#ST#

Schweizerisches Bundesblatt.

44. Jahrgang. I.

Nr. 2.

# S T #

13. Januar 1892.

Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend das Begnadigungsgesuch der Anna Elisabeth Menth, geb.

"Wälti, von Oberdießbach, Kantons Bern.

(Vom

5. Januar 1892.)

Tit.

Die Frau Anna E l i s a b e t h M e n t h , geb. W a l t i , geboren 1833, von Oberdießbach, wohnhaft in Landiswyl (Kantons Bern), suchte sich im Jahre 1888 in rechtswidriger Weise in den Besitz des bei der Vormundschaftsbehörde von Landiswyl liegenden kleinen Vermögens einer in Amerika verschollenen Person zu setzen, und veranlaßte zu dem Behufe den gewesenen Lithographen Isaak Iseli von Rüegsau (Bern) zur Anfertigung von falschen amerikanischen Urkunden, denen die Beglaubigung eines angeblichen Vicekonsuls Philipp Plümacher und das Siegel ,,Schweiz. Konsulat U. Stats Illinois" beigefügt wurden. Das Vorhaben gelang indessen nicht, da rechtzeitig entdeckt wurde, daß die Urkunden, Briefe, Vollmachten, Todesscheine u. s. w., sowie auch die Legalisatione auf denselben gefälscht sind.

Die Frau Menth wurde nach durchgeführter Untersuchung am 27. März 1890 von den Assisen des dritten bernischen Geschworenengerichtes schuldig erklärt: 1. der Anstiftung zur Fälschung einer Anzahl Privat- und öffentlicher Urkunden, unter welch' letztern sich auch solche eines angeblichen Bundesbeamten befanden; 2. der Theilnahme bei der Fälschung eines Theiles dieser Urkunden; Bundesblatt. 44. Jahrg. Bd. I.

6

68 3. der wissentlichen Geltendmachung der fälschlich angefertigten Urkunden; 4. der Verfassung von Schriften in fälschlicher Weise unter dem Siegel eines Bundesbeamten; -- und vom Assisenhof in Anwendung der Art. 104, 110, Ziffer l, 112, 113, 36, 35, 59 des bernischen Strafgesetzbuches, sowie der Art. 61, 19 und 20 des Bundesstrafrechtes zu drei Jahren Zuchthausstrafe und mit dem Mitangeklagten Isaak Iseli zur Bezahlung der Untersuchungskosten .an den bernischen Fiskus verurtheilt.

Zur Verbüßung ihrer Strafe wurde die Verurtheilte in die Strafanstalt Thorberg verbracht.

Im Laufe des Monats Juli 1891 stellte Frau Menth beim Regierungsrath zu Händen des Großen Käthes des Kantons Bern das Gesuch, es möchte ihr wegen unheilbarer Krankheit der Rest der Strafzeit auf dem Gnadenwege "o"- erlassen werden.

Da jedoch die gegen die Bittstellerin ausgesprochene Strafe sich nicht nur auf das kantonale Strafrecht, sondern auch auf mehrere Bestimmungen des Bundesstrafgesetzes stützt und die Angelegenheit seiner Zeit vom Bundesrathe, soweit bei den eingeklagten Fälschungen das in Art. 61 des Bundesstrafrechtes vorgesehene Vergehen in Frage kam, gemäß Art. 74 cit. den Gerichten des Kantons Bern überwiesen worden war, wendete sich die bernische Regierung unterm 20. August 1891 an den Bundesrath mit der Anfrage, ob er mit der Erledigung des Begnadigungsgesuches durch den bernischen Großen ßath einverstanden sei.

Mit Rücksieht auf die Bestimmungen von Art. 74, Absatz 2, des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht, wonach in allen Fällen, welche an ein kantonales Gericht zur Untersuchung und Beurtheilung gewiesen worden sind, der Bundesversammlung das Begnadigungsrecht vorbehalten ist, antworteten wir der Regierung von Bern, der Große Rath ihres Kantons möge das Gesuch der Frau Menth behandeln und demselben, s o v i e l an ihm l i e g e , entsprechen oder nicht entsprechen. Hernach könne sich die Bittstellerin auch an die Bundesversammlung wenden. Sei sie von der kantonalen Behörde begnadigt worden, so ergebe sich daraus, daß die Strafquote, für welche sie noch um Begnadigung einzukommen habe, ganz auf Rechnung des eidg. Gesetzes falle, die Bundesversammlung werde sich dann über den Nachlaß des Restes der Strafzeit auszusprechen haben. In der Zwischenzeit, von dem Beschlüsse des Großen Käthes, sofern derselbe auf Strafnachlaß laute, bis zur Behandlung der Sache durch die Bundesversammlung, sei der

69

weitere Strafvollzug mit Rücksicht auf den Gesundheitszustand der Bittstellerin, nach Analogie des Art. 197, lit. b, der Bundesstrafrechtspflege, zu suspendiren.

Mit Schreiben vom 10. Dezember 1891 theilt der Regierungsrath des Kantons Bern nun mit, daß der bernische Große Rath in seiner Sitzung vom 19. November gleichen Jahres der Frau Menth mit Rücksicht auf deren unheilbare Erkrankung den auf Rechnung des kantonalen Gesetzes entfallenden Theil der auferlegten Strafe erlassen habe und daß die Genannte hierauf vorläufig in Freiheit gesetzt worden sei.

Dabei übermachte die Regierung eine Eingabe der Frau Menth, womit diese zu Händen der Bundesversammlung das Gesuch stellt, es möchte ihr der Rest der Strafzeit erlassen werden. Zur Begründung desselben legt sie ein Zeugniß des Arztes der Strafanstalt Thorberg, Herrn Dr. B. Howald, vom 13. Juli 1891 vor, wonach die Gresuchstellerin an Tuberkulose der Lungen (mit Nachtschweißen und häufigem blutigen Auswurf) leidet, daher geschont werden muß und im Krankenzimmer der Anstalt verpflegt wird. Der Arzt erklärt, die Krankheit sei unheilbar und werde die Menth wohl während ihrer ganzen Strafzeit einer besonderen Pflege bedürfen.

Mit Zeugniß vom 18. Dezember 1891 bestätigt dies der genannte Arzt und bemerkt dabei, daß der Zustand der Kranken ungefähr noch derselbe sei wie im Juli. Das Allgemeinbefinden sei zwar etwas besser geworden, weil die Menth zu nur ganz leichter Arbeit verwendet und ihrem Gesundheitszustände Rechnung getragen worden sei, indessen würde bei längerem Aufenthalte in der Anstalt voraussichtlieh eine Verschlimmerung zu erwarten sein.

In Würdigung dieses krankhaften Zustandes der Petentin, sowie in Anbetracht des Umstandes, daß dieselbe mehr als die Hälfte der ihr auferlegten Zuchthausstrafe erstanden hat, beantragen wir, es sei dem Begnadigungsgesuche der Frau Elisabeth Menth, geb.

Wälti, zu entsprechen und ihr der Rest der Strafe zu erlassen.

Genehmigen Sie, Tit, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 5. Januar 1892.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Hauser.

o

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend das Begnadigungsgesuch der Anna Elisabeth Menth, geb. Wälti, von Oberdießbach, Kantons Bern. (Vom 5. Januar 1892.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1892

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

02

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

13.01.1892

Date Data Seite

67-69

Page Pagina Ref. No

10 015 568

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.