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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die 27. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz.

(Vom 16. Dezember 1946.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir erstatten Ihnen hiemit Bericht über die 27. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz.

I. Zusammensetzung und Tagesordnung der Konferenz.

Diese erste Tagung nach Beendigung des zweiten Weltkrieges fand auf Einladung der Provisorischen Regierung der Französischen Eepublik vom 15. Oktober bis 5. November 1945 in Paris statt und wurde von 48 Mitgliedstaaten beschickt, die mit 470 bevollmächtigten Teilnehmern vertreten waren.

Italien und Guatemala, die schon früher der Organisation angehört hatten, wurden neuerdings aufgenommen, während die Aufnahme von Island neu erfolgte. Den Vorsitz der Konferenz führte der französische Minister für Arbeit und. Soziale Sicherheit, Herr A. Parodi.

Die schweizerische Delegation setzte sich wie folgt zusammen (Dr. Georg Willi, Direktor des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit, war durch Krankheit an der Teilnahme verhindert): Eegierungsvertreter: Dr. William Eappard, Professor für Volkswirtschaft an der Universität Genf und Direktor des Institut universitaire des Hautes-Etudes internationales, und Fürsprech Max Kaufmann, Vizedirektor des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit; Arbeitgebervertreter: Charles Kuutschen, Sekretär des Zentralverbandes schweizerischer Arbeitgeberorganisationen; Arbeitnehmervertreter: Charles Schürch, Sekretär des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes. Ausserdem war die Delegation von einer grösseren Zahl technischer Berater begleitet.

1274 Die Tagesordnung der Konferenz umfasste folgende Gegenstände: Bericht des Direktors (Sozialprobleme der Nachkriegszeit, insbesondere für Buropa. Grundsätze der künftigen Tätigkei und Programm der Internationalen Arbeitsorganisation) ; Aufrechterhaltung eines hohen Beschäftigungsstandes der Industrie während ihres Wiederaufbaues und ihrer Umstellung auf die Friedenswirtschaft; Schutz der Kinder und jugendlichen Arbeiter; Konstitutionelle Fragen; Mindestnormen für die Sozialpolitik in abhängigen Gebieten; Bericht über die Anwendung der Übereinkommen.

Ferner waren in den Verwaltungsrat acht Begierungsvertreter von Mitgliedstaaten zu wählen, die darin keinen ständigen Sitz haben, ebenso die Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer.

u. Verhandlungen und Beschlüsse der Konferenz.

1. Bericht des DireMors.

Die Behandlung des Berichtes des Direktors nahm einen grossen Teil der Konferenztagung in Anspruch, und es äusserten sich dazu nicht weniger als 64 Delegierte. Die Ausführungen der verschiedenen Eedner betrafen vor allem die Lage der einzelnen vom Krieg heimgesuchten Länder und das Problem der Neugestaltung der Internationalen Arbeitsorganisation, ferner die immer wiederkehrende Frage der Eatifikation der Internationalen Arbeitsübereinkommen und ihrer wirksamen Durchführung in den Mitgliedstaaten.

2. Aufrechterhaltung eines hohen Beschäftigungsstandes der Industrie während ihres Wiederaufbaues und ihrer Umstellung auf die Friedenswirtschaft.

Schon an ihrer 26. Tagung in Philadelphia hatte sich die Internationale Arbeitskonferenz mit der Planung öffentlicher Arbeiten befasst und mit der Frage der organisatorischen Sicherung der Vollbeschäftigung beim Übergang von der Kriegs- zur Friedenswirtschaft*). Als Grundlage für die Behandlung dieses Geschäftes an der 27. Tagung lag der Konferenz ein vom Internationalen Arbeitsamt ausgearbeiteter Eesolutionsentwurf vor.

In der Eesolution, der die Konferenz einmütig zustimmte, werden die Vollbeschäftigung, die Erhöhung des Lebensstandards sowie eine fortschrittliche Entwicklung in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht als unerlässliche Voraussetzungen für friedliche und freundschaftliche Beziehungen zwischen den Staaten bezeichnet. Die Eegierungen werden eingeladen, in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft alle in ihrer Macht liegenden Vorkehren zur
Aufrechterhaltung *) Siehe den Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 1. April 1946 über die 26. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz und insbesondere die an dieser Konferenz angenommene Empfehlung betreffend Regelung des Arbeitsmarktes beim Übergang vom Kriege zum Frieden, Bbl. 1946, I. S. 780.

1275 der Vollbeschäftigung zu treffen. Zu diesem Zwecke wird namentlich empfohlen, den Ausgleich der Konjunkturschwankungen durch Fühlungnahme mit der Industrie anzustreben, um eine Anpassung der privaten Investitionen an die Konjunkturlage zu erreichen. Dem gleichen Zweck hätte eine konjunkturgerechte Politik der öffentlichen Arbeiten, verbunden mit entsprechenden Massnahmen auf finanziellem Gebiet zu dienen.

Besonderes Gewicht wird auf die Massnahmen zur Vermeidung eines inflatorischen Auftriebes der Preise gelegt ; dabei werden u. a. Massnahmen auf finanziellem und fiskalischem Gebiet zwecks Abschöpfung der überschüssigen Kaufkraft vorgeschlagen. Nach Beendigung der Inflationsgefahr soll einem allfälligen Nachfragerückgang durch Steigerung der öffentlichen und privaten Ausgaben begegnet werden. Zu diesem Zwecke soll eine der Konjunktur angepasste Budgetpolitik betrieben und der eingetretene Nachfragerückgang nötigenfalls durch Subventionen, Steuererleichterungen sowie Förderung der öffentlichen Investitionstätigkeit ausgeglichen werden.

Verschiedene weitere Anregungen, welche die vom Kriege verwüsteten Gebiete betreffen, können wir übergehen, da sie unser Land nicht berühren.

Als Massnahme zur Wiederherstellung des wirtschaftlichen Gleichgewichtes sowie zur Vollbeschäftigung werden die Wiederaufnahme und Entwicklung des Welthandels sowie der Abschluss von Vereinbarungen über den Ausgleich der Zahlungsbilanzen empfohlen und einem Abbau der Hindernisse für den zwischenstaatlichen Handel das Wort gesprochen. Für die Durchführung dieser Massnahmen sollen besondere Institutionen und Organe geschaffen werden. Ausserdem sei die Wirtschaftsstatistik entsprechend auszubauen.

Soweit die in der Eesolution enthaltenen Vorschläge nicht ausschliesslich auf die kriegführenden oder die vom Kriege verwüsteten Länder zugeschnitten sind, darf festgestellt werden, dass die Schweiz ihnen bereits weitgehend nachgekommen ist. So hat sie sich insbesondere das Prinzip des Konjunkturausgleichs durch eine entsprechende zeitliche Staffelung der öffentlichen Arbeiten zu eigen gemacht und die private Wirtschaft weitgehend zur Mitarbeit herangezogen. Durch die Ernennung eines Delegierten für Arbeitsbeschaffung ist auch das von der Arbeitskonferenz empfohlene Organ geschaffen worden.

In rein formaler Hinsicht ist zu sagen,
dass die Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation keine «Besolutionen» vorsehen und eine solche deshalb für die Mitgliedstaaten auch keinerlei rechtliche Verpflichtung einschliesst.

