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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigunggesuche des wegen Übertretung des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden bestraften Gottlieb Minder, Reisender, in Delsberg.

(Vom 22. Marx 1904.)

Tit.

Minder wurde am '12. Oktober. 1902 von der aargauischen Polizei ertappt, als er in verschiedenen Häusern zu Wildegg Bücher an Privatpersonen zum Kaui'e antrug. Nach der Ausweiskarte für Handelsreisende befragt, versuchte er zuerst über deren Besitz und Verbleib falsche Angaben zu machen und sich der Überwachung des Polizisten zu entziehen. Schließlich mußte er anerkennen, keine derartige Karte gelöst zu haben, und wollte er sich damit ausreden,, daß er neu in Anstellung getreten sei und von einem mit Taxkarte versehenen Kollegen erst hätte in die Praxis eingeführt werden sollen.

Das Bezirksgericht Lenzburg verurteilte den Minder am 7. Januar 1904 wegen Übertretung des Patenttaxengesetzes zu Fr. 20 Geldbuße, bei Unerhältlichkeit umgewandelt in vier Tage Gefängnis, zur Tragung der Kosten mit Inbegriff von Fr. 8 Gerichtsgebühr und zur Nachzahlung von Fr. 100 Taxe.

Der Bestrafte richtet an die Bundesbehörde das Gesuch um Milderung der Strafe, indem er die Höhe derselben auf Fr. 130 berechnet und sie als hart bezeichnet. Er behauptet, durch Krankheit genötigt gewesen zu sein, sein Brot als Handelsreisender zu verdienen, und wiederholt die Behauptung, daß er zur Zeit seiner Verhaftung erst hätte in die Praxis eingeführt werden sollen. Daneben muß er indessen anerkennen, schon im Jahre 1899 in Winterthur wegen Übertretung des Patenttaxengesetzes mit Fr. 100 Buße bestraft worden zu sein.

Der Gerichtspräsident von Lenzburg erklärt, das Gericht wäre wegen der ärmlichen Verhältnisse des Petenten geneigt

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gewesen, denselben freizusprechen, ,,wenn nicht die gesetzlichen polizeilichen Vorschriften eine Ahndung unter "Weglassung der Prüfung der Frage über Schulden oder Nichtverschulden ausdrücklich bedingt hätte." Er empfiehlt das Begnadigungsgesuch zur Entsprechung mit Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse des Petenten.

Es geht aus dem Bundesgesetze vom 24. Juni 1892 klar hervor und ist von den Bundesbehörden wiederholt anerkannt worden, daß bei Bestrafungen auf Grund des Patenttaxengesetzes nur die Buße als eigentliche Straffolge in Betracht kommt und daß nur diese, nicht aber auch die Nachzahlung umgangener Taxen oder die Leistung der Gerichtskosten auf dem Wege der Begnadigung durch die Bundesversammlung erlassen werden können. (Vergi. Bericht des Bundesrates im Begnadigungsfalle Suppiger vom 2. Juni 1903, Bundesbl. 1903 III, 259 ff. und den Entscheid der Bundesversammlung vom 25. gl. Mts.)

Im vorliegenden Falle fragt es sich daher lediglich, ob Grund vorhanden sei, die dem Petenten aufgelegte Buße von Fr. 20 ganz oder teilweise aufzuheben. Dieselbe entspricht aber durchaus den Umständen. Vor allem ist nicht daran zu zweifeln, daß die Gesetzesübertretung eine bewußte und vorsätzliche war, weil Minder wegen eines Vorganges ganz gleicher Art Vorstrafe erlitten hatte. Gerade deswegen, weil er sich im Rückfalle befand, war auch der Ansatz von Fr. 20 im Urteil des Bezirksgerichtes von Lenzburg nicht zu hoch, bei aller Rücksicht auf die prekären persönlichen Verhältnisse des Fehlbaren.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den A ntr ag: Es sei das Begnadigungsgesuch des Gottlieb Minder abzuweisen.

B e r n , den 22. März 1904.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident: Buchet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

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Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche des wegen Übertretung des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden bestraften Gottlieb Minder, Reisender, in Delsberg. (Vom 22. Marz 1904.)

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23.03.1904

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