voranschlages der Internationalen Arbeitsorganisation wie auch über die Veranlagung und Einziehung der Beiträge werden von der Konferenz durch einen Mehrheitsbeschluss von zwei Dritteln der Stimmen der anwesenden Delegierten aufgestellt. Sie sollen eine Bestimmung enthalten, wonach der Voranschlag und die Regelung der Verteilung der Kosten unter die Mitglieder durch einen Aussohuss von Regierungsvertretern zu genehmigen ist.

3. Die Kosten der Internationalen Arbeitsorganisation werden von den Mitgliedern entsprechend der Regelung getragen, die auf Grund von Absatz l oder von Absatz 2c dieses Artikels gilt.

4. Ein Mitglied der Organisation, das mit der Zahlung seines Beitrages an ihre Kosten im Rückstand ist, kann an Abstimmungen an der Konferenz, im Verwältungsrat oder in einem Ausschuss oder an den Wahlen von Mitgliedern des

262 Verwaltungsrates nicht teilnehmen, falls der Betrag seiner Zahlungsrückstände dem von ihm geschuldeten Beitrag für die zwei vollen Jahre, die vorausgegangen sind, gleichkommt oder ihn übersteigt.

Die Konferenz kann jedoch ein solches Mitglied zur Stimmabgabe ermächtigen, wenn nach ihrer Feststellung das Versäumnis auf Umstände. zurückzuführen ist, die vom Willen des Mitgliedes unabhängig sind.

5. Der Direktor des Internationalen Arbeitsamtes ist gegenüber dem Verwaltungsrat für die Verwendung der Mittel der Internationalen Arbeitsorganisation verantwortlich.

Im ersten Absatz des revidierten Art. 13 der Batzungen wird der Internationalen Arbeitsorganisation die Möglichkeit eingeräumt, mit den Vereinigten Nationen die erforderlichen Vereinbarungen über Finanzen und Voranschlag zu treffen. Diese Bestimmung wurde aufgenommen im Hinblick auf Art. 17, Abs. 8, des Statuts der Vereinigten Nationen, der lautet: Die Generalversammlung soll alle Abmachungen über Ausgaben und Voranschläge der in Art. 57 erwähnten SpezialOrganisationenl) prüfen und gutheissen. Sie soll die Verwaltungsausgaben solcher Organisationen überprüfen und ihnen gegebenenfalls ihre Empfehlungen zukommen lassen.

Sie soll in keiner Weise die zukünftigen finanziellen Abmachungen zwischen der Internationalen Arbeitsorganisation und den Vereinigten Nationen präjudizieren, doch wollte man durch diese an die Spitze von Art. 13 gestellte *) Wortlaut von Art. 57 des Statuts der Vereinigten Nationen : 1. Die verschiedenen besondern Organisationen, die durch Abmachungen der Be'gierungen errichtet sind und gemäss ihren Grundsätzen bedeutsame internationale Aufgaben auf wirtschaftlichem, sozialem, kulturellem Gebiet aowie auf dem des Erziehungs: und Gesundheitswesens sowie verwandten Gebieten erfüllen, sollen gemäss. Art. 63 inBeziehung zu den Vereinigten Nationen gebracht werden.

2. Die dergestalt in Beziehung zu den Vereinigten Nationen gebrachten Organisationen werden in der Folge als SpezialOrganisationen bezeichnet.

Art. 63 des Statuts der Vereinigten Nationen lautet: 1. Der Wirtschafts- und Soziah-at kann mit jeder der in Art. 57 erwähnten Organisationen Abkommen schliessen über die Bedingungen, unter denen die Organisation in Beziehung zu den Vereinigten Nationen gebracht werden soll. Solche Abkommen unterliegen der Genehmigung der
Generalversammlung.

2. Er kann die Tätigkeit der SpezialOrganisationen in Übereinstimmung bringen durch Konsultationen mit ihnen und Empfehlungen, die er an sie richtet, sowie durch Empfehlungen an die Generalversammlung und an die Mitglieder der Vereinigten Nationen.

Die Frage, ob und unter welchen Bedingungen die Internationale Arbeitsorganisation zu den in Art. 57 genannten «SpezialOrganisationen» gehören soll, ist noch nicht gelöst.