3. Schutz der Kinder und jugendlichen Arbeiter.

Dieses Traktandum, das die Frage der ärztlichen Prüfung der Jugendlichen vor ihrem Eintritt ins Erwerbsleben sowie die Frage der Beschränkung der Nachtarbeit der Kinder und Jugendlichen in den nichtindustriellen Betrieben umfasst, stand zum Zwecke der ersten Beratung auf der Tagesordnung der Konferenz. Das Verfahren bestand wie üblich darin, dass zunächst eine von der Konferenz bestellte, aus Vertretern der Eegierungen, der Arbeitgeber

1276 und der Arbeitnehmer zusammengesetzte Kommission die zur Erörterung stehenden Probleme behandelte und dem Plenum Bericht erstattete. Dieser Bericht enthielt ein Verzeichnis der einzelnen Punkte, die in dem vom Internationalen Arbeitsamt an die Mitgliedstaaten zu versendenden Fragebogen enthalten sein sollten. Nach einer allgemeinen Aussprache genehmigte die Vollkonferenz den Bericht und beschloss, den Gegenstand für die zweite abschliessende Beratung auf die Traktandenliste der Tagung von 1946 zu setzen. Wir werden also Gelegenheit haben, in unserer Berichterstattung über die diesjährige Arbeitskonferenz auf die Frage näher einzugehen und Ihnen davon Kenntnis zu geben, welche endgültigen Beschlüsse gefasst worden sind und welche Haltung die Schweiz ihnen gegenüber einnimmt.

Im Zusammenhang mit diesem Traktandum wurden von der Konferenz noch einige Eesolutionen gefasst. Die einen davon ersuchen den Verwaltungsrat, die Möglichkeit zu prüfen, gewisse Fragen auf die Tagesordnung einer der nächsten Internationalen Arbeitskonferenzen zu setzen (Ausdehnung der Berufseignungsprüfung auf die Landwirtschaft, Eevision des Übereinkommens von 1919 über die Nachtarbeit der Jugendlichen, Beschäftigung von Jugendlichen bei Untertagarbeiten in Bergwerken). Eine weitere Eesolution fordert den Verwaltungsrat auf, einen beratenden Ausschuss einzusetzen für Fragen, welche die jugendlichen Arbeitnehmer betreffen. Zwei Resolutionen sodann sind ihrem Inhalt nach nichts anderes als Empfehlungen an die Mitgliedstaaten, aber nicht im formalrechtlichen Sinne, da den Mitgliedstaaten irgendwelche rechtlichen Verpflichtungen daraus nicht erwachsen. Die eine dieser Eesolutionen betrifft den Schutz der Kinder und jugendlichen Arbeitnehmer im allgemeinen und enthält Anregungen für einen weitgehenden Ausbau der Schutzgesetzgebungen für Kinder und Jugendliche. Die zweite Eesolution ist als Aufruf aufzufassen an die Länder, die von der Besetzung durch eine fremde Macht verschont blieben, ihr Möglichstes zu tun, um den befreiten Ländern, und insbesondere ihrer Jugend, die notwendige moralische und materielle Hilfe zu bringen. Die Schweiz wird den in diesen Eesolutionen ausgedrückten Wünschen soweit wie möglich in geeigneter Weise Beachtung schenken.

4. Konstitutionelle Fragen.

Die Probleme, welche die Eevision der Verfassung
der Internationalen Arbeitsorganisation betreffen und die Eingliederung der Organisation in die neue internationale Ordnung waren zuerst an der Konferenz von Philadelphia behandelt worden. An jener Tagung ^urde eine Eesolution angenommen, die den Verwaltungsrat ersuchte, eine Kommission einzusetzen zur Prüfung der konstitutionellen Fragen und zur Berichterstattung darüber. Auch wurde der Verwaltungsrat eingeladen, nach Empfang und Prüfung des Kommissionsberichtes die Gegenstände namhaft zu machen, mit denen sich die Konferenz seiner Meinung nach befassen sollte.

Entsprechend diesen Anträgen der Konferenz von Philadelphia bestellte der Verwaltungsrat eine Kommission und setzte gestützt auf das Ergebnis

1277 ihrer Verhandlungen das Traktandum « Gegenstände, die sich aus den Arbeiten der Kommission für konstitutionelle Fragen ergeben» auf die Tagesordnung der Pariser Konferenz. Aus dem grossen Komplex der Kevisionsprobleme behandelte die Konferenz nur die dringendsten Fragen, die eine rasche Lösung verlangten. Sie genehmigte eine «Urkunde über die Abänderung der Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation» und fasste eine Resolution betreffend das Inkrafttreten dieser Urkunde. Hierüber hat Ihnen der Bundesrat in seiner «Botschaft zum Entwurf eines Bundesbeschlusses vom 9. Februar 1946 betreffend Genehmigung der Urkunde über die Abänderung der Satzungen der Internationalen Arbeitsorganisation» einen gesonderten Bericht erstattet*), und die eidgenössischen Bäte haben seinen Anträgen mit Beschluss vom 4. April 1946 die Genehmigung erteilt. Die Beferendumsfrist ist am 10. Juli dieses Jahres unbenutzt abgelaufen. Im weiteren fasste die Pariser Konferenz folgende in unserer Sonderbotschaft vom 9. Februar dieses Jahres nicht behandelten Beschlüsse : Eesolution betreffend die Beziehungen zwischen der Internationalen Arbeitsorganisation und den Vereinigten Nationen.

Resolution betreffend die gegenseitigen Beziehungen zwischen der Internationalen Arbeitsorganisation und andern internationalen Organisationen.

Resolution betreffend die Interessen der Internationalen Arbeitsorganisation an bestimmten Liegenschaften und andern Gütern des Völkerbundes, ebenso an den die Internationale Arbeitsorganisation berührenden Funktionen und Tätigkeiten des Völkerbundes.

Resolution betreffend den Ort der nächsten Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz.

Resolution betreffend vorübergehende Massnahmen in bezug auf die Eintragung der Ratifikation von Übereinkommen.

Die sonstigen zahlreichen Fragen weniger dringlicher Natur wurden einer aus Vertretern der Regierungen, der Arbeitgeber und der-Arbeitnehmer zusammengesetzten Delegation zum näheren Studium und zur Berichterstattung überwiesen. Diese Delegation ist zu Beginn dieses Jahres in London zusammengetreten und hat einen ausführlichen Bericht verfasst, der den Mitgliedstaaten zur Meinungsäusserung zugestellt worden ist. Der Bericht mit den Antworten der Regierungen und einem weiteren Bericht, den die Delegation an ihrer zweiten Tagung vom Mai dieses Jahres
ausgearbeitet hatte, bildete die Grundlage für die Beratungen über diesen Gegenstand an der diesjährigen Internationalen Arbeitskonferenz.

Zu den oben aufgeführten Resolutionen konstitutioneller Natur, die an der Pariser Konferenz gefasst worden sind, und über die wir uns noch nicht geäussert haben, ist folgendes zu bemerken: Resolution b e t r e f f e n d die Beziehungen zwischen der Internationalen Arbeitsorganisation und den Vereinigten Nationen.

*) Bbl. 1946, I, S. 253.

1278 Die Internationale Arbeitsorganisation hatte schon bei verschiedenen Anlässen ihren Wunsch nach einem engen Zusammengehen mit den neuen im Entstehen begriffenen internationalen Institutionen zum Ausdruck gebracht. In der vorliegenden Eesolution bestätigt die Konferenz diesen Wunsch, begrüsst das Inkrafttreten der Charta der Vereinigten Nationen, deren Grundsätze auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet denen der Internationalen Arbeitsorganisation weitgehend entsprechen, und erklärt die Bereitschaft der Arbeitsorganisation zu einer umfassenden Musammenarbeit mit den Vereinigten Nationen, um die in der genannten Charta, im Statut der Internationalen Arbeitsorganisation und in der Erklärung von Philadelphia aufgezählten Zwecke zu verwirklichen. Der Verwaltungsrat wird demgemäss -- unter Vorbehalt der Genehmigung durch die Konferenz und der Aufrechterhaltung der erforderlichen Selbständigkeit der Internationalen Arbeitsorganisation zur Erfüllung der in ihren Satzungen und in der Erklärung von Philadelphia genannten Aufgaben -- ermächtigt, mit den zuständigen Stellen der Vereinigten Nationen die erforderlichen Abmachungen für die Zusammenarbeit zu treffen.

