575

# S T #

Bundesratsbeschluß betreffend

die Einsprachen der Zürcher Behörden gegen das Projekt der Einrichtung eines Transitpostbureaus im ehemaligen Lagerhause des Bahnhofes Zürich.

(Vom 9. Juni 1904.)

Der schweizerische Bundesrat hat über die Einsprachen des S t a d t r a t e s und des Regier u n g s r a t e s von Zürich gegen das Projekt der schweizerischen Bundesbahnen betreffend Einrichtung eines Transitpostbureaus im ehemaligen Lagerhause des Bahnhofes Zürich, auf den Antrag seines Eisenbahndepartements,

folgenden Beschluß gefaßt:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Unterm 7. Januar 1904 unterbreitete die Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen dem Eisenbahndepartement das Projekt für Einrichtung eines Transitpostbureaus im ehemaligen , Lagerhause des Bahnhofes Zürich zur Genehmigung.

576 II.

Der Regierungsrat des Kantons Zürich ließ sich mit Schreiben vom 14. März 1904 Ober das Bauprojekt vernehmen, indem er gleichzeitig eine Eingabe des Stadtrates Zürich an die kantonale Direktion der öffentlichen Bauten vom 20. Februar 1904 produzierte.

1.

In dieser Eingabe wies der Stadtrat darauf hin, daß ihm vom Regierungsrate durch Beschluß vom 20. August 1903 aufgegeben worden sei, die sudliche Baulinie der Zollstraße beförderlichst festsetzen zu lassen. Infolgedessen habe der Stadtrat am 11. November 1903 dem Großen Stadtrate eine Vorlage gemacht, die von letzterem am 6. Februar 1904 gutgeheißen worden sei.

Diese neue südliche Baulinie werde sofort nach Ablauf der Rekursfrigt, beziehungsweise nach Erledigung allfälliger Rekurse, dem Regierungsrate zur Genehmigung vorgelegt werden.

Die neue Baulinie der Zollstraße schneide nun das ehemalige Lagerhaus, dessen Umbau beabsichtigt sei, etwa zwei Meter tief an. Nach § 120 des zürcherischen Baugesetzes für Ortschaften mit städtischen Verhältnissen sei die über den bloßen Unterhalt hinausgehende Umbaute eines von der Baulinie angeschnittenen Gebäudes nicht zulässig, es sei denn, daß die Gemeindebehörde eine Ausnahmebewilligung erteile. Die Voraussetzungen, unter denen eine solche Bewilligung erteilt werden dürfe, seien aber im vorliegenden Falle nicht vorhanden, weshalb der Stadtrat, gestützt auf §§ 116, 120 und 48 des Baugesetzes, verlangen müsse, daß bei der Umbaute die Fassade gegen die Zollstraße auf die neue Baulinie, also um 2 m. zurückgesetzt werde.

Es sei dem Stadtrat allerdings wohlbekannt, daß der Bundesrat wiederholt, neuestens wieder im Kreisschreiben vom 15. Juni 1901, grundsätzlich entschieden habe, daß die Genehmigung der Baupläne von Bahnanlagen, auch der Hochbaupläne, ausschließlich dem Bundesrate zustehe, und daß die kantonalen, beziehungsweise lokalen Behörden lediglich die Befugnis haben, in ihren gesetzlichen Vernehmlassungen zu den Bauprojekten allfällige Auflagen auf Grund der kantonalen, beziehungsweise lokalen Bau-, Feuerund Gesundheitspolizeinormen geltend zu machen. Der Stadtrat erachte diese Auffassung nach wie vor für unrichtig und unzweckmäßig und verweise neuerdings auf sein Gutachten vom 22. Oktober 1898; ferner verneine er die Anwendbarkeit jener Rechtsanschauung deshalb, weil das Postamt, dessen Herrichtung geplant sei, nicht zum Bisenbahnbetriebe gehöre, vielmehr eine Einrichtung ersetzt werden solle, die sich bisher gar nicht im Bereich der

577

Bahn befand, sondern mehrere hundert Meter weg in einem Privathause eingemietet war.

