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Bundesratsbeschluß über

den Rekurs der Aktiengesellschaft für angewandte Elektrizität Motor in Baden gegen den Beschluss des Regierungsrates des Kantons Zürich, vom 18. Juni 1903, betreffend Erstellung einer Starkstromanlage in der Gemeinde Meilen.

(Vom 28. Mai 1904.)

Der schweizerische Bundesrat

hat über den Rekurs der Aktiengesellschaft für angewandte Elektrizität Motor in Baden, gegen den Beschluß des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 18. Juni 1903, betreffend Erstellung einer Starkstromanlage in der Gemeinde Meilen ; nach Einsicht eines Berichtes der eidgenössischen Kommission für elektrische Anlagen; auf den Antrag seines Eisenbahndepartements, folgenden Beschluß gefaßt:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Im Amtsblatt des Kantons Zürich, Nr. 23, vom 23. März 1903, publizierte der Gemeinderat Meilen, gemäß Art. 51 des Bundesgesetzes betreffend die elektrischen Schwach- und · Starkstromanlagen, vom 24. Juni 1902, und Art. 11 ' des Bundesgesetzes

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betreffend die Verbindlichkeit zur Abtretung von Privatrechten, vom 1. Mai 1850, ein Projekt der Aktiengesellschaft Motor für Erstellung einer Starkstromanlage auf dem Gebiete der Gemeinde Meilen.

Nach Ablauf der dreißigtägigen Eiusprachefrist wurde der Expropriantin mit den Einsprachen von Privaten auch eine Zuschrift des Gemeinderates Meilen an die Direktion der Aktiengesellschaft Motor zu Händen des Bundesrates, datiert 18. April 1903, zugestellt.

Mit dieser Zuschrift brachte der Gemeinderat Meilen der Expropriantin zur Kenntnis, daß er das nachgesuchte Expropriationsrecht für die Ausführung einer Starkstromanlage auf dem Gebiete der Gemeinde Meilen nur unter folgenden Bedingungen erteile: 1. Die Aktiengesellschaft für angewandte Elektrizität Motor in Baden räumt der Gemeinde das Recht ein, zu jeder Zeit an die Stromleitung direkt anzuschließen behufs Licht- und Kraftabnahme für die Schulwacht Feldmeilen.

2. Dieselbe'Firma gestattet der Gemeinde Meilen ebenfalls Anno 1906 au die Hauptleitung anzuschließen behufs Licht- und Kraftabnahme für Dorf- und Obermeilen.

3. Die jetzt oder später an die Gemeinde direkt abzugebende elektrische Energie durch die Aktiengesellschaft Motor erfolgt mindestens unter den für sämtliche Gemeinden des Kantons Zürich in Seebach stipulierteu Bedingungen und nach dem vom Kantonsrate unterm 23. September 1902 gefaßten Beschluß betreffend Erteilung des Expropriationsrechtes an die Firma Motor, Aktiengesellschaft für angewandte Elektrizität in Baden, zur Erstellung von Starkstromleitungen auf dem Gebiete des Kantons Zürich.

4. Die Aktiengesellschaft Motor fUr angewandte Elektrizität in Baden räumt der Gemeinde Meilen das Recht ein, die Leitungsstangen ihrer Starkstromleitung mitzubenutzen zum Zwecke der Anbringung weiterer Zuleitungen von einem anderen Elektrizitätswerk, sofern die Gemeinde in den Fall kommen sollte, von einem andern Elektrizitätswerk elektrische Energie zu benützen.

Der Gemeinderat Meilen wies. darauf hin, daß er die vorstehend genannten Bedingungen*'auf Art. 46, Abs. 3, des Bundesgesetzes betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen stutze, und betonte in weiterer Ausführung die materielle Begründetheit derselben.

II.

Mittelst Eingabe vom 6./7. Mai 1903 rekurrierte die Aktiengesellschaft Motor unter Hinweis auf Art. 46, Abs. 4, des Bundes-

719 gesetzes betreffend die elektrischen Anlagen gegen den Beschluß des Gemeinderates Meilen, vom 18. April 1903, an den Regierungsrat. Sie beantragte, in Gutheißung des Rekurses alle in dem angefochtenen Beschlüsse aufgestellten Begehren und Bedingungen zu verwerfen, unter Eostenfolge.

Zur Begründung wies sie in erster Linie darauf hin, daß, gemäß Art. 46, Abs. 3, des Bundesgesetzes über elektrische Anlagen, den Gemeinden ein Recht, die Mitbenützung ihres öffentlichen Eigentums an beschränkende Bedingungen zu knüpfen, nur zustehe bezüglich Einrichtungen zur Abgabe elektrischer Energie, nicht aber auch für Einrichtungen zur Fortleitung und Verteilung (Art. 46 und 47 genannten Gesetzes). Ferner bestritt die Rekurrentin, daß berechtigte Interessen vorliegen, welche die Aufstelung der genannten Bedingungen rechtfertigen. Bedingung 4 stehe direkt mit den Bundesvorschriften vom 7. Juli 1899 (Art.

59 und 60) im Widerspruch.

III.

Dem prinzipiellen Einwand der Rekurrentin, daß sie zurzeit gar keine Einrichtungen zur Abgabe elektrischer Energie erstellen wolle, und daß daher die Voraussetzung für die Anwendung von Art. 46, Abs. 3, des Bundesgesetzes fehle, hielt der Gemeinderat Meilen in seiner Vernehmlassung, vom 15. Mai 1903 entgegen, daß die Firma Häny & Cie. in einem Teile der Gemeinde Meilen .auf Grund eines am 11. August 1896 mit der Gemeindehörde abgeschlossenen Vertrages seit sieben Jahren eine Beleuchtungs.anlage betreibe.