Eesolution b e t r e f f e n d die gegenseitigen Beziehungen zwischen der Internationalen Arbeitsorganisation und andern internationalen Organisationen. Eine Eesolution, die von der Konferenz von Philadelphia im Jahre 1944 angenommen worden war, hatte Verhandlungen vorgesehen zur Herstellung enger Zusammenarbeit zwischen der Internationalen Arbeitsorganisation und andern internationalen Organisationen und gewisse Verfahren der Zusammenarbeit in Vorschlag gebracht. In der vorliegenden weiteren Eesolution begrüsste die Konferenz den Fortschritt, der erzielt worden war, um die enge Zusammenarbeit zwischen der Arbeitsorganisation und den andern internationalen Organisationen zu sichern. Sie ersuchte auch das Internationale Arbeitsamt, alle weiteren geeigneten Massnahmen zu treffen, um eine solche Zusammenarbeit unter Bedingungen zu entwickeln, die für die Internationale Arbeitsorganisation und die andern in Betracht kommenden Institutionen förderlich sind.

Eesolution b e t r e f f e n d die Interessen der Internationalen A r b e i t s o r g a n i s a t i o n an bestimmten Liegenschaften und andern G ü t e r n des V ö l k e r b u n d e s , ebenso
an den die I n t e r n a t i o n a l e Arbeitsorganisation b e r ü h r e n d e n Funktionen und Tätigkeiten des Völkerbundes. Die enge Verbindung beim Eigentumsbesitz der Internationalen Arbeitsorganisation und des Völkerbundes wirft eine Eeihe von Fragen auf, die im Zusammenhang mit der Liquidation des Völkerbundes gelöst werden müssen. Die Konferenz nahm deshalb diese Eesolution an, die den Verwaltungsrat ermächtigt, mit dem Völkerbund oder den Vereinigten Nationen die entsprechenden Vereinbarungen zu treffen.

Eesolution b e t r e f f e n d den Ort der nächsten Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz. Die Konferenz ermächtigte den Verwaltungsrat gleich wie im Vorjahre, den Ort ihrer nächsten Tagung zu bestimmen. Als solcher wurde in der Folge Montreal bezeichnet.

1279 Eesolution b e t r e f f e n d vorübergehende Massnahmen inbezug auf die Eintragung der E a t i f i k a t i o n von Übereinkommen. Schon im Vorjahr hatte die Konferenz in einer Resolution im Sinne einer Übergangslösung Massnahmen gutgeheissen inbezug auf die Eintragung der formalen Eatifikation von Übereinkommen, die bisher vom Generalsekretär des Völkerbundes vorgenommen worden war, durch den Direktor des Internationalen Arbeitsamtes. Eine weitere Eesolution der Pariser Konferenz verlängerte die Anwendungsmöglichkeit jenes Beschlusses.

Geschäftsordnung der Konferenz. Neben den eigentlichen konstitutionellen Problemen schloss der vierte Gegenstand der Tagesordnung der Konferenz die Frage der Abänderung der Geschäftsordnung der Konferenz ein. Diese Frage wurde in einem besonderen Bericht des Internationalen Arbeitsamtes behandelt unter dem Titel «Eevision von Form und Anordnung der Geschäftsordnung der Konferenz». Es handelte sich dabei nicht sosehr darum, die Geschäftsordnung, die im Jahre 1919 aufgestellt worden war und seitdem zahlreiche Zusätze erhalten hatte, abzuändern, als ihre Anordnung zu verbessern -- ein Wunsch, der schon öfters geäussert worden war. Die Konferenz stimmte der abgeänderten Geschäftsordnung entsprechend den Anträgen ihrer Kommission einstimmig zu.

5. Sozialpolitik in abhängigen Gebieten.

Die Konferenz vervollständigte ihre Arbeiten über diesen Gegenstand, die schon 1944 zur Annahme einer Empfehlung geführt hatten, durch eine weitere -- im Anhang dieses Berichtes abgedruckte -- «Empfehlung betreffend Mindestnormen der Sozialpolitik in abhängigen Gebieten (ergänzende Bestimmungen) » sowie durch mehrere Eesolutionen. Sie setzte zudem eine ständige Kommission für die abhängigen Gebiete ein und ersuchte den Verwaltungsrat, den Gegenstand erneut auf die Tagesordnung der Konferenz von 1946 zu setzen im Hinblick auf die Schaffung einer Konvention.

Die vorliegende Empfehlung richtet sich wie diejenige des Jahres 1944 an die Mitgliedstaaten mit Kolonialbesitz und ist deshalb für unser Land gegenstandslos. Wenn wir sie Ihnen gemäss Art. 19, Abs. 5, der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation unterbreiten, so hat dies im vorhegenden Falle nur formale Bedeutung.

6. Durchführung der Übereinkommen.

Als der Verwaltungsrat die Tagesordnung der Pariser Konferenz bestimmte,
beschloss er, dass im Zusammenhang mit der Prüfung der Berichte über die Anwendung der Konventionen Gelegenheit geboten werden sollte zu einer Generaldebatte über Probleme der Arbeitsaufsicht und der Gesamtarbeitsverträge. Deshalb setzte er diesmal die Frage der jährlichen Berichterstattung über die ratifizierten Übereinkommen im Sinne von Art. 22 der Satzungen

1280 der Organisation als besonderen Gegenstand auf die Tagesordnung der Konferenz.

Die Kommission, die dieses Geschäft behandelte, legte ihren Arbeiten ·wie üblich vor allem die vom Internationalen Arbeitsamt vorgenommene Zusammenstellung der Berichte der Mitgliedstaaten über die ratifizierten Konventionen (für den Zeitraum 1939--1945) zugrunde und den Bericht der sogenannten Expertenkommission für die Durchführung der Übereinkommen, die jeweils vor Zusammentritt der Konferenz diese Berichte zu überprüfen hat. Sie erstattete einen Bericht, der vom Plenum der Konferenz einstimmig angenommen wurde.

In diesem Bericht wird vor allem festgestellt, dass trotz den durch den Krieg verursachten Schwierigkeiten das System der Berichterstattung nach Art. 22 im ganzen seine Probe gut bestanden habe, wenn es auch, wie der Eapport der Expertenkommission hervorhebt, noch nicht möglich war, sich jetzt schon ein Bild über die Durchführung der Konventionen in den vom Kriege betroffenen Ländern zu machen. Der Bericht unterstreicht sodann wie in früheren Jahren den bindenden rechtlichen Charakter einer Eatifikation und die Verpflichtung, Konventionsentwürfe und Empfehlungen der zuständigen legislativen Behörde, d. h. in der Eegel dem Parlament zur Stellungnahme zu unterbreiten. In Zukunft sollte versucht werden, auch zu ermitteln, weshalb ein Mitgliedstaat ein Übereinkommen nicht ratifiziert habe, und ob er die Vorschriften des Übereinkommens trotzdem ganz oder teilweise verwirkliche.

