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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung des Yerfassungsgesetzes des Kantons Genf betreffend Aufhebung des Kommunistenverbotes.

(Vom 28. März 1946.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Mit Schreiben vom 15. März 1946 sucht der Staatsrat des Kantons Genf die eidgenössische Gewährleistung für das Verfassungsgesetz nach, durch welches die Art. 14bl8 und Art. 28, Ziff. 4, der Verfassung des Kantons Genf betreffend das Verbot der kommunistischen Organisationen aufgehoben werden.

Dieses Gesetz ist am 29. Dezember 1945 vom Grossen Rate beschlossen und von den Wählern des Kantons Genf am 10. Februar 1946 mit 16 699 gegen 6782 Stimmen angenommen worden.

Die aufgehobenen Verfassungsbestimmungen hatten folgenden Wortlaut: Art. 74BU. L'activité des associations et organisations affiliées directement ou indirectement à l'internationale communiste étant dangereuse pour l'Etat et pour l'ordre public, ces associations et organisations sont interdites sur le territoire du canton, Est de même interdite, sur le territoire du canton, l'activité de telles associations et organisations établies hors du canton.

Toute autre association et organisation affiliée directement ou indirectement à une organisation internationale ou étrangère, dont l'activité sera considérée comme dangereuse pour l'Etat ou pour l'ordre public, pourra être interdite par décision du Grand conseil sur proposition du Conseil d'Etat.

La loi déterminera les peines applicables à ceux qui enfreindront cette interdiction et qui contreviendront aux prescriptions des lois d'exécution.

Art. 23. Ne peuvent exercer de droits politiques dans le canton : 1. ...

2. ...

8. ...

4. Ceux qui sont affiliés à l'internationale communiste ou aux organisations qui en dépendent directement ou indirectement, ou à toute autre organisation internationale ou étrangère, dont l'activité est dangereuse pour l'Etat et pour l'ordre public.

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Die Art. 14blH und 28, Ziff. 4, sind durch Verfassungsgesetz vom 7. April.

1937, dem Sie am 81. März 1938 die eidgenössische Gewährleistung erteilt haben, in die Kantonsverfassung aufgenommen -worden (Bundesbl. 1987, II, 921/922 und; A.. S. 54, 138).

Der Staatsrat des Kantons Genf hat von sich aus dem Grossen Eate die Aufhebung des Verbotes der der Kommunistischen Internationale angeschlossenen Vereinigungen beantragt. In seinem dem Grossen Bat erstatteten Bericht gibt er der Meinung Ausdruck, den gegen die Kommunisten gerichteten Bestimmungen sei, zumal angesichts der analogen bundesrechtlichen Massnahmen eine praktische Wirkung versagt gewesen, wohl aber hätten sie auf die Dauer eine Missstimmung hervorgerufen. Unsererseits haben wir schon durch Beschluss vom 27. Februar 1945 (A. S. 61, 117) die Parteiverbote aufgehoben, doch hat diese bundesrechtliche Massnahme nicht die automatische Aufhebung des kantonalen Verfassungsgesetzes vom 7. April 1937 zur Folge gehabt. Die kantonale Eegierung weist in ihrem Antrag aasserdem auf die durch die Auflösung der Kommunistischen Internationale entstandene veränderte Lage, sowie auf die Wünschbarkeit der Entspannung der politischen Atmosphäre im Kanton Genf hin.

Die Erteilung der eidgenössischen Gewährleistimg setzt voraus, dass die kantonalen Verfassungsbestimmungen nichts dem Bundesrechte Zuwiderlaufendes enthalten und die Ausübung der politischen Eechte nach republikanischen (repräsentativen oder demokratischen) Formen sichern (Art. 6, lit. a und b BV). Konnte die Erfüllung dieser Bedingungen und insbesondere die Frage der Vereinsfreiheit (Art. 56 BV) bei Anlass der Aufnahme der antikommunistischen Bestimmungen in die genferische Staatsverfassung zur Diskussion Anlass geben, so gilt das-nicht mehr heute, wo man zur Aufhebung der genannten Bestimmungen schreitet und die verfassungsmässigeri Eechte in vollem Umfange wiederherstellt.

Wir beantragen Ihnen deshalb, dem Verfassungsgesetz vom. 29. Dezember 1945, durch welches Art. 14bls und Art. 23, Ziffer 4, der Genfer Staatsverfassung aufgehoben werden, durch Annahme des beiliegenden Bescblussesentwurfes die eidgenössische Gewährleistung zu erteilen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, sehr geehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 28. März 1946.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

ttobelt.

Der Bundeskanzler: Leimgrub er.

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Bundeslbeschluss über

die Gewährleistung des in der Volksabstimmung vom 10. Februar 1946 angenommenen Verfassungsgesetzes des Kantons Genf betreffend Aufhebung des Kommunistenverbotes.

Die Bundesversammlung der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , in Anwendung von Art. 6 der Bundesverfassung; nach Einsicht einer Botschaft des Bandesrates vom 28. März 1946; in Erwägung, dass das in der Volksabstimmung vom 10. Februar 1946 angenommene Verfassungsgesetz des Kantons Genf nichts den Vorschriften der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthält, beschliesst :

Art. 1.

Dem Verfassungsgesetz vom 29. Dezember 1945, durch welches die Artikel 14bls und Ziff. 4 des Art. 23 der Genfer Staatsverfassung (der Kommunistischen Internationale angehörende Vereinigungen) aufgehoben werden, wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.

Art. 2.

Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung des Verfassungsgesetzes des Kantons Genf betreffend Aufhebung des Kommunistenverbotes.

(Vom 28. März 1946.)

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1946

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Volume Volume Heft

08

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4977

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

11.04.1946

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777-779

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