263 Bestimmung das Interesse zum Ausdruck bringen, welches die Internationale Arbeitsorganisation am Abschluss allgemeiner Vereinbarungen betreffend die Finanzen internationaler Institutionen hat.

Bis zum Abschluss von Vereinbarungen zwischen der Internationalen Arbeitsorganisation und den Vereinigten Nationen oder solange derartige Vereinbarungen nicht in Kraft stehen, haben die Mitgliedstaaten der Internationalen Arbeitsorganisation die finanziellen Mittel für die Organisation beizubringen, Abs. 2 und 3 von Art. 18 enthalten die hiefür erforderlichen Bestimmungen. Darnach übernehmen (wie bisher) die Mitglieder die Eeise- und Aufenthaltskosten ihrer Delegierten und technischen Berater, während alle andern Kosten der Organisation, die bisher zulasten des Völkerbundes gingen, aus den allgemeinen Krediten der Internationalen Arbeitsorganisation, welche die Mitgliedstaaten beschaffen müssen, zu decken sind. Über die Genehmigung des Voranschlages, die Veranlagung und Einziehung der Beiträge wird- die Konferenz durch Mehrheitsbeschluss von zwei Dritteln der Stimmen der anwesenden Delegierten nähere Vorschriften aufstellen, wobei vorgesehen ist, dass Voranschlag und Kostenverteilung von einem aus Begierungsvertretern bestehenden Ausschuss zu genehmigen sind.

Neu ist ferner die Bestimmung von Abs. 4 des Art. 18, der die aus Zahlungsrückständen für einen Mitgliedstaat sich ergebenden Folgen umschreibt. Sie bestehen im Ausschluss vom Stimm- und Wahlrecht, vorbehaltlich eines besondern Konferenzbeschlusses, falls das Versäumnis (zwei volle Jahresbeiträge) auf Umstände zurückzuführen ist, die vom Willen des Mitgliedes unabhängig sind, 3. V e r f a h r e n hei Satzungsänderungen.

Art. 86 der Satzungen, der diese Frage ordnet, lautet in seiner geltenden und in seiner neuen Fassung wie folgt: Geltender Text,

Neuer Text.

Art. 36.

Abänderungen zu diesem Teile des vorliegenden Vertrages, die von der Konferenz mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der von den anwesenden Vertretern abgegebenen Stimmen angenommen worden sind, werden rechtswirksam, sobald sie von den Staaten, deren Vertreter den Eat des Völkerbundes bilden, und von drei Vierteln der Mitglieder ratifiziert worden sind.

Art. 36.

Abänderungen an diesen Satzungen, die von der Konferenz durch einen Mehrheitsbeaohluss von zwei Dritteln der Stimm en der anwesenden Delegierten beschlössen worden sind, treten in Kraft, sobald sie von zwei Dritteln der Mitglieder der Organisation ratifiziert oder angenommen worden sind, wobei diese zwei Drittel fünf der acht Mitglieder einachliessen müssen, die im Verwaltungsrat als

Mitglieder vertreten sind, denen nach Artikel 7, Absatz 3, dieser Satzungen wirtschaftlich die grösste Bedeutung zukommt.

264 Bisher bedurften die von der Konferenz mit Zweidrittelmehrheit beschlossenen Satzungsänderungen für ihre Bechtswirksamkeit der Ratifizierung durch drei Viertel der Mitgliedsstaaten, wobei sämtliche dem Völkerbundsrat angehörenden Staaten den Satzungsänderungen zustimmen mussten.

Nach der neuen Regelung treten Änderungen der Satzungen in Kraft, sobald zwei Drittel der Mitgliedstaaten, also nicht drei Viertel wie bis anhin, sie ratifiziert oder angenommen haben; dieses Quorum von zwei Dritteln entspricht der allgemeinen Ordnung, wie sie im Falle von Änderungen des Statuts sowohl beim Völkerbund als auch bei den Vereinigten Nationen vorgesehen ist.

Bei den Beratungen stellte sich noch die Frage, ob einem Mitglied gegenüber dem Inkrafttreten einer Satzungsänderung ein Vetorecht ähnlich demjenigen bei den Vereinigten Nationen eingeräumt werden soll. Man hat das an der Konferenz mehrheitlich abgelehnt, anderseits aber die Vorschrift aufgestellt, dass die für die Ratifikation oder Annahme verlangten zwei Drittel fünf der acht Mitgliedstaaten einschliessen müssen, denen nach Art. 7, Abs. 3, der Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation wirtschaftlich die grösste Bedeutung zukommt1).

