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4965 Botschaft des

ßundesrates an die Bundesversammlung über die Ausscheidung Ton 6 Millionen Franken aus den Zentralen Ausgleichsfonds zugunsten der Schweizerischen Nationalspende.

(Vom 25. Mär? 1946.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Seit der Aufhebung des Aktivdienstzustandes sind dem Bundesrate zahlreiche Eingaben von kantonalen Behörden. Gemeinden und Verbänden zugegangen, welche alle darauf abzielen, aus den bisherigen Überschüssen der Zentralen Ausgleichsfonds kleinere oder grössere Beträge zugunsten der Wehrmänner auszuscheiden. Auch in den eidgenössischen Bäten wurden ähnliche Begehren gestellt. Hlebei wurden verschiedene Arten des Vorgehens vorgeschlagen. Die einen möchten jedem Wehrmann, der eine bestimmte Anzahl Diensttage geleistet hat, eine runde Summe zukommen lassen oder befürworten die Ausrichtung eines festen Betrages je Soldtag, beide in der Form eines Ehrensoldes, während -wieder andere einfach die rückwirkende Erhöhimg der Ansätze für die Lohn- und Verdienstausfall-Entschädigungen oder die Erstreckung der Gültigkeit der Lohn- und Verdienstersatzordnung auf die Zeit vom 1. September 1939 bis zum Inkrafttreten der beiden Ordnungen als zweckmässig erachten. Die Frage einer vom Bunde auszurichtenden Belohnung oder eines Ehrensoldes dürfte endgültig in negativem Sinne entschieden sein, da dies den Grundsätzen des Milizsystems widerspricht. Die rückwirkende Inkraftsetzung der Lohn- und Verdienstersatzordnung bzw. die rückwirkende Erhöhung der Entschädigungsansätze stesst - in--der Praxis auf erhebliche Schwierigkeiten und durfte kaum innert nützlicher Frist durchführbar sein.

"Wenn einerseits die Verwirklichung der genannten Begehren zum mindesten auf erhebliche Schwierigkeiten stossen würde, ist anderseits doch in irgendeiner Weise den. zahlreichen Eingaben Rechnung zu tragen. Mit Riicksieht darauf, dass nicht alle Wehrmänner durch den Aktivdienst in Not geraten sind, erscheint es zweckmässig, dass lediglich einem beschränkten Kreis von Wehr-

727 männern gewisse Mittel zur Verfügung gestellt werden. In Anbetracht dessen, ·dass diese notleidenden Soldaten in erster Linie von der Schweizerischen Nationalspende betreut werden, dürfte es angebracht sein, zugunsten dieser Institution einen bestimmten Betrag aus den bisherigen Überschüssen der .Zentralen Ausgleichsfonds vor dem Abschluss der Eechnung für das Jahr 1945 -auszuscheiden. Die Notwendigkeit, der Nationalspende ausserordentliche Mittel zuzuwenden, zeigte sich schon nach dem ersten Weltkrieg. Durch Bundesbeschluss vom 14. Juni 1923 über den Generalabschlüss für die Ausgaben der Kriegsmobilmachung in den Jahren 1914--1921 hat die Bundesversammlung unter anderem beschlossen, es sei der Nationalspende l Million Franken zur Verfügung zu stellen.

Bei der «Schweizerischen Nationalspende für unsere Soldaten und ihre Familien» gehen noch täglich eine grosse Zahl von Hilfegesuchen ein. Diese Gesuche kommen von Wehrmännern und ihren Familien, deren Notlage auf den geleisteten Aktivdienst zurückgeht. Die Folgen der jetzigen Dienstleistungen werden sich denn auch weiterhin stark bemerkbar machen. Die Hilfesuchenden rekrutieren sich sowohl aus Arbeitnehmerkreisen wie aus Selbständigerwerbenden. Bei letzteren arbeitet die Nationalspende vielfach mit den gewerblichen Bürgschaftsgenossenschaften zusammen.

Die Nationalspende ist trotz ihren ansehnlichen Aufwendungen für die Wehrmannsfürsorge keineswegs in der Lage, alle bei ihr eingehenden Fürsorgefälle in genügender Weise zu berücksichtigen. Es darf in diesem Zusammenhange wohl darauf hingewiesen werden, dass in den Jahren 1989/45 ein viel grosserer ..Prozentsatz unserer Bevölkerung zur Aktivdienstleistung herangezogen wurde als 1914/18. Die an und für sich schon gefährlichere Dienstleistung sowie die weitgehende Bekrutierung haben sowohl der Militärversicherung als auch der Soldatenfürsorge eine grosse Zahl von Fürsorgebedürftigen gebracht, die zum Teil eine jahrelange Betreuung benötigen. Der verhältnismässig hohe Lebensstandard unseres Landes bringt es mit sich, dass trotz der gut funktionierenden Lohn- und Verdienstersatzordnung noch zahlreiche Eückstände aus dem Aktivdienst vorhanden sind. Dies trifft insbesondere bei Gewerbetreibenden und Angehörigen liberaler Berufe zu.