Was die materielle Anwendung der kantonalen Bau-, Feuerund Gesundheitspolizeinormen anlange, so habe der Bundesrat in seinem Kreisschreiben vom 15. Juni 1901 erklärt, daß er dieselben respektieren werde, sofern deren Anwendung nicht mit den aus der Eisenbahngesetzgebung hergeleiteten Rechten kollidiere.

Diese Erklärung werde so aufzufassen sein, daß die kautonalen, beziehungsweise lokalen Normen nur da nicht zur Anwendung gelangen, wo die Eigenart der Eisenbahngebäude zur Abweichung nötige und das Recht zu dieser Abweichung aus der Eisenbahngesetzgebung hergeleitet werden könne. Weder die eine, noch die andere Voraussetzung sei im vorliegenden Falle vorhanden. Es sei in technischer Hinsicht durchaus nicht erforderlich, daß die Transitpostlokalitäten über die Baulinie der Zollstraße hinausreichen, da reichlicher anderweitiger Platz vorhanden sei. Vielmehr würde das vorgelegte Bauprojekt lediglich in ökonomischer Hinsicht den Bundesbahnen etwas vorteilhafter sein als die Zurücksetzung auf die ßaulinie. Allein die größere Billigkeit der Baute sei kein aus der Eisenbahngesetzgebung herzuleitender Grund für die Außerachtlassung der kantonalen Baugesetznormen. Der Stadtrat halte demnach das Bauprojekt der Bundesbahnen auch nach der Rechtsauffassung des Bundesrates für unzulässig.

Sodann befaßt sich die Eingabe noch mit der Frage der zukünftigen Gestaltung der Eilgutanlage und schließt mit den Worten: ,,Unter allen Umständen lehnen wir es ab, dem vorgelegten Umbauprojekte, das mit der neuen südlichen Baulinie im Widerspruch steht, die Genehmigung zu erteilen. Vorerst verlangen wir aber, daß die Buodesbahnverwaltung bei der Stadt nach Vorschrift des zürcherischen Baugesetzes um eine Baubewilligung einkomme.a 2.

Das Gutachten des Stadtrates Zürich vom 22. Oktober 1898, auf das sich die sub l erwähnte Vernehmlassung dieser Behörde beruft, entwickelt eine zwar interessante, aber von unzutreffenden Voraussetzungen ausgehende Theorie über die Handhabung der Baupolizei gegenüber Eisenbahnbauten und kommt zu folgenden Schlüssen, die inzwischen zufolge des Kreisschreibens des Bundesrates vom 15. Juni 1901 als dahingefallen betrachtet werden müssen : ,,1. Die kantonalen Vorschriften über Baupolizei, mit Inbegriff der Gesundheitspflege und der Feuerpolizei, finden auf alle Hochbauten von Eisenbahnen Anwendung.

578

2. Die Pläne zu solchen Bauten bedürfen nach Maßgabe der kantonalen Gesetze der Genehmigung durch die kantonale Baupolizeibehörde.

3. Vorbehalten ist das Recht der Bundesbehörde, bei der ihr nach Art. 14 des Eisenbahngesetzes zustehenden Plangenehmigung mit Rucksicht auf die Eigenart der Eisenbahnen die Beschlüsse der kantonalen Behörden abzuändern.11 3.

Der Regierungsrat des Kantons Zürich stellte in seiner Vernehmlassung vom 14. März 1904 das Begehren, es möchten die in der vorliegenden Vernehmlassung des Stadtrates Zürich aufgestellten Forderungen hinsichtlich der Anwendung des Baugesetzes für Ortschaften mit städtischen Verhältnissen vom 23. April 1893 bei der Behandlung des Projektes im Sinne des Kreisschreibens des Bundesrates vom 15. Juni 1901 berücksichtigt werden. Er machte ferner die Begehren und Ausführungen des Stadtrates Zürich zu den seinigen und führte im einzelnen noch aus: Die südliche Baulinie der Zollstraße sei vom Stadtrate Zürich festgesetzt und vom Großen Stadtrate genehmigt worden ; sie habe festgesetzt werden müssen, weil die Interessen der Anstößer durch eine weitere Hinausschiebung dieser Angelegenheit schwer geschädigt worden wären. Es habe sich dies namentlich bei Anlaß einer Bauverweigerung gezeigt, die der Stadtrat im Berichtsjahr 1903 gegenüber J. C. Landoli aussprechen mußte, weil die südliche Baulinie maugelte. Die Kreisdirektion III habe damals allerdings erklärt, sie werde sich der Festsetzung einer ideellen Baulinie auf diesem Gebiete nicht widersetzen, wenn dieselbe in einem Abstände von 12m. von der nördlichen Baulinie erfolge. Es sei aber ohne weiteres klar, daß für die in Frage kommende Gegend ein Baulinienabstand von 12 m. undenkbar war; insbesondere könnte die neue Baulinie nicht eine ideelle sein, weil die in § 10 des Baugesetzes für solche Bauliuieu aufgestellten Voraussetzungen fehlten.

