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Bundesratsbeschluß über

den Rekurs der Kommanditgesellschaft Meier, Schmid & Cie., die Löschung ihrer Firma im Handelsregister betreffend.

(Vom 31. März 1904.)

Der schweizerische Bundesrat hat

über dea Rekurs der Kommanditgesellschaft Meier, S c h m i d & Cie., die Löschung ihrer Firma im Handelsregister betreffend ; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Unter der Firma ,,Schappe- und Cordonnetspinnerei A.-G. in Altdorf wurde am 9. November 1903 eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Altdorf (Kanton Uri) ins Handelsregister eingetragen, welche den Zweck hat, die der Firma ,,Meier, Schmid & Cie.", Florettspinnerei in Altdorf, gehörigen Etablissemente u. s. f. laut Kaufvertrag vom 1. Oktober 1903 zu erwerben und fortzubetreiben.

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Die Vertretung der Gesellschaft nach außen übt der vom Verwaltungsrat gewählte Direktor aus. Außerdem führen namens der Gesellschaft die rechtsverbindliche Unterschrift, jedoch kollektiv, ein Mitglied des Verwaltungsrates und der Prokurist. Direktor ist Gustav Schmid, von Zürich, zeichnungsberechtigtes Mitglied des Verwaltungsrates: Dr. Alban Müller, von Altdorf, und Prokurist: Benjamin Meier, von Itingen (Basellandschaft), alle in Altdorf und Gesellschafter der Firma Meier, Schmid & Cie. (siehe Schweiz. Handelsamtsblatt vom 12. November 1903, Nr. 421,.

p. 1681, und Amtsblatt des Kantons Uri, vom 19. November 1903, Nr. 47, p. 573/74).

Durch diese Tatsachen hat sich der Regierungsrat des Kantons Uri, als kantonale Aufsichtsbehörde in Handelsregistersachen, veranlaßt gesehen, unter dem 9. Januar 1904 zu beschließen : ,,Die Firma Meier, Schmid & Cie., in Altdorf, wird aufgefordert, innert einer Frist von 3 Wochen dem Handelsregisteramt die Löschung der Eintragung im Handelsregister anzumelden."· Zur Begründung allegierte er die Art. 866 und 875 des Obligationenrechts, und zog in Erwägung, daß laut Vernehmen für den Betrieb der Seidenspinnerei in Altdorf neben der neugegründeten und publizierten Firma ,,Schappe- und Cordounetspinnerei A.-G. in Altdorf auch die alte Firma ,,Meier, Schmid & Cie."1 immer noch fortbestehen soll; daß aber ,,das Etablissement der letztgenannten Firma laut Kaufvertrag schon am 1. Oktober 1903 an die neue Aktiengesellschaft übergegangen und seither die Liquidation der alten Firma wohl möglich gewesen sei.11 II.

Gegen diesen Beschluß hat die Kommanditgesellschaft Meier, Schmid
Zur Begründung ihres Antrages hat sie im wesentlichen folgendes geltend gemacht: Aus dem Amtsblatt des Kantons Uri sei zu ersehen, daß die Firma Meier, Schmid & Cie. zwar allerdings ,,ihr Etablissement"1 an eine Aktiengesellschaft verkauft habe, allein diese habe nicht etwa Aktiven und Passiven der alten Firma übernommen, sondern bloß deren Immobilien nebst Maschinen. Der alten Firma seien nicht nur Warenvorräte, sondern sogar noch Immobilien, die sogenannte Aschwandensche Säge, zur Liquidation verblieben. Eine Liquidationszeit von 3 Monaten sei

631 zur Durchführung der Liquidation eines großen Geschäftes, welches, wie das in Frage stehende, auch außerhalb der Schweiz in weitgehenden Geschäftsverbindungen gestanden habe, viel zu kurz bemessen, um so mehr, als sich unter dem zu liquidierenden Vermögen auch Immobilien befinden. Selbst eine Frist von 6 Monaten wäre im vorliegenden Fall zu kurz bemessen, wenn man in Betracht ziehe, daß die Inhaber der alten Firma auch die Geschäftsführung und Direktion der neuen Aktiengesellschaft übernommen haben,, und daß diese Geschäftsleiter außerdem infolge Neueinrichtungen,.