4. Präambel.

Art. l der Urkunde über die Abänderungen der Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation bestimmt, dass die im letzten Absatz der Präambel des Statuts der Organisation stehenden Worte «wie folgt» durch die Worte «den folgenden Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation zugestimmt» ersetzt werden. Dieser Textänderung kommt eine lediglich formelle Bedeutung zu, indem ßie dazu dient, eine bestehende Praxis zu bestätigen.

Der vorgesehene Ausdruck «Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation» ist nämlich schon seit Jahren für die Umschreibung der im Teil XIII des Versailler Vertrages enthaltenen Bestimmungen über diese Organisation benützt worden, ohne dass er jedoch im Text der Satzungen Aufnahme gefunden hätte. Eine ausdrückliche Textänderung war deshalb notwendig, weil in den abgeänderten Artikeln l und 36 von den Satzungen der Organisation die Bede ist.

*) Nach Art. 7 der Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation besteht der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes aus 82 Personen, wovon 16 die Regierungen, je 8 die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer vertreten. Abs. 8
dieses Artikels lautet wie folgt: Von den 16 die Regierungen vertretenden Personen werden 8 durch die Mitglieder ernannt, denen die grösste industrielle Bedeutung zukommt, und 8 durch die Mitglieder, die 7U diesem Zweck von den Begierungsvertretern in der Konferenz unter Ausschluss der Vertreter der erwähnten 8 Mitglieder bezeichnet worden sind. Von den 16 vertretenen Staaten müssen 6 aussereuropäische sein.

Im gegenwärtigen Verwaltungsrat haben die Vereinigten Staaten von Amerika, Grossbritannien, Frankreich, Indien, Kanada, Belgien, Holland und China die den Staaten mit grösster wirtschaftlicher Bedeutung vorbehaltenen Verwaltungsratssitze inné.

265 5. I n k r a f t t r e t e n .

In bezug auf das Inkrafttreten der beschlossenen Satzungsänderungen ist massgebend die gegenwärtig geltende Bestimmung von Art. 86 des Statuts der Internationalen Arbeitsorganisation. Es musste jedoch Vorsorge getroffen werden für den Fall, dass der Völkerbundsrat vor dem Inkrafttreten der Urkunde über die Abänderung der Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation zu bestehen aufbort. Die Urkunde bestimmt daher, dass sie in einem solchen Falle rechtswirksam wird, sobald drei Viertel der Mitglieder der Organisation sie ratifiziert oder angenommen haben. Siehe Art. 6, insbesondere Abs. 2 der Urkunde; die andern Vorschriften dieses Artikels, wie auch von Art. 5, regeln die formelle Durchführung der Satzungsänderungen.

In einer besondern Resolution der Konferenz werden die Mitgliedstaaten eindringlich auf die Wichtigkeit einer raschen Eatifizierung der beschlossenen Satzungsänderungen aufmerksam gemacht (Beilage 8). Das Inkrafttreten bildet in der Tat die notwendige Voraussetzung für das Weiterbestehen der Internationalen Arbeitsorganisation an sich, wie insbesondere auch für die erforderlich gewordene umfassende Prüfung der konstitutionellen Fragen der Organisation an der im nächsten Herbst zusammentretenden Allgemeinen Konferenz.

IV. Ratifikation der Satzungsänderungen durch die Schweiz.

Die Urkunde über die Abänderung der Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation ist von der Internationalen Arbeitskonferenz am 5. November 1945 einstimmig bei ganz vereinzelten Enthaltungen angenommen worden. Die Konferenz bekundete damit eindeutig den festen Willen, der Organisation die nötige Grundlage zu geben, damit sie auch unter den neuen Verhältnissen ikre wichtige Aufgabe fortführen, ja noch intensivieren kann.

Dieses Ziel muss auch die Haltung unseres Landes bestimmen. Von jeher hat die Schweiz entsprechend ihrer Tradition an den Bestrebungen der Internationalen Arbeitsorganisation aktiv teilgenommen, und sie wird sich auch in Zukunft nach besten Kräften für eine fortschrittliche, auf gesunder wirtschaftlicher Grundlage beruhende internationale Sozialpolitik einsetzen. Es ist deshalb gegeben, dass sie die beschlossenen Satzungsänderungen ratifiziert.

