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Bundesratslbeschluss betreffend

die Allgemeinverbindlicherklärung eines Gesamtarbeitsvertrages für das schweizerische Schuhmachergewerbe.

(Vom 21. Mai 1946.)

Der schweizerische Bundesrat, nach Prüfung des Antrages des Schweizerischen Schuhmachermeisterverdandes, des Verbandes schweizerischer mechanischer Schuhreparatur-betriebe, des Verbandes der Bekleidungs-, Leder- und Ausrüstungsarbeiter der Schweiz, und des Schweizerischen Verbandes christlicher Textil- und Bekleidungsarbeiter auf Allgemeinverbindlicherklärung bestimmter Bestimmungen des am 80. Oktober 1945 abgeschlossenen Gesamtarbeitsvertrages für das schweizerische Schuhmachergewerbe, gestützt auf Art. 8, Abs. 2, des Bimdesbeschlusses vom 23. Juni 1943 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen, beschliesst:

Art, 1.

Von dem Gesamtarbeitsvertrag vom 30. Oktober 1945 werden folgende Bestimmungen allgemeinverbindlich erklärt: Mindestbe2. Die nachstehenden Bestimmungen dieses Vertrages über das Stimmungen Dienstverhältnis sind als Mindestbedingungen zu betrachten. Weitergehende bestehende oder zukünftige gesetzliche Vorschriften sowie Einzeldienstverträge oder lokale und regionale Gesamtarbeitsverträge werden davon nicht berührt.

Arbeitszeit 3. In Betrieben, die dem eidgenössischen Fabrikgesetz unterstehen, richtet sich die wöchentliche Arbeitszeit nach dessen Bestimmungen.

In allen andern Betrieben beträgt die wöchentliche Arbeitszeit höchstens 52 Stunden.

An Samstagen endigt die Arbeitszeit um 13 Uhr. Durch Vereinbarung kann der Arbeitsschluss auf 17 Uhr festgelegt werden, wobei

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jedoch die vorgeschriebene wöchentliche Arbeitszeit nicht überschritten werden darf.

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4. Überzeitarbeit, d. h.: Arbeit, welche die wöchentlich übliche Arbeitszeit von 48 Stunden in den dem Fabrikgesetz unterstellten Betrieben und von 52 Stunden in allen andern Betrieben übersteigt, ist nach Möglichkeit zu vermeiden und besonders zu entschädigen. Der Zuschlag für Arbeit bis 22 Uhr beträgt 25 %, für Arbeit! nach 22 Uhr sowie an Sonntagen 50 %.

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: ·' · Das Nachholen von nicht allgemein anerkannten Feiertagen, von aüsserordentlicher Freizeit oder: versäumten Arbeitsstunden gilt nicht als Überzeitarbeit.

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5. In Betrieben in ländlichen Gegenden oder an Fremdenplätzen kann Überzeitarbeit infolge vorübergehenden dringlichen Arbeitsandranges bis zu vier Stunden in der Woche innerhalb den nächstfolgenden vier Wochen durch entsprechende Arbeitszeitverkürzung ausgeglichen werden, ohne dass der Überzeitzuschlag bezahlt werden muss.

Für dem eidgenössischen Fabrikgesetz unterstellte Betriebe bleibt ; Artikel 48 dieses Gesetzes vorbehalten.

6. Der Mindeststundenlohn für die im Zeitlohn sowie für die im MindestLeistungslohn (Akkord usw.) beschäftigten Gesellen beträgt, einschliess- lohnansätze lieh Teuerungszulage: in städtischen Verhältnissen (Ortsklasse I) : Geschäftsklasse l (= Tarifklasse A) . . . Fr. l. 95 Geschäftsklasse 2 (= Tarif klasse B) . . . « 1.75 in halbstädtischen Verhältnissen (Ortsklasse II) : : Geschäftsklasse l (= Tarif klasse B) . . . Fr. 1.75 Geschäftsklasse 2 (= Tarif klasse C) . . . « 1.65 in ländlichen Verhältnissen (Ortsklasse III) . « l. 60 Hilfskräfte werden nach !Einzelvereinbarung entlöhnt, ebenso mindererwerbsfähige Arbeitnehmer.

Die vertragschliessenden Verbände sind bereit, über die Aufstellung eines Lohnzeittarifes zu verhandeln.

7. Jugendliche Gesellen erhalten während höchstens eines Jahres nach abgelegter Lehrabschlussprüfung in der Regel 75 % der ortsüblichen Löhne. In besondern Fällen, wo eine berufliche Weiterbildung möglich ist, wird der Lohn durch Vereinbarung bestimmt.

8. Die Einteilung der Orte nach Ortsklassen richtet sich nach dem von der eidgenössischen Finanzverwaltung für die Lohn- und Verdienstersatzordnung aufgestellten Ortschaftenverzeichnis. Die Einreihung der Werkstätten in Geschäftsklassen erfolgt durch die Arbeitgeberverbände.

In Zweifelsfällen
entscheidet die paritätische Kommission: 9. Erhalten Gesellen oder Hilfskräfte Kost und Unterkunft im Haushalt des Meisters, so können ihnen dafür höchstens folgende Ansätze im Tag angerechnet werden : für Kost für .Unterkunft in städtischen Verhältnissen Fr. 4.50 ;Fr. 1.-- in halbstädtischen Verhältnissen . . . .

« 4.30 « ---.90 in ländlichen Verhältnissen . .

« 4.20 « --.70 Bundesblatt. 98. Jahrg. Bd. II.

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Ferien

10. Der Lohn ist wöchentlich oder vierzehntäglich auszuzahlen. Die Auszahlung hat entweder unter Beifügung einer Abrechnung seitens des Meisters oder auf Grund der Eintragungen in das vom Arbeitnehmer geführte und in seinem Eigentum befindliche Lohnbuch zu erfolgen und soll mit Schluss der Arbeitszeit beendet sein.

Die vertragsschliessenden Verbände einigen sich über die Ausgestaltung und Ausgabe eines Lohnbuches.

Für dem Fabrikgesetz unterstellte Betriebe bleibt Artikel 25 dieses Gesetzes vorbehalten.

11. Der Meister ist berechtigt, zur Deckung allfälliger Schadenersatzansprüche höchstens den Lohn für die letzten drei Arbeitstage, bei Akkordarbeit höchstens einen dem Lohn für die letzten drei Arbeitstage ungefähr entsprechenden Betrag zurückzubehalten. Bei Beendigung des Dienstverhältnisses ist dieser zurückbehaltene Lohn nach Verrechnung mit allfälligen Schadenansprüchen an den Arbeitnehmer auszuzahlen.

12. Jeder Arbeitnehmer hat nach einer ununterbrochenen Anstellungsdauer von 12 Monaten Anspruch auf einen zusammenhängenden und bezahlten Ferienurlaub gemäss folgender Aufstellung: nach l Jahr mindestens 3 Arbeitstage nach 2 Jahren mindestens 4 Arbeitstage nach 3 Jahren . . .

mindestens 6 Arbeitstage nach 5 Jahren . mindestens 8 Arbeitstage nach 6 und mehr Jahren mindestens 10 Arbeitstage Der Samstag gilt bei der Ferienberechnung als voller Arbeitstag.

Militärdienst, Krankheit und Unfall bis zu 30 Tagen werden auf die Anstellungsdauer von je 12 Monaten nicht angerechnet.

Der Antritt der Ferien erfolgt nach Vereinbarung.

13. Bei Auflösung des Dienstverhältnisses hat der Arbeitnehmer für das laufende ferienberechtigte Dienstjahr für je drei vollendete Monate dieses Jahres Anspruch auf einen Viertel der ihm zustehenden Ferientage.

14. Bleibt ein Lehrling nach Beendigung der Lehrzeit als Geselle im Betrieb des Lehrmeisters, so ist für die Bemessung des Ferienanspruches das letzte Lehrjahr anzurechnen.

15. Die Ferienentschädigung wird berechnet nach der ausbezahlten Lohnsumme der vorangehenden 12 Monate dividiert durch die geleisteten Arbeitstage und multipliziert mit der Anzahl Ferientage.

16. Erhalten Gesellen oder Hilfskräfte Kost und Unterkunft vom Meister, so darf ihnen für jeden Ferientag, an dem sie abwesend sind, die Kost nach den Ansätzen von Ziffer 9 nicht verrechnet werden.

Pflichten 17. Der Meister ist verpflichtet, seine Arbeitnehmer gegen Unfall des Meisters zu versichern. Er ist berechtigt, die Arbeitnehmer mit den Mehrprämien für die Versicherung von Nichtbetriebsunfällen zu belasten.

18. Die Furnituren müssen für alle Arbeiten vom Meister gestellt werden. Dieser hat auch Seife, Handtuch und Waschgelegenheit zur Verfügung zu stellen.