Vergrößerungen und Neubauten mit Geschäften überhäuft seien.

Rechtlich könne nur die Frage aufgeworfen werden, ob die Firma Meier, Schmid & Cie. von der urnerischen Regierung gezwungen werden könne, sich als ,,Firma in Liquidation" ins Handelsregister eintragen zu lassen, womit dann die alte Firma eo ipso hinfallig würde und gestrichen werden müßte. Jedenfalls wäre aber, auch im Fall diese Frage bejaht werden müßte, die urnerische Regierung nach dem objektiven Recht nicht befugt, eine Liquidationsfrist anzusetzen. Allein auch die Hauptfrage sei zu verneinen. Maßgebend für ihre Beantwortung seien die Art. 611 und 572--589 des Obligationenrechtes. Aus denselben, insbesondere Art. 580, Absatz 3, gehe zur Evidenz hervor, daß die Ernennung von Liquidatoren und damit auch der Eintritt der Liquidation nur dann ins Handelsregister eingetragen werden müsse, wenn dadurch die bisherige Vertretung der Gesellschaft geändert werde. Dies treffe im vorliegenden Fall nicht zu. Die bisherige Gesellschaft bleibe deshalb einfach bis zur Beendigung der Liquidation irn Handelsregister fortbestehen. Sei aber die Liquidation fertig, dann liege es im Interesse der Gesellschafter selbst und des Kommanditärs, die Streichung von sich aus zu verlangen.

Übrigens scheine auch die Regierung von Uri selbst diese rechtliche Auffassung zu teilen, denn sie sage ja in der Begründung ihres in Frage stehenden Beschlusses, es wäre bis dahin genügend Zeit gewesen, die Liquidation der alten Firma durchzuführen ; sie gehe aber zu weit, indem sie glaube, von sich aus eine Frist ansetzen zu dürfen, innert welcher die Liquidation beendet sein müsse, denn es stehe ihr nach geltendem Recht eine solche Befugnis nicht zu; vielmehr hätten ein solches Recht bloß die Gerichte,
falls von denselben Liquidatoren eingesetzt worden wären.

Ihre gesamten Ausführungen resümiert die Rekurrentin dahin: ,,Nach Art. 580 des Obligationenrechtes kann die Firma Meier, Schmid & Cie. bis nach Erledigung der Liquidation ohne Änderung im Handelsregister verbleiben, da keine Änderung der bis-

632 herigen Vertretung der Gesellschaft erfolgt ist. Die Regierung von Uri hat kein gesetzliches Recht, die Zeit der Liquidation zu verkurzen. Unsere schweizerische Gesetzgebung schreibt über die Zeitdauer der Liquidation nichts vor und handelt hierin ganz sachgemäß, indem es unmöglich wäre, diesbezüglich eine allgemeine Norm aufzustellen.11 Zum Beleg für die Richtigkeit ihrer rechtlichen Beurteilung verweist sie auf die Ausführungen von A. Curti, in seinem ,,Schweizerischen Handelsrecht", p. 251 ff. und 255.

III.

Zur Vernehmlassung eingeladen, hat der Regierungsrat des Kantons Uri unter dem 29. Februar 1904 Abweisung des Rekurses, beziehungsweise Bestätigung seines Beschlusses vom 9. Jauuar 1904 beantragt, und zur Begründung im wesentlichen folgendes mitgeteilt: Er habe, gestützt auf die Art. 866 und 875 des Obligationenrechtes, die alte Firma Meier, Schmid & Cie. deshalb um Löschung ihrer Firma im Handelsregister ersucht, weil er angenommen habe, ,,daß gemäß dem allegierteu Kauf das ganze Geschäft der alten Kommanditgesellschaft an die neue Aktiengesellschaft übergegangen" sei. Durch die Publikation im urnerischen Amtsblatt (siehe oben Ziffer A, lit. I), in welcher es heißt, die neue Firma ,,Schappe- und Cordonnetspinnerei A.-G. in Altdorf" gründe sich /.um Zweck, die der Firma ,,Meier, Schmid & Cie." gehörigen Etablissemente u. s. f. zu erwerben, veranlaßt, habe er bei Ansetzung der dreimonatlichen Frist als sicher angenommen, daß die sogenannte Aschwandensche Säge mit Inbegriffen sei, und er ,,glaube, für die Liquidation von Immobilien werde der alten Firma keine längere Frist müssen gestattet werden". Daß die Liquidationsfrist mit 3 Monaten zu kurz bemessen sei, sei nicht einzusehen angesichts der Tatsache, daß ,,gemäß Kaufvertrag vom 1. Oktober 1903 die Etablissemente u. s. f. an die neue Aktiengesellschaft übergegangen" seien. Daß die Inhaber der alten Firma auch die Geschäftsführung und Direktion der neuen Aktiengesellschaft zu übernehmen hatten, entbinde sie keineswegs von der Pflicht einer prompten Liquidation des alten Geschäftes; den Beweis, daß es nicht möglich gewesen sei, den gesetzlichen Bestimmungen nachzukommen, habe die Rekurrentin nicht erbracht.

