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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Revision von Art. 9 des Bundesgesetzes vom 2. November 1898 über die Fabrikation und den Vertrieb von Zündhölzchen.

(Vom 3. Mai 1904.)

Tit.

In der Sitzung der Vereinigten Bundesversammlung vorn 25. Juni 1903 gelangten einige Begnadigungsgesuche betreffend Übertretung des Bundesgesetzes über die Fabrikation und den Vertrieb von Zündhölzchen zur Erledigung. Das Protokoll jener Sitzung sagt aus: ,,Die Häufigkeit der in ähnlichen Fällen vorkommenden Begnadigungsgesuche, verbunden mit der Tatsache, daß die Bundesversammlung in der Regel große Milde walten läßt, veranlaßt die Kommission zu dem Wunsche, der Bundesrat wolle die Frage prüfen, ob nicht das Gesetz, betreffend Fabrikation und Vertrieb von Zündhölzchen, einer Revision unterzogen werden solle, in dem Sinne, daß die Strafminima für die leichtern Fälle ermäßigt würden." Der Protokollauszug kam unserm Industriedepartement am 14. Dezember zu, und mit Sehreiben vom 17. gleichen Monats ersuchte dieses die schweizerische Bundesanwaltschaft um ihre Ansichtsäußerung über die bezeichnete Anregung, eventuell um ihren Vorschlag betreffend Abänderung von Art. 9 des Gesetzes, da die Verfolgung von Übertretungen desselben durch die Bundesanwaltschaft eingeleitet wird. In seiner Antwort vom 22. Dezember spricht sich der Generalanwalt folgendermaßen aus: ,,Nach den Kontrollen der Bundesanwaltschaft wurden seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über Fabrikation und Vertrieb von

903 Zündhölzchen Gesuche um gnadenweisen Erlaß, bezw. Ermäßigung von Strafen, die wegen Übertretung dieses Gesetzes verhängt waren, an den Bundesrat zu Händen der Bundesversammlung übermittelt: im Jahre 1899 l ,, 1900 2 1901 5 1902 9 '..

1903 7 Summa 24 In allen diesen Fällen handelte es sich um Übertretungen, die nach Art. 9, lit. a, des Gesetzes geahndet werden mit Buße von Fr. 100--1000, im Rückfalle mit Gefängnis bis auf drei Monate und zeitweiligem oder gänzlichem Entzug bezw. Verweigerung der Fabrikationsbewilligung, nämlich Übertretungen : 1. von Art. l, Absatz 2: ,,Die Fabrikation von Zündhölzchen darf nur in solchen Räumen betrieben werden, welche ausschließlich der Fabrikation dienen.

2. von Art. 2 : Zur Fabrikation von Zündhölzchen bedarf es der Bewilligung der Kantonsregierung, welche dieselbe jedoch erst nach Zustimmung des Bundesrates erteilen darf.

Letzterer wird diejenigen Bedingungen aufstellen, welche mit Rücksicht auf die Gesundheit und Sicherheit der Arbeiter und des Publikums erforderlich sind.

Gegen einen ablehnenden Bescheid der Kantonsregierung kann der Rekurs an den Bundesrat ergriffen werden.

3. voa Art. 4 : Fabrikation, Einfuhr, Ausfuhr und Verkauf von Zündhölzchen mit gelbem Phosphor sind verboten.

Die oben erwähnten Begnadigungsgesuche bezogen sich nur in zwei Fällen auf Bestrafung wegen verbotener Fabrikation von Zündhölzchen (Gesuch Weber in Madetswil, von der Bundesversammlung entschieden am 20. Juni 1902, und Gesuch Hubmann in Genf, entschieden am 25. Juni 1903), überall sonst war Bestrafung erfolgt wegen Einfuhr oder Verkauf von Phosphorzündhölzchen, zumeist in sehr geringen Quantitäten.

