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Schweizerisches Bundesblatt.

56. Jahrgang. I.

Nr. 9.

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2. März 1904.

Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über

seine Geschäftsführung im Jahre

1903.

II. Departemente.

Justiz- und Polizeidepartement.

A. Gesetzgebung und Rechtspflege.

L Bundesgesetzgebung.

1. S c h w e i z e r i s c h e s Z i v i l g e s e t z b u c h . Die in den letzten Geschäftsberichten erwähnte Expertenkommission hielt im Frühjahr vom 15. April bis 1. Mai in Genf eine Sitzung, in welcher die noch ausstehenden Teile des Sachenrechtes fertig beraten wurden, so daß mit dieser Sitzung die Arbeit der Kommission beendigt war.

Den Sitzungen wohnten die Spezialexperten für das Sachenrecht (vergleiche Geschäftsbericht pro 1901, A, I, 1) und Herr Prof. Dr. Bugen Huber als Referent bei.

In der Schlußsitzung der Kommission wurde folgender motivierter Antrag des Herrn Nationalrat Bühlmann einstimmig angenommen : ,,Erklärung: ,,Wir haben nun während beinahe vier Monaten die große außerordentlich verdienstliche Arbeit unseres Herrn Referenten in Bundesblatt. 56. Jahrg. Bd. I.

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eingehendster Weise geprüft, wir haben uns bei unseren Beratungen und Beschlüssen von einem guten Geist der Verständigung unter den mannigfaltigen wissenschaftlichen, historischen, politischen und wirtschaftlichen Interessengruppen unseres Landes leiten lassen, und wenn der eine oder andere von uns sich selbstverständlich vorbehalten muß, später auf einzelne Beschlüsse der Kommission zurückzukommen, so sind wir doch alle der bestimmten Überzeugung, daß der Entwurf, wie er nun aus unsern Beratungen hervorgegangen ist, als Ganzes durchaus geeignet ist, als Grundlage für die Verhandlungen der politischen Behörden der Eidgenossenschaft zu dienen. Um dieser Überzeugung Ausdruck zu geben, beschließt die Kommission: .,,Der Entwurf für ein schweizerisches Zivilgesetzbuch, wie er aus den Beratungen der Expertenkommission hervorgegangen ist, wird dem eidgenössischen Justizdepartement zur Vorlage an die Bundesbehörden empfohlen."

Im Monat Oktober wurden auf eine von Herrn Prof. Dr. Huber ausgearbeitete Vorlage hin die Beschlüsse der Expertenkommission von einer kleineren Kommission, bestehend aus den Herren Prof.

Dr. Huber, Ständerat Isler, Regierungsrat Gobât, Prof. Dr, Rössel, Prof. Dr. Mentha, Prof. Dr. Hitzig und dem Abteilungschef für Gesetzgebung und Rechtspflege, unter Vorsitz des Departementschefs, redaktionell bereinigt.

Es liegt somit nunmehr ein bis auf den Einleitungstitel vollständig bereinigter Entwurf des Personen-, Familien-, Erb- und Sachenrechtes vor. Der Einleituugstitel, der nur wenige Artikel umfaßt, wird im Anfange des nächsten Jahres fertiggestellt werden.

Wir beabsichtigen, den so vervollständigten Entwurf dem Bundesrat in Bälde vorzulegen, so daß der Entwurf spätestens Ende 1904 an die Bundesversammlung gelangt. Die noch fehlenden Teile Obligationenrecht und Übergangsbestimmungen, für welche von Herrn Prof. Dr. Huber Entwürfe bereits vorliegen, würden im Laufe des Jahres 1904 bereinigt, dem Bundesrate alsdann vorgelegt und der Bundesversammlung mittelst einer Nachtragsbotschaft unterbreitet werden.

2. S c h w e i z e r i s c h e s S t r a f g e s e t z b u c h . Im Berichtsjahre erschien im Juni der Vorentwurf zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch und zu einem Bundesgesetz betreffend Einführung des schweizerischen Strafgesetzbuches nach den Beschlüssen der vom Justizdepartement
mit der Durchsicht des Vorentwurfes von 1896 beauftragten Expertenkommission. Der Entwurf wurde den Mitgliedern der Bundesversammlung ausgeteilt. Wir verweisen auf das darin enthaltene Vorwort und auf den Geschäftsbericht pro 1902.

451 3. Durch Buüdesbeschluß vom 5. November 1903 wurde dem Art. 10 des Gesetzes des Kantons Graubünden vom 16. November 1902 über die Verantwortlichkeit der Behörden, Beamten und öffentlichen Angestellten, soweit in dieser Gesetzesbestimmung die Beurteilung von Schadensersatzklagen aus Verantwortlichkeit gegen das Kantonsgericht oder einzelne Mitglieder desselben dem Bundesgericht übertragen wird, die Genehmigung erteilt (vergleiche Bundesbl. 1903, [III, 265, und eidgenössische Gesetzessammlung XIX, 748).

II. Internationales Recht.

1. Das im Geschäftsberichte pro 1901 erwähnte, durch den Abschluß der internationalen Übereinkunft über Zivilprozeßrecht veranlaßte Konkordat betreffend Befreiung von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten ist im Berichtsjahre vom Bundesrate am 5./20. November genehmigt worden. Demselben sind bis Ende 1903 beigetreten die Kantone Zürich, Luzern, Glarus, Zug, Baselstadt, Schaffhausen, Appenzell A.-Rh., St. Gallen, Aargau, Tessin, Waadt, Neuenburg und Genf (vergleiche eidgenössische Gesetzessammlung XIX, 787, 789, 792, 805).

2. Die im Geschäftsbericht pro 1903 erwähnten, von den Regierungsvertretern ratifizierten Konventionsprojekte über Eheschließung, Ehescheidung und Vormundschaft über Minderjährige sind, soweit dem Bundesrate bekannt geworden ist, bis jetzt nur von dem niederländischen Parlamente genehmigt worden. In Frankreich steht die Genehmigung in naher Aussicht. Der Bundesrat wird, sobald eine größere Zahl von Staaten beigetreten ist, eine Vorlage an die Bundesversammlung machen.

3. Die auf den Herbst 1903 in Aussicht genommene IV. Konferenz für internationales Privatrecht hat nicht stattgefunden; dieselbe ist jetzt auf den Monat Mai 1904 angesetzt. Der Bundesrat hat zu dem ihm übermittelten Programm der königlich niederländischen Regierung seine Bemerkungen übermittelt. Die Programme wurden in zwei Sitzungen, an welchen die Delegierten des Bundesrates im Haag, die Herren Prof. Dr. E. Roguin in Lausanne und Prof. Dr. Meili in Zürich, sowie Herr Prof. Dr. Huber in Bern und der Abteilungschef für Gesetzgebung und Rechtspflege unter dem Vorsitz des Departementschefs teilnahmen, einer eingehenden Beratung unterzogen.

4. Mit Rußland wurde am 19. Oktober des Berichtsjahres eine Gegenseitigkeitserklärung betreffend die Anerkennung und

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Berechtigung von Aktien- und ändern Handelsgesellschaften, vor Gericht aufzutreten, ausgetauscht (vergleiche eidgenössische Gesetzessammlung XIX, 715).

5. Mit 1. Januar 1903 ist der Staatsvertrag mit dem Großherzogtum Baden vom 1. Juli 1808 über gegenseitiges Konkursrecht außer Kraft getreten, nachdem derselbe von der großherzoglich badischen Regierung gekündigt und durch gegenseitiges Übereinkommen der 1. Januar 1903 als Termin des Außerkrafttretens bezeichnet wurde. Den beteiligten Kantonen wurde hiervon durch Kreisschreiben Mitteilung gemacht (Bundesbl. 1902, III, 990).

6. Die im Geschäftsbericht pro 1902 erwähnten Verhandlungen mit Deutschland betreffend Abschluß eines Staatsvertrages über Anerkennung gerichtlich beglaubigter Urkunden haben noch zu keinem Abschlüsse geführt. Doch hoffen wir, da gegenseitiges Einverständnis über die Grundlagen der Vereinbarung erzielt ist, daß der Vertrag im Jahre 1904 zum Abschlüsse gelangen und der Bundesversammlung vorgelegt werden kann.

7. Aus dem internationalen Rechtsverkehre erwähnen wir folgende Fälle: a. Die luzernische Regierung ersuchte uns um Intervention für Anton Meier von Oberkirch, der von seinem früheren Wohnort Blotzheim im Elsaß mit seinen 4 unmündigen Kindern in seine luzernische Heimatgerneinde zurückgekehlt war. Meier war im Genuß einei1 Invaliditätsrente, die ihm nun wegen Verlegung seines Wohnortes ins Ausland verweigert wurde. Es zeigte sich aber, wie in einem ähnlichen im Geschäftsbericht pro 1901 (A, II, Ziffer 5 è) erwähnten Falle, daß Meier nach deutschem Rechte nicht auf den Weiterbezug der Rente Anspruch erheben konnte.

Der durch Beschluß des deutschen Bundesrates bestimmte Grenzrayon umfaßt nur den Kanton Bern, soweit derselbe nördlich und nordwestlich der Zihl und Aare, vom Einfluß der Zihl abwärts gerechnet, gelegen ist; ferner die Kantone Solothurn, Baselstadt, Baselland, Aargau, Zürich, Schaffliansen, Thurgau, St. Gallen, Appenzell (A.- und I.-Rh.). Nur die in diesen Grenzgebieten wohnenden Personen, die im Genüsse einer deutschen Unfallsoder Invaliditätsrente sind, haben Anspruch auf Fortbezug der Rente ; die in den übrigen Teilen der Schweiz wohnenden Personen haben bloß den Anspruch auf Ausricbtung einer Kapitalabfindung im dreifachen Betrage der bisherigen Jahresrente.

Eine Aussieht, daß der deutsehe Btindesrat auf
motivierten schweizerischerseits OBestellten AntragO auch den Kanton Luzern in den Grenzrayon aufnehmen würde, besteht nach den Mitteilungen unserer Gesandtschaft in Berlin nicht.

453 b. Ein von der großherzoglich badischen Regierung anhängig (gemachter Beschwerdefall lenkte unsere Aufmerksamkeit auf das Verhältnis der internationalen Übereinkunft über Zi vii Prozeßrecht vom 14. November Ib96 zu der im schweizerischen Betreibungsrechte vorgesehenen Zustellung durch die Post. Ein aargauischer Betreibungsbeamter hatte bei Gelegenheit einer auf einen Arrest folgenden Betreibung einen Zahlungsbefehl per Post an den im Großherzogtum Baden wohnenden Schuldner gesendet. Hiergegen wurde als einer Verletzung der genannten Übereinkunft auf diplomatischem Wege Beschwerde erhoben, welche sich als begründet erwies. Art. 4 des internationalen Übereinkommens gestattet die postalische Zustellung insofern, als sie den Gesetzen der beteiligten Staaten oder den zwischen ihnen bestehenden Vereinbarungen entspricht. Eine Vereinbarung über postalische Zustellung zwischen Deutschland und der Schweiz besteht uiclit. Die Gesetzgebung der Schweiz läßt allerdings die Zustellung durch die Post ins Ausland bei der Zwangsvollstreckung für Geldforderungen und Kautionsansprüche zu (Art. 66, Absatz 3, des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs), während die deutsche Gesetzgebung die Zustellung durch die Post nur für inländische Verhältnisse zu kennen scheint (vergleiche §§ 192, 199 und 203 der deutschen Zivilprozeßordnung). Damit fehlt es an einer der im internationalen Übereinkommen gegebenen Voraussetzungen, indem die Gesetzgebung e i n e s der beteiligten Staaten die Postzustellung ins Ausland nicht kennt.

Da an der internationalen Übereinkunft über Zivilprozeß die Mehrzahl der kontinentalen europäischen Staaten beteiligt ist, so ist für jeden der beigetretenen Staaten zu untersuchen, wie sich dessen interne Gesetzgebung zu der Zustellung durch die Post verhält, 'da von dem Zustand derselben die Entscheidung abhängig ist, ob Postzustellungen an dort wohnende Schuldner, wenn für diese ein Betreibung-
III. Gewährleistung von Kantonsverfassungen« Durch Bundesbeschluß vom 6. November 1903 erteilte die Bundesversammlung der Abänderung des Art. 23 der Verfassung des Kantons -Neuenburg vom 21. November 1858 (Wahl des Großen Rates; Erhöhung der Seelenzahl, auf die ein Mitglied zu wählen ist) die Genehmigung (vergleiche Bundesbl. 1903, III, 889, eidgenössische Gesetzessammlung XIX, 745).

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IV. Genehmigung von kantonaleil Einführungsgeseteen zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs.

Mit Beschluß vom 4. Dezember genehmigte der Bundesrat die Abänderung der Art. 17 und 20 des Einführungsgesetzes des Kantons St. Gallen zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs.. Diese Abänderung erfolgte durch die Art. 50 und 266 des Zivilrechtspflegegesetzes für den Kanton St. Gallen.

T. Zivilstaud und Ehe.

1. Die gemäß den Bestimmungen des Art. 12 des Zivilstandsvon 1874 zu erstattenden B e r i c h t e der kantonalen Regierungen ü b e r d i e I n s p e k t i o n d e r Z i v i l s t a n d s ä m t e r u n d d i e A m t s f ü h r u n g d e r Z i v i l s t a n d s b e a m t e n während des Jahres 1902, sind auch dieses Jahr zum Teil sehr verspätet eingelaufen; derjenige einer Kantonsregierung steht heute (Ende Januar 1904) noch aus. Wir müssen daher den in den Geschäftsberichten der letzten Jahre ausgesprochenen Wunsch wiederholen, es möchten die kantonalen Amtsstellen im Interesse der Sache ihre Berichte wenigstens innerhalb der zwei ersten, auf das Berichtsjahr folgenden Monate dem Departemente einsenden.

Aus der durch die Inspektionsberichte hervorgerufenen Korrespondenz erwähnen wir folgende, auch andere Kantone interessierende Fälle: a. Die Regierung von Baselstadt wies auf eine vom Zivilstandsamte Baselstadt relevierte D i v e r g e n z z w i s c h e n Art. 23 des Z i v i l s t a n d s g e s e t z e s und §§ 56 bis 64 des n e u e n d e u t s c h e n P e r s o n e n s t a n d g e s e t z e s hin, wonach in bezug auf die Verurkundung des Todes von im Wasser verschwundenen Personen es geschehen kann, daß Todesfälle einer auf Schweizergebiet ins Wasser gestürzten und auf deutschem Gebiete als Leiche gelandeten Person nirgends zur Eintragung gelangen, wie dies unlängst bezüglich einer so verunglückten Frau vorgekommen sei, und regte die Frage an, ob in dieser Hinsicht nicht eine Verständigung mit den deutschen Behörden angebahnt werden sollte.

Wir unterbreiteten diese Anregung unserer Gesandtschaft in Berlin und ersuchten sie um ihren Bericht. In Beantwortung übermittelte sie uns eine im auswärtigen Amte des Deutschen Reiches abgefaßte Denkschrift darüber, welche zu dem Schlüsse kommt, daß die von der Regierung von Baselstadt hervorgehobeneu Übelstände weniger in einer Verschiedenheit der geltenden Vorschriften -- für das Gebiet des deutschen Personenstandsesetzes werde in Theorie gesetzes o

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und Praxis allgemein anerkannt, daß, sofern der Todesort sich nicht ermitteln lasse, der Ort, an dem die Leiche aufgefunden wird, für die Eintragung maßgebend sei -- als darin ihren Grund haben, daß die beiderseitigen Behörden sich unter Umständen über die Beurteilung der für die Zuständigkeit maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse des einzelnen Falles nicht einigen können. Die Beseitigung solcher Schwierigkeiten sei aber im Wege einer allgemeinen Vereinbarung kaum zu erreichen, werde vielmehr nach wie vor der Verständigung zwischen den Behörden nach Lage des einzelnen Falles überlassen bleiben müssen.

Der Regierung von Baselstadt gaben wir durch Übermittlung einer Abschrift der Denkschrift von dem Standpunkte der deutschen Reichsregierung Kenntnis.

b. In einem Spezialfalle hatte eine Kantonsregierung die Verfügung getroffen, daß K l ö s t e r in bezug auf Anzeigepflicht d e n in A r t . 20, b e z i e h u n g s w e i s e 14, 2, des Z i v i l s t a n d s gesetzes e r w ä h n t e n ö f f e n t l i c h e n Anstalten gleichz u s t e l l e n sind. Das Departement erklärte sich mit dieser Auffassung einverstanden.

2. Von den durch Kreisschreiben vom 9. August 1900 einverlangten Berichten der Kantone betreffend den B e s t a n d , den Z u s t a n d u n d d i e A u f b e w a h r u n g d e r a l t e n u n d neuen P e r s o n e n s t a n d s r e g i s t e r , steht immer noch derjenige eines Kantons aus, so daß dieses Traktandum im verflossenen Jahre nicht erledigt werden konnte.

3. In der E i n t e i l u n g der Z i v i l s t a n d s k r e i s e sind im laufenden Jahre folgende Ä n d e r u n g e n vorgenommen worden: a. Im Kanton U n t e r w a i d e n nid dem Wald: Der Zivilstandskreis E n n e t b ü r g e n wurde von demjenigen von Buochs abgelöst und zu einem eigenen Kreise erhoben. Der Beginn der Tätigkeit der neuen Amtsstelle, welcher auf 1. Januar 1904 angesetzt war, mußte wegen Schwierigkeiten in der Ausscheidung der Familien zwischen Buoehs und Ennetbürgen bis auf weiteres verschoben werden.

b. Im Kanton W a a d t : Der Sitz des Zivilstandskreises S u 11 e n s wurde auf 1. April 1903 von Daillens nach S u l l en s verlegt.

c. Im Kanton W al lis: Vom Zivilstandskreise Glis wurde die Gemeinde Eggerb e r g abgetrennt und auf 1. März 1903 zu einem selbständigen Zivilstandskreise erhoben.

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·t. Der in einer fremdstaatlichen Verwaltung angestellte Graubündner Bürger G. richtete an den B u n d e s r a t das G e s u c h , es möchte ihm gestattet, werden, ,,den e r e r b t e n A d e l und N a m e n G. d e G." w i e d e r zu f ü h r e n . Seine Familie erscheine in den Registern seiner bündnerischen Heimatgemeinde ,,bis zum Jahre 1650" (zurück ?) als adelig, und die fremde Regierung mache die Anerkennung des ausländischen Adels davon abhängig, daß die Berechtigung hierzu seitens des Heimatlandes amtlich konstatiert werde.

Die Antwort des Bundesrates war, er sei n i c h t z u s t ä n d i g , auf das gestellte Gesuch einzutreten, denn es handle sich hier um die Änderung eines Namens. G. führe, soweit Schweizer Verhältnisse in Frage kommen, denjenigen Namen, mit welchem er in den Zivilstandsregistern seines Heimatortes eingetragen sei. Der Bundesrat sei nicht berechtigt, von sich aus Änderungen an den im Zivilstandsregister eingetragenen Namen einer Person zu bewilligen.

Die Kompetenz zu solchen Namensänderungen liege bei den kantonalen Behörden.

6. Der Bnndesrat hat auf ein vom Justiz- und Polizeidepartemeut erstattetes Gutachten hin am 16. Januar 1903 entschieden, die Partikel ,,von", beziehungsweise ,,de a , sei, wenn sie in den Zivilstandsregistern sich eingetragen finde, als ein Bestandteil des Eigennamens zu betrachten. Da für die Na m en s S c h r e i b u n g i n d e n a m t l i c h e n E r l a s s e n einzig d i e Eintragungen der Zivilstandsregister Regel machen, so sind dort die Partikeln ,,von"1, beziehungsweise ,,de"-, in denjenigen Fällen aufzunehmen, wo sie sich auf Eintragungen in den Zivilstandsregistern stutzen (Bundesbl. 1903, II, 592).

6. Da nach Mitteilungen des Zivilgouverneurs der Philippinen und des Justizministrers der Vereinigten Staaten von Nordamerika gegenwärtig a u f den P h i l i p p i n e n die Führung der Geburts-, Ehe- und Totenregister durch den Gemeindesekretär (in Manila durch das municipale ,,Board of Health") erfolgt, und von Konsuln auswärtiger Staaten keine gültigen zivilstandsamtlichen Handlungen mehr vorgenommen werden können, hat der Bundesrat unterm 23. Januar 1903 beschlossen, den s c h w e i z e r i s c h e n k o n sularischen Vertreter in M a n i l a der ihm mit Reglem e n t v o m S . O k t o b e r 1877 ü b e r t r a g e n e n zivilstandsa
m t l i c h e n F u n k t i o n e n z u e n t h e b e n (.Bundesbl. 1903, J, 303).

7. Auf eine Eiofrage des schweizerischen Konsulates in Bremen hin haben wir uns einverstanden erklärt, daß bei V e r k ü n d u n g

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von Sch w e iz er e lien , welche in B r e m e n abgeschlossen werden sollen, von der Ü b e r s e n d u n g der G e b u r t s s c h e i n e der Brautleute an die schweizerischen Zivilstandsä m t e r U m g a n g g e n o m m e n w e r d e n k ö n n e , sofern d e n letztern vollständige Verkündgesuche des Standesamtes Bremen zugesandt werden.

8. Bei einem Eheabschluß hatte sich die Braut, beziehungsweise Ehefrau, g e w e i g e r t , nachdem sie dem Zivilstandsbeamten das gesetzlich geforderte Jawort gegeben, das Eheregister zu u n t e r z e i c h n e n . Der betreffende Zivilstandsbeamte wünschte nun zu wissen, ob diese Ehe gültig sei, beziehungsweise wie er sich zu verhalten hätte. Seine kantonale Oberbehörde neigte sich eher, Martin, Commentaire de la loi fédérale sur l'état civil, S. 119, § 6, folgend, der Ansicht zu, der Eheabschluß sei noch nicht vollständig.

Das Justiz- und Polizeidepartement sprach sich dahin aus, daß die im ,,Handbuch", Nr. 201, vertretene Ansicht vollkommen zutreffend ist, wonach die U n t e r z e i c h n u n g der E h e e i n t r a g u n g im E h e r e g i s t e r zu den für den E h e a b s c h l u ß nötigen F o r m a l i t ä t e n nicht gehört.

Die Ehe ist daher gültig, und es kann gegen die Weigerung der Ehefrau, ihre Unterschrift in das Eheregister zu setzen, nur auf dem Wege gerichtlicher Klage vorgegangen werden 5 bis zur 11 Unterzeichnung ö ist der Eheschein für die Eheleute zurückzuhalten.

9 . E i n i n B e r n g e b o r e n e s , u n e h e l i c h e s K i n d einer s c h w e i z e r i s c h e n Mutter wurde bei Anlaß ihrer in Zürich erfolgten V e r h e i r a t u n g m i t d e m V a t e r d e s s e l b e n , einem Bürger ungarischer Nationalität, durch ausdrückliche Anerkennung seitens der Eltern l e g i t i m i e r t .

Die ungarischen Behörden verweigerten jedoch die Eintragung der Legitimation des Kindes in die ungarischen Matrikel, w e i l die M u t t e r z u r Zeit seiner G e b u r t die u n g a r i s c h e S t a a t s b ü r g e r s c h a f t noch nicht besessen habe.

Auf unsere Anfrage, ob nach ungarischem Rechte die Legitimation des Kindes durch die nachgefolgte Ehe seiner Eltern rechtsgültig bleibe, trotzdem sie nicht in die bezüglichen ungariehen Geburtsmatrikel eingetragen werde, antwortete die österreichisch-ungarische Gesandtschaft, daß nach einem
auf die Frage bezüglichen Bescheide des königlich ungarischen Ministeriums des Innern zur Entscheidung dieser Frage zwar nur die ungarischen Gerichte berufen erscheinen; es stehe jedoch außer Zweifel, daß das legitimierte Kind bis zu einem eventuell entgegengesetzten

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gerichtlichen Beschluß a l s d e n e h e l i c h e n K i n d e r n g l e i c h g e s t e l l t zu betrachten sei.

Der Umstand, daß weder die Geburt dieses Kindes noch der Abschluß der Ehe seiner Eltern in den betreffenden ungarischen Matrikeln eingetragen erscheint, sei nach der Meinung des genannten Ministeriums für die rechtliche Beurteilung der Frage ohne Belang.

10. Eine unverheiratete Russin, Sascha L., welche keine Ausweispapiere besaß, gebar in Genf ein Kind, das auf ihre (indirekten) Angaben hin als das eheliche Kind der (fingierten) Eheleute Sokoloff in die Zivilstandsregister von Genf eingetragen wurde.

Auf die Einfrage des Generalstaatsanwaltes von Genf, ob diese eingestandenermaßen falsche Eintragung als offenbarer Irrtum auf administrativem Wege berichtigt werden könne, antwortete das Justiz- und Polizeidepartement, daß es sich in vorliegendem Falle nicht um einen offenbaren Irrtum des Zivilstandsbeamten handle, da diesem eben andere Unterlagen als die von der Hebamme gemachten und teils auf den anfänglichen Aussagen der L., teils auf einer die nämlichen falschen Bezeichnungen tragenden Eintrittskarte (in die Maternité?) beruhenden Angaben fehlten. Es könne daher diese Eintragung falscher Tatsachen nur durch g e r i c h t l i c h e s U r t e i l berichtigt werden. (Vgl. Geschäftsbericht, Justiz- und Polizeidepartement, 1891, VI, 22.)

Übrigens sei in der P r a x i s des ß u n d e s r a t e s rezipiert, daß s e l b s t i n F ä l l e n ,, o f f e n baren" I r r t u m s d i e B e r i c h t i gung durch die Gerichte einzutreten habe, w e n n d u r c h d i e Ä n d e r u n g i m Z i v i l s t a n d s r e g i s t e r d i e Heim a t h ö r i g k e i t des S u b j e k t e s der E i n t r a g u n g b e r ü h r t werde. (Vgl. Geschäftsbericht, Justiz- und Polizeidepartement, 1888, VI, 6.)

Die ferner gestellte Frage, ob Ähnliches nicht auch in ändern Schweizerstädten, welche großen Zuzug fremder, namentlich slavischer Elemente aufweisen, vorkomme und ob, bejahenden B'alls, nicht einheitliche Maßnahmen dagegen ins Auge zu fassen seien, beantwortete das Departement dahin, daß sich bis dahin die Notwendigkeit solcher Maßnahmen noch nicht fühlbar gemacht habe, indem dieser Fall der erste seiner Art gewesen, welcher zu seiner Kenntnis gelangt sei.

11. Die Frage, wie das außerhalb des Kautons geborene
i l l e g i t i m e , durch die nachträgliche Ehe seiner Eltern l e g i t i m i e r t e K i n d in den R e g i s t e r n des H e i m a t k a n t o n s des V a t e r s (in denen es bis dahin noch nicht figurierte) e i n g e t r a g e n werden solle, beantwortete das Departement dahin, daß es als e h e l i c h e s K i n d e i n z u t r a gen sei.

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Die Eintragung eines Randvermerkes hat nur da einen Sinn, wo eine Veränderung des im Register festgestellten Status einzutragen ist.

(Vgl. Handbuch Nr. 208, § 6, und Nr. 87 ; auch Geschäftsbericht, Justiz- und Polizeidepartement, 1890, VII, 8; Bundesbl.

1891, II. 549, Nr. 8.)

12. Der 1875 in Genf geborene Sohn der Fanny G. (ßadenserin) wurde bei Anlaß ihrer Verheiratung mit dem Graubündner Jean Antoine J. von den Nupturienten 1884 in Paris legitimiert. Die Legitimationsurkunde wurde dem Zivilstandsbeamten von Plainpalais (Ort der Geburt) am 16. Oktober 1903 übermittelt, von diesem in seinen Registern vorgemerkt und die Vormerkung an seinen Kollegen von S. (Heimatort des Vaters) weitergeleitet.

Dieser letztere jedoch verweigerte die Eintragung der Legitimation in seine Register, weil die Gemeindebehörden von S. dieselbe beanstandeten.

Unter Hinweis darauf, daß die Haltung des Zivilstandsbeamten von S. den bestehenden Vorschriften uud den Entscheidungen des Bundesrates widerspricht (vgl. Geschäftsbericht, Justiz- und Polizeidepartement, 1891, VI, 17, Bundesbl. 1892, II, 521, und 1892, IV, 334), wonacn ihm die Befugnis nicht zukommt, /u untersuchen, ob der Ehemann der Mutter wirklich der Vater des Kindes sei, dies vielmehr Sache gerichtlicher Entscheidung ist, die Gemeinde S. wohl das Recht hat, die sdvilstandlich erfolgte Legitimation anzufechten und durch gerichtliches Urteil eine Änderung der Registereintraguug bewirken zu lassen, ein bloßer Protest der Ortsbehörde S. aber für das Zivilstandsamt irrelevant ist, ersuchten wir die Regierung von Graubüaden, den Zivilstandsbearnten von S.

zu veranlassen, den Legitimationsvermerk unverzüglich nach Maßgabe des Bundesgesetzes vom 24. Dezember 1874 und der darüber bestehenden weiteren Vorschriften (Artikel 36, 39, 40 und 44 des Reglements vom 20. September 1881 und Ziffer 208, 4 .und 6, und 210, b, ,,Handbuch") in seinen Registern einzutragen.

13. Die Regierung des Kantons Zürich hatte deu Zivilstandsbeamten von Reiden angewiesen, gestützt auf eine Meinungsäußerung des Justiz- und Polizeidepartements, die Vormerkung eines durch das französische Konsulargerieht in Konstantinopel ausgesprochenen und die unter französischem Schütze stehenden schweizerischen Eheleute M.-C. betreffenden Scheidungsurteiles in den heimatliehen Eheregistern abzulehnen.

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Mit Note vom 24. Februar 1903 übermittelte nun die französische Botschaft in Bern dem Bundesrate die Abschrift eines vom französischen Konsul in Konstantinopel an den französischen Minister des Auswärtigen gerichteten Berichts samt Beilagen, worin die Zuständigkeit des Konsulargerichte im vorliegenden Falle dargelegt wurde.

Die eingehende Prüfung; der Akten veranlaßte den Bundesrat unterm 1. Mai 1903, die K o m p e t e n z des f r a n z ö s i s c h e n Konsulargerichte in K o n s t a n t i n o p e l z u r S c h e i d u n g von Ehen d e r unterfranzösischem Schutzee s t e h e n d e n A u s l ä n d e r , unter dem Vorbehalte der Anerkennung und Anwendung des Statusrechtes der Ausländer, e b e n f a l l s a n z u e r k e n n e n und somit dessen Urteile denjenigen der ordentlichen schweizerischen Gerichte gleichzustellen.

Der Bundesrat stützte sich auf die Erwägung, daß das Schutzverhältnis, in welchem die Schweizer im Auslande zu den Vertretern der fremden Staaten stehen, eine Unterwerfung unter die freiwillige und streitige Gerichtsbarkeit des fremden Konsuls bedinge, wenn es sich um Länder handle, wo, wie in der Türkei, die Ausländer fast vollständig von der Territorialgewalt eximiert sind und unter der Hoheit ihrer diplomatischen und konsularischen Vertreter stehen ; diese Unterwerfung geschehe mit Wissen und Willen des Bundesrates, und es sei dieses Verhältnis um so eher zu akzeptieren, als es die Eidgenossenschaft sei, welche den Schutz der fremden Staaten für die Schweizer im Auslande nachgesucht habe und nachsuche.

Infolgedessen veranlaßte das Justiz- und Polizeidepartement die Vormerkung des betreffenden Ehescheidungsurteiles M.-C. im Eheregister des heimatlichen Zivilstandsamtes.

O

ö

Ein anderes unter ähnlichen Verhältnissen ergangenes Scheidungsurteil -- diesmal des französischen Konsulargerichte in Alexandrien -- in Sachen G.-L., wurde ebenfalls als rechtsgültig anerkannt, gelangte jedoch aus dem Grunde nicht zur Vormerkung in den schweizerischen Registern, weil die im Oriente eingegangene erste Ehe des G. hier nicht eingetragen worden war.

11. Der in M.-Gladbach wohnhafte J. G. D. von Eschenbach (Kanton St. Gallen) erwirkte unterm 10. Oktober 1899 vom königlichen Landgericht Düsseldorf ein Urteil, laut welchem seine Ehe mit Wilhelmine H. gänzlich geschieden wurde. Als D.

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im Jahre 1902 sich mit einer I. B. von P. (Preußen) verehelichen wollte, gelangte er an seine Heimatgemeinde Eschenbach mit dem Gesuch, auf Grund jenes Scheidungsurteiles die Eheverkündung vorzunehmen und ihm ein Eheanerkennungs/.eugnis auszustellen.

Auf Weisung des St. Gallischen Departements des Innern verweigerte aber das Zivilstandsamt die Vornahme dieser Amtshandlungen, bis er eine von der zuständigen Behörde gefertigte and beglaubigte Urkunde über die erfolgte Scheidung von seiner ersten Ehefrau beigebracht haben werde; die Eintragung des von einem ausländischen Gerichte ausgesprochenen Scheidungsurteiles müsse abgelehnt werden, da in Gemäßheit von Artikel 43 des eidgenössischen Zivilstandsgesefzes nur schweizerische Gerichte zur ScheidungJ3 einer schweizerischen Ehe zuständigO seien.

Am 10. Dezember 1902 verheiratete sich D. in London vor dem Registrar, des Holborn-Distriktes und verlangte, nun, gestützt auf die englische Ehebescheinigung von seiner Heimatgemeinde die Ausstellung von Familienpapieren für sich und seine neue Ehefrau. Das St. Gallische Departement des Innern hielt aber an seiner frühem Entscheidung fest, indem es ausführte, da das deutsche Scheidungsurteil über seine frühere Ehe von St. Gallen nicht anerkannt worden sei, so müsse folgerichtig die zweite Ehe als ungültig betrachtet werden, Entscheidung, welche am 4. August 1903 durch den Regierungsrat von St. Galleu bestätigt wurde.

Mit Rekurs vom 15. August 1903 gelangte D. an den Bundesrat mit dem Begehren, es sei, auf Grund von Artikel 54, Absatz 3, seine in England abgeschlossene Ehe in der Schweiz anzuerkennen.

Unsere urn Bericht angegangene Gesandtschaft in London übermittelte uns nun ein Schreiben des auswärtigen Amtes, dahingehend, die englischen Gerichte würden das Scheidungsurteil des Landesgerichtes von Düsseldorf in Sachen D.-B. anerkennen, falls das eheliche Domizil der beiden Parteien innerhalb der Gerichtsbarkeit des Düsseldorfer Gerichtes, wie dies in der Tat der Fall war, gelegen sei. Der Registrar von Holborn sei nicht gezwungen gewesen, sich zu vergewissern, ob das Düsseldorfer Urteil nach schweizerischem Rechte gültig war oder nicht.

In Anbetracht, daß demnach eine im Auslande gültige Ehe vorliegt, welche nach der unzweideutigen Norm des Artikel 54 der Bundesverfassung in der Schweiz anerkannt werden muß,
erkannte der Bundesrat, es sei der Regierungsrat von St. Gallen einzuladen, das Zivilstandsamt von Eschenbach anzuhalten, die Scheidung der ersten Ehe des Rekurrenten von der W. H. und den Abschluß der zweiten Ehe desselben mit der I. B. einzutragen.

462

15. Eine kantonale Behörde fragte an, in w e l c h e r F o r m e v e n t u e i l e G e b u r t s s c h e i n e a u s z u s t e l l e n s e i e n , wenn «in Kind z. B. in Ungarn oder Argentinien geboren und die die Unterlage zur Eintragung irn Geburtsregister B bildenden Geb u r t s u r k u n d e n in einer ändern als einer der drei L a n d e s s p r a c h e n a b g e f a ß t seien.

Das Departement erwiderte, da in solchen Fällen die Eintragung in das Geburtsregister B selbst nicht direkt auf Grund der in einer fremden Sprache abgefaßten Dokumente, sondern auf einer amtlichen oder legalisierten Übersetzung derselben erfolge, so werde der Vorschrift des Artikel 8 des Reglements für die Führung der Zivilstandsregister vom 20. September 1881 damit genügt, daß e i n e A b s c h r i f t der (in einer unserer Landessprachen abgefaßten) Ü b e r s e t z u n g a u s g e f o l g t wird.

16. Auf die Einfrage einer Kantonsregierung, ob ein T o d e s fall oder e i n e G e b u r t , die sich um 12 Uhr m i t t e r n a c h t s e r e i g n e t e , als um 12 Uhr nachmittags des ersten oder als um 12 Uhr vormittags des zweiten Tages erfolgt eingetragen werden müsse, erwiderte das Departement, der Stundenschlag bedeute stets, daß die durch den Schlag bezeichnete Stunde voll abgelaufen sei, daß also die neue Stunde beginne.

Mit dem Schlage 12 Uhr mitternachts nimmt daher die erste Stunde des folgenden Tages, mit dem Schlage. 12 Uhr mittags die erste Stunde des Nachmittags ihren Anfang. Es sei daher einzig sinnentsprechend, daß die Stunden von 12 Uhr nachts einschließlich bis 12 Uhr mittags ausschließlich als vormittag und die Stunden von 12 Uhr mittags einschließlich bis 12 Uhr nachts ausschließlich als Nachmittag bezeichnet werden.

Das im ,,Guide pour les officiers de l'état civil", p. 172, Anmerkung 3, genannte Beispiel ist daher falsch, das ,,mit dem Schlage Mitternacht zwischen dem 3. und 4. Januar geborene Kind a ist als am 4. geboren einzutragen.

17. Im Laufe des Berichtsjahres hatte der Bundesrat unter zweien Malen Veranlassung, den Kanton St. Gallen einzuladen, auf Grund der Artikel 40 und 59 des Bundesgesetzes vom 24.

Dezember 1874 Strafuntersuchung gegen zwei Geistliche einzuleiten, welche kirchliche Trauungen vorgenommen hatten, bevor die Brautleute civiliter getraut waren.

Dem Regierungsrat des Kantons
St. Gallen wurde zugleich empfohlen, in geeigneter Weise seine Geistlichen auf die bestehenden Vorschriften und die Folgen der Außerachtlassung derselben für die Beteiligten aufmerksam zu machen.

463

18. Auf eine diesbezügliche Anfrage antwortete unsere Gesandtschaft in London : Nach dem hiesigen Stande der Rechtspflege ist es als vollständig aussichtslos zu bezeichnen, daß von irgend einer englischen Behörde das von Art. 56 des schweizerischen Zivilstandsgesetzes geforderte Zeugnis erhältlich gemacht werden könnte.

Eine auf Scheidung einer Ehe großbritannischer Angehöriger gerichtete Klage kann daher vor schweizerischen Gerichten nicht angebracht werden (vergleiche Geschäftsbericht, Justiz- und Polizeidepartement 1889, IV, 15, Bundesbl. 1890, II, 165, Ziffer 15).

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19. Von den pendenten Heimatlosenfälle wurden im Berichtsjahre 11 erledigt.

Von den 5 alten Fällen sind, nach Mitteilungen der Kantone Graubünden und Tessin, diejenigen der Familien del Storno und Schmidt vor Bundesgericht hängig, die Fälle Petriva und Gatti perii seien von den betreffenden Gemeinden so weit vorbereitet, daß sie ohne Verzug ebenfalls vor Bundesgericht gebracht werden können, und derjenige der Cedraschi, Luigia, welche durch Urteil des Appellhofes von Mailand der italienischen Gemeinde Drezzo zugesprochen worden war, wurde durch letztere vor den Kassationshof von Turin weiter gezogen, so daß deren Erledigung damit ebenfalls in absehbare Nähe gerückt worden ist.

VI. Handelsregister.

A. Statistik.

Im Jahre 1903 wurden e i n g e t r a g e n : a. Im Hauptregister (A) : 2849 Einzelfirmen (1902: 2551)'; 893 Kollektiv- und Kommanditgesellschaften (1902: 878); 551 Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften und Genossenschaften (1902: 424); 202 Vereine (1902: 165); 125 Zweigniederlassungen (1902: 92); 1479 Bevollmächtigungen (1902: 1447).

b. Im besonderen Register (B) : 4 Personen (1902: 5).

464

G e l ö s c h t wurden : a. Im, Hauptregister: : 2409 Einzelfirmen (1902: 2275), wovon 286 (1902: 247) infolge Konkurses; 741 Kollektiv- und Kommanditgesellschaften (1902: 740), wovon 35 (1902: 42) infolge Konkurses; 121 Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften und Genossenschaften (1902: 124), wovon 14 (1902: 20) infolge Konkurses ; 36 Vereine (1902: 37), wovon 4 (1902: --) infolge Konkurses ; 92 Zweigniederlassungen (1902: 79), wovon l (1902: 1) wegen Konkurses; 1021 Bevollmächtigungen (1902: 1003).

b. Im besonderen Register: 10 Personen (1902: 20).

Ä n d e r u n g e n gelangten zur Eintragung : 538 betreffend Einzelfirma (1902: 686); 349 betreffend Kollektiv- und Kommanditgesellschaften (1902 : 333); 378 (organisatorische Änderungen) bei Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften und Genossenschaften (1902 : 347) ; 266 bei Vereinen (1902: 208); 48 bei Zweigniederlassungen (1902 : 26) ; 494 betreffend das Personal der Vorstände von Genossenschaften (1902: 526).

Die G e s a m t z a h l der vorgenommenen Eintragungen ist 12,606 (1902: 11,966): 340 Löschungen erfolgten wegen Konkurses (1902: 310).

Auf 31. D e z e m b er 1903 b l i e b e n im Handelsregister e i n ög e t r a Og e n : a. Im Hauptregister : 33,476 Einzelfirmen (1902: 33,036; 1883: 24,023); 6,472 Kollektiv- und Kommanditgesellschaften (1902: 6320; 1883: 3666); 6,903 Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften und Genossenschaften (1902: 6473; 1883: 1417);

Handelsregister-Eintragungen im Jahre 1903.

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Personaländerungen in 1 Genossenschaftsvorständen. 1

Kantone.

Aktiengesellschaften, Kommanditaktien-Gesellschatten und Genossenschaften.

Kollektiv- und KommanditGesellschaften.

Einzelfirmen.

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im Handelsregister eingetragenen Einzelfirmen, Handelsgesellschaften, Vereine und nicht handeltreibenden Personen auf 31. Dezember 1902 und 1903.

Einzelfirmen

Kantone

(1902)

1903

3,955) 5,045) 1,228) 95) 524) 125) 133) 507) 204) 1,564) 627) 1,030) 2"58) 457) 711) 73) 2,192) 1,117) 1,237) 1,022) 1,473) 4,737) 316) 1,791) 2,615)

4,062 5,035 1,312 97 519 118 156 488 196 1,709 672 1,035 252 456 755 74 2,264 1,121 1,219 983 1,512 4,761 320 1,762 2,598

Kollektivund KommanditGesellschafien

(1902) ( 948) ( 874)

1903 983 909 220 33 60 22 26 110 36 149 114 420 59 79 83 2 400 287 314 118 320 641 78 404 605

Aktiengesellschaften, Kommandit-Aktiengesellschatten und Genossenschaften (1902) ( 778) (1299) ( 283) ( 5) ( 54) ( 13) ( 14) ( 37) ( 38) ( 375) ( 173) ( 136) ( 87) ( 52) ( 56) C 8) ( 317) ( 129) ( 300) ( 141) ( 80) (1216) ( 81) ( 269) ( 532)

Vereine

Zweigniederlassungen

Besonderes Register

1903 797 1349 301 8 58 15 14 40 38 393 188 138 100 49 55 9 341 155 306 149 86 1252 89 285 688

(1902) 1903 ( 62) 71 ( 391) 423 ( 64) 69

(1902) 1903 ( 99) 103 (118) 122 ( 41) 42 ( 6) 6 ( 3 ) 3 ( 2) 2 ( 2) 2 ( 4) 4 ( 4) 4 ( 22) 24 ( 11) 11 ( 68) 77 ( 12) 12 (6) 5 C 4) 4 ( D 1 ( 79) 86 ( 61) 64 ( 19) 17 ( 61) 63 ( 28) 25 ( 96) 100 ( 11) 11 ( 63) 67 ( 73) 72

(1902) 1903 ( 63) 64 (300) 299 (106) 100

Zürich Bern Luzeru . . . .

Uri Schwyz Nidwaiden Obwalden Glarus Zug Freiburg Solothurn Baselstadt Baselland Schaffhausen . . . .

Appenzell A.-Rh Appenzell I.-Rh St. Gallen Graubünden Aargau Thurgau Tessin Waadt Wallis .

. . .

Neuenburg Genf

( ( ( ( ( ( ( ( C C C ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( f

Total am 31. Dezember .

(33,036) 33,476

(6320) 6472

(6473) 6003

(1835) 2001

24,023

3666

1417

134

Total am 31 . Dezember 1883

( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( C ( ( ( ( ( ( ( ( (

223) 34) 62) 24) 27) 110) 41) 141) 108) 413) 65) 78) 82) 4) 378) 286) 322) 109) 305) 629) 77) 390) 590)

C ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( (

2) 8 ) --) 2) 8) 24) 103) 63) 50) 33) 14) 5) 1) 69) 38) 88) 13) 15) 344) 12) 114) 312)

3 9 2 2 7 26 115 77 52 36 19 7 1 76 42 92 15 17 362 12 113 353

(894) 368

927

Total

( __) r -\ ( 2) C --) C --) ( 2) ( 32) ( 68) C --) ( 1) ( --) ( 2) C --) ( 6) C 3) C 3) ( --) ( 29) ( 14) (2) ( 32) (6)

2 -- 2 31 68 -- 1 1 2 -- 6 3 3 -- 29 14 2 32 6

(1902) 1903 ( 5,905) 6,080 ( 8,027) 8,137 ( 1,945) 2,044 ( 142) 147 ( 651) 649 ( 166) 161 ( 178) 200 ( 666) 649 ( 313) 302 ( 2,237) 2,421 ( 1,050) 1,130 ( 1,697) 1,722 ( 456) 460 ( 607) 609 ( 860) 906 ( 87) 87 ( 3,041.) 3,173 ( 1,634) 1,672 ( 1,969) 1,951 ( 1,346) 1,328 ( 1,930) 1,989 ( 7,036) 7,130 ( 499) 512 ( 2,659) 2,663 ( 4,128) 4,322

(671)

685

(49,229) 50,444

_

2052

31,740

465 2,001 Vereine (1902: 1835; 1883: 134); 927 Zweigniederlassungen (1902: 894; 1883: 368).

b. Im besonderen Register: 665 Personen (1902: 671; 1883: 2052).

Die für die Eintragungen bezogenen G e b ü h r e n belaufen «ich im ganzen auf Fr. 73,362. 50 (1902 : Fr. 65,850), wovon ·dem Bund als Vergütung für die Veröffentlichung durch das Handelsamtsblatt Fr. 14,652. 50 zukommen (1902: Fr. 13,170).

Die Verteilung obiger Ziffern auf die einzelnen Kantone ergibt sich aus den beigefügten zwei Tabellen A und B.

B. Rekurse.

Rekurse wurden 13 erledigt (1902: 15) ; sie richteten sich ·.gegen Verfügungen der Aufsichtsbehörden folgender Kantone: Aargau (4), Appenzell A.-Rh., Baselstadt, Bern, St. Gallen, Genf, Luzern, Neuenburg, Waadt und Wallis.

Zwei der Entscheide wurden im Bundesblatt veröffentlicht, .nämlich : a. Beschluß über den Rekurs der ,,Aktiengesellschaft Francke, Ringier & Cie.a in Zofmgen gegen die Verfügung der Justiz·direktion des Kantons Aargau vom 12. Januar 1903, die Ablehnung der Eintragung dieser Firma in das Handelsregister betreffend, vom 3. April 1903 (Bundesbl. 1903, II, 537 ; vgl. auch v. Salis, Schweiz. Bundesrecht, 2. Auflage, Bd. IV, Nr. 1647).

b. Beschluß über den Rekurs des B. Nordmann, jeune, courtier en horlogerie in La Chaux-de-Fonds, gegen die Verfügung ·des Justizdepartementes des Kantons Neuenburg vom 20. Februar 1903, seine Eintragung in das Handelsregister betreffend, vom 22. Juni 1903 (Bundesbl. 1903, III, 755).

TU. Eechtspflege.

Statistik.

0 Mit Einschluß der aus dem Jahre 1902 pendent gebliebenen Fälle (22) waren im Berichtsjahre total 195 Beschwerden (1902: 219; 1901 : 245) zu behandeln, wovon 184 ihre Erledigung fanden ·und 11 auf das Jahr 1904 übertragen wurden.

Die erledigten Beschwerden betrafen dem Gegenstande nach: 40 Beeinträchtigung der Handels- und Gewerbefreiheit ; 28 Niederlassung; Bundeablatt. 56. Jahrg. Bd. I.

38

466

3 Begräbniswesen und Konfessionelles; 9 Stimmrecht und Wahlen; 20 Entscheidungen in Anwendung von Bundesgesetzen; 71 Angelegenheiten gerichtlicher Natur; 7 Steuerwesen; 6 Verschiedenes.

Hiervon wurde eine Beschwerde vor Stellung unseres Arvträges zurückgezogen, 5 wurden wegen Fristversäumnis abgewiesen und 3 als gegenstandslos geworden am Protokoll des.

Bundesrates abgeschrieben. 10 Beschwerden (1902 : 11; 1901 : 5) wurden begründet erklärt, 50 (1902 : 39; 1901 : 40) als unbegründet abgewiesen, und auf 115 Beschwerden (1902:132; 1901 : 169) konnte deswegen nicht eingetreten werden, weil sie entweder ausschließlich in die Kompetenz der kantonalen Behörden oder des Bundesgerichtes fielen oder weil da, wo unsere Kompetenz materiell begründet gewesen wäre, die kantonalen Instanzen noch nicht erschöpft waren.

Die Bundesversammlung hatte sich im Berichtsjahre mit 12 Beschwerden (1902 : 10; 1901 : 11) aus dem Geschäftskreis des Justiz- und Polizeidepartements zu befassen. Eine dieser Beschwerden wurde vor Beschlußfassung zurückgezogen, über 2 wurde zur Tagesordnung geschritten, auf 5 wurde nicht eingetreten 3 wurden abgewiesen und eine ist noch pendent.

In diese Statistik sind ferner noch aufzunehmen 9 Beschwerden (1902 : 12; 1901:13), die das Departement als die dem eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum vorgesetzte Verwaltungsbehörde zu entscheiden hatte und von denen 3 an den Bundesrat weitergezogen worden sind; ferner 28 Mitberichte (1902:17; 1901 : 22) des Departements bezüglich solcher vom Bundesrate entschiedenen Beschwerden, die gegen Verfügungen anderer Departemente gerichtet waren.

Außerdem sind noch 40 Gutachten (1902 : 33; 1901 : 50) zu erwähnen, die das Departement im Laufe des Berichtsjahres über verschiedene Rechtsfragen an die übrigen Departemente erstattet hat. Dazu kommen 53 Verlassenschaftsfälle (1902 : 48; 1901 : 42), in denen die Vermittlung des Departements in Anspruch genommen wurde, und 19 Vormundschaftsangelegenheiten, die, soweit es sich nicht um Fälle im Ausland handelte, wegen Inkompetenz des Bundesrates an die zuständigen kantonalen Behörden gewiesen wurden. Im weitern hatte sich das Departement mit 66 Beschwerden und Rechtsfällen (1902: 78 ; 1901:55), die von Schweizern im Ausland oder von Ausländern in der Schweiz auf diplomatischem Wege anhängig gemacht worden waren, zu befassen.

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Pendent. 1

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!orflek|Ttii{Ni 1 und gegenstandslos 1 geigiden.

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Unbegründet. 1

Gegenstand.

Nicht 1 eingetreten. 1

467

i

1. Handels-und Gewerbefreiheit: 1. Wirtschaftswesen . . .

2. Besteuerung des Gewerbebetriebes 3. Gesundheitspolizei .

4. Lebensmittelpolizei 5. Schutz des Publikums vor Ausbeutung und Prellerei 6 . Gewerbepolizei . . . .

7. Die wissenschaftlichen Berufsarten und die Handelsund Gewerbepolizei .

8 . Prozessuales . . . .

I I . Niederlassung . . . .

III. Begräbniswesen und Konfessionelles IV. Stimmrecht und Wahlen .

V. Entscheidungen in Anwendung von Bundesgesetzen : 1. Erhebung von Staatsgebühren . . . .

2. Verweigerung des Armenrechts in Haftpflichtsachen 3. Amtsdauer der schweizerischen Kreiseisenbahnräte . . . .

4. Jagd- und Vogelschutz 5. Organisationsgesetz 6. Bundes - Gesetz über Schuldbetreibung und Konkurs . . . .

Übertrag

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VI. Beschwerden gerichtlicher Natur VII. Steuerwesen . . . .

VIII. Verschiedenes . . . .

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I. Handels- und Gewerbefreiheit.

1. Wirtschaftswesen.

Aus den im Berichtsjahr vom Êundesrat gefällten Entscheiden über Beschwerden wegen Verweigerung . von Wirtschaftsbewilligungen heben wir die folgenden Rechtssätze hervor, die gegenüber den zusammenfassenden Darstellungen unserer früheren Geschäftsberichte entweder neu und von prinzipieller Tragweite sind oder aber auf einem neuen Anwendungsgebiet auftreten.

a. Nach dem zürcherischen Wirtschaftsgesetz ist bei endgültigem einjährigem Unterbruch des Wirlschaftsbetriebes die Bewilligung zur Fortführung einer Wirtschaft von der Bedürfnisfrage abhängig zu machen. Die Regierung des Kantons Zürich hat für die Stellung der Bedürfnisfrage in solchen Fällen den Grund angegeben, wenn eine Wirtschaft während eines Jahres oder länger nicht betrieben worden-sei, so existiere eben für deren Wiedereröffnung kein Bedürfnis. Da diese Auffassung keineswegs als eine willkürliche Berufung auf das öffentliche Wohl (Art. 31, lit. c, der Bundesverfassung) erscheint, und die von der Bundesverfassung vorgeschriebene Form des gesetzlichen Erlasses gewahrt war, so haben wir -einen auf Grund der genannten Bestimmung des Wirtschaftsgesetzes gefaßten Entscheid des zürcherischen Regierungsrates geschützt (Beschluß vom 23. Oktober in Sachen Marie Stirnemann), b. Die Rechtsbeständigkeit der Vorschrift, wonach die Distanz zwischen einer projektierten Wirtschaft und dem Schulhause

469 mindestens 30 m. betragen muß, ist bundesrechtlich nicht anfechtbar (Beschluß vom 8. September in Sachen Jean Louis Monney).

c. Ein Wirtschaftsbewerber war mit seinem Patentgesuche aus dem Gründe abgewiesen worden, weil' die Kantonsregierung als Hüterin des Waffenplatzes es in Wahrung höherer, allgemeiner,, öffentlicher Interessen, insbesondere der militärischen Interessen des Bundes und der Kantone für geboten erachtete, der Entstehung einer Wirtschaft in allernächster Nähe eines Schießplatzes entgegenzutreten. Mit Beschluß vom 31. März in Sachen Johann Kyburz hat der Bundesrat diese Entscheidung geschützt (Bundesbl.

1903, II, S. 491).

d. Die Bestimmung eines Wirtschaftsgesetzes, wonach die Erteilung einer Wirtschaftsbewilligung einem Patentinhaber, der sich mehrerer Übertretungen der Wirtschaftspolizei schuldig gemacht hat, verweigert werden kann, verstößt nicht gegen Art. 31 der Bundesverfassung (Beschluß vom 17. November in Sachen Jean Peretli).

e. Die von einer Kantonsregierung erhobene Einrede der ,,Inkompetenz"1 des Rundesrates, die sich darauf gründete, daß der Beschwerdeführer den Bundesverfassungsartikel nicht genannt habe, wegen dessen Verletzung er Beschwerde führte, hat der Bundesrat zurückgewiesen, weil aus der Darstellung des Rekurses klar hervorging, daß es sich um die Abwehr einer vermeintlichen Verletzung der Art. 31 und 4 der Bundesverfassung handle (Beschluß vom 20. November in Sachen Johanna Kleak).

f. Im Kanton Neuenburg werden die ,,Cercles" den physischen Persoaen gleichgestellt, und die Wirtschaftspatente lauten auf den Namen der Cercles. Der Bundesrat hat daher die Legitimation der Cercles zur Beschwerdeführung anerkannt (Beschluß vom G.Januar in Sachen Combe de Monterban; Bundesbl. 1903, I, S. 70).

g. Wir traten auf ein im Rekurse der Gemeinde Tour de Trême gestelltes Rechtsbegehren, es solle die letzte vom Staatsrat des Kantons Freiburg in der Gemeinde ausgestellte Wirtschaftsbewilligung vom Bundesrat nichtig erklärt werden, nicht ein, da das Begehren nicht auf Wahrung, sondern auf Einschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit ging (Beschluß vom 21. August).

h. Wo nach dem kantonalen Recht die Wirtschaftsbewilligungen für das Kalenderjahr erteilt werden, ist ein Patentbewerber, welchem für das eine Jahr ein Patent verweigert worden ist, berechtigt, für das folgende Jahr wieder ein Patentgesuch zu stellen (Beschluß in Sachen Degelo Muheim vom 6. Dezember 1900;

470

Bundesbl. 1901, I, 8. 56). Daraus folgt, daß ein Beschluß des Bundesrates, in welchem die ein Wirtschaftsgesuch abweisende Verfügung einer Kantonsregierung als nicht verfassungswidrig bezeichnet wurde, nicht- res judicata für ein im folgenden Kalenderjahr vom gleichen Rekurrenten gestelltes Wirtschaftsgesuch schafft (Beschluß vom 22. Juni in Sachen Jos. Neidhart; Bundesbl. 1903, III, 581, und Beschluß vom 20. November in Sachen Viktor Thorembert).

i. Wiederholt hatten wir zu bemerken, daß wir übungsgemäß auf die Kostenfrage nicht eintreten (Beschluß vom 23. Oktober in Sachen Marie Stirnemann).

2. Besteuerung des Gewerbebetriebes.

a. Von den Beschwerden gegen kantonale Verfügungen, durch ·welche unter dem Titel der Erhebung von Hausierpatenttaxen bestimmte Gewerbe oder Gewerbearten besteuert werden, haben wir zwei materiell entschieden und im ßundesblatt zum Abdruck gebracht. Es sind: der Beschluß vom 27. Januar in Sachen Leopold Thorner, Hausierer von Lengnau (Aàrgau), wegen Auferlegung einer Hausierpatenttaxe von Fr. 600 per Vierteljahr durch den Kanton Bern (Bundesbl. 1903, I, 236) und der Beschluß vom 20. Januar in Sachen Schweizerische Automatengesellschaft in Bern wegen Unterstellung eines Verkaufsapparates in Heiden unter das Hausiergesetz des Kantons Appenzell A.-Rh. und zu hoher Taxierung des Automaten (Bundesbl. 1903, I, 119). Die Beschwerde Thorners haben wir gutgeheißen, die Beschwerde der Schweizerischen Automatengesellschaft dagegen abgewiesen.

Hinsichtlich der Erwägungen zum letztern Rekursentscheid verweisen wir auf das, was wir über die beim Bundesrat anhängig gemachten Rekurse der gleichen Gesellschaft im letztjährigen Geschäftsbericht gesagt haben. Zur Erläuterung des dort Gesagten ist hier noch das Argument der Regierung von Appenzell A.-Rh.

hervorzuheben, welches dahin ging, die Regierung sei, weil es sich um ein Hausierpatent handle, bei der Taxation des Betriebes der Rekurrentin an die effektive Rentabilität desselben nicht gebunden.

Dieser Behauptung sind wir insofern entgegengetreten, als wir die Erwerbsmöglichkeit als einen Faktor bezeichnet haben, welcher sowohl bei der Klassifizierung eines Gewerbes im allgemeinen, als auch bei der Taxauflage gegenüber dem einzelnen Hausierer berücksichtigt werden muß und von welchem die Entscheidung der Frage bedingt wird, ob die geforderte Patenttaxe für den Handel des Einzelnen prohibitiv wirke oder nicht.

471 6. Zwei Entscheide, die wir ebenfalls im Bundesblatt in extenso veröffentlicht haben, betreffen die Besteuerung der Ausverkäufe und des zeitweiligen Handelsbetriebes: Beschluß vom 20. Februar über die Beschwerde des Karl Braun gegen das Urteil des Obergerichteä des Kantons Luzern betreffend Unterstellung ·eines Restenverkaufs unter das kantonale Gesetz betreffend Marktund Wandergewerbe (Bundesbl. 1903, I, 522). Wir haben hier festgestellt, daß das angefochtene Gerichtsurteil die Handels- und ·Gewerbefreiheit nicht verletze, da es, ohne selbst eine Strafe auszusprechen oder rechtskräftig zu erklären, bloß die Ruckweisung des gegen den Rekurrenten wegen Übertretung des Marktgesetzes anhängig gemachten Strafverfahrens an die erste Instanz aussprach.

Beschluß vom 18. August in Sachen Gaston Bloch, Sehuh'händler in Lausanne, wegen Auferlegung der Patentpflicht für den Betrieb eines zeitweiligen Handels. Da die Kantone das Recht haben, den zeitweiligen Handelsbetrieb (déballage) als patentpflichtig zu erklären, so ist es nicht verfassungswidrig, wenn mit der Patenttaxe ein Kaufmann belegt wird, welcher nach Ablauf ·der filr einen allgemeinen und vollständigen Geschäftsausverkauf gewährten Frist seinen Handel fortsetzt, ohne sich neuerdings als «tändiger Kaufmann etabliert zu haben.

3. Gesundheitspolizei.

Im Beschluß vom 11. August in Sachen Friedrich Golliez in Murten gegen Bern wegen Rückzugs der Bewilligung zur Publikation des ,,Eisencognac Golliez"1, haben wir die angehobene Beschwerde als begründet erklärt, weil wir in den beanstandeten Ankündigungen für den Eisencognac Golliez weder die Gefahr der Gesundheitsschädigung noch die Gefahr der Prellerei und Übervorteilung des Publikums erblicken konnten (Bundesbl. 1903, III, 893).

Die zweite dieses Gebiet betreffende Beschwerde in Sachen August Caspari wegen Verbots der Ankündigung und des Verkaufs des fl Baume Chiron a und des ,,Lactogenine"1 durch die Regierung des Kantons Zürich haben wir dagegen am 17. September wegen der gesundheitsschädigenden Folgen abgewiesen, welche die vorschriftsgemäße Verwendung des erstgenannten Präparates mit sich bringen kann, und wegen der Täuschung des Publikums über die Erfolge des absolut wirkungslosen Lactogénine (Bundesblatt 1903, IV, 57).

472 4. Lebensmittëlpolisei.

Wir haben im letzten Geschäftsbericht unserer Entscheidung: in Sachen der Aktiengesellschaft S. Börlin & Cie. in Binningea gegen Graubünden Erwähnung getan. Auf den an Ihre Versammlung gegen diesen Beschluß ergriffenen Rekurs haben wir im Bericht an Sie daran festgehalten, daß die Zwangsbezeichnung eine» unter Verwendung von Milch hergestellten Kunstproduktes mit ,,Kochfett" anstatt mit ,,Margarine" da nicht verfassungswidrig ist, wo nach dem Ortsgebrauch der Name Kochfett schlechtwegalle Fabrikate umfaßt, die nicht reine Butter, sondern eine Mischung von Butter (Milch) sind (Bundesbl. 1903, I, 510). Mit Beschluß, vom 9./20. Juni sind Sie dieser Auffassung beigetreten.

5. Schutz des Publikums vor Ausbeutung und Prellerei.

Vergleiche die beiden unter Ziffer 3 erwähnten Fälle.

Gemäß unserm im letztjährigen Geschäftsbericht erwähntenPräjudiz in Sachen Jakob und Anna Wenger vom 14. Januar 1902 (Bundesbl. 1902, IV, 813, und 1903,1, 568) haben wir am.

6. Oktober 1903 die Beschwerde einer Frau Moser-Wüest, in Luzern, gegen Baselstadt als unbegründet erklärt, indem wir feststellten, daß das Verbot des Vorkaufs auch dann nicht verfassungswidrig ist, wenn es Personen betrifft, welche die auf einem< Markt aufgekauften Waren an einem ändern Orte weiter verkaufen.

Mit Beschluß vom 3. Juni/4. November 1903 haben Sie diean Sie gerichtete Beschwerde gegen unsern obgenannten Beschluß, in Sachen Wenger als unbegründet erklärt (siehe Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 24. Februar; Bundesblatt 1903, I, 517).

6. Gewerbepolizei.

a. Beschluß vom 19. März über die Beschwerde des A. Jeanloz.

gegen die Bestrafung seines Kutschers wegen Übertretung derbernischen Polizeivorschrifteu für Lohnkutscher (Bundesbl. 1903,.

II, 244). Wir sind auf die Beschwerde wegen mangelnder Legitimation des Rekurrenten nicht eingetreten.

o. Die Beschwerde von Henri Mann und Konsorten gegen, die Verweigerung der Bewilligung zur Aufstellung elektrischer Holzbearbeitungsmaschinen in Territet durch den Staatsrat des.

Kantons Waadt haben wir mit Beschluß vom 21. Juli als unbegründet abgewiesen, weil durch Art. 31 der Bundesverfassung dea

473

Kantonen Verfügungen zur Fernhaltung lärmender Werkstätten von bestimmten städtischen Quartieren vorbehalten sind (Bundesblatt, 1903, III, 801).

7. Die wissenschaftlichen Berufsarien und die Handelsund Gewerbefreiheit.

Von den Rekursen, die unter diesem Gesichtspunkt anhängig gemacht worden sind, haben wir die beiden, auf welche wir materiell eintraten, im Bundesblatt zum Abdruck gebracht.

a. Beschluß vom 1. Dezember über die Beschwerde des A. H. Jucker, in Zürich, wegen Entzug einer Konzession für den Betrieb einer Apotheke (Bundesbl. 1903, V, 282). Da der Apothekerberuf nach seinem Doppelcharakter nicht nur ein wissenschaftlicher Beruf, sondern auch ein Gewerbe ist, so steht er in der letztern Beziehung unter dem Schutz des Art. 31 der Bundesverfassung. Solange und soweit daher nach dem klaren Wortlaut eines kantonalen Rechtes die Ausübung des Apothekerberufes nicht von der Vorlegung eines Befähigungsausweises abhängig gemacht ist, bedeutet die Forderung des Befähigungsnachweises durch die Regierung des Kantons einen Einbruch in die Freiheit der Gewerbeausübung, der von Bundesrechtswegen zurückzuweisen ist.

6. Aus der Entscheidung vom 29. September über die Beschwerde des Th. Konrad gegen den Großen Rat des Kantons Appenzell I.-Rh. wegen Verweigerung eines Anwaltspatentes (Bundesbl. 1903, IV, 111) heben wir den Grundsatz hervor, daß die Bundesversammlung in Art. 31 die Kantone nur zu denjenigen Maßregeln verhalten will, welche nötig sind, damit die Bürger von der Gewerbefreiheit auf ihrem Gebiet Gebrauch machen können.

8. Protsessuales.

a. Wir verweisen auf die schon unter Ziffer l nahmhaft gemachten Fälle (Ut. e--g}.

b. Über staatsrechtliche Beschwerden aus Art. 33 der Bundesverfassung zu entscheiden, ist der Bundesrat nicht zuständig (Beschluß vom 17. September über die Beschwerde des Dr. Cortazzi).

c. Bei Anlaß eines Meinungsaustausches auf Grund von Artikel 194, Absatz l, des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege hat das Bundesgericht die Anregung gemacht, ob nicht in den Fällen, wo die für die Kompetenzzuscheidung an ßundessjericht und Bundesrat entscheidenden Punkte bereits durch

474

wiederholten Meinungsaustausch abgeklärt sind, und sich eine von beiden Behörden konstant innegehaltene Praxis gebildet hat, von der vorgängigen Anfrage als einer unnötigen Komplikation des Verfahrens in denjenigen Fällen abgesehen werden könnte, in welchen ein Rekurrent sich gleichzeitig an die beiden Instanzen gewandt hat. Es ließe sich dies auf Grund der Erwägung rechtfertigen, daß nicht einzusehen sei, weshalb, da doch jede Behörde, wenn sie allein mit einer Beschwerde angegangen wird, und über die Kompetenzfrage keine Zweifel hat, von der Einholung der Ansicht der ändern dispensiert ist, etwas anderes gelten sollte, falls der Rekurrent sich gleichzeitig bei beiden Instanzen beschwert habe.

Wir haben uns mit der Anregung einverstanden erklärt und seither den vereinfachten Modus befolgt; Übelstände irgend welcher Art haben sich nicht ergeben. Beschluß vom 12. Juni in Sachen Meyer-Halter.

d. Bezüglich der Legitimation zur Beschwerdeführung siehe unsern Beschluß in Sachen Jeanloz (Ziffer 6, a).

U. Niederlassungsrecht.

Von den im Berichtsjahr an den Bundesrat ergriffenen Niederlassungsrekursen haben wir wiederum keinen gutgeheißen. Es ist aus diesen Entscheidungen in formeller und materieller Beziehung folgendes hervorzuheben : 1. Für die Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen in einem schweizerischen Kanton ist der Bundesrat nicht zuständig: wir haben die Petenten an die kantonalen Behörden verwiesen (Beschluß vom 7. Mai in Sachen Ennemoser).

Ebenso hat der Bundesrat nicht zu untersuchen, ob ein kantonales Polizeigesetz richtig oder falsch angewendet worden ist, denn die Handhabung der Fremdenpolizei steht den Kautonen zu.

Die einzige Frage, welche er zu prüfen hat, ist die, ob im konkreten Falle die Anwendung eines Fremdenpolizeigeselzes eine Verletzung des Staatsvertrages mit dem Heimatstaate des Rekurrenten enthalte. Beschluß vom 31. März in Sachen Perroud.

2. Der geborene Ausländer, welcher sein Heimatrecht verloren hat, ist, auch wenn sein Heimatstaat zu einer Wiederaufnahme verpflichtet ist, nicht legitimiert, sich auf den Niederlassungsvertrag der Schweiz mit seinem frühern Heimatstaat zu berufen (Beschluß vom 20. Februar in Sachen Johann Heinrich Filter).

475 3. Niederlassungsvertrag mit Deutschland vom 31. Mai 1890.

Ina Beschluß vom 27. Januar über die Beschwerde des Franai Joseph Jekel in Herisau gegen den Kanton Appenzell A.-Rh. haben wir festgestellt, daß die Art. l und 2 des Vertrages durch Artikel 4 eine Einschränkung erfahren, wonach durch die Ausstellung des Leumundszeugnisses das Recht eines jeden der vertragsschließenden Teile, Angehörigen des ändern Teiles entweder infolge gerichtlichen Urteils oder aus Gründen der innera oder äußern Sicherheit oder aus Gründen der Armen- und Sittenpolizei den Aufenthalt zu versagen, nicht berührt wird (Bundesbl. 1903, I, 255).

Vergleiche Kreisschreiben des Bundesrates vom 8. September 1891, A, Ziffer II, Alinea 3 (Bundesbl. 1891, IV, 372 f.).

Sodann, daß die Kantone, welche kraft ihrer gesetzlichen Vorschriften den Ausländern ,,nach Maßgabe der Staatsverträge" die Aufenthaltsbewilligung verweigern können, einem Deutschen den Aufenthalt aus Gründen der Sittenpolizei und der innern Sicherheit des Staates verweigern können (Bundesbl. 1903,1, 255).

4. Niederlassungsvertrag mit Frankreich vom 23. Februar 1882.

In fast allen Entscheiden über die Beschwerden von französischen Staatsangehörigen, deren Ausweisung von einer kantonalen Behörde verfügt worden war, hatten wir die Ausweisung schon wegen des Mangels eines Immatrikulationsscheines aufrecht zu halten ; denn der französische Staatsangehörige, der nicht mit dem in Art. 2 des Staatsvertrages genannten Iminatrikulationsschein versehen ist, besitzt kein Recht auf Wohnsitz oder Niederlassung in der Eidgenossenschaft (vgl. z. B. Entscheidung in Sachen Grelounaud vom 20. November).

Die Bestimmung des Art. 5 des Staatsvertrages, wonach die Angehörigen der beiden Vertragsstaaten durch gesetzliche Verfügung (sentence légale) weggewiesen werden können, verlangt weder ein gerichtliches Urteil noch eine authentische Urkunde: die Bestimmung umfaßt vielmehr jede Art von Entscheidung, gleichgültig von welcher Behörde sie ausgeht (Beschluß vorn 31. März in Sachen Perroud).

5. Niederlassungsvertrag mit Österreich-Ungarn vom 7. Dezember 1875.

Der österreichische sogenannte Heimntschein kann in der Schweiz nicht als ein Ausweispapier betrachtet werden, welches den Anforderungen genügt, deren Erfüllung kraft des Staatsvertrags als Voraussetzung für die Erteilung einer Niederlassungsoder Aufenthaltsbewilligung von einem Österreicher verlangt werden darf (Bundesbl. 1903, III, 808).

476

m. Konfessionelles.

1. Mit Beschluß vom 25. November sind wir auf die Beschwerde des Gemeinderates von Martigny-Ville betreffend die Verletzung von verfassungsmäßigen Rechten wegen Inkompetenz nicht eingetreten (Bundesbl. 1903, V, 105); für Besehwerden auf Grund von Art. 49 der Bundesverfassung ist das Bundesgericht zuständig.

2. Einer Eingabe der römisch-katholischen Pfarrei St. Peter und Paul und der Liebfrauenpfarrei in Zürich wegen Versendung von sogenannten Aufklärungszirkularen durch die katholische Kirchenpflege Zürich haben wir mit Beschluß vom 21. Juli (Bundesblatt III, 815) keine Folge gegeben, da eine Gefährdung oder Störung des öffentlichen Friedens zwischen den beiden Konfessionen der Christ- und Römischkatholischeu durch das Zirkular nicht bewirkt worden war.

3. Im Verfolge der in den Geschäftsberichten für die Jahre 1900 und 1902 berührten Angelegenheit L. M. Brasey (Bundesblatt 1901, II, 44 f., und 1903, I, 572) hat uns die Erziehungsdirektion des Kantons Freiburg einen Erlaß des Bischofs von Lausanne und Freiburg vom 6. Februar 1903 bekannt gegeben, durch welchen verfügt wird : ,,Künftighin sollen in den Pfarreien des Kantons Freiburg bei Beerdigungen sowohl von Erwachsenen als von Kindern die Glocken nicht mehr geläutet werden."1 Wir haben von diesem Erlaß Vormerk genommen (Beschluß vorn 3. März).

4. Von den französischen Orden und Kongregationen, denen wir mit Beschluß vom 19. August 1902 (Bundesbl. 1902, VI, 239) die Niederlassung in der Schweiz verweigert und eine Frist von 90 Tagen zur Regelung ihrer Verhältnisse angesetzt hatten, haben vier um eine Fristverlängerung, fünf um ein Zurückkommen auf den Beschluß vom 19. August nachgesucht (vergi. Geschäftsbericht pro 1902 im Bundesbl. 1903, I, 572 f.). Wir haben die erstem Gesuche, die sämtlich Niederlassungen im Kanton Wallis betrafen, grundsätzlich abgewiesen, den betreffenden Orden aber eine neue Frist von drei Monaten gewährt; von den Gesuchen um Zurückkommen auf unsern Beschluß, die zum Teil von Niederlassungen im Kanton Waadt, zum Teil von solchen irn Kanton Wallis ausgegangen waren, haben wir zweien entsprochen, aber die Regierung des Kantons Waadt darüber zu wachen eingeladen, daß aus den betreffenden Niederlassungen keine Kongregationsniederlassungen entstehen (Beschluß vom 5. Juni; Bundesbl. 1903, III, 395).

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5. Von den in den Kanton Frei bürg gezogenen französischen Orden haben wir mit Beschluß vom 2. Juni den Karmeliterinnen im Schloß Rias, Bezirk Greyerz, gemäß Art. 52 der Bundesver-fassung die Niederlassung versagt (Bundesbl. III, 270).

6. Die Einwanderung ganzer Kongregationen oder einzelner Kongregationsangehöriger gab Gelegenheit zu einer ganzen Reihe von Untersuchungen. Wir sind jeweilen nur da eingeschritten und haben von den Befugnissen, welche die Verfassung gibt, nur Gebrauch gemacht, wo wir die volle Überzeugung gewonnen haben, daß es sich wirklich um die durch die Verfassung verbotene Niederlassung eines Ordens oder einer Kongregation handelte.

Außer den bereits im Geschäftsbericht pro 1902 und im gegenwärtigen Geschäftsbericht erwähnten Fällen beschäftigten folgende Kongregationen das eidgenössische Justizdepartement: 1. F r è r e s des é c o l e s c h r é t i e n n e s in Genf.

2. S oe u r s de la s a i n t e F a m i l l e in Chauffau (Neuenburg).

3. S c h w e s t e r n der g ö t t l i c h e n V o r s e h u n g von Portieu in Baselstadt.

4. C o n g r é g a t i o n de S t - J o s e p h d ' A n n e c y in Nyon (Waadt).

5. D o m i n i k a n e r in Champittet (Waadt).

6. K a r t h ä u s e r in Ste-Croix (Waadt).

7. S oe u r s de la c h a r i t é de B e s a n ç o n in Vallorbe (Waadt).

8. S oe u r s M a r i e aus L o n s - l e - S a u l n i e r in Sursee.

9. Frères des é c o l e s c h r é t i e n n e s in Freiburg und Attalens (Kanton Freiburg).

10. P è r e s M a r i a n i t e s in Freiburg.

11. O r d r e de S t - J o s e p h in Freiburg.

12. S oe u r s de la S a g e s s e in Sonnenwil (Freiburg).

13. Soeurs de S t - V i n c e n t de P a u l in Domdidier (Freiburg).

14. F i d è l e s co m p a g n e s de J é s u s in Corbières (Freiburg).

15. Soeurs de la Sainte F a m i l l e in Vuisternens (Freiburg).

16. S oe u r s de la P r o v i d e n c e in Gousset (Freiburg).

17. F r è r e s e n s e i g n a n t s de S t - G a b r i e l (Givisiez).

18. I n s t i t u t de S t - P i e r r e in Freiburg.

19. F r è r e s de la c r o i x de Jésus de M é n e s t r u e l in Vallorbes (Waadt).

20. Frères de Marie in Monthey und Martigny (Wallis).

21. La r e t r a i t e c h r é t i e n n e de F o n t e n e l l e s in Cerneux-Péquignot (Neuenburg).

Dazu kommen noch einige Fälle, bei denen uns der Name der Kongregation oder des Ordens unbekannt ist.

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IV. Politische Stimmberechtigung, Wahlen und Abstimmungen.

1. Die in der Materie zur Anwendung gebrachten materiellen Rechtsgrundsätze sind diejenigen, welche wir in unsern früheren Geschäftsberichten eingehend dargelegt haben; wir verweisen auf diese Darstellungen.

Von den in Frage kommenden Entscheiden erwähnen wir diejenige in Sachen Octave Contât und Konsorten, vom 25. November betreffend die Validation der Wahl eines Bürgerratspräsidenten und -vicepräsidenten der Gemeinde Monthey (.Bundesblatt 1903, V, 109), und diejenige in Sachen J. E. Leubin und Konsorten in Schupfart (Kanton Luzern) betreffend Nichtgenehmigung einer Gemeindeammannswahl vom 20. November (Bundesblatt 1903, V, 328), die beide als begründet erklärt und in extenso veröffentlicht worden sind.

2. Von den übrigen Entscheiden heben wir hervor, was in formeller Hinsicht von Bedeutung ist.

a. Beschluß vom 3. Februar über die Beschwerde des Dr. Alfred Brüstlein gegen das Dekret des Großen Rates des Kantons Bern betreffend die Feststellung des Repräsentationsverhältnisses der Großratswahlkreise (Bundesbl. 1903, I, 339).

Es muß als zur Anhängigmachung einer Beschwerde genügend betrachtet werden, wenn bei deren Einreichung, sei es in der Rekursschrift selbst, sei es in einem Begleitschreiben, deutlich die Absicht kund gegeben wird, daß sie vom Bundesrat behandelt werden soll.

Da in der Festsetzung des Repräsentationsverhältnisses der Umfang des Wahlrechtes des einzelnen Bürgers festgesetzt wird, so haben wir die Beschwerde, in Übereinstimmung mit dem Bundesgerichte als eine solche betreffend die politische Stimmberechtigung betrachtet.

b. Beschluß vom 20. November über die Beschwerde G. Meier und F. Leupi, betreffend die Neuwahl des Gemeinderates von Buchs, Kanton Luzern (Bundesbl. 1903, V, 269).

Sowohl die Legitimation des einzelnen Bürgers zur Erhebung einer staatsrechtlichen Beschwerde wegen ,,Wahlbeeinflussungentt, wie die Kompetenz des Bundesrates zur Entscheidung über dieselbe ergibt sich aus der Überlegung, daß im Falle des Vorhandenseins einer Wahlbeeinflussung das verfassungsmäßig garantierte Stimmrecht jedes einzelnen Bürgers beeinträchtigt würde, die Behauptung der Wahlbeeinflussung also die Behauptung der Beeinträchtigung des Stimmrechtes bedeutet.

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c. Beschluß vom 23. Oktober über die Beschwerde des Gemeinderates von Herisau wegen Nichtvalidierung einer Kantonsratswahl.

Wir haben prinzipiell die Befugnis eines Gemeinderates anerkannt, als Vertreter aller derjenigen Gemeindemitglieder den staatsrechtlichen Rekurs zu erheben, die an dem Beschlüsse teilgenommen haben, durch welchen dem Gemeinderat der Auftrag zur Beschwerdeführung gegeben worden ist.

Materiell haben wir die Auslegung des Art. 23 der Verfassung des Kantons Appenzell A. Rh. gebilligt, wonach dem Ausdruck ,,der im Kanton wohnende Schweizerbürgera die Bedeutung gegeben wird, daß derjenige als im Kanton wohnend zu betrachten ist, der eine förmliche Niederlassungsbewilligung erhalten hat.

3. Mit Beschluß vom 16. Juni/6. November sind Sie auf die Beschwerde des Jb. Brenner und Genossen gegen die Gültigkeit des Resultates der eidgenössischen Abstimmung vom 15. März 1903 über den Zolltarif in Weinfelden nicht eingetreten (siehe Bericht des Bundesrates vom 26. Mai im Bundesblatt 1903, III, 101).

V. Verfügungen und Entscheidungen in Anwendung von Bundesgesetzen.

1. Bundesgesetz betreffend die Arbeit in den Fabriken vom 23. März 1877.

Im Beschluß über die Beschwerde der Parketterie Altdorf,, H. Hefti & Cie. betreffend die Berechtigung des Kantons Uri zur Erhebung von Staatsgebühren für die Erteilung von Überzeitbewilligungen vom 27. Januar (Bundesblatt I, 243) haben wir die Erhebung einer Staatsgebühr für die Erteilung von Überzeitbewilligungen neben der Kanzleigebühr, die für die Übermittlung von (eidgenössischen oder kantonalen) Bewilligungen erhoben wird, da zulässig erklärt, wo die Erteilung der Bewilligung durch die kantonalen Organe geschehen war, und wo der geforderte Betrag in seiner Höhe dem Charakter einer Gebühr nicht widerspricht.

2. Bundesgesetz vom 26. April 1887 betreffend die Ausdehnung der Haftpflicht und die.Ergänzung des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1881.

Der im Bundesblatt V, Seite 10, vollständig zum Abdruck gebrachte Bundesratsbeschluß vom 17. November in Sachen Luigi Cenini, Maurers, in Baar, wegen Verweigerung des Armen-

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rechtes in einer Haftpflichtsache beruht auf der gleichen rechtlichen Erwägung wie der in unserm letztjährigen Geschäftsbericht besprochene Beschluß in Sachen G. Manto vanni vom 17. Januar 1902 (Bundesbl. 1902, I, 291, und 1903, I, 575).

3. Bundesgesetz betreffend die Erwerbung und den Betrieb von Eisenbahnen für Rechnung des Bundes etc., vom 15. Oktober 1897.

Beschluß vom 2. Oktober über die Beschwerde des J. Jäger, Redaktors in Baden, gegen das Dekret des aargauischen Großen Rates betreffend die Wahl der aargauischen Vertreter in den Verwaltungsrat der schweizerischen Bundesbahnen und in die Kreiseisenbahnräte vom 6. November 1901 und gegen die Wahlen des Großen Rates in den Kreiseisenbahnrat III vom 26. