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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen fahrlässiger Schädigung und Gefährdung elektrischer Anlagen bestraften Ernst Bourquin, Mechaniker in Pruntrut.

(Vom 30. November 1904.)

Tit.

Am 7. Juni 1903, vormittags, wurden mittelst Gewehrschüssen zwei an der sogenannten ,,grande cave" bei Pruntrut vorbeigeleitete Drähte entzweigeschnitten, von denen der eine zu der Telephonlinie Pruntrut-Delsberg, der andere zu der mit 8000 Volt Stromstärke arbeitenden Starkstromleitung der Société anonyme des forces motrices du Doubs gehörte. Die Reparaturkosten für beide Leitungen betrugen Fr. 66. 60. Größere Schädigungen an Material und Verletzungen von Personen blieben vermieden durch den glücklichen Zufall, daß die Starkstromleitung im kritischen Zeitpunkt nicht funktionierte.

Als Urheber dieser Schädigung wurde ermittelt Ernst B o u r q u i n , Mechaniker in Pruntrut, der am fraglichen Vormittag in der Umgebung von der ,,grande cave" aus einem Ordonnanzgewehr mehrere Schüsse abgefeuert hatte. Er versuchte vergeblich, zu bestreiten, daß er damit die Drahtleitungen getroffen haben könne. Der zuständige Richter erachtete nach durchge-

134 führter Verhandlung den Sclmldbeweis als erbracht und verurteilte den Bòurquin auf Grund von Art. 56 und 57 des Bundesgesetzes betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen zu 48 Stunden Gefängnis, Fr. 50 Geldbuße und zum Ersatz von 8/5 der ergangenen Prozeßkosten an den Staat im Betrage von Fr. 175. 35.

Bourquin hat gegen dieses Urteil appelliert, seine Appellation jedoch wieder zurückgezogen und die Freiheitsstrafe erstanden.

Er ersucht die Bundesbehörde um Nachlaß der Geldbuße, indem er sich vorbehält, ein Gesuch gleicher Art an die kantonalen Behörden bezüglich der Kosten zu richten. Zur Begründung wiederholt er die vor dem Richter vorgebrachte Behauptung, daß er sich eines Verschuldens nicht bewußt sei. Im weitern glaubt er, für die auf bloßer Fahrlässigkeit beruhende Schädigung und Gefährdung durch die Freiheitsentziehung genügend bestraft zu sein und macht geltend, daß es ihm wegen geringen Arbeitsverdienstes und der Sorge für Frau und drei Kinder nicht möglich sei, die Buße zu bezahlen.

Nach dem bei den Strafakten liegenden Zeugnisse des Gemeinderates von Pruntrut (Dossier pag. 83) ist bei der Polizeibehörde über Ernst Bourquin niemals eine Klage eingegangen.

Nachdem die kantonale Gerichtsinstanz die Schuldfrage in kontradiktorischem Verfahren geprüft und nachdem der Verurteilte die über ihn verhängte Freiheitsstrafe erstanden hat, kann seine nachträgliche Bestreitung der Täterschaft von der Begnadigungsinstanz nicht mehr gehört werden. Was aber die Art und Höhe der Strafe anbetrifft, so entsprachen dieselben durchaus einer milden Anwendung des verletzten Gesetzes. Es muß angenommen werden, Bourquin habe als Mechaniker die Bedeutung der Drahtleitungen wohl erkennen können, die sich in geringer Entfernung von dem Orte hinzogen, von dem aus er schoß; und die Gefahr, welche die Störung der Starkstromleitung und eine Verwicklung derselben mit der Telephonleitung herbeiführen konnte, war sehr groß, sowohl bezüglich Tötung und Verletzung von Personen, als bezüglich Beschädigung von Material der Leitungen, der Stromverteilung und Erzeugung und der mit déni Werke verbundenen Installationen. Das Gesetz bedroht in Art. 56 und 57 ein derartiges Delikt mit Geldbuße bis auf Fr. 1000 oder Gefängnis bis zu einem Jahr, unter Zulassung der Verbin-

135 düng beider Strafarten, weshalb es nicht gerechtfertigt erscheint, den Richterspruch noch durch Begnadigung zu mildern.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag: Es sei das Gesuch des Ernst Bourquin abzuweisen.

B e r n , den 30. November

1904.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Comtesse.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Eingier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen fahrlässiger Schädigung und Gefährdung elektrischer Anlagen bestraften Ernst Bourquin, Mechaniker in Pruntrut. (Vom 30. November 1904.)

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30.11.1904

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