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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche des wegen Nichtleistung von Militärpflichtersatz bestraften Emil Steiner, Reisender in Bern.

(Vom 3. Juni 1904.)

Tit.

Steiner wurde durch Urteil des Polizeirichters von Bern vom 6. Mai 1903 wegen Nichtbezahlung des Fr. 9 betragenden Militärpflichtersatzes pro 1902 mit einem Tag Gefängnis und sechs Monaten Wirtshausverbot bestraft. Er ist nach eigener Angabe Provisionsreisender für Zigarren und Lebensmittel und als solcher auf eine Kundschaft angewiesen, die er sich durch den Besuch von Wirtshäusern erwerben und erhalten muß. Die Ausübung dieses Berufes während der Dauer des verhängten Wirtshausverbotes führte für ihn mehrfache Bestrafung wegen Übertretung desselben herbei, im ganzen mit fünf Tagen Gefängnis.

Mit Eingabe vom 26. März 1904 stellt Steiner das Gesuch, daß ihm die Strafe der Gefangenschaft und des Wirtshausverbotes und damit verbunden auch die Straffolgen wegen Übertretung des Wirtshausverbotes erlassen werden möchten. Er begründet dasselbe mit dem Hinweis auf ökonomische Bedrängnis, in welcher er sich seit dem Jahre 1901 infolge wiederholter Krankheitsanfälle befinde.

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Der Polizeidirektor der Stadt Bern berichtet: Steiner sei am 13. Juli 1900 vom Richteramt Wangen wegen Betrugs mit zwei Tagen Gefängnis bestraft worden und genieße ,,nicht gerade11 den besten Leumund. Gleichwohl empfiehlt diese Behörde das Gesuch zur Berücksichtigung in Anbetracht, daß Steiner seit längerer Zeit krank sei und infolgedessen Mühe habe, das Auskommen für sich und seine aus Ehefrau und drei Kindern bestehende Familie zu finden.

Vom Regierungsstatthalter des Amtsbezirkes Bern wird der Gesuchsteller zum Erlaß des Wirtshausverbotes empfohlen, damit er seinen Geschäften nachgehen könne, nicht aber zum Erlaß der Gefängnisstrafe.

"ö1' Das Kreiskommando Bern endlich erklärt, Steiner sei vor seiner Übersiedlung nach Bern in Basel mit Fr. 31. 50 taxiert gewesen. Hier habe man die Taxe auf Fr. 15 reduziert, erstmals pro 1901, welcher Betrag, allerdings erst verspätet, bezahlt worden ist. Weder im Jahre 1901 noch 1902 habe er gegen die Taxation Einsprache erhoben und die für letztere Steuer empfangenen zwei Mahnungen gänzlich unbeachtet gelassen, weshalb die Vorzeigung beim Richter erfolgt sei. Auch für die im Jahre 1903 fällige Taxe habe die Überweisung an den Strafrichter geschehen müssen ; sie sei aber zurückgezogen worden, nachdem der Pflichtige am letzten Tag vor der Gerichtsverhandlung seine Schuld bezahlt habe.

Die Strafe des Wirtshausverbotes für die Dauer von sechs Monaten, welche am 6. Mai 1903 über Emil Steiner verhängt wurde, ist längst durch Zeitablauf erstanden und fällt deshalb bei der Entscheidung über das Begnadigungsgesuch außer Betracht. Im weitern steht die Aufhebung von Strafen wegen Übertretung eines solchen Verbotes nicht in der Kompetenz der eidgenössischen Behörden, weil es sich um Urteile auf Grund kantonalen Rechtes handelt. Es fragt sich daher nur, ob Grund vorliege, dem Steiner die Gefängnisstrafe von einem Tag zu erlassen, und dies ist zu verneinen mit Rücksicht darauf, daß der Ersatzpflichtige trotz gebotener Gelegenheit versäumt hat, gegenüber der Militärbehörde und dem urteilenden Richter den Beweis dafür anzutreten oder auch nur zu behaupten, daß die Zahlungsleistung ihm ohne eigenes Verschulden unmöglich sei.

846 Wir stellen daher bei Ihrer hohem Versammlung den Antrag: Es sei das Gesuch des Emil Steiner abzuweisen.

:

B e r n , den 3. Juni 1904.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Comtesse.

Der I. Vizekanzler :

Schatzmann.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche des wegen Nichtleistung von Militärpflichtersatz bestraften Emil Steiner, Reisender in Bern. (Vom 3.

Juni 1904.)

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1904

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08.06.1904

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844-846

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