Der Gemeinderat legte diesen Vertrag in Kopie ins Recht und machte geltend, daß darin das ausgedehnte Gebiet von Feldmeilen nicht Inbegriffen sei, und daß daher der Gemeinderat nur seiner Pflicht genüge, wenn er bei Anlaß der Durchleitung des Starkstromes der Aktiengesellschaft Motor für die ganze Gemeinde Meilen den Bedarf an Kraft sichern wolle. Daß es sich bei der Aktiengesellschaft Motor übrigens nicht nur um Durchleitung von Strom, sondern auch um Abgabe von Energie in der Gemeinde selbst handle, gehe zur -Evidenz hervor aus einem zwischen Häny & Cie. und der Aktiengesellschaft Motor abgeschlossenen Kraftlieferungsvertrag vom 18. Juli 1902, den der Gemeinderat zu den Akten verlange. Aus diesem Vertrage ergebe sich auch, wie Häny & Gie. mit Hülfe der Aktiengesellschaft Motor beabsichtigen, die Bestrebungen der Gemeinde Meilen zu durchkreuzen .und berechtigte Interessen der Gemeinde und deren Einwohner z u gefährden..

' · · > · . ·

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Wenn auch zurzeit die Gemeinde Meilen noch nicht Eigentümerin eines kommunalen Elektrizitätswerkes sei, so müsse es als selbstverständlich erscheinen, daß Art. 46, Abs. 3, hier wie auch auf alle die zahlreichen Fälle anwendbar sei, in welchen die im Bereiche eines größern Elektrizitätswerkes liegenden Gemeinden keine neuen Werke mit eigener Stromerzeugungsanlage bauen, sondern von dem betreffenden oder einem andern auswärtigen Werk elektrische Kraft mieten, aber deren Verteilung an die Abonnenten selbst in der Hand haben wollen.

IV.

Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat den Rekurs der Aktiengesellschaft Motor durch Beschluß vom 18. Juni 1903 betreffend Ziffern l, 2 und 3 der vom Gemeinderat Meilen aufgestellten Bedingungen abgewiesen, bezüglich Ziffer 4 dagegen gutgeheißen.

Zur Begründung führte er folgendes an : Auf Grund der Akten und Pläne ergebe sich, daß die Aktiengesellschaft Motor eine Starkstromleitung durch die ausgedehnte Gemeinde Meilen in der Richtung von Süd nach Nord zu erstellen und bei dieser Gelegeuheit auch Strom in die Elektrizitätszentrale der Firma Häny & Cie. abzugeben beabsichtige. Dabei müsse mehrfach öffentliches Eigentum der Gemeinde in Anspruch genommen werden.

Häny & Cie. wollen sich durch diesen Strombezug von der Aktiengesellschaft Motor in den Stand setzen, nicht nur wie bisher auf Grund des 1896er Vertrages bloß den obern Teil der Gemeinde, sondern auch Feldmeilen und dann die ganze Gemeinde nicht bloß mit Licht, sondern auch mit motorischer Kraft zu bedienen. Es sei also eine bedeutende Erweiterung der bisherigen Anlagen geplant. Ob dies nun durch die Aktiengesellschaft Motor direkt uder via Häny & Cie. erfolge, sei rechtlich deshalb ohne Belang, weil feststehe, daß nur durch die bedeutend vermehrte Eraftzufuhr der Aktiengesellschaft Motor diese Erweiterung in der Gemeinde Meilen möglich werde. Der bei den Akten liegende Vertrag vom 18. Juli 1902 zwischen der Aktiengesellschaft Motor und Häny & Cie. wolle jene verpflichten, in der Gemeinde Meilen nur an Häny Strom abzugeben, und Häny solle verpflichtet sein, .für seinen eigenen Gebrauch oder zum Zwecke der Abgabe an Private innerhalb der Gemeinde Meilen Strom nur von der Aktiengesellschaft Motor zu beziehen, alles auf die Dauer von 10 Jahren. Daß Häny & Cie., trotzdem sie wissen mußten, daß ihr Vertrag mit Meilen am 31. Dezember 1906 zu Ende gehe,

721 in ihrem neuen Vertrage mit der Aktiengesellschaft Motor eine 10jährige Vertragsdauer vorsehen, verrate allzusehr die Monopolgelüste von Häny & Cie. Dieser Vertrag stelle sich als eine Machination, als eine spekulative Kombination gegen die berechtigten Interessen der Gemeinde Meilen dar, als ein Mittel, diese Interessen auf lange Zeit zu kreuzen; ein solcher Vertrag verdiene nicht den Schutz der Behörden.

Der Gemeinderat wolle die Entwicklung der elektrischen Anlagen in keiner Weise hemmen, vielmehr dieselben möglichst bald in das öffentliche Interesse stellen. Das wolle er durch seine durchaus gerechtfertigten und durch die Verhältnisse gebotenen Bedingungen l, 2 und 3 erreichen, und es sei der Gemeinderat auf Grund des Art. 46, Abs. 3, des Bundeagesetzes vom 24. Juni 1902 in diesem Verlangen unbedingt zu schützen.

Den Vertragskontrahenten Häoy & Cie. und Aktiengesellschaft Motor werde eine entsprechende Modifikation der Dauer ihres Vertrages im Sinne des Anschlusses an den mit 31. Dezember 1906 auslaufenden Vertrag Häny & Cie. mit der Gemeinde Meilen um so weniger schwer fallen, als ihre Interessen, soweit sie berechtigt seien, dadurch nicht verletzt werden und die Aktiengesellschaft Motor gemäß einer der Baudirektion zu Händen der Gemeinde Meilen abgegebenen schriftlichen Erklärung vom 4. Juni 1903 prinzipiell zur Stromlieferung an Meilen sich bereit erklärt habe, und zwar zu nicht höhern Preisen als andern zürcherischen Gemeinden.

Das in Ziffer 4 seiner Bedingungen gestellte Verlangen des Gemeinderates Meilen könne in dieser allgemeinen Fassung um so weniger unterstützt werden, als in der Tat die Schwierigkeiten, die sich aus einer derartigen Verkoppelung ergeben müßten, sehr mannigfach und schwer lösbar wären.

-

V.

Gegen diesen Entscheid des Regierungsrates, vom 18. Juni 1903, ergriff die Aktiengesellschaft Motor den Rekurs an den Bundesrat mit dem Antrage, es sei dieser Beschluß aufzuheben und zu erkennen, daß der Gemeinderat Meilen und mit ihm "der zürcherische Regierungsrat nicht berechtigt seien, die Erteilung des von der Rekurrentin nachgesuchten Expropriationsrechtes für die Ausführung einer Starkstromanlage auf dem Gebiete der Gemeinde Meilen an die in der Zuschrift des Gemeinderates Meilen an die Expropriantin, vom 18. April 1903, aufgestellten Bedingungen zu knüpfen.