Diese Änderungen gewährleisten den Weiterbestand der Organisation, die in den 25 Jahren ihres Wirkens
Grosses geleistet hat, sie fördern ihre Universalität und schaffen die Voraussetzung -- so ist wenigstens zu hoffen -- für die zweckmässige Lögung sozialer Fragen auf internationalem Boden, die für die Erhaltung des Friedens und die Wohlfahrt der Völker unumgänglich notwendig ist. Anderseits wird dadurch die endgültige Gestaltung der Organisation und ihr Verhältnis zu den Vereinigten Nationen in keiner Weise präjudiziert.

Wir unterbreiten Ihnen daher (siehe Beilage 1) den Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend die Genehmigung der Urkunde über die Abänderung der Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation, beschlossen an der

266 27. Internationalen Arbeitskonferenz in Paris am 5. November 1945, und beantragen Ihnen, durch dessen Annahme den Satzungsänderungen zuzustimmen.

Dieser Bundesbeschluss ist dem Eeferendum unterstellt. Gemäss Art. l, Abs. 2, des Bundesbeschlusses vom 5. März 1920 betreffend den Beitritt der Schweiz zum Völkerbund gelten die Bestimmungen der Bundesverfassung betreffend die Promulgation der Bundesgesetze auch für die Ratifikation von Abänderungen des Völkerbundsvertrages und für die Genehmigung von Übereinkünften aller Art, die in einem Zusammenhange mit dem Völkerbund stehen.

Gemäss Art. 89, Absatz 4, der Bundesverfassung, angenommen an der Volksabstimmung vom 30. Januar 1921, gilt diese Vorschrift auch für alle Staatsvcrträge mit dem Auslande, die auf unbestimmte Zeit oder auf eine Zeitdauer von mehr als 15 Jahren abgeschlossen sind.

Der Abänderungsvorschlag, um den es sich hier handelt, ist gleichzeitig als eine Übereinkunft im Zusammenhange mit dem Völkerbund, und als ein Staatsvertrag mit dem Ausland auf unbestimmte Zeit aufzufassen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 9. Februar 1946.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Robelt.

Der Bundeskanzler: Leimgruber.

3 Beilagen.

267 (Entwurf.)

Beilage i

Bundesbeschluss betreffend

die Genehmigung der Urkunde über die Abänderung der Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation,

Die Bundesversammlung der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 9. Februar 1946, beschliesst : Art. 1.

Die Urkunde über die Abänderung der Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation, beschlossen an der 27. Internationalen Arbeitskonferenz in Paris am 5. November 1945, wird ratifiziert.

Art. 2.

Dieser Bundesbeschluss unterliegt der Vorschrift von Art. 89 der Bundesverfassung über den Erlass von Bundesgesetzen.

Art. 3.

Der Bundesrat ist mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

268 Beilage 2.

Übersetzung,

Internationale Arbeitskonferenz.

Urkunde über die Abänderung der Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Paris einberufen wurde und am 15, Oktober 1945 zu ihrer siebenundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, unverzüglich eine beschränkte Zahl von Abänderungen an den Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation anzunehmen mit Bezug auf gewisse Fragen von unmittelbarer Dringlichkeit, die zum vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehören.

Die Konferenz nimmt heute, am 5. November 1945, die folgende Urkunde an, die Abänderungen an den Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation enthält und als Abänderungsurkunde, 1945, über die Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation bezeichnet wird.

Artikel 1.

Im letzten Absatz der Präambel der Satzungen der Organisation werden, die Worte «folgendes vereinbart» ersetzt durch die Worte «den folgenden Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation zugestimmt».

Artikel 2.

1. Der gegenwärtige Wortlaut von Art. l, Abs. 2, der Satzungen der Organisation wird durch folgende Absätze ersetzt: 2. Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation sind die Staaten, die am 1. November 1945 Mitglieder der Organisation waren, und alle weiteren Staaten, die nach den Bestimmungen von Absatz 8 und 4 dieses Artikels Mitglieder werden.

3. Jedes ursprüngliche Mitglied der Vereinigten Nationen und jeder Staat, der durch Entscheid der Generalversammlung nach den Bestimmungen der Charta als Mitglied der Vereinigten Nationen aufgenommen ·wird, kann die Mitgliedschaft bei der Internationalen Arbeitsorganisation erwerben durch eine Mitteilung an den Direktor des Internationalen Arbeitsamtes, worin in aller Form die Annahme der aus den Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation ihm erwachsenden Verpflichtungen erklärt ·wird.

