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Botschaft des

ßundesrates an die Bundesversammlung über die Organisation der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft, St. Gallen.

(Vom 9. Dezember 1946.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen hiemit den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Organisation der Stickerei-Treuhand-Genossenschaf t. St. Gallen, mit folgender Botschaft zu unterbreiten.

I.

Am 13. Oktober 1922 ist durch Bundesbeschluss betreffend staatliche Hilfeleistung für die schweizerische Stickerei-Industrie die Stickerei-TreuhandGenossenschaft, unter Beteiligung des Bundes durch Übernahme von l Million Franken in Anteilscheinen, geschaffen worden*). Diese Genossenschaft bestand seither als eine Genossenschaft im Sinne des 27. Titels des Obligationenrechtes.

Ihre Bestimmung war, die für die Stickerei-Industrie im Gründungsbeschluss von 1922 festgesetzten Massnahmen zum Zwecke der Bekämpfung des Notstandes in der Stickerei Industrie und ihren Hilfsindustrien durchzufuhren wie auch die weiteren Aufgaben, die später hinzukamen, zu übernehmen.

Die Stickerei-Treuhand-Genossenschaf t, die ihre Tätigkeit nach den von den zuständigen Bundesbehörden genehmigten Vorschriften und unter deren Kontrolle ausübt, hat bei der Durchführung der mannigfachen Hilfsmassnahmen, aber auch bei der Behandlung und Begutachtung vieler Probleme, die sich im Laufe der Jahre in der Stickerei-Industrie gestellt haben, wichtige und wertvolle Dienste geleistet. Der Bund, einzelne Kantone und die Fachverbände der Industrie selbst sind an der Verwaltung der Genossenschaft beteiligt. Sie ist die neutrale Vermittlerin bei den Tarifverhandlungen zwischen Warenausgebern (Exporteuren) und Warenübernehmern (Schifflistickereifabrikanten oder Handmaschinenstickern). Sie übt durch ihre Beamten die ihr übertragene Kontrolle aus über die Einhaltung der Tarife. Sie ist Gestions*) A. S. 38, 538.

Bundesblatt. 98. Jahrg.

Bd. III.

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J270 stelle für den Solidaritätsfonds (früher Krisenfonds) der schweizerischen Sehifflistickerei und für die Ausgleichskasse der Stickereifabrikationsbetriebe.

Sie unterstützt die zuständigen Instanzen begutachtend in allen Fragen, welche die Stickerei betreffen. Auch bei internationalen Verhandlungen auf diesem Gebiet hat sie jeweils massgebend mitgewirkt, und sie wird berufen sein, dies auch in Zukunft wieder zu tun. Ihre Tätigkeit ist nicht auf Krisenperioden beschränkt. Sie ist vielmehr nach ihren gegenwärtigen Funktionen eine Institution, die auch in verhältnismässig günstigen Zeiten der StickereiIndustrie wie der jetzigen unentbehrlich ist und für die Durchführung ihrer Aufgaben einer rechtlich gesicherten Grundlage bedarf.

Gestützt auf den Bundesbeschluss vom 22. Juni 1934 über die Herabsetzung des Genossenschaftskapitals der Stickerei-Treuhand-Genossenschaf t*) wurde der Anteil des Bundes am Kapital der Genossenschaft auf Fr. 100 000 ermässigt und der dadurch frei gewordene Betrag der Institution im Betrage von Fr. 900 000 als Nachsubvention zur Verfügung gestellt ; dabei wurde zur Bedingung gemacht, dass das Stimmrecht des Bundes und der beteiligten Kantone nicht beschränkt werde.

II.

Nach den vom Bundesrat genehmigten Statuten der Genossenschaft vom 11. November 1922, revidiert am 31. Juli 1934, ist das Stimmrecht in § 12 so geregelt, dass jedes Mitglied soviel Stimmen hat, als es Genossenschaftsanteile besitzt, ohne Rücksicht auf deren Nominalwert. Da heute der Bund 10 000, die Kantone 1095, 6 Berufsverbände und 104 Einzelgenossenschafter nur 715 Anteilscheine besitzen, ist der Einfluss der öffentlichen Hand, insbesondere des Bundes, entscheidend. Diese Eegelung war nach dem Obligationenrecht vor der Revision vom Jahre 1936 zulässig. Unter der Geltung des revidierten Genossenschaftsrechts hat sie jedoch nur noch während einer Übergangsfrist Bestand. Diese Frist läuft am 30. Juni 1947 ab (Schluss- und Übergangsbestimmungen des revidierten OR, Art. 2 ; Bundesratsbeschlüsse über die Verlängerung der Anpassungsfrist für Gesellschaften und Genossenschaften des alten Rechtes vom 81. Oktober 1941/4. Oktober 1943**). Das revidierte Obligationenrecht (Art. 885) bringt die Änderung, dass künftig jeder Genossenschafter nur noch eine Stimme hat, die Zahl der Anteilscheine, über die er verfügt,
also keine Rolle mehr spielt. Dies ist eine zwingende Vorschrift, die, wie das Bundesgericht hervorgehoben hat, auch zugunsten eines Gemeinwesens nicht durch Statuten abgeändert werden kann***). Damit die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft ihren bisherigen Charakter beibehalten und die öffentliche Hand sich weiterhin einen massgebenden Einfluss auf ihre Geschäftsführung sichern kann, muss deshalb eine Regelung gefunden werden, bei der das bisherige Stimmrecht für Bund und Kantone gewahrt bleibt, *) A. S. 50, 497.