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Zur Begründung wurde im wesentlichen folgendes angeführt: Vor allem sei zu konstatieren, daß der Gemeinderat Meilen selbst n i c h t s dagegen habe, wenn der Aktiengesellschaft Motor das Expropriationsrecht sofort erteilt werde für die Einrichtungen zur Fortleituug, bezw. Durchleitung der elektrischen Energie durch das Gebiet der Gemeinde Meilen. Dies ergebe sich klar und deutlich aus der Vernehtnlassung des Gemeinderates Meilen an die Direktion der öffentlichen Bauten, datiert 15. Mai 1903, pag. 2.

Es werde daher eventuell wenigstens darum nachgesucht,daß hierfür das Expropriationsrecht sofort erteilt werde, denn es liege der Expropriantin sehr daran, doch wenigstens elektrische Energie über Meilen nach Küsnacht und andern Gemeinden, wo ihr von den Gemeinderäten keine Schwierigkeiten bereitet werden, leiten zu können. Dieses Eventualbegehren sei ja gemäß Art. 46, Absatz 3, des zitierten Bundesgesetzes ganz liquid.

Die Begehren l--3 des Gemeinderates Meilen beziehen sich vielmehr -nur auf die Abgabe elektrischer Energie innerhalb der Gemeinde Meilen.

Die Frage, ob die Gemeinde Meilen berechtigt sei, das Recht zur Mitbenutzung ihres öffentlichen Eigentums an die streitigen Bedingungen zu knüpfen, beurteile sich auf Grund von Art. 46, Absatz 3, des zitierten Bundesgesetzes, und es bestimme nun diese Gesetzesstelle, daß Gemeinden zum Schutze ihrer b e r e c h t i g t e n I n t e r e s s e n das Recht zur Mitbenutzung ihres öfientlichen Eigentums für Einrichtungen zur Abgabe elektrischer Energie innerhalb der Gemeinde verweigern oder an beschränkende Bestimmungen knüpfen können. Solehe berechtigte Interessen könne aber die Gemeinde Meilen in concreto nich't ins Feld fuhren, denn sie besitze weder ein eigenes kommuniales Elektrizitätswerk, noch seien die Vorarbeiten für den Bau eines solchen vorhanden. Wohl aber besitze ein Privater, Ed. Häny in Meilen, seit dem Jahre 1896 ein kleines Kraftwerk, und mit diesem habe die Gemeinde im Jahre 1896 einen Vertrag abgeschlossen, worin sie ihm für volle 10 Jahre, d. h. bis Ende 1906, die öffentliche und private Beleuchtung übertragen habe. In Art. 9, Absatz 2, dieses Vertrages verpflichte sich die Gemeinde Meilen, während der Dauer dieses Vertrages keine zweite Konzession- für Erstellung elektrischer Leitungen zur Lichtabgabe im Beleuchtungsrayon zu erteilen.
Ganz richtig sei, daß laut dem bei den Akten liegenden Vertrag zwischen der Aktiengesellschaft Motor und Häny & Cie., vom 18- Juli 1902, sich erstere verpflichte, den letzteren, und nur diesen, elektrische Energie für Beleuchtung, Motorenbetrieb und

72» Wärmezweck für die gesamte Gemeinde Meilen (also auch für die Schulwacht Meilenj zuzuführen, und es sei dieser Vertrag auf die Dauer von 10 Jahren eingegangen worden, also auf eine längere Zeit, als der vorerwähnte Vertrag zwischen der Gemeinde Meilen und Häny daure. Allein dadurch werden keine berechtigten Interessen der Gemeinde Meilen verletzt. Es liege doch wohl auf der Hand, daß die Aktiengesellschaft Motor, nachdem sich die Gemeinde Meilen durch Vertrag der Firma Häny gegenüber verpflichtet habe, bis 1906 keine zweite Konzession für Erstellung elektrischer Leitungen zur Lichtabgabe zu erteilen, naturgemäß mit diesem Konzessionär in ein Vertragsverhältnis habe eintreten müssen. Dafür, daß die Gemeinde Meilen jetzt oder in nächster Zeit im Ernste beabsichtige, selber für die Abgabe von Licht und Kraft in der Schulwacht Feldmeileu eine Gemeindeanlage zu bauen, liege gar nicht vor.

Die Behauptung der Gemeinde, daß sie von Häny auf Grund des Vertrages vom Jahre 1896 die Ausdehnung der Beleuchtung auf Feldmeilen nicht verlangen könne, stehe im direkten Widerspruch mit Artikel 4 dieses Vertrages. Überdies habe die Gemeinde Meilen es ja vollständig in der Hand, den Vertrag mit Häny & Cie. auf Ende 1906 zu kündigen.

Daß die Aktiengesellschaft Motor nicht einen kürzeren als einen 10jährigen Vertrag mit Häny & Cie. habe eingehen können, sei wohl in Anbetracht der enormen Kosten der Zuleitung des Stromes und der äußerst niedrigen Stromgebühren nur begreiflich, und es sei gerade das letztere Moment gewiß auch geeignet, ohne weiteres die Behauptung einer Verletzung berechtigter Interessen der Gemeinde zu widerlegen.

Aus dem zwischen der Aktiengesellschaft Motor und Häny
Unverständlich sei, wie der zürcherische Regierungsrat in seinen Erwägungen behaupten könne, es habe sich die Aktiengesellschaft Motor gemäß einer der .Baudirektion zu Händen der Gemeinde Meilen
abgegebenen Erklärung vom 4. Juni 1903 prinzipiell zur Stromlieferung an Meilen bereit erklärt, und zwar zu nicht höheren Preisen als anderen zürcherischen Gemeinden. Diese Erklärung sei nämlich nur u n t e r g a n z b e s t i m m t e n Bed i n g u n g e n und Vorbehalten abgegeben worden.

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Was endlich die Bedingung 3 des Gemeinderates Meilen in seiner Eingabe vom 18. April 1903 anbetreffe, so berufe sich derselbe mit Unrecht auf den sogenannten Seebacher Vertrag und auf den Kantonsratsbeschluß vom 22. September 1902.

