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Bundesblatt

98. Jahrgang.

Bern, den 23. Mai 1946.

Band II.

Erscheint in der Regel alle 14 Tafte. Preis HO .Franfcen im Jahr, IO Franken, im Halbjahr, gmaglich Nachnahme- und Postbestellnngsgebnhr.

EinritcliungsgeWihr: 60 Kappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an Stämpfli * Cie. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über ausserordentliche Leistungen an Auslandschweizer.

(Vom 10. Mai 1946.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen mit folgender Botschaft den Entwurf eines Bundesbeschlusses über ausserordentliche Leistungen an Auslandschweizer zu unterbreiten.

1. Die allgemeine Lage der Aaslandschweizer.

Bis zum ersten Weltkrieg der Jahre 1914--1918 lebten rund 350000 Schweizerbürger in fremden Staaten, wovon gegen 200 000 in den verschiedenen Ländern Europas. Obschon jener Krieg bereits eine Anzahl unserer Landsleute zur Rückkehr nach der Schweiz gezwungen hat und seither fremdenpolizeiliche Massnahmen und autarkische Bestrebungen des Auslandes die Auswanderung erschwerten, hat sich die Zahl der im Ausland lebenden Schweizerbürger bis zum Ausbruch des letzten Weltkrieges nicht wesentlich vermindert. Die Bedeutung des Auslandschweizertums ist daher schon zahlenmässig dargetan.

Sie liegt aber ebensosehr in der allgemeinen Haltung und Tätigkeit unserer Burger im Ausland, sowohl in Beziehung zu ihrer Heimat als zu ihrem Aufenthaltsland. Es ist nicht zu leugnen und zum Teil verständlich, dass viele der ausgewanderten Schweizer infolge langer Abwesenheit von der Heimat, durch wirtschaftliche und verwandtschaftliche Verflechtungen mit der Wahlheimat so stark in deren Bann geraten sind, dass die Beziehungen zur Heimat sich lockerten, wenn nicht völlig abrissen. Auch durch Verzichtleistungen auf das Schweizerbürgerrecht sind Verluste entstanden. Die Zahl der Schweizerbürger, die leichthin ihr angestammtes Bürgerrecht mit demjenigen des Wohnlandes vertauschten, war allerdings von jeher gering. Erst unter dem politischen Druck der letzten Vorkriegsjahre hat sich die Zahl der Verzichtleistungen ziemlich stark vermehrt, ohne aber selbst dann ein erträgliches Mass zu überschreiten.

Dass im ganzen genommen jedoch der Auslandschweizer seine Anhänglichkeit Bundesblatt. 98 Jahrg.

Bd. II.

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118 und Treue zur Heimat bewahrt hat, ist nicht zu bezweifeln. Dafür sind zahlreiche und untrügliche Beweise vorhanden. Fast überall im Ausland ist ein enger Kontakt unter unsern Landsleuten feststellbar, sind sie in Vereinen und Gesellschaften, in denen der vaterländische Geist wachgehalten und der Gemeinschaftsgedanke durch Hilfeleistung an wirtschaftlich schwächere Glieder und Entgleiste gepflegt wird, zusammengeschlossen. An manchen Orten bestehen Heime und Schulen, die, zu einem grossen Teil durch den Opfersinn der einzelnen Landsleute finanziell durchgehalten, ebenfalls geeignet sind, das Schweizertum in der Fremde zu fördern. Wertvoll wirkt der Auslandschweizer aber auch durch sein.solides berufliches Können, seinen Fleiss und seine Beharrlichkeit, die ihm nicht nur Wohlstand einbringen, sondern ihm auch die Achtung und Sympathie des Gastlandes sichern. Hieraus, sowie aus der Befruchtung der schweizerischen Wirtschaft durch den im Ausland wirkenden Landsmann und aus seiner Tätigkeit als kulturelles Bindeglied zwischen Fremde und Heimat, zieht auch diese .Nutzen und Vorteile. Sie hat daher Ursache, im allgemeinen das Auslandschweizertum als ein beträchtliches moralisches und materielles Kapital zu schätzen, aber auch die Verpflichtung, jetzt und in Zukunft sogar mehr als es bisweilen in der Vergangenheit geschah, dem Schicksal der Auslandschweizer die verdiente Beachtung zu schenken.

. Der Auslandsaufenthalt bietet unsern Landsleuten vielfach die Vorteile grösserer und günstigerer Entwicklungsmöglichkeiten, die der karge Boden der Heimat, ihre wirtschaftliche Enge und die Konkurrenz auf allen Gebieten nicht im gleichen Masse gewähren können. Doch birgt der Aufenthalt in der Fremde auch gewisse Gefahren. Der die Heimat verlassende Schweizerbürger muss sich dessen bewusst sein, dass er in der Fremde weitgehend auf sich selbst angewiesen ist. Freilich sucht die Schweiz ihm nach Möglichkeit Schutz zu gewähren, indem sie durch den Abschluss namentlich von Niederlassungs-, Eechtsschutz-, Handels- und Fürsorgeverträgen bestrebt ist, ihrem Bürger die Zulassung auf fremdem Boden und seine dortige wirtschaftliche Entfaltung zu ermöglichen, sowie ihm bei Verarmung wenigstens ein Minimum an Unterstützung und Krankenpflege zu sichern. Aufgabe der diplomatischen und konsularischen Vertretungen ist es,
diesen Verträgen Nachachtung zu verschaffen und dem schweizerischen Landsmann in der Fremde Schutz vor Willkür und Rechtlosigkeit zu gewähren. Jedoch kann dieser Beistand bestenfalls in der Gleichstellung des Schweizers mit dem Bürger des Gastlandes, nicht aber etwa in einer Priyilegierung unseres Landsmannes bestehen.

Diese Sicherungen mögen unter normalen Verhältnissen genügen. In Zeiten andauernder Krisen oder gar wenn Kriege oder Eevolutionen ausbrechen, erweist sich der aufgerichtete Schutzdamm vielfach den entfesselten Gewalten gegenüber als unzureichend, um so mehr, als der Schweiz als kleines Land nur geringe Machtmittel zur Verfügung stehen, ihn wirksam zu stützen. Geraten die Angehörigen des Gastlandes selber in Not und Bedrängnis, ohne dass ihr eigener Staat sie davor bewahren kann, so ist auch unsern Landsleuten meist ,das gleiche Los beschieden. Die Heimat vermag ihnen wohl in bescheidenem

119 Masse zu helfen, ohne aber das Schicksal von ihnen abwenden zu können.

Diese Erfahrung inachte man bereits während des ersten Weltkrieges und während den schweren Krisenjahren der Nachkriegszeit, sodann im Krieg in Abessinien und im spanischen Bürgerkrieg. Alle diese Ereignisse brachten unsern in den betroffenen Ländern und Gegenden wohnenden Schweizerbürgern, bereits erhebliche Einbussen. Sie erscheinen uns heute aber noch als geringfügig im Verhältnis zu dem schweren Leid, das die Katastrophe des letzten Weltkrieges über Europa und weite Teile der übrigen Welt gebracht hat und durch welche auch eine ausserordentlich grosse Zahl von Auslandschweizern in Mitleidenschaft gezogen wurde, indem sie Schäden und Verluste in schwerstem Ausmass zu erleiden hatten. Durch den zu Ende gegangenen Weltkrieg ist das Auslandschweizerproblem, das vorher wenigstens für den zu Hause gebliebenen Schweizerbürger kaum wahrnehmbar war, erheblich verschärft worden. Dass es sich um ein Problem, und zwar um ein sehr verwickeltes handelt soll durch die nachfolgende Darstell ung der allgemeinen Lage unserer Ausland schweizer kurz dargetan werden.

Während in den fremden Ländern des vom Krieg heimgesuchten Europas noch ungefähr 180 000 Schweizerbürger leben, sind bisher rund 60 000 (siehe Näheres aus der Beilage) gezwungen worden, nach der Schweiz zurückzukehren, nachdem sie ihre oft in jahrelanger Arbeit mühsam aufgebaute Existenz eingebüsst haben. Ihre Heimstätten und ihr bewegliches Gut sind vielfach den direkten oder indirekten Einwirkungen des Krieges zum Opfer gefallen. Vom Ausmass der Einbussen geben die beim Politischen Departement angemeldeten Kriegsschäden, die, ohne dass die Liste abgeschlossen wäre, bis anfangs März 1946 einen Betrag von rund 876 Millionen Schweizer Pranken ausmachen, ein eindruckvolles Bild. Wenngleich zuverlässige Feststellungen, wenn je solche überall gemacht werden könnten, auch gewisse Korrekturen an den vielfach subjektiv gefärbten Einschätzungen bringen dürften, so bleiben dennoch Schäden und Verluste in aussergewöhnlich grossein Ausmass übrig.