Die Praxis hat auch nach Ansicht der Bundesanwaltschaft gezeigt, daß in Art. 9 des Gesetzes unrichtigerweise die Strafen wegen verbotener Fabrikation, Einfuhr, Ausfuhr und Verkauf von Phosphorzündhölzchen auf gleiche Linie gestellt sind, und daß insbesondere unrichtig war, Einfuhr und Verkauf von Phosphorzündhölzchen in allen Fällen mit einem Strafminimum von Fr. 100 zu

904 bedrohen. Leben und Gesundheit von Menschen sind in ungleich höherem Maße gefährdet, wenn Zündhölzchen mit gelbem Phosphor fabriziert, als wenn sie bloß im Detail eingeführt oder verkauft werden, und der mit Umgehung des Gesetzes unter Gefährdung dieser Lebensgüter gesuchte oder erzielte Gewinn wird immer ein weit höherer sein, worin Fabrikation, Einfuhr oder Ausfuhr im Großen betrieben werden, als bei den Detailgeschäften von Hausierern oder sonstigen Kleinkrämern und Gelegenheitsschmugglern.

Der Unterzeichnete hält dafür, es sollte diesem Unterschied in der Art der Übertretung und den beabsichtigten oder erreichten Folgen Rechnung getragen werden durch Änderung der Strafandrohung des Art. 9 des Bundesgesetzes hinsichtlich der in der Praxis als besonders häufig zu Tage getretenen geringfügigen Fälle.

Dies läßt sich erreichen ohne Nachteil für die angemessene strengere Bestrafung derjenigen, welche gegen die zur Sicherung der Arbeiter und des Publikums aufgestellten Fabrikatiousvorschriften sich vergangen, oder Einfuhr, Ausfuhr und Verkauf gesundheitsschädlicher Ware im Großen betrieben haben. Sobald dem Richter die Möglichkeit gegeben ist, die kleinen erstmaligen Gelegenheitsübertretungen nach Maßgabe der Verhältnisse des Einzelfalles mit bloß geringer Buße zu ahnden, wird er unzweifelhaft auch hiervon Gebrauch machen und dies wird naturgemäß eine Verminderung der bisherigen ärgerlichen Begnadigungsgesuche in Bagatellsachen zur Folge haben.

Zur Herbeiführung dieser Verbesserung in der Rechtssprechung schlage ich vor, den Art. 9 des Bundesgesetzes über Fabrikation und Vertrieb von Zündhölzchen vom 2. November 1898 zu ergänzen durch folgenden, nach Lemma l einzufügenden Zusatz: ,,In Fällen geringfügiger Art kann der Richter bei Bestrafung von Einfuhr oder Verkauf von Zündhölzchen mit gelbem Phosphor auch Buße von weniger als Fr. 100 verhängen."

Das Bußenminimum wird damit für derartige Fälle auf den für Bundesstrafgesetze allgemein verbindlichen Betrag von Fr. l reduziert (Art. 8 des Bundesstrafrechtes vom 4. Februar 1853) und dadurch die wünschbare Verbesserung der Rechtssprechung herbeigeführt. "· Die eidgenössischen Fabrikinspektoren, mit der Begutachtung der Angelegenheit beauftragt, kamen in ihrer Konferenz vom 22. März 1904 einstimmig zum Schlüsse, es sei der Vorschlag des Bundesanwaltes
gutzuheißen. Ihr Bericht, datiert vom 28. März, betonte, daß dieser Vorschlag die Wirkung des Gesetzes nicht abschwäche, indem die hohen Strafmaxima für die schweren Übertretungen bestehen bleiben.

905 Das Bundesgesetz vom 2. November 1898 ist seit dem 1. Juni 1899 für die Einfuhr, seit dem 1. Juli 1900 für die Fabrikation, und seit dem 1. April 1901 für den Verkauf von Zündhölzchen mit gelbem Phosphor in Kraft, also erst seit kurzer Zeit. Wir treten daher nur mit Widerstreben an eine Revision desselben heran, um so mehr, als diese bloß eine partielle ist, indem die übrigen Bestimmungen sich bewährt, und, nach langjährigen erfolglosen Anstrengungen, einen durchaus befriedigenden Zustand herbeigeführt haben. In unserer Botschaft vom 23. November 1897 (Bundesbl. IV, 996) bemerkten wir: .,,Eine erfolgreiche Durchführung des neuen Gesetzes erfordert jedoch eine erhöhte Strafnorm; diese wird auch dem Schmuggel gegenüber wirksam sein.