Die sogenannte Seebacher Vereinbarung vom 15. August 1902 gelte unter Vorbehalt der Erteilung der kantonalen Konzession und Annahme derselben durch die Aktiengesellschaft Motor gemäß Art. 4 derselben überhaupt nur solchen Gemeinden gegenüber, welche in der Lage seien, bis Mitte 1904 einen Kraftlieferungsvertrag von über 30 KW etc. mit der Aktiengesellschaft Motor abzuschließen. Diese Voraussetzung, beziehungsweise Möglichkeit treffe bei der Gemeinde Meilen n i c h t zu, beziehungsweise sei durch sie selber verunmöglicht worden, dadurch, daß sie mit Häny & Cie. den mehrfach erwähnten Konzessionsvertrag vom Jahre 1896 abgeschlossen habe, an den die Gemeinde bis Ende 1906 gebunden sei.

Wenn der Gemeinderat darauf etwa entgegnen sollte, daß in diesem Vertrage die Schulwacht Feldmeilen nicht inbegriffen sei uod daß dieser Kontrakt nur auf die Kraftabgabe für Beleuchtung Bezug habe, so sei dem gegenüber lediglich auf Art. 5 der sogenannten Seebacher Vereinbarung zu verweisen, wo ausdrucklich bestimmt sei, daß bereits bestehende Verträge zu respektieren seien. ,,Bereits11 heiße nach dem ganzen Inhalt des Vertrages soviel wie ,,im Moment des Abschlusses eines Norm al Vertrages zwischen einer Gemeinde und der Aktiengesellschaft Motor". Dieser Zeitpunkt sei im Verhältnis zwischen der Gemeinde Meilen und der Aktiengesellschaft Motor noch nicht da, wohl aber bestehe schon seit Juli 1902 der Vertrag zwischen der Aktiengesellschaft Motor und Häny
Das Verlangen des Gemeinderates Meilen, daß die Stromabgabe in Meilen auf Grund einer für andere zürcherische Bezirke vor Inkrafttreten des neuen Bundesgesetzes betreffend Starkstromleitungen im September 1902 erteilten kantonalen Konzession zu erfolgen habe, sei, weil widersinnig, ohne weiteres zu verwerfen.

Es ratisse die Aktiengesellschaft Motor
strikte ablehnen, daß das heute auf Veranlassung des züreherischen Regierungsrates in den Bezirken Hinwil und Meilen neu auf Grund des zitierten Bundesgesetzes eingeleitete Expropriationsverfahren irgendwie mit jenen früheren kantonalen Erlassen verquickt werde.

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Hinsichtlich der Interpretation des Art. 46 verweise die Aktiengesellschaft Motor auf die amtlichen stenographischen Bulletins der eidgenössischen Räte, insbesondere auf diejenigen dès Jahres 1902, Seiten 78 und ff., 83 und ff., sowie namentlich 125 «nd ff.

· VI.

In der Rekursbeantwortung vom 23. September 1903 ersuchte der Regierungsrat, der Bundesrat möchte den nur allein von wohlverstandenen öffentlichen Gemeindeinteressen diktierten Standpunkt ·der Gemeinde Meilen schützen und ihre Bedingungen l--3, wie ·das von Seiten des Regierungsrates geschehen sei, auf Grund des Gesetzes als berechtigte anerkennen.

Zur Begründung führte er zunächst aus, die von der Aktiengesellschaft Motor vertretene Ansicht, daß der Gemeinderat Meilen ·selber nichts dagegen habe, wenn ihr das Expropriationsrecht sofort erteilt werde für die Einrichtungen zur Fortleitung beziehungsweise Durchleitung der elektrischen Energie durch das Gebiet dei- Gemeinde Meilen, werde in einer an die Direktion der öffentlichen ßauten gerichteten Zuschrift des Gemeinderates Meilen, vom 7. September 1903, energisch widerlegt. Es spreche in der Tat die amtliche Ausschreibung lediglich von einer Starkstromanlage auf der Gemarkung Meilen und nicht von Durch- und Weiterführung.

Man habe voraussehen können, daß sich bei der Anwendung ·des Art. 46 des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1902 recht verschiedene Auslegungen geltend machen. Aber durchaus unverständlich wäre es, wenn der in Art. 46, Absatz 3, den Gemeinden gewährte Schutz ihrer berechtigten Interessen nur irn Sinne der Verhinderung oder Beschränkung neuer Anlagen, nicht aber auch durch vorsorgliche Maßnahmen im Sinne der Förderung solcher Anlagen sich äußern und zur Geltung kommen könnte. Die Tendenz des Gesetzes gehe unzweifelhaft dahin, die Vorteile elekIrischer Übertragung von Naturkräften Gemeingut werden zu lassen.

Das sei der Zweck des Gesetzes, und hierin müsse das Äquivalent für die im Gesetze enthaltenen Maßnahmen gesucht werden, welche so sehr die freie Verfügung über privates und öffentliches Eigentum beschränken. Niemals'werde dem Gesetzgeber insinuiert werden dürfen, er habe spekulative Kombinationen großer Unternehmungen begünstigen und diesen gestatten wollen, das Land wohl mit gefahrdrohenden Einrichtungen zu überziehen, aber nur Strom abzugeben, wo und wie es denselben beliebt, ungeachtet -der im Durchleitungsgebiet sich energisch geltend machenden BeBundesblatt. 56. Jahrg. Bd. IH.

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726 dürfnisae. Gemäß Artikel 43 des zitierten Bundesgesetzes k ö n n e der Bundesrat den Eigentümern von elektrischen Anlagen u. s. w, das Expropriationsrecht gewähren. Er werde also zunächst prüfen, inwieweit solche Anlagen den allgemeinen Bedurfnissen dienen wollen, und zweifellos werde er dabei die in dieser Richtung sich geltend machenden Begehren, wie die in der Eingabe von Meilen unter Ziffern l--3 genannten, nicht abweisen.

Aus dem Rekurse der Aktiengesellschaft Motor gehe hervor, daß diese und Häny & Cie. zusammen die Gemeindeinteressen zu durchkreuzen und mit allen Mitteln niederzuhalten bestrebt seien.