Rechtlich liege aber die Sache so, daß die alte Gesellschaft, da ihr Geschäft gemäß Kaufvertrag vom 1. Oktober 1903 an die neue Firma übergegangen sei, gemäß Art. 545 des Obligationenrechtes als ,, a u f g e l ö s t " betrachtet werden müsse. Art. 875

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ibid. verpflichte die Registerbehörden, von Amtes wegen die Beteiligten zur Beobachtung der gesetzlichen Bestimmungen über Eintragung, Löschung und Änderung einer Firma anzuhalten; darum habe die Regierung wohl das Recht, die Firma an ihre Pflicht zu erinnern. Hierbei sei endlich auch darauf hinzuweisen, ,,daß die fragliche Firma schon seit längerer Zeit wechselrechtlich betrieben werde, indem dieselbe einen steten Wechselverkehr unterhalte und die Wechsel vielfach nicht einlöse".

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht:

L Daß die Kommanditgesellschaft Meier, Schmid & Cie. bis zum \. Oktober 1903 (dem Tage des Kaufvertrages, durch den der Übergang der ihr ,,gehörigen Etablissementea auf die neugegründete Aktiengesellschaft stipuliert worden ist) der Eintragspflicht ins Handelsregister unterstanden hat, ist unbestritten. Nun hat aber der Bundesrat schon längst und wiederholt festgestellt, daß die eintragspflichtigen Gesellschaften der Titel 24 und 25 des Obligationenrechtes auch dann noch der Eintragspflicht unterliegen, beziehungsweise im Handelsregister n i c h t gelöscht werden können, wenn sie sich zwar aufgelöst haben, ihr Vermögen aber noch nicht liquidiert ist (vgl. Bundesbl. 1886, I, 255; ferner Entscheid vom 19. November 1901 in Sachen Duvanel & Juvet, Buudesbl.

1901, IV, 920 ff,; und in Sachen A. Coconcelli & Cie., Bundesblatt 1902, V, 527 ff.).

In ähnlichem Sinn hat sich speziell mit bezug auf eine Kommanditgesellschaft auch das Bundesgericht ausgesprochen, indem es hervorgehoben hat, daß eine derartige Gesellschaft trotz Eröffnung der Liquidation fortexistiere, soweit die Bedürfnisse der letztern es nötig machen (vgl. E. Curti, Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichtes Nr. 2928, II, 479) ; ebenso ist dies auch die einmütige Ansicht der Literatur (vgl. Siegmund, Handbuch für Handelsregisterführer, p. 222, und besonders deutlich A. Curti, in seinem Schweizerischen Handelsrecht, p. 251/252). Diese Auffassung ist eine in der Natur der Sache selbst wohl begründete; denn -- anders als bei einer Einzelfirma -- besteht bei diesen Gesellschaften neben dem Privatvermögen der Gesellschafter ein ausgesondertes Gesellschaftsvermögen, zu welchem sowohl Aktiven wie Passiven gehören, welche unter sich in vielfachen Beziehungen Bundesblatt. 56. Jahrg. Bd. II.

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stehen und untereinander bereinigt werden müssen, damit der gefaßte Auflösungsbeschluß zur effektiven Ausführung gebracht werden kann. Das als Liquidation bezeichnete Zwischenstadium ist also hier unvermeidlich.