19. Das Werkzeug ist nach bisherigem Brauch vom Gesellen zu Pflichten der Arbeit- stellen.

nehmer

279 20. Der Arbeitnehmer ist für verschuldete mangelhafte Arbeit schadenersatzpflichtig; für verdorbenes Material kann ihm nur der Selbstkostenpreis angerechnet werden. !

21. Den Arbeitnehmern ist es untersagt, ausserhalb der Arbeitszeit oder während der Ferien bezahlte Berufsarbeit für Drittpersonen auszuführen. Bei Widerhandlungen kann der Arbeitnehmer nach einmaliger Mahnung fristlos entlassen werden.

> 22. Die ersten 14 Tage des Dienstverhältnisses gelten als Probezeit, Kündigung innerhalb welcher die Kündigungsfrist wegbedungen ist.

des Dienstin den dem Fabrikgesetz nicht unterstellten Betriebe: gelten nach verhältAblauf der Probezeit folgende Kündigungsfristen: · nisses 8 Tage im ersten Dienstjähr, l 14 Tage im überjährigen Dienstverhältnis.

Die Kündigung hat jeweilen auf einen Samstag zu erfolgen.

Für die dem Fabrikgesetz unterstellten Betriebe gelten ausschliesslich die Kündigungsfristen dieses Gesetzes.

; ' .

23. Die vertragsschliessenden Verbände setzen eine [ paritätische Paritätische Kommission von fünf Mitgliedern ein, bestehend aus einem unabhängigen Kommission Obmann sowie aus je einem Vertreter und je einem Ersatzmann der vertragsschliessenden Verbände. · : , 24. Die Kommission wird jährlich mindestens einmal vom Obmann einberufen, um die Verhältnisse im Schuhmachergewerbe zu besprechen.

Sie wird überdies auf Antrag eines der vertragsschliessenden Verbände vom Obmann zusammengerufen, wenn Änderungen des Vertrages notwendig erscheinen.

25. Die paritätische Kommission kann über die Einhaltung der Bestimmungen dieses Vertrages Kontrollen durchführen oder durchführen lassen. Sie hat sich ferner mit der Beilegung der aus diesem Vertrag hervorgehenden Meinungsverschiedenheiten zwischen den vertragsschliessenden Verbänden sowie mit der Begutachtung der ihr von diesen Verbänden unterbreiteten, die einzelnen Dienstverhältnisse betreffenden Angelegenheiten zu befassen.

i 26. Im Falle von Streitigkeiten, die sich im einzelnen Dienstverhältnis zwischen Meister und Arbeitnehmer aus diesem Gesamtarbeitsvertrag ergeben, kann die paritätische Kommission im gegenseitigen Einverständnis der beteiligten Personen als Schiedsgericht angerufen werden. Vorbehalten bleibt das kantonale Zivilprozessrecht.

27. Die Kosten der paritätischen Kommission gehen zu Lasten der vertragsschliessenden
Verbände. Die Aufwendungen für den Obmann und das Sekretariat werden zu gleichen Teilen auf die einzelnen Verbände aufgeteilt.

Art. 2.

Dem eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement steht das Becht zu, zwecks Wahrung der Interessen der Nichtmitglieder der vertragschliessenden Verbände gegenüber den paritätischen Kommissionen die erforderlichen Anordnungen zu treffen. Diese Nichtmitgjieder haben gegen Massnahmen der Kommissionen ein Beschwerderecht an das genannte Departement.

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Art. 3.

Die Allgemeinverbindlicherklärung erstreckt sich auf die ganze Schweiz.

'.

2 Sie findet Anwendung auf alle Dienstverhältnisse der Gesellen und Hilfskräfte im Schuhmachergewerbe.

8 Als Gesellen gelten Schuhmacher mit abgeschlossener Berufslehre. Diesen sind die zur Arbeit an Bodenbefestigungsmaschinen (Doppel-, Durchnäh-, Holznagel-, Schraub- und Schwillmaschinen) ausgebildeten und beschäftigten Arbeiter gleichgestellt.

4 Die Allgemeinverbindlicherklärung tritt mit der amtlichen Veröffentlichung in Kraft und dauert bis zum 31. Dezember 1946.

1

Bern, den 21. Mai 1946.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates,.

Der

Bundespräsident:

Kobelt.

6620

Der Bundeskanzler:

Leimgruber.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesratsbeschluss betreffend die Allgemeinverbindlicherklärung eines Gesamtarbeitsvertrages für das schweizerische Schuhmachergewerbe. (Vom 21. Mai 1946.)

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1946

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

23.05.1946

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276-280

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