Wo Eigentumseinbussen auch nicht durch eigentliche Kriegshandlungen entstanden, wurden unsern Landsleuten im Ausland infolge anderer, durch den Krieg geschaffener Verhältnisse oder durch Massnahmen fremder Behörden die Existenzgrundlagen entzogen
und sie auf diese Weise in zahlreichen Fällen um die Früchte ihrer Arbeit gebracht. Die letzte Konsequenz, die sie ziehen konnten, bestand in der Rückkehr nach der Schweiz. Die Eückwanderung ist heute noch keineswegs abgeschlossen. Die Verhältnisse, unter denen unsere Landsleute besonders in den europäischen Ostgebieten bis jetzt noch durchgehalten haben, sind so prekär, dass mit der Eückkehr von weitern Tausenden von Landsleuten gerechnet werden muss. Welches Leid unsere Mitbürger erfahren haben und wie schwer das Schicksal auf ihnen lastet, kann durch diese Feststellungen nur angedeutet, kaum aber in der ganzen Tragweite erfasst werden. Tragisch ist, dass viele der zur Heimkehr gezwungenen Auslandschweizer in ihrem früheren Wohnstaat noch erhebliche Vermögenswerte be-

120 sitzen, die sie jedoch infolge der bestehenden Devisenvorschriften dort zurückzulassen gezwungen waren, und nun in der Schweiz das niederdrückende Gefühl empfinden müssen, trotz eigentlich vorhandenem Besitz, in der Heimat von allen Mitteln entblösst und auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Die zuständigen Bundesbehörden unternahmen die möglichen Schritte, um das im Ausland verbliebene Vermögen der schweizerischen Bückwanderer nach der Schweiz heimzuschaffen. Es ist auch auf Grund verschiedener, mit fremden Staaten abgeschlossener Zahlungsabkommen gelungen, ganz erhebliche Beträge den Rückwanderern in der Schweiz auszurichten. Manch einer hat sich dank der Rettung .eines Teils seiner Auslandsguthaben in der Schweiz eine neue Existenz schaffen können, während andere wenigstens eine Zeitlang aus diesen Transferierungen ihren Lebensunterhalt zu fristen vermochten. Für den Grossteil der Rückwanderer konnten aber nur sehr geringfügige oder gar keine Geldmittel im Verrechnungsverkehr gerettet werden. Sie müssen auch in Zukunft auf diese Hilfe verzichten, solange der Zahlungsverkehr mit dem Ausland nicht auch auf den privaten Vermögenstransfer ausgedehnt werden kann, was allerdings im Verhältnis zu gewissen Staaten, in beschränktem Umfang wenigstens, in absehbarer Zeit wieder möglich werden dürfte.

Die Schwierigkeiten pekuniärer Natur sind nicht die einzigen, mit denen der schweizerische Rückwanderer zu kämpfen hat, obschon die mannigfachen Behinderungen anderer Art doch fast immer auf die kriegsmässig bedingte finanzielle Notlage zurückzuführen sind. Dank der heutigen günstigen Konjunktur auf dem Arbeitsmarkt finden zwar die meisten Rückwanderer verhältnismässig bald einen Arbeitsplatz, der aber vielfach den beruflichen Kenntnissen und der früher im Ausland innegehabten Position keineswegs entspricht und in einer grossen Zahl von Fällen dem Rückwanderer nur eine sehr unsichere Existenzgrundlage gewährleistet. Wo Rückwanderer stellenlos werden, wirkt sich das für sie nachteiliger aus, da sie meist nicht über die Verbindungen und Hilfsquellen verfügen, die zahlreichen andern Schweizern doch zur Verfügung stehen. Für Auslandschweizer in einem gewissen Alter ist die Existenzgründung.

. allgemein erschwert, und für bestimmte Berufe ist in der Schweiz überhaupt kein Tätigkeitsgebiet zu finden, so dass
die Rückwanderer in dieser Lage umlernen und neue, ihnen ungewohnte Erwerbszweige suchen und ergreifen müssen. Die daraus sich ergebenden materiellen und psychologischen Schwierigkeiten werden infolge der Unvertrautheit mit den schweizerischen Verhältnissen noch gesteigert. Die Unkenntnis dieser Verhältnisse bildet auch für den im Ausland selbständig tätig gewesenen Rückwanderer ein Hindernis, selbst wenn er, was nur in seltenen Fällen eintritt, ein Kapital zur Verfügung gestellt erhält, das ihm erlauben würde, in der Schweiz wieder eine bescheidene selbständige Existenz aufzubauen. Zum Problem der, Arbeitsbeschaffung gesellt sich die Unterkunftsfrage, die bei der allgemein herrschenden Wohnungsnot und der grossen Zahl der Rückwanderer besonders schwierig zu lösen ist. Auch sonst ergeben sich für den Rückwanderer in manchen Erscheinungen, des täglichen Lebens Anstände verschiedenster Art, die oft auf eine gewisse Verständnis-

121 losigkéit der Bevölkerung der Lage des Rückwanderers gegenüber., aber ebenso häufig auf gegebene und nicht zu ändernde innerschweizerische ^7erhältnisse zurückzuführen sind, welche der 1 durch die bittem Erfahrungen im Ausland empfindlich gewordene Rückwanderer oft nicht richtig zu; würdigen vermag.

Bedauerlicherweise zeigen manche Beispiele, dass namentlich Rückwanderer aus Deutschland, Österreich und östlichen Gebieten, nur weil sie die schweizerischen Dialekte nicht beherrschen, vielerorts mit ihren Anliegen auf recht wenig Entgegenkommen, ja sogar auf schroffe und unfreundliche Ablehnung stossen.:. Leider ist festzustellen, dass viele Rückwanderer sich auch nach bereits längerem Verweilen in der Schweiz hier fremd und verlassen fühlen und Not und Enttäuschungen eine deutlich spürbare Mutlosigkeit und Missstimmung erzeugt haben, die sich'selbst weiten Kreisen der anpassungswilligen und anpassungsfähigen Rückwanderer bemächtigt hat.

'· Was die Lage der Schweizerbürger betrifft, die in den vom ;Krieg verheerten Staaten geblieben sind, ist sie von Land zu Land und von Gegend zu Gegend verschieden, je nachdem der Krieg seine Spuren hinterlassen hat.

Wo direkte Kriegshandlungen und Bombardierungen auch: ausblieben, leiden unsere Landsleute dennoch unter dem Mangel an Nahrungsmitteln, Kleidern, Schuhen und andern Gebrauchsgegenständen, sowie unter der noch vorhandenen allgemeinen Beeinträchtigung von Handel und Wandel. Diesen Übeln kann aber verhältnismässig leicht durch Lieferungen aus; der Schweiz und Nachhilfen in Form von Geldleistungen entgegengewirkt werden. Schlimmer steht es dort, wo der Krieg schwere Zerstörungen verursacht hat. Zu den allgemeinen Mangelerscheinungen, die dort noch ausgesprochener vorhanden sind, gesellen sich zerstörte Wohnungen und stillgelegte Betriebe. Für unsere betroffenen Landsleute ist es unmöglich, ihre Häuser einigermassen instand zu stellen, den zugrunde gegangenen Hausrat zu ersetzen oder die Betriebe wieder in Gang zu bringen. Wäre man ausserstande, diesen Schweizerbürgern, die ihre Auslandspositionen bisher so zäh verteidigt haben, zu Hilfe zu eilen, so könnte leicht und bald der Fall eintreten, dass auch ihnen das weitere Durchhalten unmöglich würde und sie ebenfalls ihre letzte Zuflucht in der Rückkehr nach der Schweiz zu suchen gezwungen wären.
Die Bedeutung des Auslandschweizertmus für die:Heimat in kultureller, politischer .und wirtschaftlicher Hinsicht ist derart gross, dass es einen Rückhalt an der Heimat erwarten darf. Hat der letzte Weltkrieg den Auslandschweizern allgemein schweren Schaden gebracht, so wird die Heimat dennoch künftig auf ein gesundes, unternehmendes, aber auch heimattreues Auslandschweizertum rechnen können, wenn sie durch eine grosse Leistung:den neuerdings im Ausland in Not geratenen Landsleuten tatkräftig beisteht.