Auch sollten die Staaten regelmässig über die Berücksichtigung der Empfehlungen Bericht erstatten. Besondere Beachtung wird dem Problem der Eatifikation von Arbeitsübereinkommen in Bundesstaaten geschenkt. Der Bericht hebt hervor, welche hervorragende Eolle die Arbeitsinspektion bei der Durchführung der Übereinkommen spiele, und spricht -- einen alten Gedanken der Internationalen Arbeitsorganisation wieder aufnehmend -- den Wunsch aus, dass die Frage der Arbeitsinspektion durch ein Internationales Übereinkommen geregelt und zu diesem Zwecke auf die Tagesordnung einer der nächsten Konferenzen gesetzt werden sollte. Die Kommission zur Behandlung des vorliegenden Geschäftes fasste ihre Vorschläge zudem in einer besonderen Besolution zusammen, die sie der Kommission für die konstitutionellen Fragen zur Prüfung überwies.

7. Gemäss Geschäftsordnung vorgelegte Resolutionen.

Neben den Eesolutionen, die im Zusammenhang mit verschiedenen Fragen der Tagesordnung stehen, und über die wir oben berichtet haben, hatte sich die Konferenz auch mit verschiedenen Eesolutionen zu befassen, die ihr auf Grund der Geschäftsordnung vorgelegt worden waren.

Auf Grund des Berichtes der hiefür eingesetzten Kommission nahm die Konferenz zwei Eesolutionen an. Die erste bezog sich auf die Frage des Studiums der demographischen Probleme (wirtschaftliche und soziale Auswirkungen

1281 der Bevölkerungsbewegung) und ersuchte den Verwaltungsrat, das Internationale Arbeitsamt zu ermächtigen, seine Untersuchungen auf diesem Gebiet in enger Fühlungnahme mit den mitbeteiligten Organisationen fortzusetzen.

Die zweite Eesolution betraf die Frage des Gebrauchs der spanischen Sprache an der Konferenz und in den Veröffentlichungen des Internationalen Arbeitsamtes.

8. Wahlen in den Verwaltungsrat.

Wie schon eingangs erwähnt wurde, waren den Ländern, die im Verwaltungsrat nicht ständig vertreten sind, acht Eegierungssitze einzuräumen; ebenso waren die Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer im Verwaltungsrat neu zu wählen. Folgende acht Länder gingen aus den Wahlen hervor: Australien, Brasilien, Chile, Ägypten, Mexiko, Peru, Polen und Schweden. Was die Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer im Verwaltungsrat betrifft, ist zu erwähnen, dass als eines der stellvertretenden Mitglieder der Arbeitgeber Herr Charles Kuntschen, Sekretär des Zentralverbandes schweizerischer Arbeitgeberorganisationen, gewählt wurde.

Die Internationale Arbeitsorganisation hat an ihrer ersten Nachkriegstagung erneut ihre Bedeutung und Lebenskraft bewiesen und gezeigt, wie gross das Interesse ist, das ihr von den Regierungen, den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern allenthalben entgegengebracht wird. Die Schweiz als rechtlicher Sitz der Internationalen Arbeitsorganisation ist mit dieser Institution in besonderer Weise verknüpft, hat doch deren ausführendes Organ, das Internationale Arbeitsamt, bis zu Beginn des Krieges seine Tätigkeit auf Schweizerboden ausgeübt, wie ja auch bis zu jenem Zeitpunkt die Tagungen der Internationalen Arbeitekonferenz regelmässig am Sitze des Amtes, in Genf, stattgefunden haben. Wir haben die zuversichtliche Hoffnung, diesen Zustand, der nur durch die ausserordentlichen Verhaltnisse des Krieges unterbrochen worden ist, sobald wie möglich dauernd wieder hergestellt zu sehen. Über die weitere Entwicklung dieser Frage seit der Pariser Konferenz werden wir Ihnen in unserem Bericht über die diesjährige Arbeitskonferenz Kenntnis geben.

Wir empfehlen Ihnen, unseren Ausführungen zuzustimmen, und versichern Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 16. Dezember 1946.

Im Namejn des Schweiz. Bundesrates, Deij Bundespräsident:

Kobelt.

Der Bundeskanzler: Leimgruber.

1282 (Beilage*) Übersetzung.

27. Tagung der Internationalen Arfoeitsfconferenz.

(Paris, den 15. Oktober bis 5. November 1945.)

Empfehlung (Ni. 74) betreffend Mindestnonnen der Sozialpolitik in abhängigen Gebieten (ergänzende Bestimmungen).

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Paris einberufen wurde und am 15. Oktober 1945 zu ihrer siebenundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend Mindestnormen der Sozialpolitik in abhängigen Gebieten (ergänzende Bestimmungen), eine Frage, die den fünften Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 5. November 1945, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend Sozialpolitik in abhängigen Gebieten (ergänzende Bestimmungen), 1945, bezeichnet wird.

Die Konferenz geht davon aus, dass das XI. Kapitel der Charta der Vereinigten Nationen, das die Erklärung über die nicht autonomen Gebiete enthält, den Grundsatz aufstellt, dass vor allem andern die Interessen der Einwohner aller dieser Gebiete zu berücksichtigen seien, und dass es ihren Mutterländern als geheiligte Mission die Verpflichtung auferlegt, sie politisch, wirtschaftlich, sozial und kulturell zu fördern.

Sie zieht in Erwägung, dass die Internationale Arbeitskonferenz an ihrer sechsundzwanzigsten Tagung, am 12. Mai 1944, eine Empfehlung betreffend Mindestnormen der Sozialpolitik in abhängigen Gebieten angenommen hat.

Sie hält es für wünschenswert, dafür zu sorgen, dass in den abhängigen Gebieten Mindestnormen, welche die im Jahre 1944 beschlossenen ergänzen, zur Anwendung kommen.

Die Konferenz empfiehlt daher was folgt: l. Jedes Mitglied der Organisation, dem ein abhängiges Gebiet untersteht, sollte alle in seiner Befugnis liegenden Massnahmen treffen, um in diesem Gebiet die wirksame Anwendung der im Anhang zu dieser Empfehlung enthaltenen Mindestnormen sicherzustellen. Insbesondere sollten die Mitglieder *) Die nachstehend abgedruckte deutsche Passung der von der 27. Internationalen Arbeitskonferenz beschlossenen Empfehlung stellt eine vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit angefertigte vorläufige Übersetzung des französischen und englischen Urtextes dar.

1283 diese Empfehlung der Behörde oder den Behörden unterbreiten, die für die wirksame Durchführung der im Anhang aufgeführten Mindestnormen in diesem Gebiet zuständig sind.

2. Jedes Mitglied der Organisation sollte, falls es der vorliegenden Empfehlung zustimmt, dem Direktor des Internationalen Arbeitsamtes so früh wie möglich die einzelnen Massnahmen zur Kenntnis bringen, die es getroffen hat, um die im Anhang erwähnten Mindestnormen in jedem abhängigen Gebiet, das ihm untersteht, wirksam durchzuführen. Sodann sollte das Mitglied dem Internationalen Arbeitsamt entsprechend den Beschlüssen des Verwaltungsrates von Zeit zu Zeit über die zur Durchführung der Empfehlung getroffenen Massnahmen Bericht erstatten.

8. Die im Anhang zu dieser Empfehlung aufgeführten Normen sind als Mindestnormen zu betrachten, die irgendwelche Verpflichtungen zur Einhaltung von Normen mit höheren Anforderungen, die für ein Mitglied auf Grund der Verfassung der Organisation oder auf Grund eines von ihm ratifizierten internationalen Arbeitsübereinkommens bestehen, in keiner Weise berühren oder einschränken und keinesfalls so auszulegen oder anzuwenden sind, dass sich daraus eine Minderung des gesetzlichen Schutzes ergibt, der den in Betracht kommenden Arbeitnehmern bereits gewährt wird.

Anhang.

Abschnitt 1. Löhne und Ersparnisse.

Artikel 1.