Ganz unhaltbar sei die Behauptung der Rekurrentin, daß sie mit Häny deshalb einen über das Jahr 1906 hinausgehenden Vertrag habe abschließen müssen, weil die Kosten der Zuleitung, so enorm hoch seien, wenn man wisse, daß die Hauptleitung von den obero Gemeinden Männedorf-Ütikon her mitten durch Meilen und direkt am Etablissement von Häny & Cie. vorbei in die untern Gemeinden am rechten Seeufer führe, in welchen die Aktiengesellschaft Motor Strom abgebe.

VII.

Aus Replik und Duplik, die auf Wunsch der Aktiengesellschaft Motor angeordnet worden waren, ist insbesondere noch folgendes anzuführen : Die Parteien halten an ihren Anträgen und Ausführungen im Rekurse und in der Rekursbeantwortung fest.

Mit bezug auf die Stellungnahme der Gemeinde Meilen hinsichtlich der Erteilung des Expropriationsrechtes für die bloße Durchleitung bemerkt die Aktiengesellschaft Motor, der Gemeinderat habe sich in seiner Zuschrift vom 7. September 1903 an die Direktion der öffentlichen Arbeiten des Kantons Zürich darauf beschränkt, zu erklären, daß er bis jetzt noch nicht in die Lage gekommen sei, sich über die bloße Durchleitung auszusprechen,, weil ein dahingehendes Begehren seitens des Motor bis zur Stunde noch gar nicht gestellt worden sei. Was die fragliche amtlich» Ausschreibung in Meilen anbelange, so sei zu bemerken, daß aus dem Situationsplan und aus dem Verzeichnis der Ansprüche, auf welche ja die Publikation ausdrücklich Bezug nehme, hervorgeher daß mit der fraglichen Starkstromleitung in der Gemeinde Meilen eben die Hoebspanuungsleitung von Ütikon über Meilen nach Küsnacht gemeint sei.

Vom Regierungsrate sei nicht bestritten worden, daß nach Art. 2 und 3 des Vertrages zwischen dem Alleinkonzessionär der

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Gemeinde Meilen (Häny & Cie.) und der Aktiengesellschaft Motor, vom 18. Juli 1902, es alleinige Sache der ersteren sei, die sämtlichen Anlagen zur Abgabe und Verteilung elektrischer Energie in der Gemeinde in eigenen Kosten zu erstellen, zu unterhalten und zu verantworten.

Gegenüber den allgemeinen Ausführungen in der Rekursbeantwortung betreffend die Erteilung des Expropriationsrechtes für elektrische Leitungen wird bemerkt, es werde wohl niemand behaupten, daß die von der Aktiengesellschaft Motor projektierten und schon erstellten Anlagen nicht dem allgemeinen Interesse dienen, oder daß diese Aktiengesellschaft von ihren Konsumenten übersetzte Preise fordere. Aus einem vom Gemeinderat Meilen vorgelegten Privatgutachten des Herrn Dr. Denzler in Zürich betreffend Ergebnisse der auf Wunsch der Beleuchtungskommission Meilen aufgestellten Bau- und Betriebskostenberechnungen für eine von dem bestehenden Elektrizitätswerk der Herren Häny & Cie.

unabhängige Beleuchtungsanlage für Feldmeilen, vom 7. März 1903, gehe hervor, daß die Gemeinde Meilen weit besser tue, wenn sie in Regie keine eigene Zentrale baue. Dieses Gutachten habe offenbar dazu geführt, daß der Gemeinderat Meilen am 7. September 1903, d. h. am gleichen Tage, an dem er das erwähnte Gutachten an die ztlrcherische Regierung gerichtet habe, mit Häny & Cie. einen ganz neuen, bis zum 31. Dezember 1913 dauernden Konzessionsvertrag betreffend Abgabe elektrischer Energie für Licht und Kraft in der Gemeinde abgeschlossen habe. Dieser Vertrag habe am 27. September 1903 die Genehmigung der Gemeindeversammlung erlangt. Aus diesem Vertrage vom 7./2T. September 1903 zwischen der Gemeinde Meilen und Häny & Cie.

ergebe sich nun, daß die erstere während der Pendenz des Rekursverfahrens an die letzteren oder ihre Rechtsnachfolger die a u s s c h l i e ß l i c h e Konzession für elektrische Kraftverteilung, öffentliche und private Beleuchtung und andere technische Anwendungen der Elektrizität für das Gebiet der g e s a m t e n Gemeinde Meilen (also inklusive Feldmeilen) erteilt habe, und zwar für die Dauer von 10 Jahreu, d. h. bis zum 31. Dezember 1913.

Infolge der in diesem Vertrage enthaltenen a u s s c h l i e ß l i c h e n Konzessionserteilung an die Firma Häny & Cie. sei für die Gemeinde Meilen überhaupt gar k e i n e Möglichkeit mehr vorhanden,
vor Ende 1913 direkt an die Starkstromleitung der Aktiengesellschaft Motor behufs Licht- und Kraftabnahme für die Schulwacht Meilen oder behufs Licht- und Kraftabnahme Anno 1906 für Dorf und Obermeilen anzuschließen.

Es fallen somit die vom Gemeinderat aufgestellten Begehren beziehungsweise Bedingungen l und 2 ohne weiteres, weil gegen-

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standslos geworden, dahin. Das gleiche müsse logischerweise auch hinsichtlich" der Bedingung 3 gesagt werden, da man doch wohl der Aktiengesellschaft Motor heute nicht vorschreiben könne, nach Verfluß von 10 Jahren elektrische Energie zu einem bestimmten Preise an die Gemeinde Meilen abzugeben. .

Charakteristisch für das Verhalten des Gemeinderats Meilen sei, daß er am gleichen Tage, als er den ausschließlichen Konzessionsvertrag vom 7. September 1903 mit Häny & Cie. abgeschlossen habe, diese für die Beurteilung dieses Rekurses doch äußerst wichtige Tatsache in seiner vom gleichen Tage datierten Eingabe an die zürcherische Direktion dei- öffentlichen Arbeiten zu Händen des Bundesrates total verschwiegen und auch später keine Veranlassung genommen habe, zur Vereinfachung dieses Rekurastreites dem Eisenbahndepartement von diesem wichtigen Novum Kenntnis zu geben.

