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Botschaft des.

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Fristverlängerung für eine Eisenbahn von Frutigen durch den Lötschberg nach Brig (Lötschbergbahn).

(Vom 18. Juni 1904.)

Tit..

Durch Bundesbeschluß vom 23. Dezember 1899 (E. A. S. XV, 888) haben Sie die unterm 23. Dezember 1891 (E. A. S: XI, 535) erteilte und unterm 26. März 1897 (E. A. S. XIV, 338) erweiterte Konzession einer Eisenbahn von Frutigen durch den Lötschberg nach Brig (Lötschbergbahn) auf den> Kanton Bern, für sich oder zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft übertragen und zugleich die im Artikel 5 vorgesehene, erstmals durch Bundesratsbeschluß vom 10. Januar 1896 (E. A. S. XIV, 64) erstreckte Frist zur Einreichung der vorschriftsmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen, sowie eventuell der Gesellschaftsstatuten, um weitere 4 Jahre, d. h. bis zum 28. Dezember 1903, verlängert.

Mittelst Eingabe vom 11. November 1903 stellte der Regierungsrat des Kantons Bern, das Gesuch, es möchte die Frist zur Einreichung der vorschriftsmäßigen Vorlagen um weitere vier Jahre, d. h. bis 28. Dezember 1907, verlängert werden, indem er anführte, das Unternehmen sei bis jetzt durch folgende Schritte gefördert worden: Durch das Gesetz betreffend Beteiligung, des Staates Bern am Bau und Betrieb von Eisenbahnen, vom 4. Mai

544 1902, sei der Lötschbergbahn (Frutigen-Brig) auf Grund eines von den Ingenieuren Hittmann in Bern und Greulich in Luzern ausgearbeiteten generellen Vorprojektes eine Aktienbeteiligung von 25°/o des Anlagekapitals, im Maximum von l?1^ Millionen Franken zugesichert worden. Ferner habe sich zum Zwecke der Finanzierung der Lötschbergbahn ein bernisch-kantonales Initiativkomitee gebildet, welches, in der Absicht, diesen Berneralpendurchstich als Zufahrtslinie zum Simplen und als Transitlinie für sich und im Vergleich mit andern Projekten in technischer und finanzieller Richtung einer eingehenden Begutachtung zu unterwerfen, eine Oberexpertise ausländischer Fachleute bestellt habe.

Dieses Gutachten stehe noch aus, weshalb das Initiativkomitee seine Aufgabe noch nicht habe erfüllen können.

Der Staatsrat des Kantons Wallis, zur Vernéhmlassung eingeladen, hat die Angelegenheit dem Großen Rate zur Beschlußfassung unterbreitet. Dieser hat sich in seiner Sitzung vom 30. November 1903 für die Bewilligung der nachgesuchten Fristverlängerung ausgesprochen, wobei es indessen die Meinung haben solle, daß die fragliche Bahn ganz allgemein als eine Zufahrtslinie zum Simplon durch die Alpen zu betrachten sei, ohne die Frage des Tracés zu präjudizieren.

Da es sich im vorliegenden Falle um eine Linie handelt, die eventuell die schweizerischen Bundesbahnen zu erstellen wünschen, wurde das Fristverlängerungsgesuch auch der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen zur Vernéhmlassung übermittelt.

Dieselbe äußerte sich .hierauf mittelst Eingabe vom 5. Januar 1904 im wesentlichen wie folgt: Sie verkenne die große verkehrspolitische Bedeutung eines Durchstiches der Berner Alpen in keiner Weise, sowohl mit Rücksicht auf die aus demselben resultierenden Abkürzungen internationaler Transitlinien als auch auf die hieraus resultierenden Verschiebungen in der Verkehrsleitung für das schweizerische Eisenbahnnetz. Gerade mit .Rücksicht auf diesen Einfluß der projektierten Linie sei sie aber der Aussicht, daß eine konsequente Staatsbahnpolitik dahinführen müsse, eine so wichtige Verkehrslinie im geeigneten Zeitpunkt d u r c h d e n B u n d erstellen zu lassen, und zwar unter angemessener Subventionierung durch die zunächst beteiligten Kantone. Es wäre nicht richtig, diesen Alpendurchstich, welcher eine wichtige Zufahrtslinie zum Simplon bilden würde, durch einen Dritten, sei es ein Kanton oder .eine

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Privatgesellschaft, in Konkurrenz zu den Bundesbahnen ausführen und betreiben zu lassen.