1. Eines der Ziele der Sozialpolitik soll darin bestehen, die Entwicklung von Verfahren zur Herbeiführung von Gesamtarbeitsverträgen zu fördern, durch die auf Grund von Verhandlungen zwischen den Organisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Mindestlöhne festgesetzt werden können.

2. In allen Fällen, in denen die zuständige Behörde Grund hat anzunehmen, dass die Arbeitnehmerverbànde noch nicht den nötigen Stand erreicht haben, um auf dem Fusse der Gleichberechtigung mit den Arbeitgeberverbänden verhandeln zu können, wird sie besonders geeignete Personen bezeichnen, die den Arbeitnehmern bei den Verhandlungen mit Rat und Auskunft beistehen und, nötigenfalls, in ihrem Namen handeln. Solche Massnahmen und Wahlen sollen nach Fühlungnahme mit der Arbeitsaufsichtsbehörde vorgenommen werden, sofern eine solche besteht. Die so gewählten Personen sollen die Arbeitnehmerorganisationen in ihrer anfänglichen Entwicklung mit Eat und Auskunft unterstützen.

Artikel 2.

1. Wo keine
angemessene Eegelung zur Festsetzung der Mindestlöhne durch Gesamtarbeitsvertrag besteht, soll eine ständige behördliche Einrichtung geschaffen werden, um die Festsetzung von Mindestlöhnen für die Arbeitnehmer zu ermöglichen.

1284 2. Bei Festsetzung der Mindestlöhne soll sich die zuständige Behörde an den Grundsatz halten, dass bei gleichwertiger Arbeit die Entlöhnung für männliche und weibliche Arbeitskräfte die gleiche sein soll.

8. Beim Verfahren zur Festsetzung der Mindestlöhne sollen nach Möglichkeit Vertreter der beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie ihrer Organisationen, sofern solche bestehen, in der von der zuständigen Behörde festzusetzenden Weise und in dem von ihr bestimmten Ausmass, auf jeden Fall aber in gleicher Zahl und mit gleichen Bechten, mitwirken.

4. Die von der zuständigen Behörde festgesetzten Mindestlöhne sollen für die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbindlich sein und nicht durch blosse Übereinkunft der Arbeitgeber und Arbeitnehmer ohne ausdrückliche Zustimmung der zuständigen Behörde herabgesetzt werden können.

5. Es sind die nötigen Massnahmen zu treffen, damit den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern die in Kraft befindlichen Mindestlöhne zur Kenntnis gebracht werden und damit im Anwendungsfalle die tatsächlich ausbezahlten Löhne nicht niedriger sind.

6. Jeder Arbeitnehmer, auf den die Mindestansätze anwendbar sind, hat, wenn sein Lohn weniger betrug, das Hecht, innert der von der zuständigen Behörde festzusetzenden Frist den Restbetrag auf gerichtlichem oder sonstigem gesetzlich vorgesehenen Wege einzuklagen.

Artikel 3.

1. Es sind die nötigen Massnahmen zu treffen, um die ordnungsgemässe Auszahlung der verdienten Löhne zu gewährleisten. Die Arbeitgeber sollen gehalten sein, Verzeichnisse über die Lohnauszahlungen zu führen, den Arbeitern Bescheinigungen über die ihnen ausbezahlten Lohne auszustellen und auch sonst alles zu tun, was geeignet ist, die erforderliche Kontrolle zu erleichtern.

2. Die Löhne sind ordentlicherweise nur in bar und an den Arbeiter selbst zahlbar.

3. Die Löhne sind regelmässig und in solchen Zeitabständen auszuzahlen, dass die Möglichkeit der Verschuldung unter den Arbeitnehmern möglichst vermindert wird, es sei denn, dass ein Ortsgebrauch dem entgegenstehe und die Arbeiter wünschen, dass dieser aufrechterhalten bleibe.

4. Wenn Nahrung, Wohnung, Bekleidung und andere wichtige Leistungen und Dienste einen Bestandteil der Entlohnung bilden, haben die zuständigen Behörden alle tunlichen Massnahmen zu treffen, um festzustellen, ob sie
angemessen sind und welches ihr Geldwert ist.

5. Es sind alle tunlichen Massnahmen zu treffen, um a. die Arbeiter über ihre Eechte in Fragen der Entlöhnung zu unterrichten; b. ungerechtfertigte Lohnkürzungen zu verhindern, und c. die Abzüge für die einen Bestandteil des Lohnes bildenden Leistungen und Dienste auf den dem wirklichen Geldwert dieser Leistungen und Dienste entsprechenden Betrag zu beschränken.

1285 Artikel 4.

1. Die freiwilligen Sparruoglichkeiten unter Arbeitnehmern und Selbständigenverbenden sind zu fördern.

2. Die zulässige Höhe der Lohnvorschüsse und die Art ihrer Rückzahlung sind durch die zuständige Behörde zu regeln.

3. Die zuständige Behörde wird die Höhe der Vorschüsse, die einem ausserhalb des Gebietes angestellten Arbeitnehmer gewährt werden dürfen, begrenzen.

Die Höhe jedes solchen Vorschusses ist dem Arbeitnehmer deutlich bekanntzugeben. Soweit ein Vorschuss die von der zuständigen Behörde festgesetzte Grenze übersteigt, soll er im Rechtswege nicht zurückgefordert werden können.

4. Es sind alle tunlichen Massnahmen zum Schutze der Arbeitnehmer und der Selbstäudigenverbenden gegen Wucher zu treffen, namentlich solche zur Herabsetzung der Darlehenszinsen, zur Beaufsichtigung der Geschäfte von Darlehensvermittlern und zur Förderung der Gewährung von Darlehen zu angemessenen Zwecken durch Kreditinstitute auf genossenschaftlicher Grundlage oder unter Aufsicht der zuständigen Behörde.

Artikel 5.

1. Wenn Einrichtungen bestehen oder künftig geschaffen werden, die den Aufschub von Lohnzahlungen zu Sparzweckeu vorsehen, so sollen a. ihre Bestimmungen und ihre Handhabung von der zuständigen Behörde beaufsichtigt und insbesondere die Arbeitgeber dazu verhalten werden, in denjenigen Fällen, in denen die zuständige Behörde nicht davon überzeugt ist. dass die Kapitalien befriedigend angelegt sind, Sicherheiten zu stellen für die Erfüllung der ihnen aus diesen Einrichtungen erwachsenden Verpflichtungen: b. Vertreter der Arbeitnehmer, einschliesslich solche ihrer Verbände, sofern solche bestehen, zur Verwaltung dieser Einrichtungen beigezogen werden.

2. Eines der Ziele der Sozialpolitik soll darin bestehen, Einrichtungen.

die aufgeschobene Lohnzahlungen vorsehen, allmählich, sobald die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Gebietes es erlauben, zu beseitigen und, unbeschadet der Wohlfahrts- und Altersfürsorgeeinrichtungen, ein System von Bücktrittsleistungen einzuführen, an die sowohl die Regierung oder die Arbeitgeber, oder beide zusammen, als auch die Arbeitnehmer Beiträge entrichten.

Artikel 6.

1. Eines der Ziele der Sozialpolitik soll darin bestehen, den Grundsatz zu verwirklichen, dass für gleichwertige Arbeit im nämlichen Arbeitsgang und in der nämlichen Unternehmung gleicher
Lohn gewährt wird und zu verhüten, dass Unterschiede von Rasse, Religion oder Geschlecht der Arbeitnehmer Anstellungsbedingungen, Vorwärtskommen und Lohnsätze beeinflussen.

Bundesblatt.