269 4. Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation kann auch Mitglieder durch einen MehrheitsbescMuss von zwei Dritteln der an der Tagung anwesenden Delegierten, einschliesslich von zwei Dritteln der anwesenden und stimmenden Begierungsdelegierten, in die Organisation aufnehmen. Eine solche Aufnahme tritt in Kraft auf Grund einer Mitteilung der Begierung des neuen Mitgliedes an den Direktor des Internationalen Arbeitsamtes, worin in aller Form die Annahme der aus den Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation ihm erwachsenden Verpflichtungen erklärt wird.

5. Kein Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation kann aus dieser austreten, ohne zuvor seine Absicht dem Direktor des Internationalen Arbeitsamtes bekanntgegeben zu haben. Eine solche Erklärung tritt zwei Jahre nach dem .Tag in Kraft, an dem der Direktor sie erhalten hat, unter dem Vorbehalt, dass das Mitglied in diesem Zeitpunkt alle ihm aus der Mitgliedschaft erwachsenden finanziellen Verpflichtungen erfüllt hat. Wenn ein Mitglied ein Internationales Arbeitsübereinkommen ratifiziert hat, so berührt ein solcher Austritt für die im Übereinkommen vorgesehene Dauer in keiner Weise die Gültigkeit der Verpflichtungen, die sich aus dem Übereinkommen oder in Verbindung damit ergeben.

6. Falls ein Staat aufgehört - hat, Mitglied der Organisation zu sein, regelt sich seine Wiederaufnahme als Mitglied nach den Bestimmungen von Absatz 3 und 4 dieses Artikels.

Artikel 8.

Der gegenwärtige. Wortlaut von Artikel 13 der Satzungen der Organisation 'wird durch folgenden Wortlaut ersetzt: 1. Die Internationale Arbeitsorganisation kann mit, den Vereinigten Nationen die als angezeigt erscheinenden Vereinbarungen über Finanzen und Voranschlag treffen.

2. Bis zum Abschluss solcher Vereinbarungen, oder falls in irgendeinem Zeitpunkt keine solchen Vereinbarungen in Kraft sind, gilt folgendes : a. Jedes Mitglied zahlt die Eeise- und Aufenthaltskosten seiner Delegierten und ihrer technischen Eatgeber ebenso wie semer Vertreter, die entweder an den Tagungen der Konferenz oder an denen des Verwaltungsrates teilnehmen.

fc. Alle andern Kosten des Internationalen Arbeitsamtes und der Tagungen der Konferenz oder des Verwaltungsrates werden vom Direktor des Internationalen Arbeitsamtes aus den allgemeinen Krediten der.Internationalen
Arbeitsorganisation bestritten.

c. Die Vorschriften über die Genehmigung des Voranschlages der Internationalen Arbeitsorganisation wie auch über die Veranlagung und Einziehung der Beiträge werden von der Konferenz durch einen Mehrheitsbeschluss von zwei Dritteln der Stimmen der anwesenden Delegierten Bundesblatt. 98. Jahrg. Bd. I.

19

270 aufgestellt. Sie sollen eine Bestimmung enthalten, wonach der Voranschlag und die Begelung der Verteilung der Kosten unter die Mitglieder durch einen Ausschuss von Regierungsvertretern zu genehmigen sind.

3; Die Kosten der Internationalen Arbeitsorganisation werden von den Mitgliedern entsprechend der Eegelung getragen, die auf Grund von Absatz l oder von Absatz 2 c dieses Artikels gilt.

4. Ein Mitglied der Organisation, das mit der Zahlung seines Beitrages an ihre Kosten im Bückstand ist, kann an Abstimmungen an der Konferenz, im Verwaltungsrat oder in einem Ausschuss oder an den Wahlen von Mitgliedern des Verwaltungsrates nicht teilnehmen, falls der Betrag seiner Zahlungsrückstände dem von ihm geschuldeten Beitrag für die zwei vollen Jahre, die vorausgegangen sind, gleichkommt oder ihn übersteigt. Die Konferenz kann jedoch ein solches Mitglied zur Stimmabgabe ermächtigen, wenn nach ihrer Feststellung das Versäumnis auf Umstände zurückzuführen ist, die vom Willen des Mitgliedes unabhängig sind.

