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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche der wegen Übertretung des Bundesgesetzes betr. die Fabrikation und den "Vertrieb von Zündhölzchen bestraften Witwe Augustine Pheulpin in Miécourt (Bern).

(Vom 2. Dezember 1904.)

Tit.

Am 8. September 1904 traf der Grenzwächter Etique zwischen zwei und drei Uhr nachmittags im Walde nahe beim Zollbureau Miécourt den 84jährigen Jean Baptiste Bonvallat, wie er im Begriffe war, 10 Schachteln Phosphorzündhölzchen aus dem Elsaß einzuschmuggeln ; und gegen sechs Uhr abends am gleichen Tag arretierte er in der nämlichen Gegend die Tochter des genannten Bonvallat, Witwe Augustine Pheulpin, als sie 11 Schachteln solcher Ware von der nahen Landesgrenze her in die Schweiz einbrachte. Die Zündhölzchen hatten ein Gesamtgewicht von 3 Kilo. Da es sich herausstellte, daß der greise Bonvallat nicht auf eigene Rechnung gehandelt, sondern lediglich bei dem von seiner Tochter betriebenen Schmuggel mitgewirkt hatte, so wurde mir gegen die letztere ein Strafprotokoll aufgenommen. Der Polizeirichter von Pruntrut verurteilte sie am 24. September 1904 zu Fr. 100 Geldbuße und zur Tragung der Kosten. Die verbotene Ware wurde konfisziert.

Petentin reichte nun zunächst unterm 5. November 1904 ein Begnadigungsgesuch beim Großen Rat des Kantons Bern ein.

An die Bundesbehörden gewiesen, richtete sie sodann mit Eingabe vom 17. November d. J. ein entsprechendes Gesuch an den Bundesrat. Sie bringt vor: Als arme Taglöhnerin ganz auf sich selbst angewiesen, habe sie die Phosphorzündhölzchen einBundesblatt. 56. Jahrg. Bd. VI.

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geschmuggelt, um ihren minderjährigen Kindern Brot zu verschaffen. Sie könne Buße und Kosten nicht bezahlen und ersuche deshalb um gänzlichen oder teilweisen Erlaß der Strafe.

Witwe Pheulpin ist bereits im Frühjahr 1903 wegen Einfuhr verbotener Zündhölzchen bestraft worden, und die Bundesversammlung hat auf ihr Gesuch am 14. April gì. J. die richterliche Strafe auf Fr. 50 ermäßigt. Sie ist nicht gut beleumdet.

Landjäger Le Roy in Miécourt, der am 10. Januar 1903 vom dortigen Gemeinderat mit Beaufsichtigung dieser Person beauftragt wurde, hat laut seinem Rapport festgestellt, daß sie einen schlechten Lebenswandel führt, daß ihr Haus ein Zufluchtsort für Leute von schlechtem Rufe ist, und daß daselbst viel Branntwein getrunken wird. Außer wegen Zündhölzchenschmuggel wurde Witwe Pheulpin wegen öffentlichen Skandals am 19. März 1903 mit Fr. 15 und am 24. Februar 1904 mit Fr. 20 Geldbuße bestraft.

Die Petentin ist der Begnadigung nicht würdig. Sie ist rückfällig geworden, nachdem sie bereits einmal wegen Einführung von Phosphorzündhölzchen bestraft worden ist. Übrigens bestätigt die große Quantität der Ware, welche sich in ihrem Besitze und in demjenigen ihres Vaters vorfand, die schon im frühern Verfahren geäußerte Annahme, daß sie den Schmuggel gewerbsmäßig betreibe. Gegenüber solchen Personen muß mit Strenge eingeschritten werden, um den wohl begründeten Verboten Nachachtung zu verschaffen und die sanitarischen Erfolge der Gesetzgebung zu erreichen.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag : Es sei das Gesuch der Witwe Augustine Pheulpin abzuweisen.

Bern, den 2. Dezember 1904.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Comtesse.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Kingier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche der wegen Übertretung des Bundesgesetzes betr. die Fabrikation und den Vertrieb von Zündhölzchen bestraften Witwe Augustine Pheulpin in Miécourt (Bern). (Vom 2. Dezember 1904.)

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Jahr

1904

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6

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50

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07.12.1904

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417-418

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