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Bundesrats eschluß über

die Beschwerde des Henri Duaime und Genossen, gegen den Staatsrat des Kantons Genf, wegen Verletzung des Stimmrechtes bei Ausübung der Referendumsinitiative.

(Vom 11. Oktober 1904.)

D e r s e li w c i z c r i s c h c B u n d c s r a t hat über die Beschwerde des Henri Duaime und Genossen, gegen den Staatsrat des Kantons Genf, wegen Verletzung des Stimmrechtes bei Ausübung der Referendumsinitiative, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt: 1.

a. Am 19. Februarl904 beschloß der Staatsrat des Kantons Genf: 1. den Text des Gesetzes vom 10. Februar 1904, betreffend Abänderung und Ergänzung des Gerichtsorganisationsgesetzes, im Amtsblatt zu veröffentlichen; 2. den Burgern kund zu tun (rappeler), daß die Referendumsfrist gegen dieses Gesetz 30 Tage nach der Veröffentlichung, d. h. am 20. März 1904, ablaufe.

Dieser Beschluß wurde im Amtsblatt für den Kanton Genf vom 20. Februar 1904 veröffentlicht.

b. Am 29. März 1904 beschloß der Staatsrat: gestützt auf das Verfassungsgesetz über das fakultative Referendum vom 25. Mai 1879 und das Organisationsgesetz über die Ausübung des Referendums vom 25. Juni 1879;

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in Erwägung, daß der Text des Gesetzes vom 10. Februar 1904 am 20. Februar 1904 im Amtsblatt veröffentlicht worden ist; und in Erwägung, daß die Frist von 30 Tagen seit der Veröf fentlichung am 20. März 1904 abgelaufen ist, ohne daß das Begehren einer Volksabstimmung von einer genügenden AnzahWähler gestellt worden ist: Es ist das Gesetz vom 10. Februar 1904 zu promulgieren, und im ganzen Kanton auf den folgenden Tag in Kraft zu setzen.

c. Unterm gleichen Datum des 29. März 1904 erließ der Staatsrat einen weitern Beschluß betreffend Festsetzung der Zahl derjenigen Unterschriften, die zu gunsten eines Begehrens um Volksabstimmung über das Gesetz vom 10. Februar 1904 gültig ^abgegeben worden seien, und in welchem er verfügte: 1. die Zahl der für das Begehren um eine Volksabstimmung ·über das Gesetz vom 10. Februar 1904 abgegebenen Stimmen ist auf 3432 festgesetzt; 2. die Zahl der gültigen Unterschriften ist durch die Staatskanzlei im Amtsblatt zu veröffentlichen; 3. 335 Unterschriften, welche den Vorschriften der Art. 3 und 4 des Organisationsgesetzes vom 25. Juni 1879 über die Ausübung des Referendums nicht entsprechen, sind zu annullieren, und eine Liste dieser Unterschriften ist auf dem Departement des Innern zur Einsieht durch die Wähler aufzulegen.

Diese beiden Beschlüsse vom 29. März 1904 wurden im Amtsblatt des Kautons Genf vom 30. März 1904 veröffentlicht.

d. Die Liste der bei der Referendumsbewegung als ungültig «erklärten Stimmen, welche das Departement des Innern des Kantons Genf öffentlich auflegte, lautete folgendermaßen: Rive Rive Ville gauche droite Totaux

a.

·ô.

c.

d.

·e.

Non électeurs Changement de prénoms . . . .

Divers Changement d'années de naissance N'ont pas signé dans la commune où ils sont électeurs /. Ont signé à double g. Qui ne sont pas majeurs . . . .

h. Qui n'ont pas signé personnellement

48 4 6 14

78 4 7 2

14 -- -- --

5 118 5 11 7 -- -- 1 -- 1 8 1 ~ 8 9 2 2 5 2 1 3

140 8 13 16 129 18 1 10 3 5

n.

Mit Eingabe vom 19. April 1904 haben Duaime Henri, Bseviswyl Félicien, Sigg Jean, Vernier Charles, Trösch Louis, GrandJean Valentin, Huber Oscar, Wyss Adrien, Snell Victor und Dupuis Jaques beim schweizerischen Bundesgericht und beim Bundesrat die staatsrechtliche Beschwerde gegen die drei Beschlüsse des genferischen Staatsrates vom 19. Februar und 29. März 1904 ergriffen und die Aufhebung derselben verlangt, unter Berufung darauf, daß durch die genannten Beschlüsse das genferische Verfassungsgesetz über das fakultative Referendum und Artikel 21 der Verfassung des Kantons Genf verletzt werden.

Zur Begründung ihrer Beschwerdebegehren haben die Rekurrenten folgendes vorgebracht: 1. Betreffend den Beschluß vom 19. Februar 1904.

Es bedeutet eine Verletzung des Verfassungsgesetzes über das fakultative Referendum, wenn der angefochtene Beschluß unter Ziffer 2 sagt, ,,daß die Referendumsfrist gegen das Gesetz vom 10. Februar 1904 am dreißigsten Tage seit demjenigen der gegenwärtigen Veröffentlichung, d. h. am 20. M ä r z 1904, ablaufe". Denn der Ausdruck ,,am dreißigsten Tage seit demjenigen . . ."."· kann nur bedeuten, daß der dies a quo, d. h.

der Tag der Publikation, nicht in die dreißig Tage eingerechnet werden durfte. Demnach war aber der dreißigste Tag nicht der 20., sondern der 21. März 1904. Diese Art der Fristenberechnung entspricht der konstanten Praxis in Genf, und das Verfassungsgesett über das fakultative Referendum sagt ausdrücklich ,,im Laufe der 30 Tage, welche demjenigen der Publikation dieser Gesetze und Beschlüsse folgen". Die Verfassungsverletzung durch den.

Staatsrat wird um so frappanter, als das Referendumskomite mit Schreiben vom 15. M ä r z 1904 die Staatskanzlei auf den Irrtum im Datum aufmerksam gemacht hatte.

Der Einwand, der vielleicht den Rekurrenten entgegengehalten wird, sie erbringen den Beweis nicht, daß die nötige Anzahl von Referendumsunterschriften innert der Frist bis zum 21. März 1904 hätte zusammengebracht werden können, wäre unrichtig; denn die Wähler sind durch einen amtlichen Erlaß benachrichtigt worden, daß sie nur bis zum 20. März Zeit hätten, und es ist gerade diese amtliche Anzeige, durch die ihre Rechte beeinträchtigt worden sind. Die Rekurrenten haben nicht nötig, zu bemerken, daß ohne die fehlerhafte Interpretation des Staatsrates die vom Gesetz
verlangten 3500 Unterschriften zusammengekommen wären; es genügt, zu konstatieren, daß eine Verletzung des Rechtes, am dreißigsten Tage zu unterschreiben, stattgefunden hat.

2. Betreffend den Beschluß vom 29. März 1904 über Promulgation und Inkraftsetzung des Gesetzes vom 10. Februar 1904.

Dieser Beschluß ist aus den oben angegebenen Gründen ebenso verfassungswidrig wie derjenige vom 19. Februar 1904, indem er festsetzt, daß die Frist von 30 Tagen seit der Veröffentlichung am 20. März 1904 abgelaufen sei.

3. Betreffend den Beschluß vom 29. März 1904 über die Festsetzung der Zahl der zu gunsten eines Begehrens um eine Referendumsabstimmung über das Gesetz vom 10. Februar 1904 gültig abgegebenen Unterschriften.

Der genannte Beschluß setzt die Zahl der gültigen Unterschriften auf 3432 an, die Zahl der ungültigen und den Art. 3 und 4 des genferischen Organisationsgesetzes vom 25. Juni 18791 nicht entsprechenden Unterschriften auf 335. Dieser Festsetzung gegenüber sind folgende Aussetzungen zu machen: Erstens, daß der Staatsrat in der Zahl von 3432 -f- 335 Unterschriften diejenigen Listen nicht in Berücksichtigung gezogen haty die nach dem 20. gesammelt worden waren, und von denen 3 im Laufe des 21. März 1904 der Staatskanzlei übergeben wurden.

Außerdem aber ist zu bemerken, daß infolge der Weigerung der Staatskanzlei, am 21. März 1904 noch weitere Listen in Empfang zu nehmen, die Rekurrenten das Sammeln weiterer Unterschriften aufgeben mußten; die Weigerung des Staatsrats wird übrigens bestätigt durch das Schreiben der Staatskanzlei vom 9. April 1904r welches lautet: ,,Hiermit zeige ich Ihnen den Empfang Ihres Briefes vom 5. April 1904 ao, betreffend die der Staatskanzlei n a c h A b l a u f der g e s e t z t e n F r i s t zugeschickten Referendumsbogen. Die Staatskanzlei hat deren drei erhalten ; zwei davon sind am 21. März 5Va Uhr abends eingelangt, der dritte am 22. März um 9 Uhr morgens. Der letztere war von einem Schreiben begleitet, mit welchem die Zusendung der beiden ersten Listen bestätigt wurde. Da diese Listen dem Dossier in betreff dieser Angelegenheit einverleibt worden sind, können sie Ihnen nicht zurückgegeben werden."

Zweitens ist an diesem Beschluß vom 29. März auszusetzen^ daß die Annullierung der 335 Unterschriften dem Verfassungsgesetz vom 25. Mai 1879 widerspricht, da die vom Staatsrat angeführten Kassationsgründe nicht genügend sind. Die Rekurrenten bestreiten, daß von den 8 angegebenen Kassationsgründen die unter a, b, c, d und e genannten richtig seien; die unter f, g, und h angeführten Kassationsgründe können richtig sein, ohne daß allerdings die Rekurrenten die Richtigkeit der

26 Zahlen 18, l und 10 anerkennen. Über die bestrittenen Abweisungsgründe ist im einzelnen zu sagen : a. Streichung wegen der Eigenschaft der Unterzeichner als ^non électeur"'.

Nach dem Geständnis des Departements des Innern bedeutet ·die Bezeichnung ,,non électeur" die Tatsache, daß der Name der Betreffenden nicht auf den Wählerlisten des Staatsrates stund.

Die Rekurrenten halten aber eine Streichung aus diesem Grunde für nichtig, weil nach dem Verfassungsgesetz vom Jahre 1879 -das Recht des Wählers nicht davon abhängt, daß sein Name in den Listen des Departements des Innern eingetragen ist.

Es ist vielmehr auf die Vorschrift des Art. 21 der Verfassung des Kantons Genf zurückzugreifen : ,,Les citoyens âgés de vingt ·ans ont l'exercice des droits politiques"; derjenige also, für dessen Person die Vorausset/Aingen der Vorschriften der Verfassung erfüllt sind, ist Wähler, ob er es will oder nicht, und als solcher ist er auch berechtigt zur Unterzeichnung eines Referendumsbegehrens. Laut Art. 30, § 2, des genferischen Wahlgesetzes vom 27. Oktober 1888 kann ja sogar der nicht eingeschriebene Wähler zu einer Abstimmung zugelassen werden.

Es seien hier zwei Beispiele zur Charakterisierung des Vorgehens des Staatsrates angeführt, der Fall des Trösch, Louis, und der Fall des Huber, Oskar, die beide ihre Militärbüchlein vorwiesen und seit vielen Jahren in Genf niedergelassen sind, die aber beide als ,,non électeur"' zum Referendum nicht zugelassen wurden. Diese beiden Beispiele genügen, um die Interpretation des Gesetzes durch den Staatsrat als verfassungswidrig erscheinen zu lassen. Betreffend die Annullierung der übrigen Unterschriften unter dieser Rubrik ist zu bemerken, daß den Rekurrenten wegen des Verbots der Staatskanzlei, die auf dem Departement des Innern liegende Liste zu kopieren, eine eingehende Untersuchung über die Annulationsgründe unmöglich war, und daß eine neue Untersuchung wohl eine namhafte Anzahl von Unterschriften restituieren müßte.

b. Streichungen wegen-Unrichtigkeit des Vornamens.

Hier ist vorerst zu bemerken, daß, wenn die Obrigkeit durch ·eine minutiöse Untersuchung, wie Zeugenvorladungen, Konfrontationen, Vergleichungen u. s. w. die Unrichtigkeit der abgegebenen Unterschriften festzusetzen versucht hat, sie anderseits nach Analogie des Wahlgesetzes gehalten war, diejenigen Unterschriften zu validieren, bei welchen ein offenbarer Irrtum vorlag, und bei welchen dies bekannt war.

27 Außerdem schreibt das Verfassungsgesetz von 1879 nicht vor, daß der Bürger, welcher das Begehren um eine Referendumsabstimmung unterzeichnet, dies Begehren in einer bestimmten Form stellen müsse.

