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Kreisschreiben des

Bundesrathes an sämmtliche Kantonsregierungen, betreffend die Berichterstattung über die Choleraschutzmaßnahmen im Jahr 1892 und betreffend die Einreichung daheriger Entschädigungsforderungen.

(Vom 29. November 1892.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Nach den uns zugekommenen Berichten ist die Cholera in Deutschland, Frankreich und Belgien fast erloschen und in den Niederlanden, in Oesterreich-Ungarn und Rußland in starker Abnahme begriffen. Wir haben infolge dessen gegenüber den drei erstgenannten Staaten die Beschränkungen des Waarenverkehrs auf das Verbot der Ein- und Durchfuhr von Hadern aller Art, sowie von alten Kleidern, gebrauchtem Bettzeug und gebrauchter Leibund Bettwäsche, insofern es sich um Handelsartikel und nicht um persönliche Effekten handelt, reduzirt und gleichzeitig auch die Vollziehung des II. Theils (Art. 8--14 und 16--20) der Verordnung vom 15. August 1892 betreffend die Maßregeln zum Schutze gegen die Cholera, soweit sie die Verkehrsanstalten betreffen (Bundesbl.

1892, IV, 301), sistirt. Damit fällt auch für die Kantone die Verpflichtung, an den in Art. 17 dieser Verordnung erwähnten, in der Anlage namentlich aufgeführten Krankenübergabestationen (Bundesbl.

1892, IV, 310) Absonderungshäuser, Krankentransportmittel, Aerzte und Pflegepersonal in Bereitschaft zu halten, dahin. Selbstverständlich gilt dies auch für alle andern in dem betreffenden Verzeichnisse nicht aufgeführten Gemeinden.

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Die Cholera hat uns glücklicherweise verschont. Werden wir bei der nächsten Epidemie, welche nach dem Urtheile der Fachmänner Europa voraussichtlich schon nächstes Jahr heimsuchen wird, ebenso glücklich sein? Unsere öffentliche Gesundheitspflege und unsere sanitarischen Einrichtungen geben uns kein Recht, sicher darauf zu zählen. Es ist deshalb unsere Pflicht, die Vertheidigungsmittel gegen diese bösartige Volksseuche nach Kräften zu verbessern und zu vervollständigen. Wie groß die daherigen Lücken sind und wie ungenügend viele der vorhandenen Einrichtungen, dessen werden wir uns am besten bewußt, wenn wir nachsehen, was in den Gemeinden zur Verhütung der Epidemie gethan und zu deren eventueller Bekämpfung vorbereitet, mit andern Worten, in welcher Weise den Anforderungen des eidgenössischen Epidemiengesetzes Genüge geleistet worden ist.

Da nun nach Art. 10 des Epidemiengesetzes die Kantone für dessen Vollzug zu sorgen haben, dem Bundesrathe aber die Pflicht obliegt, diese Vollziehung zu überwachen und die hiefür erforderlichen Maßregeln zu treffen, so ersuchen wir Sie, unserin Deparlemente des Innern einen eingehenden Bericht über den Stand der Choleraprophylaxis in Ihrem Kantone zukommen zu lassen. Dieser Bericht soll namentlich auch für jede einzelne Gemeinde in kurzer, vielleicht tabellarischer Weise Auskunft geben, wie die in unserm Kreisschreiben vom 30. August 1892 (Bundeabi. 1892, IV, 329) unter Ziffer l--8 etwas näher ausgeführten, vom Epidemiengesetze vorgeschriebenen prophylaktischen Maßregeln daselbst durchgeführt worden sind. Es sollen also für jede Gemeinde im Wesentlichen folgende Fragen beantwortet werden: 1. In welcher Weise wurde die Kontrole des Trink- und Brauchwassers und der Nahrungs- und Genußmittel gehandhabt?

2. Welche Maßnahmen sind in Bezug auf die Reinhaltung von Grund und Boden und auf die Hygieine der Wohnungen getroffen worden ?