2. Die bisherigen Hilfsmassnahmen.

Die Linderung der materiellen Notlage, in die unsere Auslandschweizer durch Kriege und Revolutionen geraten können, wäre verfassungsmässig

122 eigentlich Aufgabe der in der Armenpflege allein zuständigen Kantone und Gemeinden. Dies gilt wenigstens für die nach Hause zurückgekehrten Landsleute, während eine Verpflichtung zur Fürsorge gegenüber den im Ausland verbliebenen Schweizerbürgern in der Eegel nicht anerkannt wird. Bei dieser Sachlage würden daher, wenn die fremden Behörden unsern Bürgern, was meist zutrifft, keine Fürsorge leisten, die Schweizer im Ausland vielfach ohne jegliche Hilfe bleiben. Um ihnen aber beizustehen und auch die heimgekehrten Auslandschweizer, deren Notlage nicht auf Verarmung im gewöhnlichen Sinn, sondern auf ausserordentliche Umstände zurückzuführen ist, nicht schlechtweg der Armenpflege zu überlassen, begann der Bund schon während des i ersten Weltkrieges, die Auslandschweizer zu unterstützen. Durch den Bundesbeschluss vom 21. Juni 1923 und die bundesrätliche Verordnung vom 3. Dezember gleichen Jahres wurde diese Hilfeleistung gesetzlich geregelt. Anlass dazu gab die Vorlage des Bundesrates vom 23. August 1921, durch welche den im Krieg zu Schaden gekommenen Grundbesitzern Hilfe gewährt werden sollte. Die eidgenössischen Bäte folgten dieser Vorlage jedoch nicht, weil sie die Grundbesitzer nicht vor den übrigen, ebenfalls. benachteiligten Schweizerbürgern privilegieren, sondern allen kriegsgeschädigten Auslandschweizern in gleicher Weise helfen wollten. Der erwähnte Bundesbeschluss bezeichnete daher die Hilfe des Bundes ausdrücklich als eine allgemeine und freiwillige Leistung, wonach dem Auslandschweizer, der zufolge der durch den Krieg geschaffenen Verhältnisse unverschuldet in Not geraten war, zur Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse oder zur Pflege in Krankheitsfällen Hilfe gewährt werden sollte, ohne dass er zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Leistungen verpflichtet wurde. Die Fürsorgetätigkeit auf Grund dieser gesetzlichen Grundlage musste, da die Auswirkungen des Krieges von 1914--1918 sich fortgesetzt geltend machten und neue Erschütterungen eintraten, durch welche Auslandschweizer in Mitleidenschaft gezogen wurden, bis zum Beginn des Krieges von 1939 weitergeführt werden, wenn auch glücklicherweise die Zahl der Fürsorgefälle fortwährend zurückging. Die ursprünglich bewilligten 5 Millionen Franken waren bereits im Jahre 1926 konsumiert. Seither wurden die erforderlichen Kredite in die
jährlichen Voranschläge aufgenommen.

Zeigte sich aus den erörterten Gründen, wie nötig es war, dass der Bund in ausserordentlicher Weise den früher kriegsgeschädigten Auslandschweizern Hilfe leistete, so bewies die durch den neuen Krieg geschaffene Lage sehr bald ebenfalls die unabwendbare Notwendigkeit, Hilfe auch den durch den zweiten Weltkrieg geschädigten Landsleuten aus dem Ausland angedeihen zu lassen. Im Gegensatz zu früher trafen uns erfreulicherweise die Ereignisse diesmal nicht unvorbereitet, befand sich doch der eingespielte Fürsorgeapparat der Polizeiabteilung des Justiz- und Polizeidepartementes, bei der das Hilfswerk des Bundes seit 1926 zentralisiert ist. zu sofortigem Einsatz bereit und waren auch durch das eidgenössische Kriegsfürsorgeamt Massnahmen getroffen, um den heimkehrenden Auslandschweizer an der Grenze in Empfang zu nehmen und ihn der weitern Hilfeleistung im Landesinnern zuzuführen. Die Hilfs-

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massnahmen der Pqlizeiabteiluug, welcher der Bundesrat durch Beschluss vom 5. September 1989 die notwendigen Kredite einräumte, umfasste die Betreuung der im Ausland verbliebenen Schweizerbürger, ihre organisierte Heimnahme (soweit eine solche in,Frage kam), sowie die Fürsorge für die Rückwanderer und nahmen im Laufe des Krieges einen ausserordentlich grossen Umfang an.

Den im Ausland verbliebenen Landsleuten wurde hauptsächlich dadurch geholfen, dass ihnen, je nach der Versorgungslage des Gastlandes, durch regelmässige oder gelegentliche Sendungen Lebensmittel, Kleider, Schuhe, Medikamente und andere ini Gastland fehlende Artikel geliefert wurden. Obschon die Sendungen nach einigen Staaten bereits eingestellt werden konnten, müssen heute noch über 70 000 Auslandschweizer auf diese Weise zusätzlich versorgt werden. Jedoch ist zu hoffen, dass die Lieferungen im Laufe dieses Jahres weiterhin abgebaut werden können. Neben dieser Kollektivhilfe musste zahlreichen Schweizerbürgern aber auch individuell durch Verabfolgung von Barbeträgen zur Fristung des Lebensunterhaltes geholfen werden. Für die Wiederinstandstellung von Wohnungen und Betrieben konnten bisher aber noch keine Hilfsmassnahmen getroffen werden, weil der Überblick noch mangelte und die Mittel dafür nicht ausreichend erschienen.

Dem nach der Heimat zurückgekehrten Auslandschweizer wurde bisher individuell geholfen. War er unbemittelt und standen ihm keine andern Hilfsmittel zur Verfügung, so erhielt er, was er zum Lebensunterhalt benötigte: Beiträge in bar, Kleider, Hausrat, Berufswerkzeuge, ferner! Beiträge für Krankenpflege, Kurgebrauch und für kurzfristige Erholungsaufenthalte in der Schweiz. Die Ansätze, variierten nach den Bedürfnissen des Einzelfalles, die ausserordentlich verschieden sind, entsprachen aber stets, der besondern Lage des Auslandschweizers eingedenk, den Ansätzen einer gehobenen Fürsorge.

Wo eine genaue Prüfung des Einzelfalles es gerechtfertigt erscheinen liess, wurden zur Neugründung einer Existenz auch Kapitalbeihilfen gegen Rückzahlungsverpfhchtung im Betrag von 5000 bis 10 000 Franken gewährt. Vielfach wurden Rückwanderern, die im Ausland über greifbares Barvermögen verfügen, Vorschüsse gegen Einzahlung der entsprechenden Beträge in der Währung des früheren Gastlandes gewährt, die, soweit möglich, für die Deckung
der Betriebsauslagen unserer Gesandtschaften und Konsulate und für Unterstützungen verwendet werden. Auf den geäufneten Guthaben in Fremdwährung sind allerdings durch eingetretenen Valutazerfall erhebliche Verluste entstanden.

Die Rückwanderung, die besonders stark seit Abschluss des Krieges wieder eingesetzt hat, machte die Einrichtung von Quarantänelagern und Rückwandererheimen notwendig, weil es sich als unmöglich erwies, allen Heimkehrern geeignete Wohnstätten zur Verfügung zu stellen. In den gegenwärtig betriebenen ca. 30 Heimen befinden sich fortgesetzt zwischen 2000 und 3000 Personen, die zu Lasten des Bundes verpflegt werden müssen, bis sie eine Arbeitsstelle gefunden haben. Arbeitsunfähige können möglicherweise längere Zeit in diesen Heimen verbleiben.

124 Die Bemühungen des Bundes zugunsten der Auslandschweizer wurden durch die private Fürsorge unterstützt, wobei besonders die Zentralstelle für Bückwandererhilfe, die Stiftung Schweizerhilfe, das Auslandschweizersekretariat der Neuen Helvetischen Gesellschaft und die Stiftung Pro Juventute sich Verdienste erworben haben. Das Hauptgewicht der Fürsorge lag aber und liegt auch jetzt noch auf dem Bund.

Es kann nicht bezweifelt werden, dass die bisherigen Bemühungen, die ökonomische Notlage der Auslandschweizer zu lindern, bereits gute Früchte getragen haben. Indem sich die Bundeshilfe nicht darauf beschränkte, nur die dringendsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen, sondern fortgesetzt bestrebt sein musste, durch Ausrüstung der Eückwanderer und ihrer Familien mit allem Nötigen und durch Gewährung sehr beträchtlicher Kapitalhilfen die Voraussetzungen für die Weiterführung von Existenzen zu schaffen, hat sie längst den Charakter einer blossen Unterstützungsaktion abgestreift und ist zu einer eigentlichen A u f b a u h i l f e geworden, die den künftigen Leistungen sehr wirksam vorgearbeitet hat.

Neben der Polizeiabteilung haben sich auch andere Behörden des Bundes, namentlich das Politische Departement zusammen mit der eidgenössischen Handelsabteilung und der Schweizerischen Verrechnungsstelle in Kürich, um die Nöte der Auslandschweizer bemüht. Was in der Kriegsschädenfrage, für die Transferierung von Auslandsguthaben und zum Schutz der Interessen der Auslandschweizer bei fremden Staaten unternommen wurde, ist ausführlich im Geschäftsbericht des Politischen Departementes für das Jahr 1945 niedergelegt, auf den wir der Kürze halber hier verweisen. Im weitern möchten wir Ihre Aufmerksamkeit auch noch auf die Antwort des Bundesrates auf die Interpellation Bühler vom 12. November 1945 über kriegsgeschädigte Auslandschweizer hinlenken, worin zu den Kriegsschäden- und Transferfragen einlä.sslich Stellung genommen worden ist.