Das Organisationsgesetz vom 25. Juni 1879 hat hierin etwas aum Verfassungsgesetz hinzugefügt; es kann aber die Bedingungen für die Ausübung des Referendums nicht erschweren. Außerdem sagt auch das Organisationsgesetz nicht, daß der Vorname b e i S t r a f e der N i c h t i g k e i t angegeben werden müsse; wenn die Obrigkeit tatsächlich so verfährt, so fügt sie etwas zum Organisationsgesetz hinzu; das Gesetz selbst verlangt nur die persönliche Unterzeichnung und die Beglaubigung durch die Gemeindebehörde.

Ein typischer Fall ist hier der Fall des Bürgers Duruz, der, seinem Berufe nach Handelsreisender, Rue Lissignol in Genf wohnt, den Vornamen Gustave trägt, welcher auch auf allen seinen Papieren steht; seine Unterschrift wurde aber annulliert, weil er in den Wählerlisten mit dem Vornamen Auguste eingetragen ist.

Indem der Staatsrat damit dein Wähler verbot, mit seinem wirklichen Namen zu unterschreiben, hat er sich eine Interpretation des Organisationsgesetzes erlaubt, die gegen den Sinn dieses Gesetzes selber geht.

c. Streichung aus ,,verschiedenen" Gründen.

Diese Bezeichnung ,,verschiedene11 Gründe ist offenbar nicht genügend, um Unterschriften, die von den Munizipalbehörden beglaubigt worden sind, zu annullieren. Das Departement des Innern des Kantons Genf ist übrigens hier folgendermaßen verfahren: wenn ihm eine Unterschrift zweifelhaft schien, so hat es den Wähler unter der Androhung der Annullierung seiner Unterschrift im Falle des Ausbleibens zum Erscheinen vorgeladen; diese Androhung aber ist ein wahrer Mißbrauch, eine Maßregel, die nirgends und in keinem Gesetze vorgesehen ist, und die Rekurrenteo müssen befürchten, daß das Departement des Innern von der Androhung tatsächlich Gebrauch gemacht habe. Es ist nun zwar richtig, daß die bloße Vermutung der Annullierung aus dem Grunde des Ausbleibens für den Bundesrat nicht genügt zur Gutheißung des Rechtsbegehrens der Beschwerdeführer; die Rekurrenteu sind aber in der Lage, 5 solcher Androhungen vorzulegen, von welchen sie zwar zugeben, daß sie nicht ausgeführt worden sind, die jedoch, eben weil eine jede Androhung dem Verfassungsgesetz widerspricht,
zu wiederholten Malen ausgesprochen, und in Verbindung mit den ändern Beschwerdepunkten die Verfügung des Staatsrates als ungesetzlich erscheinen lassen, und dem Verfassungsgesetz von 1879 zuwiderlaufen.

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d. Streichungen wegen Irrtums bei der Angabe des Geburtsjahres.

Auch in diesem Punkte wäre das Organisationsgesetz, wenn es die Angabe des Geburtsjahres unter Strafe der Nichtigkeit verlangte, über das Verfassungsgesetz von 1879 hinausgegangen; aber auch hier ist es nicht das Organisationsgesetz, sondern die fehlerhafte Interpretation desselben durch den Staatsrat, welche die Verletzung des Verfassungsgesetzes herbeigeführt hat. Das Verfassungsgesetz verlangt nur, daß 3500 Bürger das Referendumsbegehren unterstützen ; alle ändern Vorschriften, wie die Forderung der Angabe des Berufes, des Geburtsjahres oder des Wohnsitzes, haben einen bloß relativen Wert, insofern sie der Kontrolle dienen, und insofern, als die Richtigkeit dieser Angaben eine Präsumption zu gunsten der Annahme der Richtigkeit dieser Unterschriften erzeugt. Die Worte des Art. 5, § 2, des Organisationsgesetzes : ,,Le Conseil d'Etat annule les signatures qui ne sont pa& conformes aux prescriptions des articles précédentsa können nicht so aufgefaßt werden, daß im Falle eines partiellen Irrtums die ganze Unterschrift als ungültig erklärt werden könnte.

Dies hat der Staatsrat übrigens so sehr als richtig anerkannt,, daß er die Unterschrift des Abgeordneten Châtelain, dessen Geburtsjahr 1859 ist, und der auch mit diesem Geburtsjahr sich unterzeichnet hat, dessen Geburtsjahr in den Wählerlisten aber als 1856 angegeben ist, ohne weiteres zugelassen hat, weil der Staatsrat eben selbst den Abgeordneten Châtelain kannte. Warum ist nun aber der Staatsrat in ändern Fällen, wo die Richtigkeit der Unterschrift ihm ebenso bekannt war, nicht gleich vorgegangen, anstatt die betreffenden Unterschriften als ungültig zu erklären? Man ersieht hieraus, mit welcher Willkür seitens de» Staatsrates vorgegangen worden ist.

Es ist hier noch darauf hinzuweisen, daß der Staatsrat keine einzige Unterschrift annulliert hat wegen Irrtums bei der Berufsangabe, obwohl das Organisationsgesetz die Forderung der Angabe des Berufs in der gleichen Form aufstellt wie diejenige der Angabe des Alters und der Profession. Und dies ist ausschlaggebend, wenn man auch einwenden möchte, daß der Beruf ändern kann, während Alter und Vorname nicht ändern können.

e. Streichung der Unterschriften von Wählern, die nicht in der Gemeinde unterzeichnet haben, in welcher sie Wähler sind.
Auch hier stellt sich das Organisationsgesetz in Widerspruch mit dem Verfassungsgesetz, das einfach sagt, daß das Referendumsbegehren anzuerkennen ist, wenn 3500 Bürger es verlangen.

Dieser Verfassungsgrundsatz wird verletzt, wenn der Staatsrat

29 die Vorschrift des Organisationsgesetzes, Art. 4, § l : ,,L'électeur ·doit donner sa signature dans la commune où il est inscrit comme tel", als Vorwand der Annulation der Unterschriften von Bürgern nimmt, die nicht in der Gemeinde ihre Referendumsunterschrift abgegeben haben, wo sie als Wähler eingeschrieben sind. Dies ·um so mehr, als es sich hier überall nicht um bloße Unterschriften handelt, sondern um solche, die von den Munizipalbehörden beglaubigt worden waren und die daher die Präsumptiou der Richtigkeit für sich hatten.

Der Fall des Advokaten Bouvier beleuchtet das Vorgehen ·des Staatsrates. Bouvier, ursprünglich domiziliert in der Stadt 'Genf, verlegte seinen Wohnsitz nach Onex, indem er zur Wahrung seiner Rechte als Wähler dem Departement des Innern des Kantons Genf hiervon Kenntnis gab. Bouvier konnte sich also von «diesem Moment an als Wähler von Oaex betrachten und unterschrieb auch eine für die Wähler von Onex reservierte Referen«dumsliste; seine Unterschrift wurde von der Gemeindebehörde ·von Onex beglaubigt, trotzdem aber vom Staatsrat annulliert.

Man könnte in jedem der 129 Fälle, in denen wegen der Abgabe der Wahlstimme in einer ändern Gemeinde als der Wahl.·gemeinde die Annulation der Unterschrift ausgesprochen worden ist, in gleicher Weise die Unrichtigkeit der Streichung nachweisen,
Diesen einzelnen Bemerkungen ist endlich noch beizufügen, ·daß bei der Verifikation der Referendumslisten, durch den Staatsrat materielle Streichungen mit roter Tinte und Blaustift vorgenommen worden sind, und daß einzelne dieser Streichungen die betreffenden Unterschriften vollkommen unkenntlich gemacht haben, so daß die Identität der Unterschriften heute überhaupt nicht mehr festgestellt werden kann. Damit aber ist das Kontrollrecht der Wähler erschwert, wenn nicht illusorisch gemacht worden. Wenn in diesem
Umstand, für sich genommen, wie die Rekurrenten anerkennen, noch kein Grund der Aufhebung der Verfügungen des Staatsrates liegt, so gewinnt er doch eine besondere Tragweite in Verbindung mit den übrigen Tatsachen, und beweist einen neuen Verstoß gegen die verfassungsmäßigen Rechte der Wähler.

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m.

Mit Zuschrift vom 12. Juli 1904 beantragt der Staatsrat de» Kantons Genf, der Bundesrat solle auf die Beschwerde des Duaime, Henri und Genossen nicht eintreten, eventuell dieselben abweisen» Er führt zur Unterstützung seines Rechtsbegehrens im wesentlichen aus: Die Rekurrenten behaupten, daß die Verfügung des Staatsrates vom 19. Februar und diejenigen vom 29. März 1904 ver^ fassungswidrig seien; die Verfügung vom 19. Februar und dieerste vom 29. März 1904 betreffend die Gesetzespromulgation wegen Nichtbeobachtung der SOtägigen Frist, die in den Gesetze» über das fakultative Referendum vom 25. Mai und 25. Juni 18791 festgesetzt ist; die zweite Verfügung vom 29. März 1904 wegen.

Kassierung von Unterschriften, die auf Grund einer verfassungswidrigen Interpretation des Organisationsgesetzes als formwidrig abgegeben bezeichnet worden sind.

I. Verfügung vom 19. Februar 1904 betreffend die Publikation des Gesetzes vom 10. Februar 1904.

A. Die erste Frage hier ist, ob den Rekurrenten Duaime und Konsorten überhaupt ein Rekursrecht zukommt oder nicht.

Das Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege, vom 22. März 1893 gibt in Art. 178, Ziffer 2 das Rekursrecht dem durch die angefochtene Verfügung Verletzten. Nun sind die heutigen Rekurrenten durch die von ihnen angefochtenen Verfügungen des Staatsrates gar nicht verletzt. Gemäß der konstanten Kekurspraxis des Bundesgerichtes sollen im staatsrechtlichen Rekurs subjektive Rechte geschützt werden, und hat dieser Rekurs nicht den Charakter einer Popularklage, die von jedem Bürger im Interesse einer Gesamtheit angestellt werden könnte. (Vgl. Urteil des Bundesgerichts in Sachen Berger und Genossen gegen Aargau vom 9. Oktober 1901 ; Entscheide XXVII, B. I, Nr. 490, S. 7 ff., ferner Urteil in Sachen Bionay und Genossen vom 1. Mai 1902, Entscheide XXVIII, B. l.T Nr. 38, S. 158 ff., und endlich Botschaft des Bundesrates im* Bundesblatt 1892, B. II, S. 191 und 192). Da somit das Rekursrecht nur demjenigen Privaten zukommt, der persönlich in seinen Verfassungsrechten verletzt worden ist, so haben 9 von den Rekurrenten, nämlich Duaime, Bäriswil, Sigg, Vernier, Trösch, Grandjean, Huber, Wyß und Suell, die ihre Unterschriften schon vor dem 20. März 1904 abgegeben haben, kein Rekursrecht, da sie durch keine Verfügung des Staatsrates verletzt worden sind ;, und wenn der zehnte von ihnen, Dupuis, seine Unterschrift, ob-

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wohl nichts dergleichen in der Rekursschrift gesagt wird, überhaupt nicht abgegeben hat, so ist dies nicht deshalb geschehenr weil er keine Zeit dazu gehabt hat, sondern weil er zu dieser Zeit noch kein Stimmrecht in kantonalen Angelegenheiten besaß, da er erst am 23. Mai 1904 auf die Wählerlisten des Kantons Genf eingetragen werden konnte.

Nun ist allerdings die Unterschrift von zwei der erstgenannten 9 Rekurrenten vom Staatsrat kassiert worden, weil dieselben den Vorschriften des Gesetzes nicht entsprachen ; es könnte aber auch nur in dieser Hinsicht diesen beiden Rekurrenten, Trösch und Huber, die Legitimation zur BeschwerdefUhrung zuerkannt werden, insofern nämlich, als sie sich durch die Verfügung des Staaterates vom 29. März 1904 betreffend Festsetzung der gültigen Referendumsstimmen als verletzt behaupten könnten.

Gegen die Verfügung des Staatsrates vom 19. Februar 1904 zu rekurrieren, ist also keiner der Rekurrenten legitimiert, und es kann daher auf ihren Rekurs gegen diese Verfügung nicht eingetreten werden.

B. Aber auch wenn man die Berechtigung der Rekurrentea zur Anfechtung dieser Verfügung anerkennen wollte, würde sich noch fragen, ob der Staatsrat wirklich die Verfassung damit verletzt hat. Dafür ist in erster Linie entscheidend, ob wirklich die Frist zur Eingabe der Referendumsunterschriften am 20. oder am 21. März 1904 ablief, und, wenn dies letztere der Fall sein sollte, ob der Staatsrat Rechte der Bürger beeinträchtigt hat, indem er den Bürgern kund tat, daß der Termin an einem ändern Tage ablief.