Aus diesem Standpunkte folge, daß die nachgesuchte Konzessionsverlängerung nicht bewilligt werden sollte, in der Meinung, daß der Bund sich vorbehalte, eine Eisenbahn mit Durchstechung der Berner Alpen als Zufahrtslinie " zum Simplon im geeigneten Zeitpunkt mit Unterstützung durch die beteiligte Landesgegend selbst zu bauen. Durch eine solche Entschließung der Bundesbehörde würde die fernere Tätigkeit der Behörden des Kantons Bern und des Initiativkomitees zur Vorbereitung und eingehenden Untersuchung des Projektes in keiner Weise ausgeschlossen^ Wenn die Bundesbehörden diesen Standpunkt wider Erwarten nicht einnehmen wollten, so wäre es mindestens angezeigt, bei Bewilligung der Fristverlängerung die Konzessionäre zu verpflichten, den Bund jederzeit an ihrer Stelle in die Ausführung der konzedierten Linie eintreten zu lassen. Ein solcher Eintritt vermöge die Interessen des Bundes zwar nur mangelhaft zu wahren.

In dieser Hinsicht betone sie namentlich, daß sie in Übereinstimmung mit der vom Staatsrate des Kantons Wallis in seiner Eingabe vom 30. November 1903 geäußerten Ansicht dafür halte, daß der Entscheid über die Frage, ob der Berner Alpendurchstich richtiger durch den Lötschberg oder durch den Wildstrubel zu erstellen sei, noch uripräjudiziert einer eingehenden und gründlichen Untersuchung vorbehalten werden sollte. Der Bund sollte sich nicht zum voraus auf das Lötschbergprojekt verpflichten lassen.

Von dieser Vernehmlassung wurde dem Regierungsrate des Kantons Bern Kenntnis gegeben. In seiner Rückäußerung vom 17. Februar 1904 erklärt derselbe zunächst, daß er den prinzipiellen Standpunkt der Generaldirektion der S. B. B. hinsichtlich der Erteilung von Eisenbahnkonzessionen als unhaltbar bezeichne und allein denjenigen der freien Konkurrenz als richtig erachte.

Der Ausbau des Hauptnetzes der schweizerischen Eisenbahnen dürfe nicht in erster Linie von den Behörden der S. B. B. abhängig gemacht werden, sondern es sei vielmehr die Bedürfnisfrage vor allem nach dem für diesen Ausbau bekundeten öffentlichen, volkswirtschaftlichem Interesse und der davon geleiteten Privatinitiative der betreffenden Gegend zu beurteilen. Eine Einschränkung der Privatinitiative sei nur in dem Falle statthaft, wo der Bund sich an ihre Stelle setze und den Bau einer zur Ausführung reifen Linie selbst übernehme. Im vorliegenden Falle

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komme noch besonders in Betracht, daß die Initiative von einem Kantone ausgehe, und daß auch bereits die umfassendsten und eingehendsten Studien und Prüfungen des Tracés, sowie der Baukosten vorgenommen worden seien. Die Ausführung des Unternehmens dürfe nicht hinausgeschoben oder gar verhindert werden, weil der Zeitpunkt den S. B. B. noch nicht geeignet erscheine.

Der Regierungsrat erkläre sich aber damit einverstanden, daß eventuell an die Fristverlängerung die Bedingung geknüpft werde, es habe der Kanton Bern, die Konzession dem Bund zu gegebener Zeit zwecks Ausführung innerhalb kürzester Zeit abzutreten.