Seit dem Jahre 1915, als mit der Hilfeleistung gegenüber den Auslandschweizern begonnen wurde, bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges im September 1939, betrugen die Nettoausgaben des Bundes 36,75 Millionen Franken. Die Aufwendungen der Kantone und Gemeinden, die sich an den Fürsorgelasten beteiligten, beliefen sich im gleichen Zeitraum schätzungsweise auf 16 Millionen Franken,
während aus privater Hand 4,25 Millionen beigesteuert wurden. Während des zweiten Weltkrieges bis jetzt, d. h. also in der Zeit von etwa 6% Jahren, wendete der Bund neuerdings zum gleichen Zwecke rund 55 Millionen auf. Die zusätzlichen Ausgaben der Kantone und Gemeinden, sowie der privaten Fürsorge können auf ungefähr 10 Millionen Franken veranschlagt werden. Das bisher Geleistete darf sich sehen, lassen, muss aber fortgeführt werden. Das Hilfswerk soll gegenüber heute noch ausgebaut und einheitlicher gestaltet werden, damit möglichst rasch die Gesundung des Auslandschweizertums eintrete.

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3. Die Begehren der Auslandschweizer.

Viele Auslandschweizer, und besonders Bückwanderer, sind durch die bisherigen Leistungen des Bundes nicht zufriedengestellt, weniger deshalb, weil sie die Anstrengungen der Behörden und das Ausmass der: materiellen Hilfe als an sich zu geringfügig einschätzen würden, sondern, weil die Hilfe nach ihrer Auffassung zu sehr Fürsorge darstellt und mit dem Odium der Almosengewährung behaftet ist. Sie erwarten von der Heimat eine des Wohltätigkeitscharakters entkleidete Leistung. Ihr Verlangen zielt in erster Linie darauf ab, dass der Bund, sofern seinen Bemühungen, durch die fremden Staaten Ersatz für die kriegsbedingten Verluste und zur Bettung ihrer eingefrorenen Auslandsguthaben nicht der gewünschte Erfolg beschieden sein sollte, .von sich aus diese Verluste und Einbussen ganz oder doch wenigstens zu einem guten Teil ersetzte. Die betreffenden Bückwanderer würden dadurch in den Genuss grösserer Geldmittel gelangen, die sie vom lästig empfundenen behördlichen Abwägen und Ermessen unabhängig machen und ihnen freiereu Spielraum für ihre Dispositionen lassen würden. Gewisse Kreise der Bückwanderer vertreten die Meinung, dass ihnen ein Bechtsanspruch auf Ersatzleistungen durch die Heimat zukomme.

Der Bundesrat hat diesen Standpunkt schon in seiner Botschaft an die Bundesversammlung vom 23. August 1921 über Darlehensgewährung an schweizerische Grundbesitzer in den vom Krieg verwüsteten Ländern abgelehnt, und die eidgenössischen Bäte haben diese Auffassung geteilt,; wie sich aus dem bereits zitierten Bundesbeschluss vom 21. Juni 1928 über Hilfeleistung an unverschuldet notleidende Auslandschweizer ergibt, wo ausdrücklich auf den freiwilligen Charakter dieser Hilfe hingewiesen wurde. Der Bundesrat vermag auch jetzt einen Bechtsanspruch der Auslandschweizer auf Ersatz der durch die Kriegführung .fremder Mächte, im Ausland entstandenen Schäden nicht anzuerkennen. Fraglos ist aber, dass die bisher unternommenen Schritte, von den fremden Staaten Ersatz der Kriegsschäden wenigstens im Sinne einer Gleichstellung unserer Landsleute mit den Angehörigen der betreffenden Länder zu erlangen, trotz den vorhandenen Schwierigkeiten rechtlicher und praktischer Natur fortgesetzt werden sollen. Das gleiche gilt für die Heinischaffung oder Deblockierung der in fremden Staaten liegenden
Guthaben unserer Auslandschweizer, wobei freilich zu beachten ist, dass eine autonome Lösung von der Schweiz aus nicht getroffen werden kann, vielmehr mit dem Ausland Verhandlungen gepflogen werden müssen, wobei ein Erfolg weitgehend von der Wirtschaftslage der betreffenden Länder abhängig ist.

: Andererseits ist sich der Bundesrat darüber klar, dass es einer sozialen Pflicht entspricht, den sehr zahlreichen Auslandschweizern, | die sich entsprechend der Schilderung in Ziffer l dieser Botschaft auch heute noch in einer sehr prekären Lage befinden, auch inskünftig in angemessener Weise zu helfen.

Es erscheint daher im wohlverstandenen Interesse des Landes und der Auslandschweizer geboten, durch eine zusammengefasste grosse Anstrengung die sich

126 stellenden dringenden Aufgaben so zu lösen, dass vor allem die ökonomische Notlage der Auslandschweizer behohen wird, wodurch gleichzeitig auch andere Probleme sozusagen von selbst einer Lösung nähergebracht werden könnten.

4. Die Vorbereitungen zur Regelung der Auslandschweizerfragen.

Der Bundesrat war schon seit geraumer Zeit von der Notwendigkeit überzeugt, dass die durch den Krieg verschärften Auslandschweizerfragen gesamthaft behandelt und geregelt werden müssen. Eine solche Eegelung konnte aber mit Erfolg erst an die Hand genommen werden, nachdem eine Koordinierung der Arbeiten sichergestellt war. Auf Anregung des Justiz- und Polizeidepartementes wurde zunächst ein Arbeitsausschuss aus Vertretern der beteiligten Departemente gebildet, der die Prüfung der sich stellenden Fragen an die Hand nahm und den Bundesratsbeschluss vom 10. November 1945 vorbereitete, durch den die organisatorischen Grundlagen für das weitere Vorgehen geschaffen wurden. Durch diesen Beschluss wurde das Justiz- und Polizeidepartement ermächtigt, eine Expertenkommission zu ernennen, die dem Bundesrat und dem Arbeitsausschuss konsultativ zur Seite stehen sollte. Sodann wurde die Fürsorgesektion der Polizeiabteilung in die «Eidgenössische Zentralstelle für Auslandschweizerfragen» umgewandelt, die aber organisch der Polizeiabteilung eingegliedert bleibt.

Dieser Stelle wurde die Aufgabe übertragen, die Koordination der Arbeit zwischen Verwaltungsabteilungen, privaten Organisationen, Verbänden und Einzelpersonen zu sichern, die Behandlung der Auslandschweizerfragen initiativ zu fördern, für die Aufklärung des Publikums und der Auslandschweizer zu sorgen und bei der Durchführung allfälliger Geldsammlungen leitend mitzuwirken. Ausserdem übernahm die Zentralstelle die bisher von der Fürsorgesektion der Polizeiabteilung ausgeübte Hilfstätigkeit zugunsten der Schweizer im Ausland und der Rückwanderer, wodurch dieses Arbeitsgebiet einer sich «Polizei» nennenden Stelle entrückt wurde.

Durch den nämlichen Beschluss lehnte der Bundesrat die Anregung auf Ernennung eines Delegierten des Bundesrates für Auslandschweizerfragen ab.

Notwendigerweise muss das Schwergewicht in .der Behandlung der Auslandschweizerprobleme beim Bundesrat und den zuständigen Departementen verbleiben. Die Verantwortung für die Lösung dieser Probleme könnte nicht auf einen Delegierten übertragen werden, dessen Aufgabengebiet kaum so abgegrenzt werden könnte, dass nicht fortgesetzt Schwierigkeiten und Kompetenzfragen mit der ordentlichen Verwaltung entstehen würden. Der Bundesrat
hat auch jetzt keinen Anlass, seinen Beschluss in Wiedererwägung zu ziehen, obschon die Anregung seither wieder aufgegriffen worden ist.

Bestimmte, von der neugeschaffenen Zentralstelle ausgearbeitete und vom Arbeitsausschuss in den grossen Zügen gutgeheissene Vorschläge zur Lösung der Auslandschweizerfragen wurden am 6. März der inzwischen ernannten Expertenkommission, in welcher die Auslandschweizerorganisationen, die wirt-

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schaftlichen und sozialen Spitzen verbände, die Frauenvereine, Parlamentarier und kantonale Begierungsräte vertreten sind, zur Beratung vorgelegt.

Während die Vorschläge der Zentralstelle ausdrücklich eine volle oder teil.weise Abgeltung der Kriegsschäden aus schweizerischen Mitteln als,sozial un-, gerecht und finanziell untragbar ablehnte und als verbleibende Leistung eine der Gesamtheit der Auslandschweizer zugute kommende ausgebaute Hilfsaktion in den Vordergrund stellte, vertrat die Kommission die Meinung, die Kriegsschädenfrage sei weiter zu prüfen und gesondert zu behandeln. Im übrigen wurden die Vorschläge gutgeheissen und deren sofortige Verwirklichung als äusserst dringliche Aufgabe bezeichnet. Die Zusicherung des Vorstehers des Justiz- und Polizeidepartementes, dass die Angelegenheit den eidgenössischen Bäten mit dem Antrag um Behandlung in der kommenden Junisession sofort vorgelegt werde, wurde daher allgemein begrüsst.