Wenn zu Beginn der Mobilisation mit einem kleineren Unterstützungsbeitrag
akute Notlagen überbrückt werden konnten, ist dies heute weniger deiFall, denn die Hilfe an die durch lange Dienstleistungen trotz Lohn- und Verdienstersatz in Not geratenen Wehrmänner musste vergrössert werden. Die Aufwendungen der Schweizerischen Nationalapende sind denn auch stetig angewachsen.

Ganz spezielle Berücksichtigung benötigen aber die kranken und invaliden Wehrmänner. Es darf wohl gesagt werden, dass die erfolgten Verbesserungen der Militärversicherungsloistungcn eine gewisse Entlastung gebracht haben.

Andererseits ist auch darauf hinzuweisen, dass zufolge der vermehrten Tauglicherklärungen und der Einberufung der Hilfsdienste während der Aktivdienst-

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période 1989--1945 die Patientenzahl stark angestiegen ist und dass gerade bei diesen viele sind, für -welche die Militärversicherung nur teilweise haftpflichtig ist. Da-durch ist eine vermehrte Hilfeleistung durch die Soldatenfürsorge und die Zivilinstitutionen wünschenswert. Besondere Aufmerksamkeit erfordern diejenigen Militärpatienten., welche nur über eine reduzierte (medizinischtheoretisch festgelegte) Arbeitsfähigkeit verfügen, die sich in der Praxis nicht wie gehofft umsetzen lässt. Durch zusätzliche Unterstützung, Berufsumschulung und eventuell Selbständigniachung sucht die Soldatenfürsorge in Verbindung mit der Militärversicherung diesen Fällen gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang sei an die Fälle von ölvergiftungen bei Angehörigen der Mitr.

Kp. IV/52 und IV/72 erinnert.

In der Hinterlassenenfürsorge, die zufolge der grossen Zahl der Sterbefälle (über 4000) zu einem der wichtigsten Fürsorgezweige geworden ist, werden Eltern- und Witwenunterstützungen, Beiträge für Berufsausbildung der Kinder usw. verabfolgt. Die Ausgaben für die Kranken-, Invaliden- und Hinterlassenenfürsorge vermehren sich von Jahr zu Jahr.

Die Schweizerische Nationalspende hat von 1989 bis Ende August 1945 rund 220 000 Unterstützungs- und 125 000 Wäschegesuche entgegengenommen und zusätzliche Unterstützungen im Gesamtbeträge von rund 9% Millionen Franken ausgerichtet. Dazu kommen die Ausgaben für die Abgabe von Leibwäsche an bedürftige Wehrmänner im Betrage von 4% Millionen Franken sowie die Subventionen an die der Schweizerischen Nationalspende angeschlossenen und von ihr subventionierten Fürsorgewerke (Soldatenstuben, Kriegswäschereien, Schreibmaterial, Bücherei etc.) im Betrage von 2% Millionen Franken.

Die gesamten Ausgaben während des Aktivdienstes 1939--1945 belaufen sich demnach auf 16% Millionen Franken, und die derzeitigen Mittel der Nationalspende ergeben folgendes Bild: Vermögensverminderung 1944 Fr. 953 000 Voraussichtlicher Ausgabenüberschuss pro 1945 » l 200 000 Für 1946 hat der Stiftungsrat der Schweizerischen Nationalspende einen mutmasshchen Ausgabenüberschuss vorgesehen von » 1281 000 Das gegenwärtige Stiftungsvermögen exkl. Spezialfonds beträgt » 9 900 000 Spezialfonds (nur die Zinserträgnisse dürfen verwendet werden) » l 800 000 Es ist also keineswegs so, dass die Schweizerische Nationalspende
nur mit den Zinserträgnissen arbeitet. In den nächsten 5--6 Jahren ist mit einer jährlichen Vermögensabnahme von über einer Million Franken zu rechnen, weshalb die Gefahr besteht, dass die Nationalspende viele berechtigte Wünsche nicht so erfüllen kann wie erwartet wird. Die Soldatenfürsorge hätte in ihrer täglichen Fürsorgearbeit gerne oft grüssere Beiträge bewilligt, musstö aber im Interesse der Zukunftsaufgaben und mit Rücksicht auf die nur beschränkten Geldmittel davon Abstand nehmen.

