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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche des wegen Fälschung von Bundesakten und Amtspflichtverletzung bestraften Karl Köchli, gewesener Briefträger in Bern.

(Vom 3. Juni 1904.)

Tit.

Durch Bundesratsbeschluß vom 9. Februar 1904 wurde Karl Köchli den Gerichten des Kantons Bern überwiesen, nachdem sich ergeben, daß er eine ihm als Briefträger übergebene Geldanweisungssumme von Fr. 71. 80 dem Adressaten nicht abgeliefert und auf dem Mandatkarton die Unterschrift des Adressaten fälschlicherweise selbst hingesetzt hatte (Unterschlagung des Mandatbetrages im Sinne des kantonalen Strafrechtes in Konkurrenz mit Amtspflichtverletzung, Art. 53 f des Bundesstrafrechtes ; ferner Fälschung einer Bundesakte, Art. 61 des Bundesstrafrechtes).

Die Kriminalkammer des Obergerichtes des Kantons Bern hat den Köchli von der Anklage auf Unterschlagung ohne Entschädigung freigesprochen, da sie auf Grund der Akten und der Verhandlungen die Behauptung des Angeklagten, er habe das in Frage stehende Geld nicht in eigenem Nutzen verwendet, sondern verloren, als nicht unglaubwürdig betrachtete. Dagegen erklärte ihn das Gericht gemäß seinem Geständnis schuldig der AmtsBundesblatt. 56. Jahrg. Bd. III.

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842 Pflichtverletzung und der Fälschung von Bundesakten. Bei Ausmessung der Strafe wurde zu gunsten des Verurteilten in Berücksichtigung gezogen sein guter bürgerlicher Leumund und dio guten Zeugnisse seiner Vorgesetzten im Postdienst über die dort geleisteten Dienste, ferner als Erklärungsgrund für die begangene Fälschung angeführt die Angst vor dem Ersatz der in Verlust geratenen Mandatsumme. Unter Anrechnung des Geständnisses als Milderungsgrund fand der Gerichtshof eine Strafe von 20 Tagen für die Fälschung und eine solche von Fr. 20 für die Amtspflichtverletzung als angemessen, letztere im Falle der Nichterhältlichkeit umgewandelt in vier Tage Gefängnis.

Köchli wurde demgemäß bestraft und zu den auf Fr. 85. 40 bestimmten Kosten des Staates verurteilt. Er stellt nunmehr das 'Gesuch .um Erlaß der Gefängnisstrafe und der Buße. Zur Begründung macht er geltend : Er habe die Geldanweisung an dem Samstag, an welchem sie ihm übergeben worden, wegen Abwesenheit des Adressaten nicht an diesen abliefern und auch abends aus von ihm nicht verschuldeten Gründen nicht an die Postverwaltung zurückgeben können. Bis Montag früh sei ihm die Summe verloren gegangen, ein Ersatz aus eigenen Mitteln aber unmöglich gewesen, da er mit seinem bis April 1903 Fr. 145, seither Fr. 170 betragenden Monatsgehalt kaum den Unterhalt seiner Familie habe bestreiten können, zu welcher Frau und fünf unerwachsene Kinder gehören.

Die Angst vor Entdeckung des Verlustes und deren Folgen hätten ihn zu der Fälschung veranlaßt, für welche er durch die disziplinarische Entlassung aus dem Postdienst bereits schwer bestraft sei.

Die Oberpostdirektion empfiehlt das Gesuch zu tunlichstei' Berücksichtigung.

Durch das Urteil des bernischen Gerichtes ist in einer filidie Begnadigungsinstanz maßgebenden Weise festgestellt, daß keine genügenden Indizien vorliegen, um den Petenten der Unterschlagung des in Frage kommenden Mandatbetrages zu bezichtigen. Damit wurde auch die Anklage wegen Amtspflichtverletzung hinfällig, soweit sie sich darauf bezog, daß die Unterschlagung von einem Bundesbeamten begangen wurde. Auf Köchli lastet noch die Fälschung eines Mandatcoupons, die er ebenfalls in amtlicher Stellung begangen hat und die gemäß Art. 61 und 53 des Bundesstrafrechtes mit Gefängnis, verbunden mit Geldbuße, zu bestrafen ist. Der kantonale Richter hat alle diejenigen Tatsachen,

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welche im Begnadigungsgesuche zur Motivierung einer Milderung des Urteils verwertet werden, bereits gekannt, und die von ihm ausgesprochene Strafe kann nicht als unverhältnismäßig hart bezeichnet werden.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag: Es sei das Gesuch des Karl Köchli abzuweisen.

B e r n , den 3. Juni 1904.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Comtesse.

Der I. Vizekanzler: Schatzmann.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche des wegen Fälschung von Bundesakten und Amtspflichtverletzung bestraften Karl Köchli, gewesener Briefträger in Bern. (Vom 3. Juni 1904.)

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1904

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08.06.1904

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841-843

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