5. Die Vorlage über ausserordentliche Leistungen an Auslandschweizer.

Vorbemerkungen.

1. Beim Kriegsschädenproblem steht der Bundesrat auf dem Standpunkt, dass bei der tiefen Verschuldung des Bundes auch an eine bloss teilweise Vergütung der schweren, von unsern ILandsleuten im Ausland erlittenen Verluste aus schweizerischen Mitteln nicht, gedacht werden kann. Die Vorlage will auf gesetzlicher Grundlage die bisherige Hilfe in ausgebauter Form fortsetzen und in beschleunigtem Tempo durchführen, so dass in einer Zeitspanne von 2--3 Jahren die Hauptaufgaben als gelöst betrachtet werden können. Mit allen tauglichen Mitteln soll dem Auslandschweizer, der wieder ins Wirtschaftsleben eingegliedert werden kann,1 zu einer Existenz verholten werden. Den Alten und Gebrechlichen, die für ihren Lebensunterhalt nicht mehr selbst aufkommen können, sollen Beiträge zum Lebensunterhalt gewährt werden, während dem Bückwanderer, der ins Ausland wiederauswandern will, dort die , Neugründung seiner Existenz zu ierleichtern wäre.

; 2. Eine rechtliche Regelung der Materie drängt sich aus verschiedenen Gründen auf. Die bisherige Hilfstätigkeit des Bundes, die, wie sich aus den oben angeführten Zahlen ergibt, bereits beträchtliche Geldmittel erforderte, gründete sich auf den Bundesbeschluss vom 21. Juni 1923 'über Hilfeleistung an unverschuldet notleidende Auslaridschweizer und auf den (nicht
veröffentlichten) Vollmachtenbeschluss des Bundesrates vom 5. September 193,9 über die Einräumung von Krediten. Der zitierte Bundesbeschluss von 1923 galt für die Unterstützung der Opfer des ersten Weltkrieges, konnte jedoch, nach einem Gutachten der Justizabteilung vom 18. August 1944, für die im zweiten Weltkrieg ,,entstandenen Notfälle nicht mehr angewendet werden. Der Vollmachtenbeschluss vom September, 1939 stellte einen durch die Dringlichkeit gebotenen Notbehelf dar. Da er ausser der Ermächtigung, die erste Hilfe

128 während drei Monaten ganz zu Lasten des Bundes zu übernehmen, keine materiellen Vorschriften über die Ausgestaltung der Hilfeleistung enthielt, ermangelte die Bundesfürsorge, die ihren Tätigkeitsbereich weiter spannen musste, als die ursprünglichen gesetzlichen Vorschriften es gestattet hätten, einer eigentlichen rechtlichen Grundlage. Dass dieser Zustand nicht länger andauern kann, wo es sich nun darum handelt, die Leistungen an die Auslandschweizer neu zu regeln, wofür frische Geldmittel in bedeutender Höhe benötigt werden, ist einleuchtend. Der Bundesrat ist aber auch der Ansicht, dass den gesetzgebenden Behörden des Bundes und damit den Vertretern des Schweizervolkes Gelegenheit gegeben werden müsse, zur Frage der künftigen Leistungen an die Auslandschweizer massgebend Stellung zu nehmen.

8. Für die notwendige bundesrechtliche Eegelung darf in verfassungsmässiger Hinsicht auf den früheren, mehrfach zitierten Bundesbeschluss vom 21. Juni 1928 über Hilfeleistung an Auslandschweizer und auf den Bundesbeschluss vom 18. Dezember 1944 über Beitragsleistung des Bundes zugunsten der Schweizerspende an die Kriegsgeschädigten verwiesen werden. Aus der gegenwärtigen Vorlage darf jedenfalls nicht der Schluss abgeleitet werden, dass der Bund gewillt wäre, den Kantonen Aufgaben der Armenpflege abzunehmen.

Der Bundesrat hat es deshalb als erforderlich erachtet, im Titel und im Art. l des Entwurfes darauf hinzuweisen, dass es sich um eine ausserordentliche, d. h. also um eine einmalige, aus besondern Gründen gewährte Leistung handle.

Dem gleichen Gedanken trägt gewissermassen auch Art. 4 des Entwurfes zu einem Bundesbeschluss Eechnung.

4. Wenn die Behebung der heutigen Notlage der Auslandschweizer in beträchtlichem Ausmass Bundesmittel erfordert, so deshalb, weil die Lösung der Aufgabe weder der kantonalen Armenpflege noch der privaten Wohltätigkeit überlassen werden kann. Eine armenpflegerische Behandlung der Auslandschweizer brächte, abgesehen davon, dass sie der Bedeutung des Auslandschweizertums nicht gerecht zu werden vermöchte, bei der qualitativen und quantitativen Unterschiedlichkeit der Armenpflege in den einzelnen Kantonen und Gemeinden allzu empfindliche Ungleichheiten, unter denen die Auslandschweizer schwer zu leiden hätten. Die Mittel der privaten Fürsorge würden sich erst'recht als
ungenügend erweisen. Soll dem Auslandschweizer wirksam geholfen werden, so müssen ihm Leistungen gewährt werden können, die (obgleich selbstverständlich in vernünftigen und wohlabgewogenen Grenzen gehalten) über den Ansätzen der Armenpflege stehen. Dies kann bloss durch eine aktive Beteiligung des Bundes und unter seiner Führung erreicht werden.

Wir gestatten uns, zu einzelnen Bestimmungen des Entwurfes noch verschiedene Erläuterungen anzubringen, wobei auch auf die Ausgestaltung der Leistungen in einigen wichtigen Punkten entsprechend der im Vorentwurf bereits vorliegenden Vollziehungsverordnung eingegangen werden soll.

129 Artikel 1.

Dieser umschreibt die allgemeinen Voraussetzungen, unter denen der Bundesrat ermächtigt, aber auch beauftragt wird, Leistungen zu gewähren.

Sie sollen dem Schweizerbürger zukommen, ob er im Ausland geblieben oder nach der Schweiz zurückgekehrt ist. Damit aber nicht jedermann, der sich auch nur für kurze Zeit ins Ausland begeben hat, als Auslandschweizer im Sinne dieser Vorlage Geltung beanspruchen kann, muss eine Mindestdauer für den Ausländsaufenthalt vorgeschrieben werden. Alleinstehende ehemalige Schweizerinnen mit ihren unmündigen Kindern sind in beschränktem Umfang in die Leistungen einzubeziehen. Heimgekehrte Doppelbürger können wie die Schweizerbürger berücksichtigt werden. Für den im andern Heimatstaat lebenden Doppelbürger sollen gewisse Leistungen nur in Frage kommen, wenn er seinen Pflichten der Schweiz gegenüber nachgekommen ist und er seine Verbundenheit mit dieser bewiesen hat. Leistungen sind vorgesehen, wenn eine unverschuldete Notlage vorhanden ist, die im Zeitpunkt, da Leistungen beantragt werdenj noch andauert. Die Notlage muss im Ausland durch unmittelbare oder mittelbare Einwirkungen des Krieges oder durch die Verhältnisse der Nachkriegszeit verursacht worden sein. Wichtig ist die Bestimmung, dass Leistungen auch Schweizerbürgern zukommen sollen, die durch politische oder wirtschaftliche Massnahmen fremder Behörden in Not versetzt wurden. Damit sind besonders Schweizerbürger gemeint, die in den ehemaligen Diktaturstaaten schon vor dem Krieg bedrängt und verfolgt wurden und zum Verlassen des Landes gezwungen waren, nachdem jene Massnahmen sie um ihre Existenz gebracht und erhebliche Vermögenseinbussen zur Folge gehabt haben. In diesen Fällen wird, besonders wenn die Bückkehr jahrelang vor Ausbruch des Krieges stattfand, genau geprüft werden müssen, ob die jetzt bestehende Notlage noch als durch jene Massnahmen verursacht gelten kann.

Artikel 2.

·

Dieser wichtige Artikel führt die Hauptkategorien der Begünstigten auf und bezeichnet näher die ihnen zugedachten Leistungen. Es handelt sieh dabei um die drei bereits erwähnten Kategorien, nämlich um die Auslandschweizer, die wieder ins Wirtschaftsleben eingegliedert werden können, sodann um die Arbeitsunfähigen und schliesslich um die jetzigen Bückwanderer, die in ihr früheres Gastland zurückkehren oder nach einem dritten Staat wiederauswandern. .