Da die Gemeinde Meilen aus sehr nahe liegenden finanzpolitischen Rücksichten der Firma Häny & Cie. für 10 Jahre eine ausschließliche Konzession für elektrische Kraftverteilung, öffentliche und private Beleuchtung und alle andern technischen Anwendungen der Elektrizität auf dem ganzen Gemeindegebiet erteilt habe, solle sie dann nicht dem vertragliehen Kraftlieferanten ihres Konzessionärs unter Berufung auf Art. 46 alle möglichen Schwierigkeiten in den Weg legen und dadurch denselben und andere Gemeinden und Private, die schon längst auf Kraft warten, schädigen.

In der Duplik hält der Regierungsrat daran fest, daß die Aktiengesellschaft Motor beabsichtige, in Meilen Einrichtungen zur Abgäbe elektrischer Energie zu erstellen. Dies gehe aus dem Vertrag zwischen Häuy und Motor, vom 18. Juli 1902, speziell aus den Artikeln l, 2, 5 und 12 hervor.

Der Regierungsrat gebe zu, daß der Vertrag zwischen der Gemeinde Meilen und Häny & Cie., welcher von der Gemeindeversammlung am 27. September 1903 genehmigt, worden sei, für den Regierungsrat ein Novum sei. Den Folgerungen, welche die Rekurrentin aus dieser Tatsache ziehe, könne er jedoch nicht beistimmen. Es sei nicht richtig, daß für die Gemeinde gar keine Möglichkeit mehr bestehe, vor Ende des Jahres 1913 direkt an die Starkstromleitung der Aktiengesellschaft Motor behufs Licht oder Kraftabnahme für die Schulwacht Meilen oder behufs Licht- und Kraftabnahme im Dorf und in Obermeilen von 1906 an
anzuschließen, und daß daher die vom Gemeinderat aufgestellten Bedingungen l und 2, folgerichtig auch Bedingung 3 als gegenstandslos dahinfallen. Es seien vielmehr eine Reihe von Fällen denkbar, welche

729 einen Hinfall des Konzessionsvertrages zur Folge hätten, so z. B.

die Liquidation der Firma Häny & Cie. und der Rückzug der Konzession seitens der Gemeinde gestützt auf Art. 11, Absatz l, des Konzessionsvertrages. Bei Eintritt derartiger Eventualitäten, durch welche auch der Vertrag zwischen Häny & Cie. und Motor wirkungslos gemacht würde, .könnten die angefochtenen Bestimmungen für die Gemeinde unter Umständen wertvoll sein. Allerdings sei durch den neuen Konzessionsvertrag zwischen der Gemeinde Meilen und Häny & Cie. die Bedeutung der angefochtenen Bestimmungen und damit der ganzen Rekurssache wesentlich vermindert worden. Allein diese Verminderung der Bedeutung, welche nach der Behauptung der Rekurrentin bis zur völligen Gegenstandslosigkeit der Bedingungen l--3 gehe, sei in gleichem Maße wie für die Gemeinde auch für die Aktiengesellschaft Motor eingetreten. Warum ziehe nun die Rekurrentin ihren Rekurs nicht zurück? Die angefochtenen beschränkenden Bestimmungen seien ziemlich harmloser Natur und in keiner Weise geeignet, berechtigte und unberechtigte Interessen der Aktiengesellschaft Motor ernstlich zu schädigen. Aus der Entstehungsgeschichte von Art. 46, Absatz 3, des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1902 ergebe sich, daß als Grundsatz die Anerkennung des Monopolrechtes der Gemeinden und nicht die freie Konkurrenz gelte. Das Monopolrecht solle aber seine Grenze da finden, wo es in Willkür oder ernstliche Schädigung berechtigter Interessen ausarte. Im Ständerat haben die Herren Aminaan und Usteri den Antrag gestellt, daß das Rekursrecht auf die Fälle zu beschränken sei, wo ,,in der Schlußnahme der Gemeinde eine offenbare Willkür oder eine ernste Schädigung berechtigter Interessen liege'1. Dieser Antrag sei nur deshalb von seinen Urhebern aurückgezogen worden, weil der Referent der Kommission, Herr Geel, die beruhigende Auskunft gegeben habe, daß die ins Gesetz übergegangene Fassung und die von den Herren Ammann und .Usteri beantragte im Effekt auf dasselbe hinauslaufen und daß selbstverständlich in erster Linie das Gemeindeinteresse stehe. Hieraus ergebe sich, daß die Aktiengesellschaft Motor und nicht die Gemeinde Meilen nachzugeben habe, weshalb der Rekurs als unbegründet abzuweisen sei.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht:

I.

Gemäß den Darstellungen der Gemeinde Meilen und denjenigen des Regierungsrates des Kantons Zürich besteht eine Kol-

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lision der Interessen der Gemeinde Meilen und der Aktiengesellr schaft Motor für angewandte Elektrizität in Baden, während diese letztere insbesondere in ihrer Replik ausführt, daß eine solche Interessenkollision tatsächlich gar nicht bestehe, da die Gemeinde Meilen gar keine Möglichkeit besitze, vor Ende 1913 die Bedingungen l--3 geltend zu machen.

Ergibt es sich, daß eine Interessenkollision besteht, so ist die Entscheidung nach den Bestimmungen des Art. 46 des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1902 betreffend die elektrischen Schwachund Starkstromleitungen zu treffen.

Art. 46 des Bundesgesetzes, welcher die Geltendmachung des Expropriationsrechtes betrifft, enthält in Absatz 2, 3 und 4 folgende Vorschriften: ,,Für die Einrichtungen zur Fortleitung, zur Verteilung und zur Abgabe der elektrischen Energie wird auch gegenüber dem öffentlichen Eigentum eines Kantons oder einer Gemeinde das Recht der Mitbenutzung auf dem Expropriationswege eingeräumt.a ,,Dagegen können, soweit es sich nicht um den elektrischen Betrieb von Eisenbahnen handelt, Gemeinden zum Schutze ihrer berechtigten Interessen das Recht zur Mitbenutzung ihres öffentlichen Eigentums für Einrichtungen zur Abgabe elektrischer Energie innerhalb der Gemeinde verweigern oder an beschränkende Bestimmungen knüpfen."