III.

Die Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen wandte sich, zur Vernehmlassung eingeladen, mit Schreiben vom 20, April 1904 zunächst gegen den vom Stadtrat Zürich erhobenen Einwand, daß das Postbureau, dessen Errichtung geplant sei, nicht zum Eisenbahnbetriebe 'gehöre und daß daher die beabsichtigte Baute dem Genehmigungsrecht der kantonalen beziehungsweise lokalen Behörden unterliege. Die Generaldirektion gibt zu, daß diese An-

579 schauung für Bauten, welche mit dem Zwecke der Eisenbahn in keiner Beziehung stehen, richtig sein möge. Die Erstellung von Miethäusern /. B. außerhalb des Bahngetriebes würde dem kantonalen Recht unterstehen und die bezüglichen Pläne wären auch durch die kantonalen Behörden zu genehmigen. Hier handle es sich aber nicht um einen solchen Fall. Die Eisenbahn habe zum Zweck, neben dem Personen- und Güterverkehr auch den Transport der Postgegenstände zu vermitteln und in casu erfordern die Beziehungen des Postdienstes zur Eisenbahn, daß das Transitpostbureau in nächster Nähe der eintreffenden und abfahrenden Züge gelegen sei. Die Generaldirektion verweise auch auf die Artikel 19 und 20 des Eisenbahngesetzes, woraus sich die engere Verbindung der Eisenbahn mit der Post ergebe.

Die Erstellung des projektierten Transitpostlokales stehe also im Zusammenhang mit dem Eisenbahndieust, sie werde auch auf dem eigentlichen Bahnareal stattfinden und unterliege deshalb ausschließlich der im Art. 14 des Eisenbahngesetzes vorgesehenen bundesrätlichen Genehmigung. Aus diesen Gründen müsse die Generaldirektion es ablehnen, die Baubewilligung des Stadtrates Zürich einzuholen und sie beantrage, das dahingehende Begehren dieser Behörde und des Regierungsrates des Kantons Zürich abzuweisen.

Im weitern machte die Generaldirektiou geltend, das Begehren der Stadt Zürich, daß das Transitpostlokal 15 beziehungsweise 24 Meter von der nördlichen Baulinie der Zollstraße entfernt und wenigstens 2 Meter hinter die südliche Baulinie zurückgesetzt werden solle, kollidiere mit dem eidgenössischen Eisenbahnrecht.

Kraft der Expropriation erwerbe die Eisenbahn das ausschließliche Verfügungsrecht über das zu Eisenbahnzwecken expropriierte Land.

Die teilweise Expropriation dieses Landes, d. h. der mit dem Eigentum zusammenhangenden Rechte durch einen Kanton oder eine Gemeinde -- welcher die Annahme des Standpunktes der Zürcher Behörden gleichkäme --· sei unstatthaft. Ferner sei es jedenfalls laut dem eidgenössischen Recht Sache des Bundesrates, die Art der Verwendung des Bahnareals gemäß den Erfordernissen des Betriebes festzusetzen und die kantonalen Bestimmungen' können nur insofern zur Anwendung kommen, als sie mit der von der Bundesbehörde genehmigten Verwendung vereinbar seien.