Die den Registerbehörden durch Art. 875 des Obligtttionenrechtes auferlegte Verpflichtung, von Amtes wegen die Beteiligten zur Löschung ihrer Firma anzuhalten, hat zur Voraussetzung, daß für die betreffende Firma die Löschungspflicht besteht, das heißt, d a ß i h r e L i q u i d a t i o n zu E n d e g e f ü h r t ist. Erst mit diesem Zeitpunkt hört das Geschäft auf, im Sinne des Art. 866 des Obligationenrechtes zu existieren.

II.

Es ist demnach lediglich zu untersuchen, ob die Liquidation der Firma Meier, Schmid & Cie. znrzeit als zu Ende geführt erachtet werden muß, oder nicht, denn nur, wenn die erstere Alternative zutrifft, kann zurzeit, gestützt auf Art. 875 des Obligationenrechtes, deren Löschung erzwungen werden.

Es ist nun aber nicht bestritten, daß die Rekurrentin zurzeit noch beträchtliche Aktiven und Passiven besitzt, insbesondere ist nicht bestritten, daß sie noch Eigentümerin der sogenannten Aschwandenschen Säge ist. Was die Verpflichtungen der Rekurrentin anbelangt, so bestehen solche gleichfalls noch, was schon aus dem von der Regierung hervorgehobenen Umstand hervorgeht, daß dieselbe ,,schon seit längerer Zeit wechselrechtlich betrieben werde, indem dieselbe einen steten, erheblichen WechselVerkehr unterhalte".

,,Den Beweis, daß es nicht möglich war, den gesetzlichen Bestimmungen nachzukommen11, fordert der Regierungsrat zu Unrecht von der Rekurrentin, denn einerseits schreibt das Obligationenrecht mit Recht über die Zeitdauer, innert welcher die Liquidation einer Kommanditgesellschaft durchgeführt werden müsse, gar nichts vor -- denn eine diesbezügliche allgemeine Norm aufzustellen, wäfe ein Ding der Unmöglichkeit --, so daß also keine ,,gesetzlichen Bestimmungen"1 bestehen, welchen nachzukommen die Firma Meier, Schmid & Cie. unterlassen hätte, und anderseits ist es angesichts der doppelten Tatsache, daß die Rekurrentin zu ihren Aktiven eine Säge, also ein gewiß nicht sehr leicht zu verwertendes Immobile, zählt, und daß die gleichen 3 Personen, denen die Liquidation der alten Kommanditgesellschaft obliegt, zugleich auch die Geschäftsführung und Direktion der neuen Aktiengesellschaft in Händen haben, begreiflich, wenn bisher die fragliche Liquidation ihren Abschluß nicht hat erreichen können.

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m.

Schließlich bleibt noch die Frage kurz zu beantworten, ob der Regierungsrat in seiner Eigenschaft als kantonale Aufsichtsbehörde befugt erscheint, der Rekurrentin für die Durchführung der Liquidation eine F r i s t anzusetzen. Ob, wenn im Streitfalle des Art. 580, Absatz 2, des Obligationenrechts das Gericht interveniert und besondere Liquidatoren ernennt, dasselbe alsdann auch die Befugnis haben soll, aus Gründen der Rechtssicherheit und Ordnung diesen Liquidatoren einen Endterrain zu setzen, kann hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist aber der Annahme beizupflichten, daß, wenn die Gesellschafter persönlich liquidieren, sie an keine Frist gebunden werden können (vgl. A. Curti, Schweizerisches Handelsrecht, p. 255). Ihnen eine derartige Frist selbst dann anzusetzen, wenn zwischen ihnen k e i n Streitfall besteht und sie deshalb ohne Angehung des Gerichtes ihre Privatrechtsverhältnisse abzuwickeln sich angelegen sein lassen, würde einen durchaus abnormen Eingriff einer mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Behörde in die Privatrechtssphäre der einzelnen Gesellschafter bedeuten, welcher vor dem objektiven Recht nicht bestehen könnte.

Demnach wird erkannt: Der Rekurs wird -als begründet erklärt; der angefochtene Beschluß des Regierungsrates des Kantons Uri vom 9. Januar 1904 wird daher aufgehoben.

B e r n , den 31. März 1904.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Comtesse.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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06.04.1904

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