Es ist richtig, daß der Text des Verfassungsgesetzes vom 25. Mai 1879 und derjenige des Organisationsgesetzes vom 25. Juni 1879 hinsichtlich der Festsetzung der Referendumsfrist nicht miteinander übereinstimmen. Im erstem Gesetz wird gesagt : Les lois ou arrêtés législatifs votés par le Grand Conseil, sont soumis à la sanction du peuple lorsque le r e f e r e n d u m est demandé par 3500 électeurs au moins, dans le cours des 30 jours qui suivent celui de la publication de ces lois ou arrêtés ; während das Organisationsgesetz sagt : Les lois et arrêtés législatifs sont publiés par le Conseil d'Etat dansla F e u i l l e d ' A v i s , dès qu'ils lui ont été transmis par le bureau du Grand Conseil. La demande de referendum doit être formulée dans les trente jours qui suivent cette
publication. Niemand weiß, woher dieser Unterschied in der Fassung der beiden.

Gesetze herkommt, und niemand hat jemals darauf bestanden, daß tatsächlich 30 Tage, von dem der Veröffentlichung eines Gesetzes folgenden Tage an gerechnet, gewährt werden. In jedem Falle-

32 aber kann der Text des Organisatioasgesetzes, der für das Vorgehen der Staatskanzlei bei der Fristangabe bestimmend war, die Berechnung der Staatskanzlei, wenn nicht rechtfertigen, so doch entschuldigen. Die Staatskanzlei hat, da die Publikation des Gesetzes vom 10. Februar 1904 im Amtsblatt vom 20. Februar 1904 geschah, das in den ersten Morgenstunden herauskommt, den 20. Februar als den ersten Tag der Referendumsfrist berechnet, anstatt ihn als den dies a quo außer Berechnung zu lassen. Die Staatskanzlei hat aber hier durchaus in guten Treuen gehandelt, und es braucht in dieser Beziehung nur auf die Publikationen der Jahre 1879, 1880, 1881. 1882, 1883, 1885,1888, 1893 und 1900 verwiesen zu werden, um jeden Verdacht auszuschließen, als habe die Staatskanzlei im vorliegenden Falle die Bürger um ihr Recht bringen wollen. Will man aber genau 30 Tage rechnen, so muß man sagen, daß seit der Publikation des Gesetzes am 20. Februar 1904, morgens 9 Uhr, bis zum 21. März 1904, morgens 9 Uhr, dreißig Tage verflossen waren.

Sollte nun aber auch die Referendumsfrist erst am Abend ·des 21. März abgelaufen sein, so hat der Staatsrat in seiner Verfügung keine Verfassungsverletzung begangen. Es genügt hier, darauf hinzuweisen, daß laut dem schon zitierten Art. l des Or.ganisationsgesetzes der Staatsrat die ihm vom Großen Rat zugestellten Gesetze zu veröffentlichen hat; dieser Verpflichtung ist der Staatsrat in der Verfügung vom 19. Februar nachgekommen, ·und das war das einzige, was er zu tun hatte; es lag dann den Bürgern ob, innert der durch das Gesetz vorgesehenen Frist ihre Unterschriften niederzulegen, falls sie eine Referendumsabstimmung über das veröffentlichte Gesetz wollten; diese Frist ist im Gesetz bestimmt, und es ist Sache des Stimmberechtigten, sein Recht innert den Schranken des Gesetzes zu gebrauchen. Die Fassung des zweiten Teiles der Verfügung vom 19. Februar 1904 bestätigt dies, denn der Staatsrat hat dort nicht entschieden, daß die Referendumsfrist am 20. März ablaufe, sondern er hat verfügt, es sei .,,den Bürgern kund zu tun, daß die Referendumsfrist gegen das Gesetz 30 Tage nach der Veröffentlichung, d. h. am 20. März 1904 ablaufe". Außerdem hat der Staatsrat, wenn er in der Angabe des 20. einen Irrtum gemacht hat, diesen Irrtum in einer nebensächlichen Angabe begangen, während der erste
Teil seiner Kundgabe, daß nämlich die Frist 30 Tage betrage, richtig bleibt.

Wenn ferner die Bürger glaubten, daß die Referendumsfrist erst a,m 21. und nicht schon am 20. ablaufe, so stund es ihnen frei, ihre Unterschriften noch am 21. März einzureichen und vom Staatsrat zu verlangen, daß dieselben bei der Festsetzung der Zahl der .gültigen Referendumsunterschriften mitgezählt würden. Und schließ-

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lieh kann auch als einzige Folge, welche der Irrtum der Staatskanzlei zur Folge haben konnte, die sein, daß er die säumigen Bürger zur Unterzeichnung der Referendumslisten um einen Tag früher veranlaßt«, als sie in Wirklichkeit nach der Vorschrift des ·Gesetzes hätten unterschreiben können.

Die heutigen Rekurrenten wären dann in ihren Rechten verletzt, wenn sie ihre Unterschriften erst am 21. abgegeben hätten, und ihre Stimmen dann vom Staatsrat in der Verfügung vom 19. Februar 1904 kassiert worden wären, wenn ferner die Hinzurechnung der aus diesem Grunde kassierten Unterschriften die Zahl der gültigen Unterschriften auf 3500 brächte. Wenn aber bei Berechnung der am 21. März eingereichten Unterschriften die gesetzliche Zahl nicht erreicht wurde, so konnte in keinem Falle die Behauptung einer Verfassungsverletzung aufgestellt werden, weil es dann feststünde, daß in keinem Falle das Gesetz der Volksabstimmung unterbreitet worden wäre. Nun hüten die Rekurrenten sieh wohl, die Zahl der am 21. März abgegebenen Unterschriften anzugeben, und begnügen sich, in der Rekursschrift von ,,andern a Referendumslisten zu sprechen, die im Laufe des 21. bei der Staatskanzlei eingereicht worden seien. Aus dem eigenen Geständnis der Rekurrenten in der von ihnen mit der Staatskanzlei geführten Korrespondenz ergibt sich aber, daß nicht mehr als 3 Listen nach dem 20. März bei der Staatskanzlei abgegeben worden sind, und der Kanzler erklärt, daß nicht mehr als 3 bei ihm eingereicht worden seien ; von den dreien aber, die nach dem 20. März einlangten, ist eine erst am 22. März eingereicht worden und hätte also keinesfalls in Berücksichtigung gezogen werden können.

Auf dies kommt übrigens nicht viel an; die Hauptsache ist, daß aus der angeführten Korrespondenz und den heute noch vorhandenen 3 Listen, die nach dem 20. bei der Staatskanzlei eingereicht worden sind, sich ergibt, daß im ganzen auf den beiden am 21. eingereichten Listen nicht mehr als 10 Unterschriften stunden, und daß, wenn man diese 10 Unterschriften auch als gültig anerkennt, die Zahl der gültigen Referendumsunterschriften noch nicht 3500, sondern erst 3432 plus 10 = 3442 beträgt.

Diese Angaben werden zur Evidenz erwiesen aus dem Begleitschreiben, mit welchem das Referendumskomitee die am 22. März eingereichte Liste begleitete und welches lautet: ,,21. März
1904, um 3V2 Uhr nachmittags.

Übergeben an den Herrn Staatsschreiber eine Referendumsliste (Cartigny), und Bestätigung der Sendung von diesem Tag, bestehend aus 2 ändern Listen (Gemeinde Chêne-Bourg).

An den Herrn Staatsschreiber des Kantons Genf.a Bundesblatt. 56. Jahrg. Bd. V.

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Diese beiden ändern Listen waren in der Tat 2 Listen von Chêne-Bourg, die beide abends 5 Uhr abgegeben worden waren, und von welchen die eine l Unterschrift, die andere 8 Unterschriften trug, die vom Maire jener Gemeinde beglaubigt waren.

Wenn die Rekurrenten mit zweideutigen Worten den Eindruck zu erwecken suchen, als seien mehr als die zwei Listen am 21. und die eine am 22. März abgegeben worden, so muß dies als eine leichtfertige Behauptung ohne jegliche tatsächliche Unterlage bezeichnet werden.

Wenn nun schließlich trotzdem eine Verfassungsverletzung angenommen werden sollte, so bliebe doch immer die Tatsache der Veröffentlichung des Gesetzes vom 10. Februar 1904 bestehen. Diese Publikation hätte ihre gesetzlichen Folgen und müßte daher dazu führen, daß das Gesetz ausführbar wurde, da innert den auf die Publikation folgenden 30 Tagen 3500 Referendumsunterschriften nicht zusammengekommen sind.

II. Verfügung vom 29. März 1904 betreffend die Promulgation und Inkraftsetzung des Gesetzes vom 10. Februar 1904.

Aus den gleichen oben angegebenen Erwägungen ist der Rekurs gegen diese Verfügung aus formellen Gründen unannehmbar und materiell unbegründet. Die Rekurrenten sind zur Erhebung desselben nicht legitimiert, weil sie durch die angefochtene Verfügung nicht in ihren Rechten verletzt sind, und der Staatsrat konnte am 29. März 1904 mit Recht sagen, daß die Referendumsfrist von 30 Tagen abgelaufen sei, da dieselbe ja auch nach Aussage der Rekurrenten nicht länger als bis zum 21. März lief.

Der Staatsrat war daher auch zur Promulgation berechtigt. Auch wenn also wirklich der 21. März, und nicht der 20. den Endtermin des Referendums darstellt, so bleibt die Promulgation des Gesetzes durch den Staatsrat bestehen, weil diese keinesfalls vor Ablauf der Referendumsfrist stattgefunden hat.

III. Verfügung vorn 29. März betreffend Festsetzung der für das Referendumsbegehren gültig abgegebenen Unterschriften.

Auch hier beschweren sich die Rekurrenten über, wie sie es nennen, irrige Kassation von Unterschriften wegen angeblichen Form Verletzungen.

A. Auch hier ist vorerst festzusetzen, daß diejenigen zur Beschwerdeführung nicht legitimiert sind, deren für das Referendumsbegehren abgegebene Unterschriften vom Staatsrate anerkannt worden sind; denn nur die beiden Bürger Trösch und Huber, deren Unterschriften,
wie bereits oben bemerkt worden ist, durch die vorliegende Verfügung des Staatsrates kassiert worden sind> können eine Verletzung ihrer Rechte geltend machen.

35 Um aber einer eventuellen Abweisung dieser formellen Einrede zu begegnen, tritt der Staatsrat auch auf die materielle Erledigung aller einzelnen Beschwerdepuukte ein: B. Der Staatsrat protestiert vorerst gegen die überall in den Rekurs eingestreuten Verdächtigungen, durch welche die Rekurrenten den. Glauben zu erwecken suchen, als ob der Staatsrat von vornherein in parteiischer Weise die Untersuchung über die Gültigkeit der Unterschriften geführt habe. Es ist hier am Platze zu konstatieren, daß die eingereichten Referendumsunterschriften nach dem Geständnis der Rekurrenten selbst zum Teil von Personen eingesammelt worden sind, die für jede beigebrachte Unterschrift 5 Centimes erhielten, und wenn der Staatsrat vollends die UntersuchuDgsakten betreffend die zu Unrecht abgegebenen Unterschriften ins Recht legen würde, so wäre aus diesen zu ersehen, welche Entschuldigungen die Betreffenden vorbrachten, wie z. B. Betrug seitens der die Unterschriften einsammelnden Personen, Abgabe der Unterschrift im Zustande der Betrunkenheit etc. Und wenn endlich dem Staatsrat zum Vorwurf gemacht wird, daß er dem Referendumskomite die Anfertigung einer Kopie der Liste der kassierten Stimmen aufzunehmen verboten hat, so ist hierfür auf Art. 8 des Organisationsgesetzes zu verweisen, in welchem ausdrücklich vorgeschrieben ist, daß die Liste nur auf dem Departement des Innern zur Verfügung der Wähler stehe.

Als das Organisationsgesetz von 1879 vor den Großen Rat gebracht wurde, wurden schon bei den Vorberatungen Stimmen laut, die verlangten, daß eine ,,reelle Garantie"1 für die richtige Abgabe der Referendumsunterschriften geschaffen werde, und die Kommission zur Vorberatung dieses Gesetzes hat sich in gleichem Sinne ausgesprochen. Sie sagt in ihrem Bericht: II est évident qu'il peut se trouver dans une môme commune, surtout dans les plus populeuses et quelquefois dans certaines communes rurales, des citoyens qui ont les mêmes prénoms et la même profession; il faut donc aussi savoir Tannée de naissance, afin que toutes les indications réunies permettent aux autorités compétentes de légaliser, sans avoir aucun doute au sujet du signataire.

Im Interesse der Kontrolle sind sodann die Vorschriften der Art. 4 und 5 des Organisationsgesetzes aufgestellt worden, wonach der Wähler persönlich unterschreiben soll, wonach er
seinen Vornamen, seine Wohnung, sein Geburtsjahr und seinen Beruf angeben soll, und wonach er endlich nur in der Gemeinde seine Unterschrift abgeben kann, wo er als Wähler eingetragen ist-

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Im Grunde sind es gerade diese Gesetzesvorschriften, welche die Rekurrenten als verfassungswidrig aufgehoben wissen wollen, obwohl der Staatsrat, dieselben seit 1879 unangefochten angewendet hat, und obwohl sie in Art. 5 des Verfassungsgesetzes vom 25. Mai 1879 ausdrücklich vorgesehen sind, welcher lautet: La loi règle tout ce qui concerne l'exécution de Ja présente loi constitutionnelle.