Anderseits müsse konstatiert werden, daß die den
Kantonen und Gemeinden bezüglich der Inanspruchnahme von Bahnareal zu Straßen zustehenden Rechte im Art. 15 des Eisenbahngesetzes normiert seien und daß andere, darüber hinausgehende Rechte nicht bestehen. Die Anerkennung solcher Rechte und insbesondere

580 die Berechtigung zur Einbeziehung des Bahnareals in ein Straßennetz, beziehungsweise zur Festsetzung von Baulinien durch das Bahnareal würde jeden Betrieb unmöglich machen.

Endlich betone die Generaldirektion, daß im vorliegenden Falle die Zurücksetzung der Fassade des Transitpostgebäudes auf die sogenannte sodliche Baulinie, d. h. um zirka 2 Meter, einer Verunmöglichung des projektierten Umbaues gleichkomme. Dabei sei zu beachten, daß die in Betracht fallende sogenannte Baulinie laut Eingabe des Stadtrates erst festgesetzt worden sei, um den Umbau des auf Bahngebiet liegenden Lagerhauses zu verhindern.

Aus diesen Gründen beantrage die Generaldirektion, die Einwendungen des Stadtrates und des Regierungsrates von Zürich gegen das Projekt über Einrichtung eines Tniositpostbureaus im ehemaligen Lagerhause nicht zu berücksichtigen.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht:

I.

Es handelt sich um den Umbau des ehemaligen Lagerhauses, d. h. eines Gebäudes, das auf dem Gebiete des Bahnhofes Zürich steht, um dasselbe zur Aufnahme des Transitpostbureaus einzurichten. Das bezügliche Projekt wurde der Regierung des Kantons Zürich von der Generaldirektion der 8. B. B. unterm 7. Januar 1904 zur Vernehmlassung zugestellt. Die nördliche Fassade dieses Lagerhauses stößt an die Zollstraße, für welche durch Beschluß des Stadtrates Zürich, vom Großen Studtrate unterm 6. Februar 1904 genehmigt, jedoch erst im April 1904, mit Frist bis 29. April dieses Jahres, publiziert, eine südliche Baulinie festgesetzt wurde, die ungefähr 2 Meter innerhalb der Fassade durch das ehemalige Lagerhaus geht. Der Stadtrat Zürich und mit ihm der Regierungsrat bestreifen nun, daß der Umbau des Lagerhauses so vorgenommen werden dürfe, wie er projektiert ist, d. h. unter Belassung der Fassaden, indem sie sich auf § 120 des zürcherisehen Baugesetzes für Ortschaften mit städtischen Verhältnissen, vom 23. April 1893, berufen, welcher lautet: ,,An Gebäuden oder anderen Bauwerken, welche über die Baulinie hinausragen, dürfen ohne Bewilligung der Gemeindebehörde keinerlei Veränderungen oder andere Arbeiten vorgenommen werden, als solche, die zum Unterhalt derselben notwendig sind.

581 Weitergehende Veränderungen, wie Umbauten oder Aufbauten, sollen nur ausnahmsweise bewilligt werden, z. B. wenn die Baulinie erheblich hinter der Straßengrenze liegt oder das Gebäude nicht auffallend über die Baulinie hervorragt, oder wenn die Durchführung der Baulinie noch lange Zeit nicht in Aussicht steht. An solche Bewilligungen ist jedoch der notarialisch zu fertigende Vorbehalt zu knüpfen, daß der durch die Veränderung entstehende Mehrwert bei einer späteren Erwerbung des Gebäudes durch die Gemeinde außer Betracht fallen müsse.a Außerdem verlangen die zürcherischen Behörden, daß die Bahnverwaltung bei der Stadt nach Vorschrift des Baugesetzes um eine Baubewilligung einkomme.

II.

Die Frage, ob das kantonale Baugesetz und speziell sein § 120 auf Bahnbauten Anwendung finde, ist zu verneinen. Gemäß Artikel 26 der Bundesverfassung ist die Gesetzgebung über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen Bundessache. Durch deren Wortlaut ist nicht nur ausgeschlossen, daß neben dem Bunde auch die Kantone Vorschriften über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen aufstellen, sondern es erscheint auch die vom Stadtrat Zürich vertretene Ansicht als unzulässig, wonach die kantonale Gesetzgebung Überall da auch auf den Bahnbau Anwendung zu finden hätte, wo bundesrechtliche Vorschriften nicht . bestehen.