5. Der Direktor des Internationalen Arbeitsamtes ist gegenüber dem Verwaltungsrat für die Verwendung der Mittel der Internationalen Arbeitsorganisation verantwortlich.

Artikel 4.

Der gegenwärtige Wortlaut von Artikel 86 der Satzungen der Organisation wird durch folgenden Wortlaut ersetzt: Abänderungen an diesen Satzungen, die von der Konferenz durch einen Mehrheitsbeschluss von zwei Dritteln der Stimmen der anwesenden Delegierten beschlossen worden sind, treten in Kraft, sobald sie von zwei Dritteln der Mitglieder der Organisation ratifiziert oder angenommen worden sind, wobei diese zwei Drittel fünf der acht Mitglieder einschliessen müssen, die im Verwaltungsrat als Mitglieder vertreten sind, denen nach Artikel 7, Absatz 3, dieser Satzungen wirtschaftlich die grösste Bedeutung zukommt.

Artikel 5.

Drei authentische Ausfertigungen dieser Abänderungsurkunde werden vom Präsidenten der Konferenz und vom Direktor des Internationalen Arbeitsamtes unterzeichnet. Eine Ausfertigung wird in den Archiven des Internationalen Arbeitsamtes verwahrt, eine vom Generalsekretär des Völkerbundes und eine vom Generalsekretär der Vereinigten Nationen. Der Direktor wird eine beglaubigte Wiedergabe dieser Urkunde jedem Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation zustellen.

Artikel 6.

1. Die formelle Ratifikation oder Annahme dieser Urkunde ist dem Direktor des Internationalen Arbeitsamtes mitzuteilen, der den Mitgliedern der Organisation davon Kenntnis geben wird.

271 2! Diese Urkunde tritt nach den gegenwärtig geltenden Bestimmungen von Artikel 86 der Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation in Kraft. Falls der Völkerbundsrat vor dem Inkrafttreten dieser Urkunde zu bestehen aufhört, tritt sie in Kraft, sobald sie von drei Vierteln der Mitglieder der Organisation ratifiziert oder angenommen worden ist.

8. Mit dem Inkrafttreten dieser Urkunde werden die darin enthaltenen Abänderungen als Abänderungen an- den Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation rechtswirksam.

4. Sobald diese Urkunde in Kraft getreten ist, gibt der Direktor des Internationalen Arbeitsamtes dies allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation, dem Generalsekretär der Vereinigten Nationen und allen Staaten, welche die Charta der Vereinigten Nationen unterzeichnet haben, bekannt.

Der vorstehende Text bildet die authentische Fassung der Urkunde über die Abänderung der Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation 1945, wie sie die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, am 5. November 1945 im Verlaufe ihrer siebenundzwanzigsten Tagung, die in Paris abgehalten wurde, in vorschriftsgemässer Weise angenommen hat.

Der französische und der englische Wortlaut des Textes dieser Abänderungsurkunde sind in gleicher Weise massgebend.

Dies haben am 7. November 1945 durch ihre Unterschrift beurkundet : Der Präsident der Konferenz: A. Parodi.

Der Direktor ad intérim ^es Internationalen Arbeitsamtes :

Edward J. Phelan.

272

Übersetzung.

Beilage 3.

Internationale Arfoeitskonferenz.

Resolution betreffend das Inkrafttreten der Urkunde über die Abänderung der Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation.

Die Konferenz lenkt die Aufmerksamkeit der Mitglieder der Organisation auf die Wichtigkeit einer raschen Eatifikation der Urkunde über die Abänderung der Satzungen der Organisation, die sie am 5. November 1945 angenommen hat, in der Meinung, es sei dies eine notwendige Massnahme vorgängig einer vollständigeren. Prüfung der konstitutionellen Fragen an der nächstjährigen Tagung der Konferenz. Die Konferenz gibt der Hoffnung Ausdruck,. dass diese Urkunde vor der Eröffnung der nächsten Tagung der Allgemeinen Konferenz von allen Mitgliedern der Organisation ratifiziert sein werde.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend die Genehmigung der Urkunde über die Abänderung der Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation. (Vom 9. Februar 1946)

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1946

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