· .

i : : Es ist eine selbstverständliche Voraussetzung, dass der Auslandschweizer, der arbeiten und wirken kann, selbst alles in seiner Macht liegende tue, um sich wieder eine Existenzgrundlage zu schaffen. Soweit ihm hiefür Mittel und Möglichkeiten fehlen, soll ihm aber von den Behörden geholfen werden. Es wäre jedoch unmöglich und unbillig zugleich, diesen Beistand in einer Art und Weise auszugestalten, dass er einer Wiederherstellung der früheren Position des Auslandschweizers gleich- oder doch nahekäme. Man darf die zahlreichen Inland-

130 schweizer nicht übersehen, die dauernd mit Schwierigkeiten und Nöten zu kämpfen haben und von jeher, und unter den Einwirkungen des Krieges erst recht, den Existenzkampf unter drückenden Bedingungen führen müssen.

Ihnen helfen selbst bei unverschuldeter Notlage in der Eegel nur die gesetzlichen Armenbehörden. Die Leistungen müssen daher, obzwar der besondern Lage der vom Schicksal hart betroffenen Auslandschweizer Eechnung tragend, doch in gewissen Grenzen bleiben..Eichtig erscheint daher die auch von der Expertenkommission gebilligte Lösung; dem zur Wiedereingliederung ins Wirtschaftsleben befähigten Auslandschweizer eine für die Wiedergewinnung oder Fortführung einer Existenz ausreichende Basis zu schaffen, ihn also in eine Ausgangslage zu versetzen, von der aus er den weitern Weg aus eigener Kraft zu finden hätte. Dies soll erreicht werden durch Stellenvermittlung, Umschulung und Kurse,. Unterkunftsbeschaffung, durch Hilfe in Geld, Beschaffung von Kleidern, Hausrat, beruflichem Werkzeug usw. Da die Basis aber regelmässig schmal sein wird, sind innert einer Frist von 2 Jahren nötige und gerechtfertigte Nachhilfen in bescheidenem Ausmass vorgesehen.

Die Leistungen an die Arbeitsunfähigen nach Absatz 2 von Art. 2 kommen den Auslandschweizern zugut, deren Auskommen im Ausland unter normalen Verhältnissen ohne fremde Hilfe gesichert gewesen wäre. Diese Mitbürger einfach der Armenpflege zu überlassen, würde eine unbillige Härte darstellen.

Da es sich um Dauerfälle handelt, werden die Leistungen jedoch eher knapp bemessen werden müssen, sollen aber, immerhin den Grundsätzen einer gehobenen Fürsorge entsprechen, da die Eegelung sonst ihren Sinn verlieren würde.

Wer im Ausland bereits unterstützt werden musste, kann für diese Altersleistungen nicht in Betracht fallen. Diesem Grundsatz kommt übrigens allgemeine Bedeutung zu.

Zu Absatz 3 von Art. 2. Ohne dass heute gesagt werden könnte, welche Möglichkeiten der Wiederauswanderung offenstehen, ist jedenfalls nicht zu verkennen, dass zahlreiche Rückwanderer in ihr früheres Gastland oder in einen Drittstaat wiederauswandern möchten. Wo die Wiederauswanderung ernsthafte Aussichten für die Neugründung einer Existenz bietet, sollen Leistungen gewährt werden für die Beschaffung der unerlässlichen beruflichen Hilfsmittel, sowie für die Kosten der Übersiedlung
an sich und den Transport von Hausrat. Auch Überbrückungsleistungen (in der Währung des Aufenthaltslandes) sind vorgesehen, um innert Jahresfrist die Festigung der Existenz !

zu erleichtern.

Durch die bundesrätliche Vollziehungsverordnung werden auch die besondern Leistungen für Berufslehren, Schulausbildung und Studium geregelt werden.

Der Schlussabsatz von Art. 2 sieht allgemein vor, dass den Auslandschweizern die dringend nötige erste Hilfe gewährt wird. Diese Bestimmung ist nötig und wird eine erhebliche Eolle spielen, weil besonders der Bückwanderer während der ersten Zeit seines Verweilens in der Schweiz meist von Mitteln entblösst ist, so dass für seinen Lebensunterhalt, für seine persönliche

131 Ausrüstung und allenfalls für Pflege in Krankheitsfällen gesorgt werden muss.

Die zeitliche Dauer dieser Leistungen wird bei der stark intensivierten Arbeitsvermittlung in zahlreichen Fällen von kurzer Dauer sein können. Die Vollziehungsverordnung wird die Frage i immerhin regeln.

Für die im Ausland verbliebenen Schweizerbiirger werden die erlassenen Vorschriften sinngemässe Anwendung finden können, wobei allerdings den vielfach anders gearteten Verhältnissen Eechuung zu tragen sein \vird. Bei der Schaffung neuer Existenzgrundlagen wird das Schwergewicht darauf beruhen, ihnen, soweit nötig, von der Schweiz aus das Material zur Verfügung zu stellen, das für die Wiederinstandstelliing ihrer Behausungen und für die Flottmachung kleinerer Betriebe erforderlich ist. In erheblichem "Umfang wird auch der zerstörte Hausrat zu ersetzen sein.

Artikel 3 und 4.

Leistungen werden ganz allgemein nur gewährt werden, soweit dem Auslandschweizer nicht eigene oder andere Hilfsquellen zur Verfügung stehen.

Der Besitz eigenen Geldes wird in Eechnung gesetzt, desgleichen Hilfe von Drittpersonen, namentlich von Verwandten, sowie Leistungen, die sich aus bestehenden Staatsverträgen ergeben.

; Eine «tarifmassige» Bemessung der Leistungen kann nicht in Frage kommen, weil die Lage der Auslandschweizer so stark differenziert ist, dass eine Schematisierung wegen ihrer grossen Nachteile und Ungerechtigkeiten nicht in Kauf genommen werden kann. Es wird daher nötig sein, innerhalb beweglicher «Bichtsätze» die Leistungen von Fall zu Fall festzusetzen. Obschon möglichst gleichmässige Leistungen erzielt werden sollen,: werden gewisse Unterschiede gemacht werden müssen, die sich aus der Schwere des einzelnen Not- und Schadensfalles, aber auch aus der früheren Position des AuslandSchweizers ergeben. Die innerschweizerischen Maßstäbe müssen bei allen Kategorien von Ausländschweizern und bei jeder Art von Leistungen berücksichtigt werden. : Die «Bichtsätze» werden ungefähr der bisherigen Praxis angeglichen werden müssen. Für den Lebensunterhalt einer Einzelperson, die über keine andern Hilfsquellen verfügte, wurden bisher im Monat bis zu 300 Franken in städtischen und 'bis zu 250 Franken in andern Verhältnissen ausgerichtet.

Bei. Familien erreichten, je nach^ihrer Zusammensetzung, die mqhatlichen Leistungen oft den Betrag
von 500 Franken oder mehr. In Fällen von Krankheit oder Kurbedürftigkeit steigerten sich die Leistungen entsprechend. Für die Ausrüstung mit Kleidern und andern persönlichen Bedarfsgegenständen; wurden pro Einzelperson bis zu 500 Franken aufgewendet. Bei Familien stieg dieser Betrag bis zu 2000 Franken, wogegen bei der Beschaffung beruflicher Hilfsmittel die Bedürfnisse im Einzelfall in Eechnung gestellt, werden mussten.

Bei der Anschaffung von Hausrat bewegten sich die Aufwendungen in der Eegel zwischen 1200 und 5000 Franken, je nachdem Einzelpersonen oder Familien zu betreuen waren. Am Beispiel einer eköpfigen Familie, die während

132 einigen Monaten durchgehalten wurde und mit Kleidern, Schuhen, Berufswerkzeugen und Hausrat zu versorgen war, ist ersichtlich, dass, auch bei nur durchaus nötigen Ausgaben, die Aufwendungen bis zu 10 000 Pranken betragen konnten. Unter der Wirksamkeit der neuen Eegelung sollten :die Leistungen angesichts ihres Zweckes und der schweren Notlage unserer Auslandschweizer nicht verringert werden müssen.

Wo keine Möglichkeit .gegeben erscheint, für die Leistungen der verschiedenen. Arten Ersatz zu erhalten, gelten sie als à fonds perdu geleistet. Die Bückforderung ist aber namentlich dort vorzusehen, wo der Auslandschweizer nachträglich in den Besitz von Mitteln gelangt oder die Existenz gesichert erscheint. Da bereits durch die bisherige Fürsorgetätigkeit auch Kriegsschäden als ersetzt gelten müssen und dies auch bei den künftigen Leistungen deiFall sein wird, muss .deren Verrechnung für den Fall einer spätem Abgeltung von solchen Schäden jedenfalls auch vorbehalten werden.

Artikel 5.

Aus dem vorsichtig aufgestellten Voranschlag ergibt sich, dass 75 Millionen nötig sein werden, 'um nur einigermassen der Aufgabe gerecht zu werden.

Die Frage der Beschaffung dieser Mittel bildete Gegenstand eingehender Untersuchungen, namentlich darüber, inwieweit die Kantone zu einer angemessenen Beitragsleistung herangezogen werden können. Hierüber wurde bereits mit den kantonalen Finanzdirektoren verhandelt. Um die Kantone zu einer solchen -Leistung zwingen zu können, fehlt die verfassungsmässige Grundlage.