Die Bußen dürfen nicht so niedrig bemessen werden, daß der Schmuggler oder Fabrikant verbotener Zündhölzchen auch im ungünstigen Falle seines Gewinnes sicher ist und daher vor Gesetzesübertretungen keineswegs abgeschreckt wird". Das Gesetz enthält denn auch ziemlich hohe Bußenminima, und setzt für die Übertretung des Einfuhr- und Verkaufverbotes ein solches von Fr. 100 fest. Unsere Voraussetzung hat sich aber, was den Schmuggel betrifft, nicht erfüllt, und es hat allen Anschein, daß die Verhältnisse sich auch künftig nicht ändern werden. Die erwartete abschreckende Wirkung auf den Schmuggel ist nicht eingetreten, vielmehr sind es oft die nämlichen Personen, die immer wieder in den Strafanzeigen erscheinen. Wegen solcher Rückfälliger ist es allerdings nicht angezeigt, die im Gesetze ausgesprochenen Strafen zu mildern, vielmehr ist zu hoffen, daß jenen gegenüber nach wie vor mit aller Strenge eingeschritten werde.

Es darf auch nicht übersehen werden, daß man allen Grund hatte, sieh gegen die Einfuhr von Zündhölzchen mit gelbem Phosphor zu wappnen, indem der Schmuggel schon unter der Herrschaft des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1879 eine große Rolle spielte, und die Durchführung desselben lahmen half. Zugegeben muß aber werden, daß die meisten Übertretungen des Einfuhrverbots geringfügiger Natur sind, und daß das gegenwärtige gesetzliche Bußenminimum von Fr. 100 zu der Schwere solcher Übertretungen, wenn es sich z. B. um dus Hereinbringen von ein paar ZUndholzschachteln handelt, nicht im richtigen Verhältnis steht. Folge der auf dieser Grundlage gefällten Gerichtsurteile
sind die Begnadigungsgesuche, welche die Bundesversammlung in ungebührlicher Weise in Anspruch nehmen. Diese Verhältnisse führen auch uns dazu, eine entsprechende Änderung des Gesetzes zu befürworten.

Was das für die Remedur zu wählende Mittel betrifft, so dürfte der Vorschlag des Generalanwalts das Richtige treffen. Wir nehmen ihn daher auf, und verweisen auf die im oben wiederge-

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gebenen Gutachten enthaltene Begründung. Man könnte sich bloß fragen, ob nicht nur für geringfügige Übertretungen des Einfuhrverbots, sondern auch für solche des Verkaufverbots ein Herabgehen unter das Bußenminimum als zulässig zu erklären sei. Wir bejahen diese Frage deshalb, weil bis jetzt unerlaubter Verkauf in erheblichem Maßstabe nicht bekannt geworden, vielmehr, z. B.

durch Hausierer, nur in geringen Quantitäten betrieben worden ist. Für derartige Übertretungen gilt aber das nämliche, wie für die geringfügigen Zuwiderhandlungen gegen das Einfuhrverbot.

Dagegen werden die Gesetzesübertretungen, die der eigentlichen Zündholzfabrikation angehören, nicht einbezogen, da sie gravierender Natur sind, und da in der Fabrikation mit allem Nachdruck die Einhaltung der bestehenden Vorschriften gesichert werden muß. Wir sehen ferner davon ab, eine geringere Bußensumme, in Zahlen, anzusetzen, um zu verhüten, daß das Gesetz für die nämliche Kategorie von Vergehen zwei Bußenminima enthalte, und um der Tendenz, so oft wie möglich den niederen Ansatz zur Anwendung zu bringen, entgegenzutreten.

Wir empfehlen den Bundesbeschluß, den wir im Entwurf beifügen, Ihrer Genehmigung.

Wir benutzen diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 3. Mai 1904.

[m Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Comtesse.

Der I. Vizekanzler :

Schatzjnsmii.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

Revision von Art. 9 des Bundesgesetzes vom 2. November 1898 über die Fabrikation und den Vertrieb von Zündhölzchen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 3. Mai 1904, beschließt: I. Art. 9, lit. a, des Bundesgesetzes vom 2. November 1898, betreffend die Fabrikation und den Vertrieb von Zündhölzehen, erhält folgenden Zusatz : in Fällen geringfügiger Art kann der Richter bei Bestrafung von Einfuhr oder Verkauf von Zündhölzchen mit gelbem Phosphor auch Buße von weniger als Fr. 100 verhängen ; II. Der Bundesrat wird beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse,7 die BekanntmachungO dieses Beschlusses zu verunstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen .

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Revision von Art. 9 des Bundesgesetzes vom 2. November 1898 über die Fabrikation und den Vertrieb von Zündhölzchen. (Vom 3. Mai 1904.)

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04.05.1904

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