98. Jahrg. Bd. III.

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1286 2. Es sind alle tunlichen Massnahmen zu treffen, um auf Unterschieden der Rasse, der Religion oder des Geschlechtes beruhende Verschiedenheiten der Lohnsätze dadurch zu verringern, dass die für die Arbeitnehmer mit den niedrigsten Löhnen anwendbaren Sätze erhöht werden.

3. Die ausserhalb eines abhängigen Gebietes zur Beschäftigung in einem solchen angeworbenen Arbeitnehmer können Lohnzulagen erhalten zur Bestreitung angemessener Ausgaben für sich oder ihre Familie, die darauf zurückzuführen sind, dass sie von ihren Heimen entfernt arbeiten.

i Abschnitt 2. Arbeitnehmer und Landwirtschaftspolitik.

Artikel 7.

Unter den Massnahmen, welche die zuständigen Behörden zur Förderung der Produktionsfähigkeit und zur Hebung der Lebenshaltung der landbebauenden Bevölkerung in Betracht zu ziehen haben, sind die folgenden zu erwähnen: a. möglichst umfassende Beseitigung der zu dauernder Verschukhuig führenden Ursachen; b. Aufsicht über die Abtretung von anbaufähigem Land an Personen, die nicht Landwirte sind, damit eine solche Veräusserung nur erfolgen kann, wenn sie zum Wohle des Gebietes dient: c. Aufsicht über die Pachtverhältnisse und über die Arbeitsbedingungen, um den Pächtern und den Landarbeitern eine möglichst hohe Lebenshaltung und einen angemessenen Anteil an den Vorteilen zu sichern, die sich aus einer Verbesserung des Ertrages oder der Preise ergeben können.

Abschnitt 3. Soziale Sicherheit.

Artikel 8.

Vorzusehen ist sobald wie möglich die Auszahlung gesetzlicher Entschädigungen an Arbeitnehmer im Falle von Arbeitsunfähigkeit infolge eines während der Anstellung erlittenen Arbeitsunfalles, sowie die Auszahlung solcher Entschädigungen an die unterstützungsberechtigten Hinterbliebenen des Arbeitnehmers, falls solche Unfälle zum Tode führen. Ebenso ist den Opfern solcher Unfälle ärztlicher Beistand nach folgenden Grundsätzen gesetzlich zu gewährleisten : a. Im Falle von Arbeitsunfähigkeit soll die Entschädigung spätestens vom fünften Tage an nach dem Unfall gewährt werden; dauert die Arbeitsunfähigkeit aber länger als vier Wochen, so ist die Entschädigung schon vom ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit an zahlbar.

fe. Es sind alle nach den örtlichen Verhältnissen möglichen Massnahmen zu ergreifen, um die verunfallten Arbeiter so rasch als möglich wieder verdienstfähig zu machen.

1287 e. Wo die Vorschriften einer allgemeinen Sozialversicherung nicht etwas anderes vorsehen, sollen die Kosten der Entschädigung zu Lasten der Arbeitgeber gehen. Sie sollen sobald und soweit wie möglich durch eine nicht auf Gewinn eingestellte Pflichtversicherung gedeckt werden.

d. Die gesetzliche Eegelung und das gesamte Verfahren, die sich auf die Entschädigung von Arbeitsunfällen beziehen, sollen so einfach wie möglich sein; insbesondere wird ein öffentlicher Beamter darüber zu wachen haben, dass die verunfallten Arbeiter die ihnen zustehenden Entschädigungen erhalten und dass ihre Ansprüche in einem raschen, formlosen Verfahren erfüllt werden.

Artikel 9.

In den Fällen, in denen der Unfall den Tod oder dauernde schwere Arbeitsunfähigkeit verursacht, sollen die dem Opfer oder den unterstützungsberechtigten Hinterbliebenen geschuldeten Entschädigungen in Form von Renten ausbezahlt werden. Immerhin können die Entschädigungen ganz oder teilweise in Kapitalform gewährt werden, wenn die Behörden den Nachweis einer zweck mässigen Verwendung als erbracht erachten, oder wenn ihnen eine wirksame Aufsicht über regelmässig wiederkehrende Zahlungen nicht als durchführbar erscheint. Jedoch soll die Sozialpolitik danach trachten, das System der Entschädigung in Form von Kapital zugunsten des Systems der Rentenzahlungen zu beseitigen.

Artikel 10.

Die Bestimmungen der Artikel 8 und 9 sind, soweit angängig, auf die Entschädigung bei Berufskrankheiten anwendbar.

Artikel 11.

1. Die Entschädigung bei Arbeitsunfällen und bei Berufskrankheiten soll für ausländische und einheimische Arbeitnehmer dieselbe sein.

2. Zum Bezug von Entschädigungen berechtigte ausländische Arbeitnehmer, die in ihren Heimatstaat zurückkehren, behalten alle Ansprüche auf Entschädigungen, die ihnen zugekommen wären, falls sie das Gebiet in dem sie angestellt waren, nicht verlassen hätten. Handelt es sich um regelmässig wiederkehrende Leistungen, so beziehen sie sie auch weiterhin oder erhalten statt dessen einen Kapitalbetrag.

Artikel 12.

1. Eines der Ziele der Sozialpolitik soll darin bestehen, in jenen Gegenden, in denen eine grössere Zahl von Arbeitnehmern ordentlicherweise von Lohnarbeit lebt, die Zwangsversicherung einzuführen zum Schutze dieser Arbeitnehmer und ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen in den Fällen von Krankheit und Niederkunft, von Alter, beim Tode des Versorgers sowie bei Arbeits-

1288 losigkeit. Die ersten Massnahmen zu diesem Zwecke sind zu treffen, sobald die zur Durchführung einer solchen Versicherung erforderlichen Bedingungen erfüllt sind.

2. Eines der Ziele der Sozialpolitik soll darin bestehen, mittels der Zwangsversicherung bei Krankheit und Niederkunft den Versicherten und ihren unterhaltsberechtigten Angehörigen ärztlichen Beistand zu gewähren, soweit ihnen dieser nicht schon als kostenlose öffentliche Dienstleistung zukommt.

Abschnitt 4. Arbeitsvermittlung.

Artikel 18.

1. Wo die Nachfrage nach Arbeitskräften oder die Wanderbeweguug eine ausreichende Bedeutung erlangt hat, ist ein öffentlicher, kostenloser Arbeitsnachweis einzuführen.

2. Wo die Art der Wanderbewegung der Arbeiter es erfordert, sind durch die zuständigen Behörden angemessen ausgestattete Easthäuser einzurichten.

3. Alle Einrichtungen, die von Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerverbänden gegründet worden sind, um den Arbeitnehmern einen kostenlosen Arbeitsnachweis zu verschaffen oder ihr Wohlergehen während der Eeise zum Arbeitsort und zurück zu sichern, sollen den Arbeitern kostenlos zur Verfügung stehen und von der zuständigen Behörde genau beaufsichtigt werden.

Abschnitt 5. Arbeitsdauer und Urlaub.

Artikel 14.

1. Die zuständige Behörde soll die Höchstdauer der Arbeitszeit in dem Gewerbe- und Handelsbetrieben festsetzen.

2. Sobald dies tunlich ist, soll die zuständige Behörde die Höchstdauer der Arbeitszeit in den landwirtschaftlichen Betrieben festsetzen.

3. Die dem Internationalen Arbeitsamt in Ausführung von Ziffer 2 der vorliegenden Empfehlung eingereichten Berichte haben erschöpfend Auskunft zu geben über die Massnahmen, die zur Eegelung der Arbeitsdauer getroffen worden sind -- einschliesslich Angaben über die Vorschriften zur Begrenzung der Arbeitszeit --. ferner Bestimmungen über die Mindestdauer der ununterbrochenen Buhezeit, die auf die gesundheitsschädlichen, gefährlichen oder schweren Arbeiten sich beziehenden besonderen Einschränkungen, die für einzelne Arbeiten aufgestellten besonderen Ordnungen, die für jahreszeitlich bedingte Arbeiten gewährten Ausnahmen, sowie die Verfahren zur Anwendung dieser Eegelung.