,,Gegen solche Schlußnahmen kann binnen 20 Tagen an die kantonale Regierung rekurriert werden. Gegen deren Entscheid ist binnen weitern zwanzig Tagen der Rekurs an den Bundesrat statthaft, welcher endgültig entscheidet."·

n.

Die Parteien sind im wesentlichen darüber einig, daß diese Bestimmungen auf den vorliegenden Fall Anwendung finden.

Die Aktiengesellschaft Motor konstatiert, daß eine Gemeinde nur dann das Recht habe, zum Schutze ihrer berechtigten Interessen das Recht zur Mitbenutzung ihres öffentlichen Eigentums zu verweigern oder an beschränkende Bestimmungen zu knüpfen, wenn es sich für Einrichtungen zur Abgabe elektrischer Energie innerhalb der Gemeinde handelt, nicht aber, wenn die Mitbenutzung des öffentlichen Eigentums nur zum Zwecke der Fortleituug beziehungsweise Durchleitung durch das Gemeindegebiet verlangt werde.

Diese Rechtsauffassung ist richtig und wird auch vom Regierungsrat nicht ernstlich bestritten.

731 Art. 46, Absatz 3, des Elektrizitätsgesetzes setzt voraus, daß,, ö f f e n t l i c h e s Eigentum für Einrichtungen zur Abgabe elektrischer Energie innerhalb der Gemeinde mitbenutzt werde.

Obgleich die Aktiengesellschaft Motor nicht bestreitet, öffentliches Eigentum für die Abgabe elektrischer Energie mitzubenutzen, so ist doch noch im speziellen zu untersuchen, ob diese Voraussetzung wirklich zutrifft, da im entgegengesetzten Falle der Gemeinde Meilen überhaupt das Recht, Bedingungen aufzustellen, gar nicht zustehen würde und daher eine Prüfung der Frage, ob die Gemeinde durch die Aufstellung fraglicher Bedingungen die Wahrung ihrer berechtigten Interessen bezwecke, nicht stattzufinden hätte.

; Aus den aufgelegten Plänen, sowie dem Gutachten der Kommission für elektrische Anlagen, vom 9. April 1904, ergibt sich folgendes : Die Starkstromleitung, für welche das Expropriations recht nachgesucht wird, ist sowohl eine D u r c h l e i t u n g , als auch eine Leitung zur Verteilung der elektrischen Energie. Die Durchleitung nimmt öffentliches Eigentum der Gemeinde Meilen in Anspruch. Für die Verteilung dient die von der Durchleitung abzweigende Leitung zum Kraftwerke der Firma Häny & Cie., welcher gemäß einem zwischen ihr und dem Genaeinderat Meilen unterm 7. September 1903 abgeschlossenen, und von der Gemeinde Meilen am 27. September gleichen Jahres ratifizierten Vertrage eine ausschließliche, bis 31. Dezember 1913 dauernde Konzession für elektrische Kraftverteilung, öffentliche und private Beleuchtung und andere technische Anwendungen der Elektrizität erteilt worden ist. Diese Zweigleitung benutzt keinen öffentlichen Grund und Boden der Gemeinde Meilen. Es wäre entschieden unrichtig, wenn man sagen wollte, daß für die Verteilung elektrischer Energie nur die erwähnte Zweigleitung in Betracht komme; die Existenz dieser Leitung ist ohne die Durchgangsleitung nicht denkbar.

Diese letztere hat daher eine doppelte Aufgabe. Sie dient erstens zur Fortleitung und zweitens, in Verbindung mit der Zweigleitung zur Verteilung der elektrischen Energie. Daraus ergibt sich aber, daß beabsichtigt wird, für die Verteilung elektrischer Energie' in der Gemeinde Meilen öffentliches Eigentum zu benutzen.

III.

Streitig ist daher nur noch die Frage, ob die Gemeinde Meilen zum Schutze ihrer ,,berechtigten" Interessen die fraglichen be-, schränkenden Bestimmungen aufstellen darf.

7ä2

^ Aus:der Entstehungsgeschichte des Elektrizitätsgesetzes läßt sich, keine bestimmte Definition darüber ableiten, welcher Art die Gemeindeinteressen sein müssen, um als ,,berechtigte" zu gelten..

(Vgl. den Bundesratsbeschluß über den Rekurs der Firma Bodmer, Heidenreich & Cie. in Zürich gegen den Beschluß des Regierungsrates des Kantons Aargau, vom 13. Juni 1903, betreffend Erstellung einer Starkstromleitung in der Gemeinde Brugg, vom 2. Februar 1904, Bundesblatt I, 205.) Die Gemeinde Meilen hat keiri Gemeindeelektrizitätswerk; wegen des oben erwähnten Vertrages mit der Firma Häny & Cie., vom 7./27. September 1903, ist dieselbe, gar nicht in der Lage, vor Ende 1913 ein eigenes Elektrizitätswerk zu betreiben. Die Firma Häny & Cie. bezieht ihrerseits gemäß einem unterm 18. Juli 1902 mit der Aktiengesellschaft Motor abgeschlossenen Kraftlieferungsvertrage die für Beleuchtung, Motorenbetrieb und Wärmezwecke etc. in der GemeindeMeilen erforderliche elektrische Energie von der Aktiengesellschaft Motor. Dieser Vertrag ist auf 10 Jahre abgeschlossen und läuft, wenn ein Jahr vor Vertragsablauf von keiner Seite eioe Kündigung erfolgt, mit gegenseitigem Kündigungsreeht weiter. Trotz diesen Verhältnissen ist es nicht ohne weiteres ausgeschlossen, daß., die von der Gemeinde an die Mitbenutzung ihres öffentlichen Eigentums geknüpften beschränkenden Bestimmungen die Wahrung b e r e c h t i g t e r Interessen bezwecken.