Hat der Bürger aber überhaupt ein Wahl- oder Abstimmungsrecht, ohne daß er gewisse Bedingungen erfüllt, die seine Berechtigung zur Wahl und Stimmabgabe darlegen? Keinesfalls, vielmehr sehen die Bundesverfassung sowohl wie die Verfassung des Kantons Genf gewisse Bedingungen vor, deren Erfüllung durch Gesetz oder Verordnung von den Stimmberechtigten verlangt werden kann. Wenn die Rekurrenten sich auf Art. 2l der Kantonsverfassung berufen, um einen Gegensatz zu den Vorschriften des Organisationsgesetzes zu schaffen, so müßten sie auch die Verfassungsmäßigkeit des genferisehen Gesetzes vom 27. Oktober 1888 bestreiten, in welchem bestimmt ist, daß der Stimmberechtigte seine Stimme nur in der Gemeinde abgeben könne, in welcher er eingetragen ist, ». s. w., u. s. w. Dies sind die Gründe, welche die Kassierung aller derjenigen Unterschriften rechtfertigen, die den aufgestellten Vorschriften nicht entsprechen, neben Art. 5 des Organisationsgesetzes, welcher dem Staatsrat ausdrücklich den Befehl dazu gibt. Dieser Artikel lautet: Les listes doivent être adressées le trentième jour au plus tard au Conseil d'Etat, qui examine si elles répondent aux exigences de la loi.

Le Conseil d'Etat annule les signatures qui ne sont pas conformes aux prescriptions des articles précédents, et arrête le nombre des signatures valables pour chaque commune.

Im ganzen Organisationsgesetz; findet sieh keine Bestimmung, daß der Staatsrat Unterschriften anzuerkennen habe, weil sie von dem Maire einer Gemeinde beglaubigt worden wären; im Gegenteil, da das Gesetz nur von den beglaubigten Unterschriften spricht, so wäre der Staatsrat berechtigt gewesen, nur diejenigen Unterschriften einer Prüfung auf ihre Richtigkeit zu unterziehen, die beglaubigt waren ; der Staatsrat ist aber in möglichst weitherziger Interpretation und Anwendung des Gesetzes so weit gegangen, daß er Unterschriften, deren Richtigkeit unbestreitbar war, die aber nicht beglaubigt waren, als gültig angenommen hat.

Es wird seitens der Rekurrenten auch angefochten, daß das Departement des Innern Bürger unter Androhung der Kassierung

·

37

ihrer Unterschriften zum Erscheinen vor der Obrigkeit aufgefordert hat. Das Departement hatte hierzu seinen guten Grund, da sich z. B. auf verschiedenen Referendumslisten Namen folgten, die unzweifelhaft von der gleichen Hand geschrieben waren. Hier war das einzige Mittel zur Feststellung der Gültigkeit derjenigen Unterschriften, die wirklich von ihrem Träger abgegeben worden waren, die persönliche Erklärung der Betreffenden Über ihre Unterschrift; auch für die Feststellung der Möglichkeit einer eventuellen Strafuntersuchung war diese Aufforderung zum persönlichen Erscheinen durchaus gerechtfertigt und notwendig. Übrigens hat das Departement keine einzige Unterschrift aus dem Grunde annulliert, weil der Träger derselben auf die Aufforderung zum persönlichen Erscheinen dem Befehle nicht nachgekommen ist, und die Rekurrenten können auch keinen Fall namhaft machen.

C. Hinsichtlich der einzelnen Kassationsgründe ist folgendes zu bemerken : a. Streichungen aus dem Grunde, weil die Unterzeichner nicht Wähler waren.

Der Staatsrat hat bereits ausgeführt, daß das genferische Organisationsgesetz nichts Verfassungswidriges bestimmt, indem es gewisse Voraussetzungen für die Ausübung des Referendumsrechtes aufstellt. Indem somit der Staatsrat auf Grund der Vorschrift des Organisationsgesetzes. Art. 4, Absatz l, wonach die Gemeindebehörden innert nützlicher Frist die Eintragung der Referendumsunterzeichner in die öffentlichen Wählerlisten prüfen, diejenigen Unterschriften nicht anerkannt hat, welche auf diesen öffentlichen Wählerlisten nicht eingetragen waren, hat er sich keiner willkürlichen ,,Interpretation* schuldig gemacht, wie die Rekurrenten ihm vorwerfen. Hatten aber die betreffenden Gemeindebehörden Unterschriften entgegen dieser Vorschrift des Organisationsgesetzes beglaubigt, so war es eben Pflicht des Staatsrates, diese unrichtigerweise beglaubigten Unterschriften zu kassieren, wozu ihm Art. 5 des Organisationsgesetzes ausdrücklich das Recht gibt. Es könnte übrigens hier noch auf die Anomalie hingewiesen werden, die geschaffen würde, wenn dem Begehren der Rekurrenten nachgekommen würde; die Sachlage wäre dann die, daß Leuten das Recht zur Unterzeichnung des Referendumsbegehrens gegeben würde, die gar kein Recht hätten, nachher über das Gesetz selbst abzustimmen.

Schließlich ist noch auf die beiden
Fälle Tröseh und Huber näher einzutreten, wobei der Staatsrat nochmals wiederholt, daß er die Berechtigung zur Anfechtung der 140 Unterschriften, die alle aus dem angeführten Grunde durch den Staatsrat kassiert

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·

worden sind, den Rekurrenten keineswegs zuerkennt, und die Anfechtung der Kassierung der Unterschriften der beiden genannten Bürger nur diesen, jedem für seinen Namen. Sollte der Bundesrat die Verifikation sämtlicher 140 Namen, die vom Staatsrat kassiert worden sind, vornehmen wollen, so ist die Regierung bereit, der Behörde die sämtlichen Akten zu übermitteln.

Fall Trösch.

Das Blatt 3 der Referendumslisten für die Stadt Genf enthält die folgende Unterschrift, die vom Staatsrat kassiert worden ist: '',,Trösch, Louis, 1862, commis, rue Pierre Patio'1. Das Departement des Innern, und nach ihm der Staatsrat, konnten die Unterschrift nicht anerkennen, da weder die Wählerlisten über die Genfer Bürger, noch über die Wähler aus ändern Kantonen irgend eine ähnliche Eintragung enthalten. Diejenige Eintragung, die der genannten Unterschrift am nächsten kommt, war : ,,Tresche, Louis, 1862, graveur, lithographe, place Grenus 10, genevois".

Also Unterschied in der Orthographie des Namens, des Berufes und der Adresse. Nun produziert Trösch allerdings Dokumente, aus welchen hervorgeht, daß er Bürger ist. Das beweist aber nicht, daß Identität herrscht zwischen seinem Namen und dem Namen, derauf der Referendumsliste steht, und der dem seinigen gleicht; was daran Zweifel zu erregen geeignet ist, ist die Tatsache, daß der Rekurrent Trösch als Adresse place du Port angibt, also noch eine andere Adresse als diejenige der Referendumsliste. Was hätte also in einem solchen Falle der Staatsrat nach dem Sinne der Rekurrenten tun sollen? Übrigens ist es Sache der Bürger, auf den amtlichen Aufruf, auf die Bekanntmachungen etc. hin die Veränderungen auf den öffentlichen Wählerlisten zu veranlassen, die sie selbst betreffen, und jedenfalls steht es ihnen schlecht an, sich zu beschweren, nachdem die entscheidende Abstimmung vorüber ist.

Fall Huber.

Die Eintragung auf den Referendumslisten ,,Huber, Oscar, 1880, machiniste, rue Masbou 8, commune de Plainpalais", istobwohl Huber vielleicht Bürger, und vielleicht in Genf seit meh reren Jahren domiziliert ist, ebenfalls kassiert worden, weil der Name nicht auf den öffentlichen Wählerlisten stund. Die amtliche Nachforschung über Huber hatte ergeben, daß derselbe von Stallikon, Kanton Zürich, gebürtig ist, geboren 7. Dezember 1880, daß ihm im Jahre 1900 eine für l Jahr gültige
Niederlassungsbewilligung ausgestellt worden ist, daß Huber aber diese Niederlassungsbewilligung nie hat erneuern lassen, und daher seit dem Jahre 1901 die Anforderungen des genferischen Niederlassungs-

39 gesetzes nicht mehr erfüllt; daß außerdem seine erste Niederlassungsbewilligung ihm zu einer Zeit ausgestellt worden war, als er noch minderjährig war, und daß er daher auf Grund seiner früheren Niederlassungsbewilligung nie auf die Wählerliste eingetragen worden war; daß er endlich nie die Erklärung abgegeben hat, wie sie vom Gesetze verlangt wird, daß er im Kanton Genf stimmen wolle, und daher auch nie zur Abstimmung in Genf zugelassen worden wäre, da man nicht wußte, ob er nicht in einem ändern Kanton die politischen Rechte ausübe.

Dies sind die beiden einzigen Fälle, welche die Rekurrenten namhaft machen können; sie beweisen, wie sehr der vorliegende Rekurs der Begründung mangelt.

b. Streichungen infolge Verschiedenheit der Vornamen.

Wenn das Departement des Innern bei Prüfung dieser Frage «inige Personen vorgeladen hat, so geschah dies eben, um die Richtigkeit der betreffenden Unterschriften festzustellen, wobei in Betracht zu ziehen ist, daß die Prüfung von zirka 3800 Unterschriften in einem bestimmten begrenzten Zeitraum eine ganz beträchtliche Aufgabe war, deren sich das Departement mit der größten Sorgfalt und Genauigkeit entledigt hat. Es ist bereits ausgeführt worden, daß das Organisationsgesetz die Angabe der Vornamen .(in der Mehrzahl) verlangt, was beweist, welchen Wert das Gesetz auf die genaue Angabe der Vornamen logt; inwiefern dies berechtigt ist, zeigt die folgende Zusammenstellung: In der Gemeinde Lancy kommen die folgenden Namen zweier Wähler vor: Golaz, Paul, 1869, commis, Lancy, und Golaz, Samuel, 1869, commis, Luncy, 96; in Aire la Ville: Magnin, François, 1876, agriculteur, und Magnin, Marc-Ant., 1876, agriculteur; in der Gemeinde Eaux-Vives: Bossard, Salomon, 1880, commis, Eaux-Vives, 63, und Bossard, Albert, 1880, commis, Eaux-Vives, 63.

Im letztern Falle handelt es sich um Zwillinge, in den ändern ist aber vielleicht nicht einmal mehr ein näherer Verwandschaftsgrad vorhanden und der eine unterscheidet sich vom ändern absolut nur durch die Verschiedenheit im Vornamen.

Die Rekurrenten zitieren hier den Fall der Unterschrift eines gewissen Duruz, Handelsreisenden, rue Lissignol, in Genf. Vor«rst ist zu bemerken, daß dieser Duruz sich nicht unter den Be-

40 schwerdeführern befindet, und daß diese trotzdem behaupten^ durch die Streichung des Namens Duruz auf der Referendurnsliste in ihren persönlichen Rechten verletzt zu sein. Die Prüfung des Falles in materieller Beziehung ergibt aber folgendes: Die Referendumsliste Nr. 134, Ville, trug die folgende Unterschrift, die nicht vom Departement des Innern oder vom Staatsrat, sondern vom conseil administratif kassiert worden ist: Duruz, Gustave, 1874, voyageur, rue Lissignol, 12. Nicht nur figuriert also der Name Duruz nicht unter den 8, welche der Staatsrat unter lit. b wegen Verschiedenheit des Vornamens annulliert hat, sondern die Eintragung in den Wählerlisten, die dieser Unterschrift am nächsten kommt, ist die folgende: Duruz, Eruest-Auguste, 1874, voyageur de commerce, rue du Port, 4, Pribourg, welche Adresse im Februar 1904 amtlich in rue Lissignol, 12, abgeändert worden ist.

Der Irrtum im Vornamen ist also flagrant; was ihn aber bedeutsam macht, ist der Umstand, daß Duruz nach Ablauf der Referendumsfrist auf das Departement des Innern kam, um dort zu verlangen, zu dem dort angegebenen Vornamen noch beizufügen: ,,dit Gustave"! Außerdem aber fragt es sich, ob Duruz im Augenblick der Referendumsinitiative überhaupt Stimmrocht im Kanton Genf besaß. Eine amtliche Mitteilung des Bureau des permis de séjour bescheinigt, daß Duruz im März 1895 eine Niederlassungsbewilligung erhielt, daß diese aber dem Inhaber im Juni 1902 zurückgegeben wurde, um die bei Eingehung seiner Ehe vom Zivilstandsgesetz verlangten Formalitäten erfüllen zu können.

Im Juli 1902 hat sich Duruz dann in der Tat verheiratet, ohne aber bis zum 21. April 1904, d. h. nach Ablauf der Referendumsfrist, um eine Niederlassungsbewilligung einzukommen, wie er es laut der Vorschrift des genferischen Gesetzes betreffend die Niederlassungsbewilligungen hätte tun sollen. Nicht nur seine Eintragung auf die Referendumslisten, sondern auch seine Eintragung auf die Wählerlisten kann daher, abgesehen davon, daß sie ungenau ist, nicht als gültig anerkannt werden.

c. Streichungen aus ,,verschiedenen11' Gründen.

Der Staatsrat hat bereits ausgeführt, daß er berechtigt gewesen wäre, alle diejenigen Unterschriften zu annullieren, die unzweifelhaft von der gleichen Hand geschrieben waren. Anstatt aber so vorzugehen, hat sein Departement des Innern die
betreffenden Personen zum Erscheinen aufgefordert, damit auf Grund der Auskunft dieser Personen selbst nur diejenigen Unterschriften kassiert würden, die nicht von ihren Trägern auf die Referendumslisten gesetzt worden waren. Auch hier ist aber von den 8 Annulationen, die der Staatsrat vorgenommen hat, keine ein-

4t

zige wegen Mißachtung der vom Departement ausgesprochenen Vorladung vorgenommen worden. Die Gründe sind vielmehr die: 2 Unterschriften waren durch den Sohn des Wählers, l Unterschrift war durch den Vater, l durch einen Unbekannten und 4 durch unbekannte Drittpersonen abgegeben worden.

d. Streichungen wegen irrtümlicher Angabe des Geburtsjahres.

Es können hier im allgemeinen die gleichen Bemerkungen gelten, wie sie unter der lit. & betreffend Verschiedenheit der Vornamen gemacht worden sind, und einfach darauf hingewiesen werden, daß das Gesetz ausdrücklich die Annulation vorschreibt.

Die folgenden Beispiele mögen die Wichtigkeit der Vorschrift der Angabe des Geburtsjahres bestätigen : ve.

e.

Dt.

cc .

e.

x.

e, P Es ist bemerkenswert, zu sehen, daß hier nun das Referendumskomite dem Staatsrat einen Vorwurf daraus macht, daß er die Unterschrift des Abgeordneten Châtelain als gültig anerkannt hat, obwohl derselbe als Geburtsjahr 1859 angegeben habe, während sein Geburtsjahr in den öffentlichen Wählerlisten 1856 sei; und das Referendumskornite hat nicht unterlassen, beizufügen, ,,daß der Staatsrat die Unterschrift des Herrn Châtelain, Abgeordneten, als gültig anerkannt hat; wenn er dies aber für ihn getan hat, warum er es nicht auch für andere getan habe?" Der Grund dieses Vorgehens des Staatsrates war der, daß der Staatsrat zwar nicht gewußt hat, daß es sich um die Unterschrift des Abgeordneten Châtelain handelte, sondern daß er, was wiederum die Sorgfalt in der Führung der Untersuchung beweist, ein Verzeichnis der Zählung vom Jahr 1903 zur Hand hatte, auf welchem dieser Fehler vermerkt war, und auf Grund welchen Verzeich-

42 nisses von Amtes wegen in der vorschriftsmäßigen Zeit eine Korrektur auf den öffentlichen Wählerlisten vorgenommen worden wäre.

Auf den weitern Vorwurf, daß der Staatsrat die Verschiedenheit in den Angaben über den Beruf nicht als Kassationsgrund betrachtet hat, braucht der Staatsrat nicht einzutreten, nachdem die Rekurrenten selbst darauf hingewiesen haben, daß man den Beruf ändern kann, während man Vorname und Geburtsjahr nicht ändern kann. Auch in dieser Frage der Würdigung der Unterschriften hat sich der Staalsrat eben einfach weitherzig und billig gezeigt.

e. Streichungen der Unterschriften von Wählern, die nicht in der Gemeinde gezeichnet haben, wo sie Wähler sind.

Wenn man in einer ändern Gemeinde als derjenigen, wo man als Stimmberechtigter eingetragen ist, nicht abstimmen und wählen kann, so kann man auch nicht seine Referendumsstimme in einer ändern Gemeinde abgeben als in derjenigen, wo man als Stimmberechtigter eingetragen ist, denn das Referendumsrecht ist ein Teil der politischen Rechte der Bürger. Das ist das Prinzip des Organisationsgesetzes, das nichts Verfassungswidriges an sich hat.

Der Berichterstatter über den Gesetzeseotwurf hat sich folgendermaßen über diese Vorschrift des Art. 4, Absatz l, des Organisationsgesetzes ausgedrückt. ,,Der Artikel bezeichnet den Ort, wo die Bürger ihre Unterschrift abgeben müssen. Es war absolut notwendig, einen festen Grundsatz aufzustellen, nämlich, daß man nur in der Gemeinde seine Unterschrift abgeben kann, in welcher man seine politischen Rechte ausübt, da es die Behörde dieser Gemeinde ist, welche die Ausübung des Stimmrechtes überwacht und die Unterschriften beglaubigt, und keine andere besser in der Lage wäre, es zu tun. tt Die Rekurrenten heben hier den Fall des Advokaten Walter Bouvier hervor, der in Onex unterschrieben hat, und dessen Unterschrift annulliert worden ist, weil er als Wähler iu der Stadt eingeschrieben war. Abgesehen davon aber, daß auf die Beschwerde nur dann eingetreten werden könnte, wenn Advokat W. Bouvier selbst gegen die Verfügung des Staatsrates Beschwerde erhoben hätte, was nicht der Fall ist, muß darauf hingewiesen werden, daß die Mutationen in den Wählerlisten jeweilen nur auf den 31. März jeden Jahres vorgenommen werden. Obwohl daher Herr Bouvier verlangen konnte, nach Verlegung seines Domizils nach Onex, dort als Wähler eingetragen zu werden, behielt er nichts destoweniger alle seine politischen Rechte bis zum 31. März 1904 in der Stadt.

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Wenn somit alles zusammengefaßt wird, so kann der Schluß nur lauten : Entweder Nichteintreten wegen mangelnder Beschwerdelegitimation der Rekurrenten, oder aber Abweisung, weil keine Verletzung verfassungsmäßiger Rechte der Bürger vorliegt, vielmehr vom Staatsrat ein seit 1879 in Kraft bestehendes Gesetz ordnungsgemäß angewendet worden ist.

Zum Schluß noch eine Bemerkung : Ohne im mindesten die Ehrenhaftigkeit des Beginnens zu verneinen, die Anerkennung verfassungsmäßiger Rechte verteidigen zu wollen, die man durch eine Regierungsmaßnahme verletzt behauptet, muß man sich doch fragen, ob diese Fürsorge im vorliegenden Falle nicht dem Wunsche einer leeren und durchaus fruchtlosen politischen Propaganda Platz gemacht hat. Was zu dieser letztern Annahme leitet, ist der Umstand, daß die Rekurrenten sich um die Folgen nicht gekümmert haben, welche die Gutheißung des Rekurses, wenn dies wirklich geschehen sollte, mit sich führen würde. Um diese Folgen vom Lande abzuwenden, haben die Rekurrenten nicht einmal bei den Bundesbehörden das Gesuch um vorläufige Suspension des Gesetzes vom 10. Februar 1904 verlangt, das sie als verfassungswidrig anfechten. Es ist aber immerhin gut, so unmöglich auch eine Gutheißung des Rekurses erscheinen mag, sich die Konsequenzen des Zuspruches des Rekurses vor Augen zu stellen : 1. Alle Urleile der Zivil- und Strafgerichte wären aufgehoben, d. h. cirka 1150 Zivilurteile, und die Urteile von 7 Sessionen des Strafgerichtes, sowie alle Urteile des Polizeigerichtes.

2. Welche Maßnahmen müßten getroffen werden zur Entschädigung der ungerecht verurteilten Personen ?

3. Keine Behörde ist mehr seit dem neuen Gesetz vereidigt worden, und es haben die Richterneuwahlen stattgefunden; die Verfügungen aller-dieser Behörden wären also nichtig, etc.

Es muß also gesagt werden, daß die Rekurrenten sich nicht gescheut haben, Verwirrung in die Anwendung eines wohlüberlegt ausgearbeiteten Gesetzes zu bringen, unentwirrbare Komplikationen bei der Verwaltung der Rechtspflege zu schaffen, den normalen und regelmäßigen Gang derselben anzuhalten, mit einem Wort, die Anarchie in die öffentliche Verwaltung zu tragen, und alles dies zum Schaden der Bevölkerung und des Staates und zum Nutzen von niemandem.

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IV.

Das Bundesgericht hat sich mit Urteil vom 5. Mai 1904 über die gleichlautend bei ihm eingereichte Beschwerde der Henri Duaime und Genossen inkompetent erklärt, indem es von folgenden Erwägungen ausging.

1. Alle von den Beschwerdeführern vorgebrachten Beschwerdepunkte betreffen die politische Stimmberechtigung der Bürger oder die kantonalen Wahlen und Abstimmungen. Art. 189, Absatz 4r des Organisationsgesetzes betreffend die Bundesrechtspflege bestimmt, daß die auf diese Materien bezüglichen Rekurse auf Grundlage des kantonalen Verfassungsrechtes und des einschlägigen Bundesrechtes der Entscheidung des Bundesrates und der Bundesversammlung unterstehen.

2. Wenn auch die vorgenannte Bestimmung weder den Begriff der politischen Stimmberechtigung des Bürgers noch den der kantonalen Wahlen und Abstimmungen näher definiert, so deutet doch schon die allgemeine und vorbehaltslose Zuweisung dieser Gegenstände an die administrativen Bundesbehörden auf die Absicht des Gesetzgebers, die Kompetenz des Bundesrates in seiner Eigenschaft als politischer Behörde zu begründen (vgl. u. a. Beschluß des Bundesrates in Sachen E. Mettler-Baumgartner vom 3. Mai 1901; Bundesbl. 1901, III, 305 u. ff.; Entscheide des Bundesgerichtes in derselben Sache vom 6. Februar 1901 und in Sachen Zurfluh und Mithafte contra Uri; Entscheide, XXVII, 488 ff.). Im Spezialfalle ist mit dem Entscheid vom 3. Mai 1901 anzunehmen, daß ein Referendumsbegehren in engem Zusammenhange mit dem politischen Stimmrecht steht, daß ein solches Begehren als eine Art der Ausübung des Stimmrechtosderjenigen Personen anzusehen ist, von denen es ausgeht, und daß eine Rückweisung eines formgültigen und in der gesetzlichen Frist eingereichten Referendumsbegehrens eine Verletzung der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des politischen Stimmrechtes des Bürgers bildet. Unerheblich mit Beziehung, auf die Kompetenzfrage ist, daß die meisten der Beschwerdepuukte sich auf Formverletzungen oder Verfassungsverletzuugen beziehen, welche Fristen und Termine beschlagen; trotzdem ist nicht zu bestreiten, dati alle diese Beschwerdepunkte sich auf das Stimmrecht und auf eine kantonale Abstimmung beziehen, so daß sie gemäß dem Art. 189 des zitierten Bundesgesetzes der Kompetenz des Bundesgerichtes entfallen und ausschließlich in diejenige des Bundesrates, gehören.

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B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: I.

Die Rekurrenten Henri Duaime und Genossen verlangen ·vom Bundesrat die Aufhebung der unter Ziffer I, lit. a--c, der tatsächlichen Feststellungen dieses Beschlusses angeführten 3 Verfügungen des Staatsrates des Kantons Genf, einer vom 19. Februar 1904 und zweier vom 29. März 1904, indem sie als verfassungswidrig bezeichnen : erstens, daß der Staatsrat durch die beiden ersten Verfügungen, entgegen den klaren Vorschriften des Verfassungsgesetzes des Kantons Genf über das fakultative Referendum vom 25. Mai 1879 und des genferischen Organisationsgesetzes über die Ausübung des Referendums vom 25. Mai 1879 die Wähler an der Ausübung ihres Referendumsrechtes verhindert habe, da laut diesen Erlassen die Referendumsfrist 30 Tage, vom Tage nach der Publikation an gerechnet, betrage, die 30 Tage aber vom Tage nach der Publikation des Gesetzes vom 10. Februar 1904 an gerechnet, nicht am 20., sondern am 21. März 1904 abgelaufen seien; zweitens, daß der Staatsrat durch die dritte Verfügung, d.h.

diejenige Verfügung vom 29. März 1904, welche im genferischen Amtsblatt vom 29. März 1904 an zweiter Stelle veröffentlicht worden ist, wiederum unter Verletzung der Vorschriften der beiden genannten Gesetze und unter Verletzung der Rechtsgleichheit Referendumsunterschriften annulliert, und daß er Referendumslisten, die nach dem 20. März 1904 bei der Staatskanzlei ·des Kantons Genf eingereicht worden waren, nicht berücksichtigt, und die Einreichung weiterer Listen bei derselben verhindert habe.

II.

1. Die Beschwerde ist hinsichtlich aller drei angefochtenen Beschlüsse rechtzeitig, innert der Frist von 60 Tagen seit der im Amtsblatt des Kantons Genf erfolgten Veröffentlichung derselben eingereicht worden.

2. Die Kompetenz des Bundesrates zur Entscheidung der aufgeworfenen Rechtsfragen ist gegeben.

Während aber der Umfang der Entscheidungskompetenz gegenüber jedem einzelnen Beschwerdepunkt erst bei der Prüfung im einzelnen festgesetzt werden kann, ist hier, was für alle Beschwerdepunkte gemeinsam gilt, vorauszuschicken:

46

Art. 189 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspüege vom 22. März 1893 teilt im vorletzten Alinea der Entscheidungsbefugnis der politischen Bundesbehörden zu die Beurteilung von Beschwerden betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und betreffend kantonale Wahlen und Abstimmungen, auf Grundlage sämtlicher einschlägigen Bestimmungen des kantonalen Verfassungsrechts und des Bundesrechts.

Im vorliegenden Falle handelt es sich um eine Entscheidung über die Beeinträchtigung des Referendumsrechtes der Bürger.

Dieses Recht der Bürger besteht darin, daß eine verfassungsmäßig bestimmte Zahl von Stimmberechtigten eine Willenserklärung abgibt, wonach über ein von der gesetzgebenden Behörde erlassenes Gesetz eine Abstimmung aller Bürger stattfinden soll. Die Abgabe der Willenserklärung geschieht, nicht wie bei der Volksabstimmung, zu bestimmter Zeit und an einem bestimmten Ort, sondern sie erfolgt während einer Frist unter bestimmten Formen, welche sich auf die Abgabe der Unterschrift und die Beglaubigung beziehen. An sich aber hat die Ausübung des Referendums große innere Verwandtschaft mit einer Abstimmung, die sich besonders auch darin zeigt, daß sie ein direkter Ausfluß und eine direkte Betätigung der allgemeinen Stimmberechtigung ist (vgl. Entscheidung des Bundesrates vom 3. Mai 1901 in Sachen Mettler in St. Gallen, Bundesbl. 1901, III, 305 ff., und Urteil des Bundesgerichtes vom 5. Mai 1904 in der vorliegenden Streitsache). Mag man nun das Referendumsbegehren als eine Ausübung des Stimmrechtes oder geradezu als eine Volksabstimmung besonderer Art bezeichnen, in jedem Falle ist die Kompetenz des Bundesrates gegeben, wenn in einer Beschwerde Verletzung der auf die Ausübung dieses Rechtes bestehenden verfassungsrechtlichen Bestimmungen behauptet wird.

3. Zur Erhebung einer solchen Beschwerde ist, da es sich bei Stellung eines Referendumsbegehrens um Ausübung und Wirkung des Stimmrechtes handelt, jeder stimmfähige Bürger legitimiert.

Der Staatsrat des Kantons Genf hat die Legitimation der Rekurrenten aus dem Grunde beanstandet, weil diejenigen Rekurrenten (7 an Zahl), die tatsächlich ihre Stimme für das Referendumsbegehren abgegeben haben, und deren Unterschrift vom Staatsrat nicht annulliert worden sei, in ihrem Rechte durch keine der angefochtenen Verfügungen des
Staatsrates beeinträchtigt worden seien ; weil forner diejenigen zwei Rekurrenten (Trösch, Louis, und Huber, Oskar) deren für das Referendumsbegehren abgegebene Unterschriften vom Staatsrat annulliert worden sind, nur insofern als verletzt betrachtet werden könnten, als ihre Unter-

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Schriften durch den Staatsrat nichtig erklärt worden seien; und weil endlich der letzte der Rekurrenten, Dupuis, Jacques, dessen Unterschrift auf keiner Referendumsliste figuriert, überhaupt durch keine das Referendum betreffende Verfügung der Obrigkeit habe verletzt werden können, da er zur Zeit der Referendumsinitiative, d. h. bis zum Ablauf der Referendumsfrist, noch gar keine politischen Rechte besessen habe, die Stimmberechtigung vielmehr erst am 25. Mai erlangt habe.

Art. 178 des oben zitierten Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege bestimmt bezüglich der Legitimation zur Erhebung staatsrechtlicher Beschwerden in Ziffer 2 : Das Recht zur Beschwerdeführung steht Bürgern (Privaten) und Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen zu, welche sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich betreffende Verfügungen oder Erlasse erlitten haben. Auf Grund dieser Bestimmung ha der Bundesrat in seiner Rekurspraxis betreffend kantonale Wahlen und Abstimmungen die Beschwerdelegitimation stets in dem Sinne aufgefaßt, daß nicht nur derjenige, welcher sich nachweislich an einer Wahl oder Abstimmung beteiligt hat, sondern überhaupt jeder bei der Wahl- oder Abstimmungsverhandlung stimmfähige Bürger als zur Anfechtung der Verhandlung oder eines dieselbe aufhebenden Erlasses legitimiert betrachtet wurde. Der Bundesrat anerkannte damit, daß das erhebliche Interesse des Stimmberechtigten sich nicht in der Abgabe und der Anerkennung seiner Stimme erschöpfe, vielmehr sich auf die Aufrechterhaltung des Wahl- resp. Abstimmungsresultates erstrecke. Ganz gleich ist im vorliegenden Falle, wo es sich um die Frage der Aufrechterhaltung eines Referendumsbegehrens, d. h. einer Abstimmung (im engern Sinne) handelt, zu sagen, daß jeder stimmfähige Bürger, eben kraft dieser seiner Eigenschaft ein vom Bundesrecht anerkanntes und von der Behörde zu schützendes Interesse daran hat, daß entschieden werde, ob. das Referendumsbegehren zu stände gekommen sei oder nicht (vgl. Bundesratsbeschluß vom 26. Juli 1902 in Sachen G. Senften, Bundesbl. 1902, IV, 93 ff. u. a., und Bundesratsbeschluß vom 3. Mai 1901, siehe oben, insbesondere Seite 320). Da nun, mit Ausnahme des Dupuis, Jacques, der erst mit dem 25. Mai 1904 die Stimmfähigkeit erlangt hat, die sämtlichen Beschwerdeführer bis zum Ablauf der
Referendumsfrist, dem 20. resp. 21. März 1904, im Kanton Genf stimmberechtigt waren, so ist ihre Beschwerdelegitimation, mit Ausnahme des Jacques Dupuis für alle Beschwerdepunkte anzuerkennen.

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m.

1. Die Rekurrenten haben, wie oben dargestellt, die Verfügung des Staatsrates des Kantons Genf vom 19. Februar 1904 betreffend die Publikation des Gesetzes vom 10. Februar 1904 aus dem Grunde angefochten, weil die Regierung die Frist zur Geltendmachung des Referenduaisbegehrens anstatt als am 21. März 1904 am 20. März 1904 abgelaufen erklärt, und damit stimmberechtigte Bürger an der Ausübung ihres verfassungsmäßigen Stimmrechtes verhindert habe.

Durch den Beschluß vom 19. Februar 1904 ist nun in einem ersten Teil die Veröffentlichung des Gesetzes vom 10. Februar 1904 verfügt, und in einem zweiten den Wählern ,,kund getan" worden, daß die Referendumsfrist gegen dieses Gesetz am 20. März 1904 ablaufe. Die Rekurrenten fechten nun die V e r ö f f e n t l i c h u n g des Gesetzes vom 10. Februar 1904 im Erlaß vom 19. März 1904 nicht als verfassungswidrig an; durch den z w e i t e n T e i l des Erlasses vom 19. März 1904 aber konnten Rechte der Stimmberechtigten nicht beeinträchtigt werden, weil dieser Teil des Erlasses eine bloße Mitteilung enthält, an welche keine Rechtsfolgen geknüpft waren. Denn ob der Staatarat die Fristberechnung dieser Bekanntmachung später seiner Feststellung der Zahl der gültigen Referendumsunterschriften zu gründe legen wollte, konnte man damals nicht wissen, und hat der Staatsrat damals jedenfalls noch nicht entschieden. Die einzige t a t s ä c h l i c h e Folge, welche die Mitteilung des Staatsrates möglicherweise gehabt hat, konnte, wie der Staatsrat mit Recht sagt, bei dem langen Termin von 30 Tagen höchstens die sein, daß, falls die Festsetzung des Endtermines auf den 20. falsch war, die Bürger zur Eile bei der Abgabe der Referendumsunterschriften angespornt wurden. Wie richtig dies ist, zeigt die Tatsache, daß das Referendumskomitee selbst sich durch die Publikation des Staatsrates nicht abhalten ließ, Referendumslisten auch am 21., ja sogar noch am 22. März 1904 bei der Staatskanzlei des Kautons Genf abzugeben.

Es trifft also nicht zu, daß durch die Verfügung vom 19. März 1904 die Bürger in der Ausübung ihres Referendumsrechtes verhindert worden seien, ob nun die darin enthaltene Fristberechnung richtig war oder nicht. Das darauf gestutzte Begehren um Aufhebung dieser Verfügung ist demgemäß unbegründet.

2. Die Verfügung des genferischen Staatsrates vom 29. März 1904 betreffend die Promulgation und Inkraftsetzung des Gesetzes vorn 10. Februar 1904 wird von den Rekurrenten, wie sie sagen,

49 aus dem gleichen Grunde angefochten wie die Verfügung vom 19. März 1904.

Insofern nun die Rekurrenten damit die Behauptung aufstellen, als seien durch diesen Erlaß gleich wie durch denjenigen vom 19. März 1904 Bürger verhindert worden, ihre Unterschrift rechtzeitig abzugeben, so erweist sich ihre Beschwerde als grundlos schon aus der Erwägung, daß der hier angefochtene Erlaß vom 29. März stammt, und am 30. des gleichen Monats veröffentlicht worden ist, die Rekurrenten selbst aber als letzten Termin für die Abgabe von Referendumsunterschriften den 21. März 1904 bezeichnen.

Wollen aber die Rekurrenten, veranlaßt durch den äußerlichen Umstand, daß der Staatsrat seinem Promulgationserlaß die ^Erwägung* vorangestellt hat, ,,daß die Frist von 30 Tagen seit der Veröffentlichung, am 20. März 1904 abgelaufen seitt, die Kassation von Stimmen anfechten, die tatsächlich für das Referendumsbegehren abgegeben worden sind, so fällt ihr Beschwerdegrund zusammen mit dem, was sie gegenüber der dritten Verfügung des Staatsrats betreffend Festsetzung der Zahl der gültigen Referendumsunterschriften vorgebracht haben. Eine Prüfung dieser Frage an d i e s e m Orte, d. h. bei Anlaß der Untersuchung der Verfassungsmäßikeit der letztgenannten Verfügung, ist dann aber um so mehr angebracht, als nicht nur die Festsetzung der Zahl der rechtzeitig abgegebenen Stimmen hier der Gegenstand einer besondern Verfügung über die Anerkennung der Referendumsabstimmung als Ganzes ist, sondern als auch erst hier, in Zusammenhang mit den übrigen Anfechtungsgründen, die Tragweite der Frage geprüft werden kann, ob, im Falle sich die Referendumsfrist tatsächlich bis zum 21. März 1904 erstreckte, dieser Umstand an sich oder in Verbindung mit ändern die Annullierung der Referendumsabstimmung und die Anordnung einer zweiten Referendumsabstimmung zu bewirken vermag. Von der Beantwortung ·dieser Frage wird es dann abhängen, ob die Promulgation und Inkraftsetzung des Gesetzes vom 10. Februar 1903 durch die Verfügung des genferischen Staatsrates vom 29. März 1904 verfassungswidrig war oder nicht.

3. Den der Reihenfolge der Publikation nach dritten Erlaß des genferischen Staatsrates, nämlich die Verfügung vom 29. März 1904 ,,betreffend die Festsetzung der Zahl derjenigen Unterschriften, die zu gunsten eines Begehrens um eine Referendumsabstimmung
über das Gesetz vom 10. Februar 1904 gültig abgegeben worden sind", haben die Rekurrenten zunächst wegen Verfassungswidrigkeit der in der Liste des Departements des InBundesblatt. 56. Jahrg. Bd. V.

4

50 nern ausdrucklich genannten Kassationsgrunde a, b, c, d und e angefochten, ferner wegen Annullierung von Referendumsunterschriften, die uach dem 20. März 1904 eingereicht worden seien und endlich wegen Verweigerung der Annahme weiterer Referendumslisten.

Die hier in Betracht fallenden Bestimmungen, deren Verletzung behauptet wird, sind folgende: Verfassungsgesetz des Kantons Genf vom 21. März 1874.

Art. 21. Les citoyens âgés de 20 ans révolus ont l'exercice des droits politiques, à moins qu'ils ne se trouvent dans un des cas d'exclusion prévus par les trois articles suivants . . . .

Verfassungsgesetz des Kantons Genf über das fakultative Referendum vom 25. Mai 1879: Art. 1er. Les lois ou arrêtés législatifs votés par le Grand Conseil, sont soumis à la sanction du peuple lorsque le referendum est demandé par 3500 électeurs au moins, dans le cours des 30 jours qui suivent celui de la publication de ces lois ou arrêtés.

Art. 4. Dans le cas où le chiffre de 3500 signatures valables est atteint, le Conseil d'Etat soumet, dans un délai maximum de 40 jours à partir de l'expiration du premier délai, la loi ou l'arrêté législatif à la votation populaire.

Organisationsgesetz des Kantons Genf über die Ausübung des Referendumsrechtes vom 25. Juni 1879: Art. 1er. Les lois et arrêtés législatifs sont publiés par le Conseil d'Etat dans la Feuille d'Avis, dès qu'ils lui ont été transmis par le bureau du Grand Conseil.

La demande de referendum doit être formulée dans les trente jours qui suivent cette publication.

Art. 3. Tout électeur qui appuie la demande de referendum doit la signer personnellement, en indiquant ses prénoms, son domicile, l'année de sa naissance et sa profession.

Celui qui écrit une autre signature que la sienne, qui signe pour un tiers ou qui signe plus d'une fois, est passible d'une amende qui peut s'élever à cent francs, sans préjudice de peines plus fortes en cas de faux.

Art. 4. L'électeur doit donner sa signature dans la commune où il est inscrit comme tel.

L'autorité communale certifie en temps utile l'inscription des signataires sur les tableaux électoraux.

Cette attestation se fait au bas de chaque liste et sans frais.

Les listes demandant le referendum peuvent être déposées dans les mairies.

51 Art. 5. Les listes doivent être adressées le trentième jour au plus tard au Conseil d'Etat, qui examine si elles répondent aux exigences de la loi.

Le Conseil d'Etat annule les signatures qui ne sont pas conformes aux prescriptions des articles précédents, et arrête le nombre des signatures valables pour chaque commune.

Den Kassationsgründen des Staatsrates im Beschluß vom 29. März 1904 folgend, ergibt die materielle Prüfung: a. Der Staatsrat hat in erster Linie 140 Unterschriften als ungültig erklärt, weil dieselben, wie die erste Rubrik der vom Departement des Innern aufgezählten Liste lautet, von ,,non-électeurs"' abgegeben worden seien. Aus der Rekursbeantwortung ist zu entnehmen, daß der Staatsrat diejenigen als ,,non-électeurs1* bezeichnet hat, deren Name nicht auf den Wählerlisten steht, und daß der Staatsrat sein Vorgehen auf Art. 4, Absatz l, des genferischen Organisationsgesetzes stützt, wonach der Wähler seine Stimme in der Gemeinde abgeben müsse, wo er als solcher eingetragen sei, sowie auf Art. 5, Absatz 2, leg. cit., welcher den Staatsrat zur Kassierung der den Vorschriften dieses Gesetzes nicht entsprechenden Referendumsunterschriften verhält.

Dagegen berufen sich die Rekurrenten auf die oben wiedergegebeue Vorschrift des Art. 21 der Kantonsverfassung, laut welcher jeder Wähler sei, welcher das 20. Altersjahr erreicht hat; an diese Vorschrift hätte sich der Staatsrat bei der Prüfung der Referendumsunterschriften halten sollen, insbesondere da ja laut Art. 30, Absatz 2, des genferischen Wahlgesetzes sogar der nicht eingetragene Wähler zu Wahlen und Abstimmungen zuzulassen sei.

Es wird hier, auch seitens der Rekurrenten, nicht behauptet, daß der Staatsrat eine Verletzung von Vorschriften des genferischen Organisationsgesetzes über das fakultative Referendum begangen habe, indem er Unterschriften wegen des Mangels der Eintragung ihrer Träger in die Wählerlisten annulliert habe. Was somit der Bundesrat gemäß dem ihm im Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege zugewiesenen Kompetenzkreis zu entscheiden hat, ist das, ob %eine Verletzung des Art. 21 der K a n t o n s v e r f a s s u n g darin zu erblicken ist, daß der Staatsrat die in der Referendumsinitiative abgegebenen Unterschriften aus dem Grunde kassiert hat, weil eine formelle Voraussetzung, welche zwar durch
Gesetz aufgestellt, aber in jenem Artikel der Kantonsverfassung nicht vorgesehen ist, nämlich die Eintragung der Stimmberechtigten in die öffentlichen Wählerlisten, nicht erfüllt war.

Diese Frage ist zu verneinen. Wenn die genferische Kantonsverfassung hinsichtlich des Stimm- und Wählrechtes der Bürger

52 ausschließlich den Satz enthält, daß jeder Bürger mit dem vollendeten 20. Altersjahr die politischen Rechte ausüben kann, so ist die Geltendmachung dieser Rechte doch unter allen Umständen, ob dies nun ausdrücklich gesagt wird oder nicht, an die notwendige Voraussetzung geknüpft, daß sich der Bürger ^über seine Stimmberechtigung gehörig ausgewiesen hat" (vgl. Bundesverfassung, Art. 43). Nun ist aber die behördliche Eintragung in die öffentlichen Stimmregister nichts anderes als die Bescheinigung über die Leistung des Nachweises der Stimmberechtigung, d. h. des Ausweises darüber, daß das betreffende Individuum das in der Verfassung vorgeschriebene Alter erreicht hat und Sehweizerbürger ist. Die als Bedingung zur Ausübung der politischen Rechte gestellte Forderung der Eintragung in ein öffentliches Wählerregister bedeutet also an s i c h durchaus keine Beeinträchtigung der politischen Rechte. Vgl. Beschluß des Bundesrates vom 11. November 1895 i. S. Louis Chappuis und Genossen (Bundesbl.

1895, IV, 83, 1896, II, 44; v. Salis Bundesrecht, zweite Auflage, Band III, Nr. 1175, S. 298).

Was nun für die Betätigung des Wahl- und Abstimmungsrechtes im allgemeinen gilt, gilt im besondern von der Betätigung des Bürgers bei der Referendumsabstimmung, ganz abgesehen davon, daß in Art. 5 des genferischen Verfassungsgesetzes vom 25. Mai 1879 die vom Staatsrat angerufenen Bestimmungen des Organisationsgesetzes als Ausführungsbestimmungen zur Organisation des fakultativen Referendums noch ausdrücklich vorbehalten sind. Dieser Artikel lautet: La loi règle tout ce qui concerne l'exécution de la présente loi constitutionnelle.

Der Hinweis der Rekurrenten auf Art. 30, Absatz 2, des genferischen Wahlgesetzes, durch welchen das von den Beschwerdeführern behauptete Prinzip der Anerkennung der Stimmrechte der Bürger ohne Eintragung in Wählerlisten sanktioniert werden soll, wird dadurch hinfällig, daß dieser Artikel für die Zulassung zu einer Wahl oder Abstimmung ohne vorgängige Eintragung in die Wählerlisten anstatt der gewöhnlichen, ordentlichen Bedingungen für die Eintragung die Erfüllung von außerordentlichen und schweren Bedingungen verlangt, die dahin gefaßt sind : Art. 30. Ont seuls le droit de voter les citoyens dont les noms se trouvent inscrits sur les tableaux électoraux arrêtés la veille de l'élection,
à midi, et affichés conformément aux dispositions de la présente loi.

Toutefois, si un électeur a été rayé par suite d'une erreur matérielle, il pourra voter, à la condition de se présenter au Grand Bureau, accompagné de deux électeurs garantissant son identité

53 et son domicile, et, en matière fédérale, sa résidence dans le canton. Ces deux électeurs et le réclamant signeront la déclaration. Les Suisses d'autres cantons devront, en outre, présenter leurs papiers de légitimation (permis de séjour ou d'établissement).

Muß somit die Behauptung zurückgewiesen werden, als habe im vorliegenden Fall der Staatsrat schon durch die bloße Aufstellung der Forderung der Eintragung in die Wählerlisten eine Verletzung der Kantonsverfassung begangen, so ist noch die Behauptung zu prüfen, es seien zwei Bürger, namens Trösch und Huber, willkürlicherweise nicht in die Wählerlisten eingetragen und von der Abstimmung über die Referendumsinitiative ausgeschlossen worden, und daß ferner eine Überprüfung der übrigen 138 Annullierungen, die wegen Mangels der ,,Wählereigenschafttt der Unterzeichner vorgenommen worden seien, das nämliche Resultat ergeben würde.

Nun wird von keinem einzigen der 140, deren Referendumsunterschrift kassiert worden ist, behauptet, er sei in die Wählerlisten eingetragen gewesen und ebensowenig, es hätte irgend einer derselben Schritte getan, um auf dem ordentlichen Wege, welcher in den Art. 16 fi. des genferischen Wahlgesetzes vorgeschrieben ist, die Eintragung in die Wählerlisten zu verlangen. Nachdem aber einmal die Eintragung an sich als notwendige Voraussetzung der Stimmberechtigung anerkannt ist, kann die Kassierung der Unterschrift jener, die möglicherweise Stimmberechtigung hätten erlangen können, nicht als willkürlich und verfassungswidrig bezeichnet werden. Hinsichtlich des Falles Huber kommt noch dazu, daß dem Huber die Eintragung in die Stimmregister aus den bereits oben II, Ziffer 3, dieser Erwägungen angeführten Gründen hätte verweigert werden müssen.

b. Der zweite, auf der Liste des Departements des Innern angegebene Kassationsgrund, welcher 8 Unterschriften betrifft, liegt in der Verschiedenheit der auf den Referendumslisten angegebenen Vornamen gegenüber den Vornamen auf den Wählerlisten.

Die Rekurrenten haben den Kassationsgrund angefochten, weil das Verfassungsgesetz über das fakultative Referendum den Mangel der Angabe des Vornamens, resp. die Angabe eines falschen Vornamens nicht als Kassationsgrund kenne, weil auch das Organisationsgesetz betreffend das fakultative Referendum einen solchen Kassationsgrund nicht kenne, und weil
da, wo ein Fehler vorlag, der Staatsrat den unter a zitierten Art. 30, Absatz 2, des genferischen Wahlgesetzes analog hätte zur Anwendung bringen können und die abgegebenen Unterschriften hätte berichtigen sollen.

54 Der Staatsrat hat sich in der Rekursbeantwortung darauf beschränkt, darzutun, daß in den in Betracht kommenden 8 Fällen tatsächlich die Vornamen der Referendumsunterzeichner nicht mit den Vornamen der auf den Wählerlisten eingetragenen Wähler übereinstimmten.

Aber auch vom prinzipiellen Standpunkt der Rekurrenten aus kann das Vorgehen des Staatsrates nicht als verfassungswidrig bezeichnet werden. Soweit die Rekurrenten nicht Bestimmungen der kantonalen Verfassung angerufen haben, kann der Bundesrat die erhobenen Beschwerdepunkte nur auf eine Verletzung von Art. 4 der Bundesverfassung, nämlich auf das Vorhandensein einer willkürlichen oder rechtsungleichen Gesetzesinterpretation oder Gesetzesanwendung prüfen.

Eine Verletzung der Bundesverfassung kann nun aber jedenfalls dem Staatsrat nicht vorgeworfen werden, wenn er die Bestimmung des Art. 30, Absatz 2, des genferischen Wahlgesetzes nicht analog angewendet hat, denn diese Ausnahmebestimmung schließt selbst in den Augen des Gesetzgebers eine extensive Interpretation oder analoge Anwendung aus.

Eine Verletzung der Bundesverfassung kann ferner darin nicht erblickt werden, daß der Staatsrat in den Worten des Art. 5, Absatz 2 des Organisationsgesetzes die Aufforderung und den Befehl zur Kassierung derjenigen Unterschriften erblickt, welche nicht jeder einzelnen, in den Art. 3 und 4 enthaltenen Vorschriften, zu welchen auch die Angabe des Vornamens gehört, entsprechen.

Und ebensowenig endlich kann in diesem Vorgehen eine Verletzung des genferischen Verfassungsgesetzes vom 25. Mai 1879 erblickt werden, da dieses, wie bereits oben erwähnt, Ausführungsbestimmungen ausdrücklich vorbehält, da ferner die Angabe des Vornamens den Behörden offenbar eines der sichersten Mittel zur Feststellung der Identität in die Hand gibt, und daher als eine der im Sinne des Verfassungsgesetzes liegenden Ausführungsbestimmungen zu betrachten ist. Endlich bildet die Annullierung der Referendumsunterschriften bei falscher Angabe der Vornamen eines der Mittel der Behörde, das die Kontrollierung der abgegebenen Unterschrift erleichtert und das politische Stimmrecht selbst durchaus nicht beschränkt.

In dem von den Rekurrenten besonders erwähnten und als typisch bezeichneten Fall Duruz, Gustave, tritt zu alledem noch, daß laut Mitteilung des Staatsrates der auf den Wählerlisten
angegebene Vorname des Duruz sein wirklicher Vorname ist, während der von ihm bei der Unterzeichnung der Referendumslisten gebrauchte bloß ein angenommener Vorname ist; ferner, daß

55

Duruz außerdem seine Niederlassung in Genf nicht in der vom Gesetze vorgeschriebenen Weise nachzuweisen vermag.

c. Endlich haben die Rekurrenten noch die Rubrik ,,verschiedene Kassationsgründe"1 angefochten. Sie behaupten, der Staatsrat habe in allen Tällen, wo ihm eine Unterschrift zweifelhaft erschienen sei, die betreffenden Bürger zum Erscheinen vor der Behörde aufgefordert, unter Androhung der Kassierung ihrer Unterschrift im Unterlassungsfalle. Eine solche Androhung aber sei gesetzes- und verfassungswidrig.

Da nun aber die Rekurrenten selbst zugeben, daß keine Unterschrift bloß wegen Ausbleibens auf die behördliche Aufforderung hin kassiert worden ist, was übrigens vom Staatsrat des Kantons Genf bestätigt wird, so fehlt diesem Beschwerdepunkt schon nach der eigenen Eingabe der Rekurrenten der Boden.

d. Laut der Liste des Departements des Innern hat der Staatsrat wegen ,,Verschiedenheit des Geburtsjahres" 16 Unterschriften kassiert, und diese Entscheidung in der Rekursbeantwortung wiederum auf den bereits unter b zitierten Art. 5, Absatz 2, des Organisationsgesetzes, sowie Art. 3 desselben gestützt.

Insofern die Rekurrenten diese Entscheidung deshalb anfechten, weil hier das Organisationsgesetz, ebenso wie die Verfügung des Staatsrates über das Verfassungsgesetz betreffend das fakultative Referendum hinausgehe, ist der Einwand aus den bereits unter b angeführten Gründen zurückzuweisen. Denn einmal kann, wie aus den Erläuterungen des Staatsrates in seiner Rekursbeantwortung noch besonders deutlich erhellt, die Forderung der Angabe des Geburtsjahres keineswegs als überflüssig und der Ausführung des Verfassungsgesetzes über das fakultative Referendum zuwiderlaufend bezeichnet werden, und widerstrebt es daher auch nicht dem Sinne dieses Verfassungsgesetzes, wenn bei falscher Angabe eine Unterschrift nicht anerkannt wird. Zum ändern aber kann jedenfalls Wortlaut und Sinn der vom Staatsrat angerufenen Art. 4 und 5 des Organisationsgesetzes ohne Willkür zu gunsten der von ihm vertretenen Interpretation herangezogen werden.

Die Rekurrenten haben die Verfügung des Staatsrates sodann auch aus dem Grunde angefochten, weil er eine der Unterschriften, welche mit einem falschen, d. h. mit einem von den in den Wählerlisten angegebenen abweichenden Geburtsdatum versehen war, nicht annulliert und sich
damit auch der Willkür schuldig gemacht habe. Auch dieser Vorwurf ist aber nicht begründet, denn es ist aus dem Berichte des Staatsrates über den von den Rekurrenten erwähnten Fall (Châtelaine) zu entnehmen, daß nicht

56 die Angabe des Geburtsjahres Châtelaines auf der Referendumsliste, sondern die Angabe in der Wählerliste falsch war, daß aber bereits im November des Jahres 1903 die Berichtigung des Irrtums durch die Behörden auf dem ordentlichen Wege und auf den ordentlichen Zeitpunkt vorbereitet worden war.

Nach den eigenen Bemerkungen der Rekurrenten über die Notwendigkeit der Angabe des Berufes bei den Unterschriften der Referendumslisten bedarf dieser Punkt keiner Entscheidung durch die Rekursinstanz mehr.

e. Aus den gleichen, unter den vorstehenden lit. b und d angeführten Gründen haben die Rekurrenten auch die Verfügung der Regierung angefochten, wonach 129 Unterschriften deswegen kassiert worden sind, weil die betreffenden Bürger ,,nicht in der Gemeinde ihre Unterschrift abgegeben hätten, wo sie Wähler sind" 5 eine solche Entscheidung, erklären sie, widerspreche in erster Linie dem Verfassungsgesetz und bedeute außerdem auch eine willkürliche Verletzung des Organisationsgesetzes, da laut diesem Gesetze es dem Staatsrat nur zukomme, die abgegebenen Stimmen in einem Beschlüsse, (,,arrêté"-)) festzusetzen, nicht aber, Unterschriften als ungültig zu erklären.

Da nun aber das Organisationsgesetz nicht nur den Befehl an den Staatsrat enthält, die Zahl der g ü l t i g e n Unterschriften festzusetzen, sondern, wie unter lit. ci dargestellt, ausdrücklich sagt, der Staatsrat habe die fehlerhaften Unterschriften zu annullieren, so ist nicht einzusehen, auf was die Rekurrenten ihre Behauptung der Willkür stutzen wollen, und warum hier der Staatsrat geringere Kompetenzen haben solle, als in den unter d dargestellten Fällen. Was aber die Behauptung betrifft, daß das Organisationsgesetz die Annulation nicht habe aussprechen k ö n n e n , ohne mit dem Verfassungsgesetz in Widerspruch zu geraten, so ist auch hier zu sagen, daß die Vorschrift des Art. 4, Absatz l, des Organisationsgesetzes, wonach der Wähler nur da von seinem Referendumsrecht Gebrauch machen könne, wo er als Wähler eingeschrieben ist, in keiner Weise über den Charakter einer Vollziehungsbestimmung zum Ausführungsgesetz über das fakultative Referendum hinausgeht. Die Vorschrift ist vielmehr so sehr überall als eine Notwendigkeit anerkannt, daß in der Regel in den Wahlgesetzen das Stimm- und Wahlrecht des Bürgers an einen bestimmten Kreis gebunden und
auf eine bestimmte Gemeinde beschränkt ist. Die für bestimmte Berufsarten (z. B. Eisenbahnangestellte) und die im Militärdienste befindlichen Bürger bestehenden Ausnahmen haben für den konkreten Fall keine Bedeutung.

57 Mit diesen Erwägungen ist der hier von den Rekurrenten besonders hervorgehobene Fall des Advokaten Walter Bouvier, welcher, wie die Rekurrenten zugeben, in einer ändern Gemeinde seine Unterschrift abgegeben hat als derjenigen, in welcher er als Wähler zur Zeit der Referendumsinitiative eingetragen war, insofern erledigt, als von einem willkürlichen Entzug des Stimmrechtes diesem Wähler gegenüber nicht die Rede sein kann. Der Einwand, Bouvier habe die Veränderung seines Wohnsitzes der Behörde notifiziert, beweist nicht, daß er mit diesem Akte die vom Gesetze verlangten Bedingungen erfüllt hat, um an einem ändern Orte stimmen zu können, und der Staatsrat hat nachgewiesen, daß dies in der Tat nicht der Fall war.

Gegenüber den weitern, in der Liste des Departements des Innern angeführten Kassationsgrilnden haben die Rekurrenten eine Einwendung nur insofern erhoben, als sie nicht anerkennen zu können erklären, daß wirklich 18 Personen ihre Unterschrift zweimal abgegeben hätten, daß tatsächlich ein Minderjähriger unterzeichnet und daß genau 10 Personen nicht selbst ihren Namen auf die Referendumslisten gesetzt hätten. Da sie aber für diese ,,Anfechtung der Zahlen" keine Gründe angeben, so kann ihrem Einwand nicht Folge gegeben werden. Tatsächlich ergeben sich denn auch in den Rekursakten keine Anhaltspunkte für die Annahme, daß die vom Staatsrat angegebeneu Zahlen nicht richtig seien.

Endlich sind noch, obwohl in der Liste des Departements des Innern nicht ausdrücklich genannt, diejenigen Unterschriften nicht berücksichtigt worden, die nach Ablauf der Referendumsfrist bei der Staatskanzlei des Kantons Genf eingereicht worden sind.

Die Rekurrenten haben hier behauptet, erstens habe der Staatsrat die Verfassung verletzt, indem er den Schluß der Referendumsfrist auf den 20. anstatt den 21. März 1904 angesetzt habe; Beweis hierfür sei die oben erwähnte Verfügung vom 29. März 1904 betreffend Promulgation und Inkraftsetzung des Gesetzes vom 10. Februar 1904; zweitens habe der Staatsrat die Bürger an der Einreichung von Referendumsunterschriften verhindert, was die zwischen den Rekurrenten und der genferischen Staatskanzlei gewechselte Korrespondenz beweise. Dem gegenüber hat der Staatsrat, von der Frage, ob die Referendumsfrist am 20. oder am 21. März 1904 abgelaufen sei, abgesehen, erklärt, daß nach
dem 20.. März nicht mehr als 3 Listen eingereicht worden seien, nämlich am 21. März 1904 2 Listen, von welchen eine l Unterschrift, die andere 8 Unterschriften trug,

58 und am 22. März 1904 eine Liste, welche ebenfalls l Unterschrift trug; wenn diese Listen auch zu Unrecht annulliert worden wären, so hätte dies doch auf das Resultat der Abstimmung keinen Einfluß haben können.

Dieser Ansicht ist beizutreten. Wenn der Staatsrat die Behauptung der Rekurrenten nicht bestritten hat, daß in der Zahl der von ihm aïs gültig anerkannten 3432 Unterschriften diejenigen nicht eingeschlossen seien, die nach dem 20. März 1904 eingereicht worden waren, so ist darin die Anerkennung der Richtigkeit der Behauptung der Beschwerdeführer abzuleiten. Es ergibt sich nun aber gerade aus den von den Rekurrenten selbst vorgelegten Korrespondenzen wie aus deren Vervollständigung durch den Staatsrat zur Evidenz, sowohl, daß am 21. März 1904, dem einzigen Tage, welchen die Rekurrenten für die Geltendmachung der Referendumsinitiative in Anspruch nehmen, nicht mehr als 2 Listen mit im ganzen 9 Unterschriften eingereicht worden sind, als auch, daß die Staatskanzlei diese beiden Listen angenommen hat. Dafür, daß sie sich in irgend welcher Weise geweigert hätte, weitere Listen anzunehmen, ist weder in dieser Korrespondenz, noch überhaupt in den Akten ein Beweis zu finden.

Dies um so weniger, als zugestandenermaßen sogar am 22. März 1904 noch von der Staatskanzlei eine Liste angenommen worden ist.

Nun hat der Bundesrat in konstanter Praxis den Satz beobachtet, daß eine Wahl oder Abstimmungsverhandlung dann nicht anzutasten sei, wenn zwar die Verletzung des Stimmrechtes einzelner Bürger nachgewiesen sei, aber auch feststehe, daß die Berücksichtigung der betreffenden Wahlstimmen an dern definitiven Resultat der Verhandlung nichts zu ändern vermöchte. Vgl.

Entscheidung des Bundesrates vom 20. November 1903 in Sachen Meier und Leupi (Bundesbl. 1903, V, 269 ff.), wo die Beschwerde auf Aufhebung einer Gemeinderatswahl vom Bundesrat, trotzdem nachgewiesenermaßen in 3 Fällen die abgegebenen Stimmen zu Unrecht als gültig oder als ungültig erklärt worden waren, von der Rekursinstanz abgewiesen worden ist, weil eben die vorgekommenen Fehler auf das Resultat der Gesamtabstimmung keinen Einfluß hatten. Im vorliegenden Falle können nun höchstens 2 Referendumslisten mit im ganzen 9 Unterschriften in Betracht fallen, die am 21. März 1904 bei der Staatskanzlei des Kantons Genf eingereicht worden sind. Da
aber auch unter Hinzuzählung dieser 9 Unterschriften zu den vom Staatsrat anerkannten 3432 Stimmen die von der genferischen Verfassung für das Zustandekommen des Referendums geforderte Zahl von 3500 Unterschriften nicht erreicht wird, so ist die Frage, ob der Ausschluß der nach dem 20. März 1904 eingereichten Referendumsstimmlisten mit

59 Recht oder Unrecht erfolgt sei, und ob die Befristung des Ijleferendumstermins auf den 20. März 1904 richtig gewesen sei oder nicht, belanglos.

Mit diesem Beschwerdepunkt fällt auch, wie unter 2. ausgeführt, die Anfechtung des Promulgationserlasses des Staatsrates vom 29. März 1904 dahin, und es ist somit das Begehren auf Aufhebung der beiden Verfügungen des Staatsrates des Kantons Genf vom 29. März 1904 abzuweisen.

Demnach wird erkannt: Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B e r n , den 11. Oktober 1904.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Comtesse.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Riiigier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesratsbeschluß über die Beschwerde des Henri Duaime und Genossen, gegen den Staatsrat des Kantons Genf, wegen Verletzung des Stimmrechtes bei Ausübung der Referendumsinitiative. (Vom 11. Oktober 1904.)

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12.10.1904

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