3. Wurde ein Absonderungshaus bereit gehalten? Oder in Aussicht genommen?

Bejahenden Falls: o. Lage, baulicher Zustand und sonstige Bestimmung des Gebäudes (ständiges Absonderungshaus, gewöhnliches Krankenhaus, öffentliches Gebäude, Privathaus")?

b. Zahl der Krankenräume? Platz für wie viel Betten?

c. Wie viele Betten waren aufgestellt? Wie viele in Bereitschaft gehalten ?

558 d.

e.

f.

g.

Zahl Sind Arzt Wer Oder

der Wärterzimmer? Küche? Waschküche?

die nöthigen Krankenutensilien vorhanden?

des Absonderungshauses (Nume und Wohnort)?

war für die Besorgung der Krankenpflege engagirt?

in Aussicht genommen?

4. Welche Krankentransportmittel stehen zur Verfügung (Krankenwagen, Räderbrancards, Tragbahren etc.)? Zahl derselben?

5. Bestehen Einrichtungen zur Desinfektion oder sind sonst irgend welche diesbezüglichen Vorbereitungen oder Maßnahmen getroffen worden ?

Wenn dies der Fall ist: a. Steht ein Dampfdesinfektionsapparat zur Verfügung? Welcher Art?

b. Ist eine sonstige Einrichtung für diesen Zweck da (Waschkessel, sonniger Lüftungsraum, Raucherkasten etc.)?

c. Sind Desinfektionsbeamte bezeichnet und instruirt worden?

Wie viele?

d. Sind Desinfektionsmittel angeschafft worden? Oder fest bestellt? Welche? Q u a n t u m ?

e. Wurden Desinfektionsmittel verbraucht? Wie viel? Wozu?

6. Ist ein Aufnahmslokal für auszulogirende Gesunde bestimmt worden ?

Bejahenden Falls: Lage, Art und Größe desselben?

7. Waren Maßnahmen getroffen für Ueberwachung von Choleraflüchtlingen? Welche?

8. Allfällige sonstige Mittheilungen, Vorschläge u. dergl.?

Für die in der Anlage zu der oben erwähnten Verordnung vom 15. August 1892 als Krankenübergabestationen bezeichneten Gemeinden, über deren Installationen und Einrichtungen zur Aufnahme und Verpflegung von choleraverdächtigen und cholerakranken Reisenden und zur Vornahme von Desinfektionen bereits in Form eines ausgefüllten Fragebogens an das eidgenössische Departement des Innern berichtet worden ist, sind nur noch die Fragen l, 2, 6, 7 und 8 zu beantworten.

Wir ersuchen Sie, den Bericht bis längstens Ende Dezember 1. J. dem eidgenössischen Departement des Innern übermitteln zu wollen. Statt eines einzigen zusammenfassenden Berichtes, steht es Ihnen übrigens frei, die Original berichte der Gemeinden, mit Ihren gutachtlichen Bemerkungen begleitet, direkt einzusenden.

559 Letzteres empfiehlt sich namentlich für diejenigen Gemeinden, welche, gestützt auf Art. 8 des Epidemiengesetzes, beziehungsweise auf das Reglement betreffend die Ausrichtung von Bundesbeiträgen an Kantoue und Gemeinden zur Bekämpfung gemeingefährlicher Epidemien, vom 4. November 1887 (A. S. n. F. X, 353), Entschädigungsforderungen an den Bund zu stellen haben, da den letztem bekanntlich ein Bericht der Gemeindebehörde über ihre bezügliche Thätigkeit beigelegt sein muß.

Was nun endlich die E n t s c h ä d i g u n g s f o r d e r u n g e n an d e n B u n d anbetrifft, so müssen die betreffenden Eingaben ebenfalls bis längstens Ende Dezember 1. J. eingereicht werden. Dieselben sollen nach Vorschrift von Art. 13 des erwähnten Reglements von den Gemeindebehörden, mit den Belegen für die gemachten Ausgaben versehen, sammt dem oben erwähnten Berichte der beireffenden Kantonsregierung eingereicht werden, welche die Rechnungen, beziehungsweise Forderungen, auf Grundlage der gesetzlichen "Vorschriften prüft und dieselben mit ihrem gutachtlichen Berichte ·an den ßundesrath einbegleitet.

Die Rechnungen sollen im Allgemeinen nach Anleitung unseres ifreisschreibens betreffend die Ausführung des Epidemiengesetzes und des bezüglichen Reglements, vom 16. September 1890, abgefaßt sein. Das daselbst angegebene Schema wird, entsprechend dem Umstände, daß Choleraerkrankungen nicht vorgekommen sind und *iur hie und da ein Choleraverdächtiger vorübergehend internirt ·wurde, in folgender Weise reduzirt werden können: 4

560 Gemeinde:

Bezirk :

1. Für temporäre Isolirbauten (Art. 4 des Reglements vom 4. November 1887): et Erstellungskosten . . .

.

6. Davon ab Erlös ans dem Material nach dem Abbruch c. Verbleiben wirkliche Auslagen . .

NB. Da man sich voraussichtlich nächstes Jahr wieder gegen die Cholera zu rllsten hat, so sollen solche temporare Bauten, wo dies angeht, stehen gelassen werden. Die bezügliche Rechnung ist in diesem Falle spater, nach dem Abbruch nnd der Verwerthnng des Materials, einzureichen.

2. Effektiv bezahlter Miethzins für ein mit vorgängiger Genehmigung durch eine obere kantonale Sanitätsbehörde als Nothspital eingerichtetes Privathans (Art. 3 des 3. Nachgewiesenermaßen bezahlte Entschädigung für Verwendung eines öffentlichen Gebäudes (Art. 2 des Reglements) 4. Erstmalige Anschaffung oder nothwendige Ergänzung von Mobiliargegenständen zur Aufnahme und Verpflegung von Kranken (Art. 7 des Reglements) .

5. Allfällige Entschädigung für bereits engagirtes Wartcpersonal (für Tage, ner Tac & 1 . .

. . .

6. Beschaffung von Lokalitäten für Auszulogirende (Art. 6) 7. Allfällige Auslagen für Isolirung, Verpflegung und ärztliche Behandlung Choleraverdächtiger : a. Kosten der Verpflegung und ärzt& Sonstige Auslagen NB. Die Berechtigung dea Postens 7 a ist durch beigelegte amtlicheDurftigkeitshescheinigangen nachzuweisen (Art. 8, Alin. 2, des Eeglements).

8. Auslagen für die von der Sanitätsbehörde amtlich angeordnete Desinfektion (Art. 11 des Reglements): a . Desinfektionseinrichtungen . . . .

b . Desinfektionsmaterialien . . . .

c. Ausführung der Desinfektionsarbeiten 9. Sanitarische Ueberwachung des Verkehrs (Art. 12 des Eeglements) . . . .

Kanton : Nr. des Belegs.

Fr.

Kp.

Fr.

Bp.

561 Schließlich noch die Mittheilung, daß das eidgenössische Departement des Innern Ihnen auf Verlangen die nöthige Anzahl von, Berichts- "und Rechnungsformularen für die einzelnen Gemeinden zur Verfügung stellen wird.

. Im Uebrigen benutzen wir diesen Anlaß, um Sie, getreue, liebe Eidgenossen, sammt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 29. November 1892.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Häuser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Kreisschreiben des Bundesrathes an sämmtliche Kantonsregierungen, betreffend die Berichterstattung über die Choleraschutzmaßnahmen im Jahr 1892 und betreffend die Einreichung daheriger Entschädigungsforderungen. (Vom 29. November 1892.)

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50

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07.12.1892

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556-561

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