*Der vom Großen Rat des Kantons Wallis in seinem Beschluß vom 28. November 1903 gemachten Voraussetzung, daß die Konzession ohne Präjudiz für die Wahl des Tracés, sondern allgemein, als Konzession für eine Zufahrtslinie zum Simplon durch die Berner Alpen, erteilt werden möchte, könnte er ohne weiteres zustimmen. Für den Fall, daß seine fernem Studien ein dem Lötschbergbahnprojekt überlegenes Projekt eines BernerAlpendurchstiches zu Tage fördern sollten, werde er nicht ermangeln, im Sinne des Wunsches des Kantons Wallis vorzugehen und das Gesuch für eine Konzessionsänderung einreichen. Sowohl eine allfällige Abtretung der Konzession an die Bundesbahnverwaltung, bezw. an den Bund, als auch die im Beschlüsse des Großen Rates des Kantons Wallis vom 28. November 1903 gewünschte Konzessionsänderung bedingen einen Beschluß der Bundesversammlung. Er ziehe jedoch im gegenwärtigen Stadium der Frage die Fristverlängerung der Lötschbergbahnkorizession vor, eine eventuelle Vorlage zu Händen der eidgenössischen Räte auf denjenigen Zeitpunkt verschiebend, auf welchen seine weitern Studien die Tracéfrage gänzlich abgeklärt haben werden.

Über die grundsätzliche Frage, wie sich die Bundesbehörden zu Konzessionsgesuchen für solche Linien stellen sollen, die eventuell von den Bundesbahnen gebaut werden könnten, werden wir uns in einem besondern Berichte aussprechen. Im vorliegenden Falle halten wir dafür, daß unbeschadet der grundsätzlichen Lösung, lediglich aus Rücksicht auf den Umstand, daß die Konzession für die Lötschbergbahn schon im Dezember 1891, also mehrere Jahre vor der Verstaatlichung der schweizerischen Hauptbahnen, erteilt worden ist, die nachgesuchte Fristverlängerung gewährt werden sollte.

In den Beschluß auch Bestimmungen über die Abtretung der Konzession an die Bundesbahnen und über eine- allfällige

547 Änderung des Tracés aufzunehmen, scheint uns nicht nötig zu sein. Einmal ist nicht daran zu zweifeln, daß der Kanton Bern jederzeit bereit sein wird, gegen Ersatz seiner Auslagen auf die Konzession zu verzichten, falls die Bundesbahnen bauen wollen Und sodann müßte, um dem Konzessionär die Fakultät einer Traceänderung einräumen zu können, ein förmliches Gesuch desselben vorliegen. Da dies aber nicht der Fall ist, so haben die Bundesbehörden auch keinen Anlaß, eine Konzessionsänderung vorzunehmen.

Indem wir Ihnen den nachstehenden Beschlassesentwurf zur Annahme empfehlen, benutzen wir auch diese Gelegenheit, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 18. Juni 1904.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Comtesse.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Rangier.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

Fristverlängerung für eine Eisenbahn von Frutigen durci» den Lötschberg nach ßrig (Lötschbergbahn).

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe des Regierungsrates des Kantons Bern, vom 11. November 1903; 2. einer Botschaft des Bundesrates, vom 18. Juni 1904, beschließt: 1. Die im Artikel 5 der durch Bundesbeschluß vom 23. Dezember 1891 (E. A. S.'XI, 535J erteilten, unterm 26. März 1897 (B. A. S. XIV, 338) erweiterten und durch Bundesbeschluß vom 23. Dezember 1899 (E. A. S. XV, 888) auf den Kanton Bern, für sich oder zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft übertragenen Konzession, angesetzte und durch Bundesratsbeschluß vom 10. Januar 1896 (E. A. S. XIV, 64), sowie durch den zitierten Bundesbeschluß vom 23. Dezember 1899 erstreckte Frist zur Einreichung der vorschriftsmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen, sowie eventuell der Gesellschaftsstatuten, wird um weitere vier Jahre, d. h. bis zum 28. Dezember 1907, verlängert.

2. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Beschlüsse« beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Fristverlängerung für eine Eisenbahn von Frutigen durch den Lötschberg nach Brig (Lötschbergbahn). (Vom 18.

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22.06.1904

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