Ein Volhnachtenbeschluss, der allein Kantone oder gar Gemeinden zu solchen Leistungen anhalten könnte, kommt nicht mehr in Frage.

Der Bundesratsbeschluss vom 6. Dezember 1945 über den Abbau der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates bestimmt in Art. 2: «Der Bundesrat ist nur noch ermächtigt, ausnahmsweise zeitlich begrenzte Massnahmen zu treffen, die zur Sicherheit des Landes, zur Wahrung seines Kredites und seiner wirtschaftlichen Interessen sowie zur Sicherung des Lebensunterhaltes unumgänglich notwendig sind und wegen ihrer Dringlichkeit nicht auf dem Wege der ordentlichen Gesetzgebung getroffen werden können.

Der Bundesrat'hat womöglich wichtige Massnahmen vor ihrem Erlass den Vollmachtenkommissionen zur Begutachtung vorzulegen.» Diese Voraussetzungen fehlen hier.

Es handelt sich um eine
soziale Pflicht, die im Interesse des Landes und unserer Auslandschweizer zu erfüllen ist, aber weder mit der Sicherheit, des Landes noch mit der Wahrung seines Kredites und seiner wirtschaftlichen Interessen, noch mit der Sicherung des Lebensunterhaltes etwas zu tun hat.

Die richtige Lösung scheint uns darin zu bestehen, dass der Heimatkanton im Einzelfall an die -Gesamtleistung einen angemessenen Beitrag-bis zu einem

133 Drittel übernimmt. Diese Leistung des Kantons soll jedoch nicht zu Lasten der Armenrechnung gehen.

Bei der Bemessung dieses kantonalen Beitrages ist nicht ausser acht zu lassen, dass die Kantone und Gemeinden mit grossem Bevölkerungsüberschuss, aus welchen vielfach diese Auslandschweizer stammen, zwangsläufig mit Armenlasten aus dieser Auslandschweizernot künftig belastet werden, wobei häufig Gemeinden betroffen werden, die finanziell nicht stark sind. Aus diesen Landund Berggemeinden stammen vielfach die Auslandschweizer und nicht aus finanzkräftigen Städten.

Was der Bundesbeschluss will, ist eine Hilfe zum Wiederaufbau an diese schweizerischen Existenzen, bevor es zur Armenunterstützung kommen muss. Wenn man berücksichtigt, welche Leistungen der Bund für den Wiederaufbau Europas macht, dann ist eine angemessene Leistung zur Hilfe an unsere notleidenden Auslandschweizer nicht nur berechtigt, sondern sogar erste Pflicht.

Bei der Aufstellung eines Voranschlages ist zu berücksichtigen, dass zwar schon vielen Rückwanderern abschliessend geholfen wurde, dass aber in einigen tausend Fällen Nachbesserungen erforderlich sein werden und bei den Neuankommenden sämtliche Leistungen noch bevorstehen. Zu beachten ist auch, dass sich unter den im Ausland verbliebenen Landsleuten einige Tausende in schwer kriegsgeschädigter Lage befinden, denen bisher noch keine produktive Hilfe geboten werden konnte.

In den einzelnen Gebieten müssen ungefähr folgende Aufwendungen ins Auge gefasst werden: Leistungen an Bückwanderer.

1. Nachbesserungen in bereits behandelten Fällen 2. Leistungen in nicht behandelten Fällen, einsohliesslich an Neuankommende 3. Beiträge an die Arbeitsunfähigen 4. Leistungen an Wiederauswandernde (Ausreisen, Anschaffungen, Leistungen am neuen Wohnort) 5. Umschulung, Berufsausbildung, Kurse, Uuterkunftsbeschaffung 6. Heimtransporte, Verpflegung und Unterkunft in Quarantänelagern und Heimen

6 Millionen 15 12

» »

4

»

2

»

6

»

Leistungen an Schweizer im Ausland.

7. Produktive Leistungen für die Beschaffung beruflicher Hilfsmittel und Hausrat, für Wohnstätten und Betriebe, Barhilfen 8. Fortsetzung der Lieferung' von Lebensmitteln, Kleidern, Medikamenten usw

15

»

6

»

Besondere und u n v o r h e r g e s e h e n e Leistungen . . .

9

»

Zusammen Bundesblatt. 98. Jahrg. Bd. II.

75 Millionen 10

134 In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt, dass ursprünglich die Möglichkeit erwogen wurde, die Bundesf eierspende 1946 zu einer Volksspende für die Auslandschweizer auszubauen. Der Gedanke musate aber fallen gelassen werden, nachdem ihm das Bundesfeierkomitee nicht zustimmen konnte.

Artikel 6.

Um namentlich dem Eückwanderer, der im Ausland Selbständigerwerbender war, aber auch dem Wiederauswandernden die Existenzgründung zu erleichtern, soll die Gewährung bankmässiger Darlehen, in deren Genuss er sonst kaum gelangen könnte, nach Möglichkeit dadurch gefördert werden, dass für eintretende Verluste eine Ausfallgarantie übernommen und zu diesem Zweck aus dem Gesamtkre'dit ein Betrag ausgeschieden wird. Bei der Gewährung von Darlehen müsste auf bisherige Leistungen Bücksicht genommen werden. Leistungen könnten in manchen Fällen wegfallen, wenn der Zweck durch ein Darlehen zu erreichen wäre. Von der Gründung einer besondern Darlehenskasse, die ein Kapital benötigen würde und für welche qualifiziertes Personal während der verhältnismässig kurzen Dauer ihres Bestandes kaum zu finden wäre, soll abgesehen werden. Die Darlehen werden besser von bestehenden Bankunternehmungen gewährt, mit denen sich der Bundesrat, nach Gutheissung der gegenwärtigen Vorlage, über die Einzelheiten verständigen würde.

Artikel 7 und 8.

Art. 7 regelt die strafrechtliche Verfolgung von Auslandschweizern, die vorsätzlich durch unwahre oder unvollständige Angaben Leistungen erwirken oder zu erwirken versuchen. Eine besondere Bestimmung erscheint notwendig, weil die möglichen Tatbestände in der Regel nicht vom gewöhnlichen Straf-, recht erfasst werden dürften.

Art. 8 sieht keine Strafverfolgung, sondern nur den Ersatz zu Unrecht bezogener oder nicht zweckentsprechend verwendeter Leistungen vor.

Artikel9.

Es erscheint dem Bundesrat gegeben, mit der Durchführung der aus dem Bundesbeschluss sich ergebenden Aufgaben die «Eidgenössische Zentralstelle für Auslandschweizerfragen» zu betrauen, die als frühere Fürsorgesektion der Polizeiabteilung über langjährige Erfahrungen verfügt. Wo spezielle Aufgaben (z. B. die Arbeitsvermittlung und Umschulung) von andern Behörden gelöst werden müssen oder wo Privatverbände fürsorgerisch zugunsten der Auslandschweizer tätig sind, wird die Zentralstelle für die Zusammenarbeit besorgt sein.
Die Zentralstelle wird auch in Zukunft mit ihren Hilfsstellen zusammenarbeiten, die in dringenden Fällen die erste Hilfe von sich aus leisten können, sonst aber nach Prüfung des Falles ihre Anträge der Zentralstelle unterbreiten.

Im Ausland amten als Hilfsstellen die Gesandtschaften und Konsulate, im

135 Inland kantonale oder Gemeindebehörden. Die enge Mitarbeit dieser Hilfsstellen gewährleistet im Einzelfall den Verhältnissen angepasste Leistungen.

Die in Absatz 2 von Art. 9 des Beschlussesentwurfes aufgeführten Gründe für den Ausschluss von Leistungen werden in der Verordnung ergänzt werden.

Besonders sollen dabei Auslandschweizer von Leistungen ausgeschlossen werden, die zumutbare Arbeit ausschlagen oder sich nicht um solche bemühen.

Zu den Artikeln 10 und 11 sind keine besondern Bemerkungen anzubringen.

Artikel 12.

Der Bundesrat ist der Auffassung, der Beschluss könne als nicht allgemein verbindlicher Natur erklärt werden.

Indem wir Ihnen die Annahme des beiliegenden Beschlussesentwurfes beantragen, bitten wir Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, den Ausdruck unserer vollkommenen Hochachtung zu genehmigen.

' - Bern, den 10. Mai 1946.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Kobelt.

> Beilagen: Bundesbeschlussentwurf.

l Statistik.

Der Bundeskanzler: Leimgruber.

136

(Entwurf.)

Bundesbeschluss über

ausserordentliche Leistungen an Auslandschweizer.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Botschaft des Bundesrates vom 10. Mai 1946, beschliesst:

Art. 1.