Bedingung l lautet: ,,Die Aktiengesellschaft für angewandte Elektrizität Motor in Baden räumt der Gemeinde das Recht ein, zu jeder Zeit an dieStromleitung direkt anzuschließen behufs Licht- und Kraftabnahme für die Schulwacht Feldmeilen.a Infolge des oben erwähnten Vertrages zwischen der Gemeinde und Häny & Cie., vom 7./27, September 1903, besteht für die Gemeinde, abgesehen von einigen Fällen, welche einen Hinfall desKonzessio.nsvertrages zur Folge hätten, wie z. B. Rückzug der Konzession seitens der Gemeinde, gestützt auf Art. 11, Absatz l, des Konzessionsvertrages, gar keine Möglichkeit mehr, vor Ende desJahres l913 direkt an die Starkstromleitung der Aktiengesellschaft Motor behufs Lieht- oder Kraftabnahme für die Schulwacht Meilen anzuschließen. Es würde nun doch zu weit führen, wenn Bedingungen geschützt würden, die aller Voraussicht nach erst nach zirka 10 Jahren wirksam würden. Zurzeit
werden selbstverständlich gar keine Interessen der Gemeinde verletzt. Aber auch bei: Ablauf des Vertrages ist die Gemeinde in der Lage, ihre Interessen zu wahren, indem ihr gemäß Art. 11 des Konzessionsvertrages das Recht zusteht, das Werk der Firma Häny ·& Cie. zu,

735 erwerben oder den Konzessionsvertrag zu erneuern. Erwirbt die Gemeinde dannzumal das Werk, so ist dann das bestehende Gemeindeelektrizitatswerk gegen die freie Konkurrenz zu schützen.

Wollte also z. B. die Aktiengesellschaft Motor dannzumal neu» Zweigleitungen behufs Verteilung elektrischer Energie in der Gemeinde erstellen, so müßte sie die Pläne auflegen, und es könnte die Gemeinde die Mitbenutzung ihres öffentlichen Eigentums verweigern oder an beschränkende Bestimmungen knüpfen. Erneuert aber die Gemeinde, den Konzessionsvertrag, dann hat die Firma Häny & Cie. für die Anschlüsse zu sorgen.

Nach dein Gesagten bestehen keine, jedenfalls aber keine berechtigten Interessen der Gemeinde Meilen, welche die Aufrechthaltung der Bedingung l als wünschbar erscheinen lassen.

Bedingung 2 lautet: ,,Dieselbe Firma gestattet der Gemeinde Meilen, ebenfalls Anno 1906, an die Hauptleitung anzuschließen behufs Licht- und Kraftabnahme für Dorf und Obermeilen.tt Aus den nämlichen Gründen wie Bedingung l ist auch Bedingung 2 nicht aufrecht zu halten.

Bedingung 3 lautet: ,,Die jetzt oder später an die Gemeinde direkt abzugebende elektrische Energie durch den Motor erfolgt mindestens unter den für sämtliche Gemeinden des Kantons Zürich in Seebach stipulierten Bedingungen und nach dem vom Kantonsrate unterm23. September 1902 gefaßten Beschluß betreffend Erteilung desExpropriationsrechtes an die Firma Motor, Aktiengesellschaft für angewandte Elektrizität in Baden, zur Erstellung von Starkstromleitungen auf dem Gebiete des Kantons Zürich. a Die sogenannte Seebachervereinbarung vom 15. August 1902 gilt unter Vorbehalt der Erteilung der kantonalen Konzession und Annahme derselben durch die Aktiengesellschaft Motor gemäßArtikel 4 derselben überhaupt nur solchen Gemeinden gegenüber, welche in der Lage sind, bis Mitte 1904 mindestens 30 KW.

bei. einer Transformatorenstation der Aktiengesellschaft Motor zu abonnieren, oder wenn eine Reihe von Bedingungen, die hier nicht weiter erwähnt zu werden brauchen, erfüllt sind.

Die Voraussetzungen der Seebachervereinbarung treffen im vorliegenden Falle nicht zu. Das würde aber grundsätzlich nicht ausschließen, daß eine Gemeinde jene Bedingungen zu den ihrigen machte. Im vorliegenden Falle hat aber die Gemeinde Meilen kein berechtigtes Interesse nachgewiesen, zu dessen Schutz die Aufnahme solcher Bedingungen nötig wäre-; daher kann auch der

<734 Aktiengesellschaft Motor nicht zugemutet werden, nach Verfluß von 10 Jahren der Gemeinde Meilen elektrische Energie zu einem bestimmten Preise abzugeben. Wenn die Gemeinde dannzumal von der Aktiengesellschaft Motor elektrische Energie zu beziehen wünscht, so werden sich eben die Preise nach den dannzumaligen Verhältnissen richten.

Was endlich den erwähnten Eantonsratsbeschluß vom 22. September 1902 anbelangt, so ist zu bemerken, daß mit dem 1. Februar 1903 das Elektrizitätsgesetz vom 24. Juni 1902 in Kraft getreten ist, und daß nach Art. 43 dieses Gesetzes nur noch der Bundesrat kompetent ist, das Expropriationsrecht für die Erstellung elektrischer Anlagen zu gewähren. Die Gemeinden haben daher keinen Anspruch mehr darauf, daß ihnen die in jenem Eantonsratsbeschlusse erwähnten Vergünstigungen eingeräumt "werden.

Es ist daher auch die Bedingung 3 nicht zu schützen.

Aus dem Angeführten ergibt sich, daß das Vorgehen der Gemeinde Meilen, der Rekurrentin die Mitbenutzung des öffentlichen Genieindeeigentums nur unter den genannten Bedingungen zu gestatten, nach Lage der Sache nicht berechtigt ist, und daß ·daher der Gemeinde der in Art. 46, Absatz 3, des Elektrizitäts.geaetzes vorgesehene Schutz nicht gewährt werden kann.

Demnach wird erkannt: Der Rekurs wird gutgeheißen und der Aktiengesellschaft Motor für angewandte Elektrizität in Baden das Expropriationsrecht zum Zwecke der Erstellung einer Starkstromleitung in Meilen nach Maßgabe der vorgelegten Pläne, soweit es sich um die Mitîbenutzung des öffentlichen Eigentums der Gemeinde handelt, bedingungslos erteilt.

B e r n , den 28. Mai 1904.

Im Namen des schwei/,. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Comtesse.

Der I. Vizekanzler : Schatzmann.

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Bundesratsbeschluß über den Rekurs der Aktiengesellschaft für angewandte Elektrizität Motor in Baden gegen den Beschluss des Regierungsrates des Kantons Zürich, vom 18.

Juni 1903, betreffend Erstellung einer Starkstromanlage in der Gemeinde Meilen. (...

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01.06.1904

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