729 Wohl soll in absehbarer Zeit eine neue G-eldsammlung aufgelegt und an den guten Willen des Schweizervolkes appelliert werden; die Erfahrung hat aber gezeigt, dass die Gebefreudigkeit in der Friedenszeit nicht so gross sein wird, wie sie es während der Aktivdienstperiode war. Anlässlich der Sammlung 1942 wurden bereits Stimmen laut, die verlangten, man solle aus den Überschüssen der Lohn- und Verdienstersatzordnung einen Teil an die Schweizerische Nationalspende abführen, denn die Erträgnisse der Stiftung würden ja ausschliesslich für die Wehrmänner und ihre Familien verwendet.

Die Schweizerische Nationalspende rechnet infolgedessen für die nächsten 5--6 Jahre mit einer jährlichen Vermögensabnahme von über einer Million Pranken. Das Militärdepartement geht mit dem Finanz- und Zolldepartement darin einig, dass die Ausscheidung eines Betrages in der Höhe von 6 Millionen ^Franken der Schweizerischen Nationalspende ermöglichen würde, eine sichere und kontinuierliche Fürsorgearbeit zu gewährleisten. Die Ausscheidung eines Betrages in dieser Höhe. dürfte ungefähr der ausserordentlichen Zuwendung des Jahres 1928 entsprechen, wenn man die durch die längere Kriegsdauer und die Erweiterung des Kreises der Dienstpflichtigen bedingte vermehrte Aktivdienstleistung sowie die inzwischen erfolgte Verminderung der Kaufkraft des Geldes in Betracht zieht.

An und für sich ist eine solche Abspaltung von Geldern aus dem Lohnund Verdienstersatz unerwünscht. Eine Zersplitterung dieser Gelder muss imbedingt vermieden werden. Das Finanz- und Zolldepartement wird deshalb dem Bundesrat anlässlich des Abschlusses der Rechnung der Zentralen Aus.gleichsfonds pro 1945 einen Plan über die Verwendung bzw. Reservestellung dieser Gelder unterbreiten. Da die Abspaltung von 6 Millionen Franken zugunsten der Schweizerischen Nationalspende dringlich erscheint, sollte dies vorweg beschlossen werden, aber damit keinesfalls ein Präjudiz für alle möglichen andern Ansprüche, die an die Zentralen Ausgleichsfonds gestellt werden, schaffen.

Indem wir Thnen die Annahme des beiliegenden Beschlussesentwurfes be.antragen, bitten wir Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, den Ausdruck unserer vollkommenen Hochachtung zu genehmigen.

Bern, den 25. März 1946.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Kobalt.

Der Bundeskanzler: Leimgruber.

730 (Entwurf.

-

Bundesbeschluss über

die Ausscheidung von 6 Millionen Franken aus den Zentralen Ausgleichsfonds zugunsten der Schweizerischen Nationalspende,

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , .

nach Einsicht einer Botschaft- des Bundesrates vom 25. März 1946, beschliesst:

Art. 1.

Aus den durch die Lohn- und Verdienstersatzordnung aufgebrachten Mitteln -werden 6 Millionen Franken zugunsten der Stiftung «SchweizerischeNationalspende für unsere Soldaten und ihre Familien» ausgeschieden, welcher Betrag für die Hilfeleistung an bedürftige, kranke Wehrmänner der Aktivdienstzeit 1939--1945, deren Familien und Hinterlassenen bestimmt ist.

Art. 2.

.

Der Betrag von 6 Millionen Franken ist den einzelnen Ausgleichsfonds der Rechnung 1945 wie folgt zu belasten: a. Ausgleichsfonds für Arbeit- und Lohnersatz . 80 % b.

» >> Verdienstersatz Landwirtschaft . . . . .

8 % » » Verdienstersatz. Gewerbe 12 % c.

Art. 8.

Dieser Beschluss tritt als nicht allgemeinverbindlicher Natur sofort in, Kraft.

Der Bundesrat ist mit seiner Vollziehung beauftragt.

651«

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ausscheidung von 6 Millionen Franken aus den Zentralen Ausgleichsfonds zugunsten der Schweizerischen Nationalspende. (Vom 25. März 1946.)

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1946

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07

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4965

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

28.03.1946

Date Data Seite

726-730

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