Der Bundesrat wird ermächtigt und beauftragt, den im Ausland verbliebenen oder in die Heimat zurückgekehrten, unverschuldet in Not geratenen Schweizerbürgern durch ausserorduntliche Leistungen im Sinne dieses Beschlusses beizustehen, sofern diese Notlage durch den letzten "Weltkrieg oder durch politische oder wirtschaftliche Massnahmen ausländischer Behörden verursacht worden ist.

: Art. 2.

: : Den für die Wiedereingliederung in das Wirtschaftsleben in Frage kommenden Auslandschweizern sollen die Grundlagen für die Fortführung oder Neugründung einer Existenz durch jedes geeignete Mittel, insbesondere durch Vermittlung von Arbeit und Unterkunft, durch Förderung der beruflichen Fortbildung oder Umschulung sowie durch Hilfe in Geld oder Geldeswert geschaffen werden.

Auslandschweizer, die für ihren Lebensunterhalt nicht selbst aufkommen können, erhalten Beiträge zur Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse oder zur Pflege in Krankheitsfällen.

Auslandschweizern, die in ihr früheres Gastland zurückkehren oder nach einem dritten Staate wiederauswandern, soll die Neugründung ihrer Existenz erleichtert werden, namentlich durch Leistungen in Geld oder durch Beschaffung der unerlässlichen beruflichen Hilfsmittel.

Unabhängig davon wird den Auslandschweizern die dringend nötige erste Hilfe für den Lebensunterhalt gewährt.

Art. 3.

Bei der Bemessung der Leistungen ist der Schwere des einzelnen Notund Schadenfalles und den innerschweizerischen Maßstäben Eechnung zu tragen.

137 Die dem Auslandschweizer sonst, zur Verfügung stehenden Hilfsquellen sind zu berücksichtigen.

Die Leistungen können, den "umständen des EinzeHalles angemessen, mit p der. ohne Bückerstattungspf licht gewährt werden.

: Art. 4.

Die Bemühungen um Ersatz der Kriegsschäden durch fremde Staaten, sowie die Staatsverträge bleiben vorbehalten.

: Die Leistungen der Kautone, Gemeinden und öffentlichen Körperschaften aus der Armenpflege, die Leistungen aus andern gesetzlichen Verpflichtungen und die Unterhaltspflicht der Verwandten werden durch diesen Beschluss nicht berührt.

Art. 5.

: Der Gesamtaufwand für die Durchführung dieses Beschlusses soll 75 Millionen Franken nicht übersteigen.

Die Leistungen erfolgen in jedem einzelnen Fall unter dem Vorbehalt, dass der Heimatkanton davon einen angemessenen Beitrag bis zu einem Drittel übernimmt. Diese Leistung des Kantons soll nicht zu Lasten der Armenrechnung gehen. ' Über die weitern Einzelheiten dieser Beteiligung der Kantone wird der Bundesrat im Einverständnis mit ; den Kantonen Eichtlinien aufstellen.

Die Durchführung dieses Beschlusses soll Ende 1948 im wesentlichen abgeschlossen sein. Die erforderlichen jährlichen Kredite werden in die Voranschläge des Bundes eingestellt.

: Art. 6.

:

l ·'

Der Bundesrat fördert die Gewährung bankmässiger Darlehen an Auslandr schweizer zur Fortführung oder Neugründung einer Existenz. Er kann zu diesem Zwecke mit Bankunternehmen Vereinbarungen über die Bedingungen für die erleichterte Darlehensgewährung und die Tragung allfälliger Verluste treffen. Er wird hiefür aus dem ihm eingeräumten Gesamtkredit einen angemessenen Betrag als Ausfallsgarantie bereitstellen.

. : : Art. 7.

"

Wer vorsätzlich durch unwahre oder unvollständige Angäben oder auf ähnliche Weise für sich oder einen andern Leistungen im Sinne dieses Beschlusses erwirkt oder zu erwirken versucht, wird mit Gefängnis bis zu 6 Monaten oder mit Busse bis zu Fr, 10 000 bestraft. Verfolgung und Beurteilung liegen den Kantonen ob.

138 Art. 8.

Zu Unrecht bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten.

Ebenso sind Leistungen zurückzuerstatten, welche zu bestimmten Zwecken oder unter bestimmten Bedingungen ausgerichtet wurden, die nachträglich vom Begünstigten nicht eingehalten worden sind oder nicht erfüllt werden können..

Art. 9.

: Der Bundesrat erlässt durch eine Verordnung die nötigen Vorschriften über den Vollzug dieses Beschlusses. Er setzt insbesondere den: Kreis der be·günstigten Personen sowie Form, Inhalt, Ausmass und Abgrenzung der Leistungen fest und bestimmt, unter welchen Voraussetzungen diese abgelehnt oder eingestellt werden können.

Auslandschweizer, die den schweizerischen öffentlichen Interessen zuwidergehandelt oder eine offenkundig unschweizerische Gesinnung bewiesen haben, sind vom Genuss von Leistungen im Sinne dieses Beschlusses ausgeschlossen.

Art. 10.

Der Bundesrat wird jedes Jahr im Eahinen seines Geschäftsberichtes über die in Ausführung dieses Beschlusses getroffenen Massnahmen Eechenschaft ablegen.

Art. 11.

Der Bundesbeschluss vom 21. Juni 1923 über Hilfeleistung au unverschuldet notleidende Auslandschweizer ist aufgehoben.

Art. 12.

Dieser Beschluss tritt, als nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft.

6609

139

Beilage.

Übersicht über die Anzahl der schweizerischen Rückwanderer.

Durch die Heimschaffungskommissäre des eidgenössischen Kriegsfürsorge-Amtes wurden vom 23. September 1989 bis 31. März 1946 registriert: (nach Heimatkantonen geordnet) Helmkantone

1939

1 940 1941

Zürich 999 1245 Bern 1645 2231 322 244 Luzern 29 14 Uri Schwyz . . . . 114 137 39 Obwalden . . .

33 35 22 Nidwaiden . . .

67 82 Glarus . . .

38 Zug 33 Freiburg . . . . 289 396 Solothurn . . . 233 226 Basel-Stadt . . 351 422 Basel-Land . . . 189 135 Schaffhausen . . 150 172 86 102 Appenzell A.-Rh.

18 Appenzell I.-Rh. 22 St. Gallen . . . 358 369 Graubünden . . 187 198 Aargau . . . . 572 558 Thurgau . . . . 278 305 Tessin 265 450 511 870 Waadt 178 247 Wallis Neuenburg .' . . 315 740 242 389 Genf

544 820 132 14 47 15 18 47 24 224 86 190 60 57 56 9 236 112 260 177 191 445 76 257 119

Total . . . . . 7509 9643 4216

1942 1943

1944

345 694 815 667 1049 2395 101 171 343 12 12 24 40 61 149 11 25 48 12 45 51 62 125 22 21 21 44 232 186 286 87 121 149 122 225 353 41 89 201 72 69 150 38 67 84 37 4 70 170 287 377 84 182 192 261 361 493 112 166 264 232 322 318 311 401 473 79 101 131 166 277 265 97 290 270 3339 5321

1945

Total 1. Quart. Total bis 1939-1945 1946 31.3.46

1346 5988 269 6257 5641 14448 449 14897 49 1825 463 1776 2 28 133 135 961 26 987 413 211 6 40 217 314 131 15 329 512 525 107 13 6 107 288 294 51 268 1881 1932 26 1188 260 1162 351 2014 75 2089 929 171 886 43 243 913 27 940 39 246 679 718 7 262 95 255 768 2565 104 2669 251 1206 34 1240 751 3256 125 3381 486 1788 43 1831 205 1983 60 2043 334 3345 52 3397 144 956 30 986 222 2242 42 2284 110 1517 28 1545

8070 13181 51279 1621

52900

In diesen Angaben sind rund 11 000 Rückwanderer, die zwischen dem 1 und 23. September 1939 zurückkehrten, nicht enthalten, weil ihre Aufteilung nach Heimatkantonen nicht erfolgen konnte. Insgesamt sind bis 31. März 1946 demnach rund 64000 Auslandschweizer heimgekehrt. Da einige Tausend wieder ausgereist sind, namentlich in die Grenzgebiete der Nachbarländer, dürfte die Zahl der gegenwärtig in der Schweiz anwesenden Rückwanderer rund 60000 betragen.

i Die Zahl der Rückwanderer verteilt sich ungefähr wie folgt auf die verschiedenen Herkunftsländer : Frankreich . . . . 23 000 England . . . . . 1700 Ungarn . . . . . 300 Deutschland .

. . 21 000 Holland Übriges Europa 400 400 Italien 6000 Belgien Nordafrika 1 500 2200 Japan, China und Österreich · · . . . 1 500 Polen und Russland 1500 Indonesien . . . 500 Zusammen 60 000

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über ausserordentliche Leistungen an Auslandschweizer. (Vom 10. Mai 1946.)

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Foglio federale

Jahr

1946

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

11

Cahier Numero Geschäftsnummer

4981

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

23.05.1946

Date Data Seite

117-139

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