III.

Gemäß Artikel 14 des Eisenbahngesetzes wird der Bundesrat bei. Bauprojekten der Bahnen ,,den betreffenden Eantonsregierungen und durch deren Vermittlung auch den Lokalbehörden Gelegenheit geben, bezüglich des Trasses, der Gestaltung der Wegübergänge, der Lage der Stationen und der Verbindungsstraßen u. s. w. ihre Interessen geltend zu machena. Und durch sein Kreisschreiben vom 15. Juni 1901 hat sich der Bundesrat bereit erklärt, bei Anlaß dieser Enquête auch solche konkrete Begehren entgegenzunehmen und zu berücksichtigen, die sich auf kantonale Bau-, Feuer- und Gesundheitspolizeivorschriften stützen, vorausgesetzt, daß sie nicht mit den aus der Eisenbahngesetzgebung hergeleiteten Rechten kollidieren.

Diesen Beschluß hat der Bundesrat nicht etwa deshalb gefaßt, weil ihn das Eisenbahngesetz dazu gezwungen hätte ; denn dieses würde dem Bundesrat gestatten, kantonale Vorschriften überhaupt zu ignorieren, eben deshalb, weil ihnen nach Artikel 26

582

der Bundesverfassung keine Rechtskraft mit bezug auf den Bau und Betrieb der Bahnen zukommt. Der Bundesrat sah sich vielmehr veranlaßt, ein solches Zugeständnis an die Kantone zu machen, weil er zugab, daß mitunter bau-, gesundheits- und feuerpolizeiliche Bestimmungen bestehen, deren Anwendbarkeit auf die Bahnbauten ohne Schaden, bezw. gerade zum Nutzen des Bahnverkehrs gestattet werden k a n n , so daß die Bundesbehörden keinen Anlaß haben, dieselbe in starrer Interpretation des Eisenbahngesetzes auszuschließen. Der Buadesrat hoffte auch, damit eine Basis zu schaffen, die a l l e n berechtigten Begehren der kantonalen und lokalen Behörden genügen und für die Zukunft Anstände, wie sie sich bei PJangenehmigungen schon wiederholt zwischen den Eantonsregierungen und dem Eisenbahndepartement erhoben hatten, ausschließen würde.

Es ist aber wohl zu beachten, daß kantonale Bau- und Polizeivorschriften nicht nur mit den aus der Eisenbahngesetzgebung hergeleiteten Rechten nicht kollidieren dürfen, sondern auch in F o r m von k o n k r e t e n B e g e h r e n geltend gemacht werden müssen. Dies kann vernünftigerweise nur so verstanden werden, daß die kantonalen und lokalen Behörden diejenigen Punkte des fraglichen Bauprojektes hervorheben, die sie mit Rucksieht auf ihre Polizeivorschriften geändert wünschen ; dagegen geht es nicht an, irgendwelche Vorbehalte allgemeiner Natur aufzustellen, auch wenn sie aus kantonalen Vorschriften abgeleitet werden. -So ist z. B. im vorliegenden Falle das Begehren der Zurücksetzung der Fassade auf die Baulinie ein konkretes im Sinne des Kreisschreibens vom 15. Juni 1901, nicht aber die Forderung, daß die Bahnverwaltung die Baubewilligung der Stadtbehörde einzuholen habe. Denn eine solche Bewilligung könnte, ganz abgesehen davon, daß sie mit Artikel 14 des Eisenbahngesetzes in Widerspruch steht, wieder neue konkrete Begehren enthalten, für die eben kein Raum mehr besteht, wenn die Vernehmlassuug der Kantonsregierung zu Händen des Eisenbahndepartements einmal erfolgt ist.

IV.

