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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigunggesuch der wegen Einfuhr und Verkaufs von Phosphorzündhölzchen bestraften Witwe Pheulpin geb. Bonvallat in Miécourt.

(Vom 15. März 1904.)

Tit.

Am 28. April 1903 wurde Witwe Pheulpin im Dorfe Alle, Bezirk Pruntrut, polizeilich arretiert, weil sie nach den Beobachtungen eines Gendarmen den Bewohnern verschiedener Häuser Zündhölzchen mit gelbem Phosphor zum Verkaufe antrug. Sie leugnete anfänglich, derartige Ware zu besitzen, mußte aber infolge der Androhung der Leibesvisitation vier Pakete Zündhölzchen hergeben, die sie in eigens angebrachten versteckten Taschen bei sich trug. Es war verbotene Ware, und zwar in Schachteln verpackt, die weder mit der Firma noch mit der Marke eines Fabrikanten bezeichnet waren.

Vor dem Polizeirichter bezeugten mehrere Einwohner des Dorfes Alle, daß ihnen Frau Pheulpin Phosphorzündhölzchen zum Kaufe angetragen. Sie selbst wollte die auf ihr gefundene Ware nicht aus dem Auslande eingeführt, sondern zufällig von einem Kolporteur auf Schweizergebiet gekauft haben, und sie bestritt beharrlich den Vorwurf des gewerbsmäßigen Verkaufes verbotener Zündhölzchen.

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Der Polizeirichter des Bezirkes Pruntrut erklärte die Pheulpin der Übertretung der Art. 4 und 6 des Bundesgesetzes vom 2. November 1898 schuldig, und verurteilte sie zu Fr. 150 Geldbuße und zur Tragung der Gerichtskosten. Von der Polizeikammer des Kantons Bern wurde dieses Urteil, in Verwerfung der von der Gebüßten erklärten Berufung, in allen Teilen bestätigt.

Nunmehr ersucht Witwe Pheulpin um Erlaß der ganzen Strafe oder Ermäßigung derselben, indem sie neuerdings behauptet, daß es sich bei ihr nur um einen Gelegenheitskauf von einer elsässischen Bekannten und darum gehandelt habe, einen Teil der Ware wieder abzusetzen, den sie selbst nicht habe brauchen können. Sie erklärt im weitern, sie sei eine arme Taglöhnerin ohne Vermögen, mit einem minderjährigen Kinde, und nicht im stände, die Mittel zur Bezahlung von Buße und Kosten aufzubringen.

Der Gemeinderat von Miecourt bestätigt die Angaben der Petentin über ihre persönlichen und ökonomischen Verhältnisse.

Was den Leumund anbetrifft, so sei er zu Lebzeiten des Ehemannes eicht untadelhaft gewesen, gegenwärtig könne man der Frau nichts Übles nachreden. Sie sei durch die Not des Lebens dazu gelangt, die Übertretung zu begehen, um die es sich handle, und sie sei keine Schmugglerin von Profession. Die Behörde empfiehlt den Erlaß der Buße.

Nach dem Rapport des Polizeisoldaten, welcher die Witwe Pheulpin arretierte, und den Zeugenaussagen, sowie den richterlichen Feststellungen über Qualität und Verpackung der sequestrierten Ware, muß als festgestellt betrachtet werden, daß Petentin Phosphorzündhölzchen aus dem Ausland eingeführt und in der Schweiz gewerbsmäßig dritten Personen zum Kaufe angetragen hat. Es liegt also ein Fall der Übertretung des Bundesgesetzes vor, dessen nähere Verumständungen geeignet waren, die wohltätigen Wirkungen des Verbotes von Einfuhr und Verbrauch giftiger Ware in hohem Maße zu durchkreuzen.

Auch darüber besteht kein Zweifel, daß die Petentin dem Gesetze absichtlich zuwider gehandelt hat. Immerhin ist die Tatsache, daß sie sich nicht im Rückfall befindet, und ihre notorische Armut geeignet, wenigstens eine teilweise Reduktion der gerichtlich ausgesprochenen Buße auf dem Wege der Begnadigung zu begründen, da der Richter offenbar nur durch die Höhe des für ihn verbindlichen gesetzlichen Strafminimums zu dem von ihm verhängten Strafmaß geführt wurde.

808 Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag: Es sei die der Witwe Pheulpin auferlegte Strafe auf Fr. 50 zu ermäßigen, unter Umwandlung in 10 Tage Gefängnis im Falle der Unerhältlichkeit B e r n , den 15. März 1904.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Comtesse.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

-erfrag-

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch der wegen Einfuhr und Verkaufs von Phosphorzündhölzchen bestraften Witwe Pheulpin geb.

Bonvallat in Miécourt. (Vom 15. März 1904.)

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16.03.1904

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