**) A. S 57, 12H7, und 59, 792.

***) Siehe BGE 67, I, 262.

1271 eine Bedingung, die auch schon, wie oben bemerkt, der Bundesbeschluss vom 22. Juni 1934 aufgestellt hatte. Dies wird am besten und einfachsten dadurch erreicht, dass der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft der Charakter einer Genossenschaft des öffentlichen Eechtes im Sinne von Art. 829 OR verliehen wird. Alle andern Lösungen können nicht befriediget!. So setzt die Form der Aktiengesellschaft ein zum voraus bestimmtes Kapital voraus, während bei der Stickerei-Treuhand- Genossenschaft der Beitritt einer beliebigen Zahl von Genossenschaftern offensteht. Auch eine Umwandlung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung käme nicht in Frage, da der grössere Teil der bisherigen Genossenschafter mit Anteilen vertreten ist, die weit unter tausend Franken liegen, also Art. 774 OE nicht entspräche. So drängt sich also die Form der Genossenschaft des öffentlichen Eechtes auf. Damit wird die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft in die Lage versetzt, alle besonderen Eechte, namentlich das Stimmrecht, wie sie bisher bestanden, zu belassen und zu regeln, und es bleiben künftig die Bestimmungen des Obligationenrechtes für die Genossenschaft nur anwendbar, soweit der nachstehend beantragte Beschluss und die künftigen Statuten der Genossenschaft nicht etwas anderes verfügen. Gemäss Art. 2, Abs. 2, der Schluss- und Übergangsbestimmungen zum revidierten OE würde ohne eine solche Neuregelung vom 1. Juli 1947 an auch für die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft der Grundsatz von Art. 885 des revidierten OE gelten. Die Ausnahmestellung der StickereiTreuhand-Genossenschaft als Genossenschaft des öffentlichen Eechtes muss daher vor Ablauf dieser Frist rechtswirksam werden. In Verbindung damit wird die entsprechende Statutenrevision unter Anpassung an das neue Eecht und unter Wahrung der erwähnten besonderen Eechte durch die Genossenschaft durchzuführen sein.

III.

Auf Grund der vorstehenden Ausführungen unterbreiten wir Ihnen den nachstehenden Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Organisation der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft, St. Gallen, zur Genehmigung und bitten Sie, die Vorlage so za behandeln, dass der Beschluss unter Einrechnung der Eeferendumsfrist spätestens am 30. Juni 1947 in Kraft treten kann.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, den Ausdruck unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 9. Dezember 1946.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Eobelt.

Der Bundeskanzler: Leimgruber.

1272 (Entwurf.)

Bundesbeschluss über

die Organisation der Stickerei-Treuhand Genossenschaft.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Art. 34ter und 64 der Bundesverfassung sowie auf den Bundesbeschluss vom 13. Oktober 1922 betreffend staatliche Hilfeleistung für die schweizerische Stickerei-Industrie, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 9. Dezember 1946, beschliesst :

Rechtliche Form.

Art. 1.

Der «Stickerei-Treuhand-Genossenschaft» wird die Befugnis eingeräumt, sich als Genossenschaft des öffentlichen Eechts des Bundes im Sinne von Art. 829 OE neu zu konstituieren.

* Soweit dieser Beschluss oder die Statuten der Genossenschaft nicht etwas anderes verfügen, finden die Bestimmungen des Obligationenrechts über die Genossenschaft Anwendung.

1

Art. 2.

Wahrung bisDie dem Bund, den Kantonen und den Genossenschaftern bisher heriger Hechte, zustehenden Rechte, insbesondere das Stimmrecht nach Anteilscheinen, bleiben gewahrt.

Art. 3.

Statuten und Organisation und Geschäftsführung der Genossenschaft werden im Geschäftseinzelnen durch Statuten und Geschäftsreglement geregelt, die dem reglement.

eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement zur Genehmigung vorzulegen sind. Ergänzungen oder Abänderungen der Statuten und des Geschäftsreglementes bedürfen ebenfalls der Zustimmung des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes.

Art. 4.

Bekanntem* Der Bundesrat wird beauftragt, gemäss den Bestimmungen des toten'J^"ftr Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Vollzug.

Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse die Bekanntmachung dieses Bundesbeschlusses zu veranlassen und den Zeitpunkt seines Inkrafttretens festzusetzen.

2 Der Bundesrat wird mit seinem Vollzug beauftragt.

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19.12.1946

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