Man kann sich, nach den Ausführungen unter Ziffer II hiervor fragen, ob die Bundesbehörden nicht das Recht haben, Gemeindebeschlüsse, durch welche Baulinien über Bahngebiet gezogen werden, von Amtes wegen aufzuheben, weil sie einen Einbruch in die laut Verfassung dem Bunde ausschließlich zustehende Eisenbahngesetzgebung bedeuten. Indessen ist zu erwägen, daß eine über Bahnareal gehende Baulinie notwendig sein kann, um gewisse Ver-

58

hältnisse dea angrenzenden privaten Gebietes, z. B. die zulässige Höhe von Bauten zu normieren. Sobald jedoch eine Gemeindebehörde aus der durch das Bahngebiet gezogenen Baulinie die Konsequenz ziehen will, daß nun auch die Bahn sich nach derselben zu richten und die kantonalgesetzlichen Vorschriften betreffend die Baulinien zu respektieren habe, so kommt sie in Konflikt mit den aus der Eisenbahngesetzgebung hergeleiteten Rechten der Bahn und der Bundesbehörden. Es ist eine unbegründete und unfaßbare Forderung, daß ein Gebäude, das zu ßahnzwecken dient, einen gewissen Raum zwischen sich und einer benachbarten Straße frei zu lassen habe, eine Forderung, die mitunter einer Verhinderung des Bahnbetriebes gleichkäme. Auch haben, wie die Generaldirektion richtig bemerkt, die Bahnen ihr Grundeigentum zu dem Zwecke expropriiert und mußte es ihnen von den früheren Besitzern zu dem Zwecke abgetreten werden, damit es dem Bau und Betrieb der Bahn diene. Wollte man diese nun zwingen, einen Teil unbenutzt zu lassen, so würde man den Zweck der Expropriation vereiteln und die Bahn zu Aufwendungen zwingen, zu denen sie von Gesetzes wegen nicht verpflichtet ist.

V.

Nach dem vorstehenden mußte das Begehren, es sei die Fassade des ehemaligen Lagerhauses auf die sudliche Baulinie der Zollstraße zurückzuversetzen, auch dann abgewiesen werden, wenn es sich nicht um eine Einrichtung für den Bahnbetrieb bandeln würde. Nun ist aber das Transitpostbureau, dessen Erstellung beabsichtigt ist, eine Anstalt, welche, wie in der Vernehmlassung der Generaldirektion deutlich auseinandergesetzt wird, zum Bahnbetrieb gehört und zu deren Errichtung die Bundesbahnen von Gesetzes wegen verpflichtet sind. Der weitere Punkt, daß genug anderweitiger Platz vorhanden- sei -- worüber zu entscheiden nicht Sache des Stadtrates, sondern der Bundesbehörden ist -- darf füglich ununtersucht gelassen werden.

VE.

Dem Wunsche der Regierung, ihr Gelegenheit zu geben, über allfallige Beschlüsse und Verfügungen in dieser Angelegenheit sich noch auszusprechen, kann keine Folge geleistet werden. Wie der Bundesrat in seinem Kreisschreiben vom 15. Juni 1901 deutlich vorgeschrieben hat, sind die Begehren der kantonalen und lokalen Behörden in den gesetzlichen Vernehmlassungen über die Baupläne vorzubringen. Zu weiterem Schriftenwechsel hat die Bundesbehörde

584

keinen Anlaß, namentlich mit Rücksicht auf möglichste Abkürzung des Genehmigungsverfahrens.

Demnach wird erkannt: Die Begehren des Stadtrates und des Regierungsrates von Zürich, auf das Projekt der schweizerischen Bundesbahnen betreffend die Erstellung eines Transitpostbureaus im ehemaligen Lagerhause des Bahnhofes Zürich, die Vorschriften des zürcherischen Baugesetzes fUr Ortschaften mit städtischen Verhältnissen vom 23. April 1893 anzuwenden, werden abgewiesen.

B e r n , den 9. Juni 1904.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Comtesse.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Eingier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesratsbeschluß betreffend die Einsprachen der Zürcher Behörden gegen das Projekt der Einrichtung eines Transitpostbureaus im ehemaligen Lagerhause des Bahnhofes Zürich. (Vom 9. Juni 1904.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1904

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

25

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

22.06.1904

Date Data Seite

575-584

Page Pagina Ref. No

10 021 040

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.