Artikel 15.

1. Den in Gewerbe- und Handelsbetrieben angestellten Arbeitnehmern ist jeweils im Verlaufe eines Zeitraumes von sieben Tagen eine Euhezeit von mindestens vierundzwanzig aufeinander folgenden Standen zu gewähren;

1289 doch kann im gleichen Verhältnis eine auf einer längern Zeitspanne als einer Woche berechnete Buhezeit bewilligt werden, wenn dies den Gewohnheiten der Arbeitnehmer entspricht.

2. Diese Buhezeitordnung soll sobald wie möglich auf die landwirtschaftlichen Betriebe ausgedehnt werden, unter Vorbehalt der im Hinblick auf die Erfordernisse der Produktion notwendigen Anpassung.

3. Die Buhezeit soll soweit wie möglich dem gesamten Personal eine^ Betriebes gleichzeitig gewahrt werden und mit den Tagen zusammenfallen.

die sich bei den Arbeitern schon herkömmlicherweise als Buhetage eingebürgert haben.

4. Abweichungen können von den zuständigen Behörden ganz oder teilweise zugelassen werden, wenn dies als notwendig erachtet wird. Bei Verkürzung der Buhezeit sollen die Überstunden zu Sätzen entlöhnt werden, die wesentlich höher sind als die ordentlichen Sätze.

Artikel 16.

1. Es ist tunlichst bald ciafür zu sorgen, dans die in den Gewerbe- und Handelsbetrieben angestellten Arbeitnehmer nach einem Jahr genügend regelmässiger Tätigkeit dat, Recht auf einen jährlichen bezahlten Urlaub von wenigstens zwölf Werktagen erhalten. Endet das Arbeitsverhältnis nach Ablauf von sechs Monaten aus anderen Gründen als wegen schlechten Verhaltens des Arbeitnehmers, soll er an Stelle des jährlichen Urlaubs eine der geleisteten Dienstzeit entsprechende Barleistung beanspruchen können.

2. Wo immer tunlich, soll es eines der Ziele der Zozialpolitik sein, den Arbeitern der landwirtschaftlichen Betriebe nach einem Jahr genügend regelmässiger Tätigkeit das Bechi auf einen jährlichen bezahlten Urlaub von wenigstens zwölf Werktagen einzuräumen. Endet das Arbeitsverhältnis nach Ablauf von sechs Monaten aus andern Gründen als wegen schlechten Verhaltens de« Arbeiters, soll er an Stelle des jahrlichen Urlaube eine der geleisteten Dienstzeit entsprechende Barleistung beanspruchen können.

3. Sind Arbeiter weit entfernt von ihren Heimstätten beschäftigt, so kann der zwölf Werktage umfassende jährliche bezahlte Urlaub durch einen auf gleicher Grundlage berechneten, jedoch für eine längere Anstellungsdauei geltenden Urlaub ersetzt werden.

4. Sind Arbeiter in einiger Entfernung von den Heimstätten, wo sie angeworben oder angestellt worden sind, beschäftigt, so sollen alle geeigneten Massnahmen getroffen werden, um ihnen während
de« bezahlten Urlaubs die Heimkehr nach Hause zu ermöglichen.

Artikel 17.

Wenn die zuständige Behörde festgestellt hat, dass die Dauer der Arbeit, die wöchentliche Buhezeit und die jährlichen bezahlten Urlaube auf befriedigende Weise durch Gesamtarbeitsverträge oder durch Entscheide, die für

1290 einen ansehnlichen Teil der in Betracht fallenden Arbeiter gelten, geordnet sind, können diese Verträge oder Entscheide als den Bestimmungen dieses Abschnittes genügend angesehen werden.

Abschnitt 6. Befugnisse der Arbeitsinspektoren.

Artikel 18.

1. Die von der zustandigen Behörde ernannten und mit den erforderlichen Ausweisen versehenen Arbeitsinspektoren sind zwecks Erfüllung ihrer Aufgabe von Gesetzes wegen zur Ausübung folgender Befugnisse ermächtigt: a. zu jeder Tages- oder Nachtzeit die Orte zu besuchen und zu überprüfen, von denen sie begründeterweise annehmen dürfen, dass dort Personen beschäftigt sind, die unter den Schutz des Gesetzes fallen; b. tagsüber alle Orte zu betreten, von denen sie begründeterweise annehmen dürfen, dass es sich um Betriebe oder Teile von solchen handelt, die ihrer Aufsicht unterstellt sind; c. jede im Betrieb beschäftigte Person in Anwesenheit von Zeugen oder auch ohne solche einzuvernehmen, oder von jeder andern Person, deren Aussage ihnen notwendig zu sein scheint, Auskünfte einzuholen; d. die Vorlage aller Verzeichnisse und Belege, deren Führung durch die Arbeitsgesetze vorgeschrieben ist, zu verlangen.

2. Vor dem Verlassen des Betriebes sollen die Aufsichtsbeamten den Arbeitgeber oder seine Vertreter wenn möglich, von ihrem Besuch in Kenntnis setzen, os sei denn, dass nach ihrer Meinung eine solche Mitteilung die Erfüllung ihrer Aufgabe beeinträchtigen konnte.

Abschnitt 7. Schlichtungswesen.

Artikel 19.

1. Alle Verfahren zur Prüfung und Erledigung von Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sollen so einfach wie möglich sein.

2. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen ermuntert werden, ihre Streitigkeiten nach Erwägungen der Billigkeit durch gütliche Einigung zu erledigen, ohne an die Gerichte zu gelangen. Zu diesem Zwecke sind alle tunlichen Massnahmen zu treffen, um die Vertreter der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerverbände zur Beratung und Mitwirkung bei der Schaffung und Betätigung der Organe des Schlichtungsverfahrens heranzuziehen.

3. Vorbehaltlich des Schlichtungsverfahrens wird es Aufgabe öffentlicher Beamter sein, die Streitfälle zu prüfen, die Parteien zur gütlichen Einigung anzuhalten und ihnen behilflich zu sein, eine billige Regelung zu treffen. Dort AVO dies tunlich erscheint, sollen besondere Beamte mit diesen Aufgaben betraut werden.

1291 Abschnitt 8. Gesundheit und Sicherheit bei der Arbeit.

Artikel 20.

1. Wo die Art der verwendeten Maschinen oder der Arbeitsgang es verlangen, sind Mindestforderungen zum Schutze der Gesundheit, der Sicherheit und des Wohlergehens der Arbeiter in industriellen und andern Betrieben aufzustellen.

2. Die aus dem Ausland eingeführten Maschinen sind mit den im Einfuhrland vorgeschriebenen Sicherungsvorkehren zu versehen. Hat es die zuständige Behörde dieses Landes unterlassen, die notwendigen Sicherungsvorkehren für die eingeführten Maschinen vorzuschreiben, so sind diese mit den im Fabrikationsland vorgeschriebenen Sicherungen auszustatten.

3. Soweit möglich sind die Sicberungsvorkehren schon bei der ursprünglichen Ausführung der Maschinen an diesen anzubringen.

Artikel 21.

1. Die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens über den Schutz der mit dem Laden und Entladen von Schiffen beschäftigten Arbeitnehmer gegen Unfälle (abgeänderter Wortlaut). 1982, auf die abhängigen Gebiete soll in Erwägung gezogen werden, dies insbesondere in den grossen Häfen und überall da, wo neue Vorrichtungen zum Beladen oder Entladen von Schiffen eingerichtet werden, gleichviel ob diese in Hafenbecken, an Liegeplätzen oder in Kais sich befinden.

2. Die Staaten, denen abhängige Gebiete mit Hafenanlagen unterstehen.

und die das Übereinkommen über den Schutz der mit dem Laden und Entladen von Schiffen beschäftigten Arbeitnehmer gegen Unfälle (abgeänderter Wortlaut), 1932, noch nicht ratifiziert haben, sollen prüfen, ob diese Ratifikation nicht wünschbar wäre.

Artikel 22.

Es ist sobald wie möglich eine Bestimmung zu erlassen, wonach alle Gepäckstücke oder Gegenstände mit einem Bruttogewicht von tausend Kilogramm (Metertonne) oder mehr, die in einem Gebiet zur Beförderung über Meer oder auf inländischen Wasserwegen aufgegeben werden, vor der Verschiffung äusserlich die Gewichtsangabe in deutlicher und haltbarer Aufschrift tragen sollen.

Artikel 23.

1. Um die Annahme der zur Verhütung von Unfällen und Krankheiten geeignetsten Verfahren sicherzustellen, sind nachfolgende Grundsätze anzuwenden : a. Alle Unfälle sind den zuständigen Behörden zu melden und eine der hauptsächlichsten Aufgaben der von den zuständigen Behörden ernannten

1292 Aufsichtsbeamten wird darin bestehen, Untersuchungen über die Unfälle, besonders über diejenigen, die sich durch ihre Schwere und Häufigkeit auszeichnen, durchzuführen, zur Prüfung der Massnahmen, die geeignet sind, eine Wiederholung solcher Unfälle auszuschliessen.

i». Die Aufsichtsbeamten sollen die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände über die geeignetsten Vorkehrungen zum Schutze von Gesundheit und gegen Unfälle aufklären und beraten.

c. Die Aufsichtsbeamten sollen die Arbeitgeber, das leitende Personal und die Arbeitnehmer zur Zusammenarbeit ermuntern mit dem Zwecke, das persönliche Gefühl für Vorsicht zu wecken, die Sicherungsmassnahmen zu fördern und die Schutzeinrichtungen zu vervollkommnen.

d. Die Aufsichtsbeamten sollen die Verbesserung und Vervollkommnung der Massnahmen im Gebiete des Gesundheitswesens und der Unfallverhütung anstreben, sei es durch das fortgesetzte Studium der technischen Verfahren für die innere Ausgestaltung der Betriebe, sei es durch besondere Untersuchungen über Fragen im Gebiete des Gesundheitswesens und der Unfallverhütung oder auf jede andere Weise.

2. In den Gebieten, die es vorgezogen haben, die Betriebsunfallversicherung and Betriebsunfallverhütung als besondere, von der Arbeitsaufsicht gänzlich unabhängige Einrichtung zn gestalten, sollen sich die besonderen Beamten dieser Einrichtung von den vorstehenden Grundsätzen leiten lassen.

Abschnitt 9. Aufklärung.

Artikel 24.

Die zuständigeBehördewird die Verantwortung übernehmen, dass dieKenntnis der Art und der Bedeutung der in Übereinstimmung mit den vorstehenden Artikeln und mit den Artikeln der Empfehlung von 1944 hetreffend die Sozialpolitik in abhängigen Gebieten angenommenen Massnahmen unter den Arbeitnehmern und ihren Familien sowie unter den Arbeitgebern weite Verbreitung findet. Wo Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände bestehen, sind sie in den Dienst dieser Aufklärung zu stellen. Wo immer tunlich, soll die Aufklärung in den örtlichen Sprachen und Dialekten vermittelt werden.

Abschnitt 10. Begriffsbestimmungen und Anwendungsgebiet.

Artikel 25.

Für den vorliegenden Anhang gelten folgende Begriffsbestimmungen: a. Der Begriff «landwirtschaftlicher Betrieb» kann so umschrieben werden, dass er die im Betrieb für die Erhaltung und den Versand der landwirtschaftlichen Erzeugnisse des Betriebes ausgeführten Tätigkeiten umfasst, es sei denn, dass man diese Tätigkeiten als Teil eines gewerblichen Betriebes zn bezeichnen wünscht.

1293 b. Der Begriff «Handelsbetrieb» umfasst: I. Handelsbetriebe und Bureaus einschliesslich der Betriebe, die sich ganz oder hauptsächlich mit dem Verkauf, dem Kauf, der Verteilung, der Versicherung, der Vermittlung, dem Verleih oder der Verwaltung von Gütern oder Dienstleistungen irgendwelcher Art befassen : II. Betriebe für Behandlung und Pflege namentlich von Greisen.

Kranken. Invaliden, Bedürftigen oder Geistesschwachen; III. Hotels, Gastwirtschaften, Pensionen. Klubs, Kaffeehäuser und andere Verpflegungsstätten ; IV. Theaterbetriebe und Vergnügungsstätten: V. Alle andern Betriebe ähnlicher Art wie die in den Unterabsätzen I, II. III und IV hievor aufgeführten.

c. Der Begriff «gewerblicher Betrieb» umfasst: I. Betriebe, in denen Gegenstände hergestellt, umgeändert, gereinigt, ausgebessert, verziert, fertiggestellt, verkaufsbereit gemacht, zerstört oder abgerissen werden, oder in denen Stoffe umgearbeiter werden, einschliesslich des Schiffsbaues, der Erzeugung, Umformung und "Übertragung von Elektrizität, der Erzeugung oder Verteilung von Gas oder Treibstoffen irgendwelcher Art, der Klärung und Verteilung von Wasser sowie der Heizungsunternehmen; II. Betriebe für den Bau. den, Wiederaufbau, die Instandhaltung, dit Ausbesserung, den Umbau oder den Abbruch von Bauwerken.

Eisenbahnen. Strassenbahnen, Flughäfen. Häfen, Docks, Hafendämmen, Werken zum Schutze gegen Wasser und Erosion, Kanälen.

Anlagen für die Binnen-, die See- oder die Luftschiffahrt, Strassen.

Tunnels, Brücken. Strassenüberführungen, Abwasserkanälen. Brunnenschächten, Bewässerungs- oder Entwässerungsanlagen. Einrichtungen für den Fernverkehr, Einrichtungen für die Erzeugung oder Verteilung von Elektrizität oder Gas, Röhrenleitungen. Wasserwerken, sowie Unternehmungen, die sich mit anderen ähnlichen Arbeiten oder mit den Vor- oderFundierungsarbeitenn dazu befassen : III. Bergwerke. Steinbrüche und andere Anlagen zur Gewinnung V on Bodenschätzen : IV. Unternehmungen für die Beförderung von Personen oder Gutern mit Ausnahme der Handbeförderung, es sei denn, dass diese Unternehmungen als Teil eines landwirtschaftlichen oder eines Handel-- betrieben betrachtet werden.

d. Die Begriffe «landwirtschaftlicher Betrieb». «Handelsbetrieb» und «industrieller Betrieb» umfassen die öffentlichen und die privaten Betriebe

1294 Artikel 26.

Die zuständige Behörde kann gestutzt auf zuvor zu veröffentlichende Erlasse die Unternehmungen und die Schiffe, bei denen zufolge ihrer Natur und ihrer geringfügigen Grosse eine genügend wirksame Überwachung nicht möglich sein durfte, von der Anwendung der Bestimmungen des vorliegenden Anhanges ausnehmen.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die 27. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz. (Vom 16. Dezember 1946.)

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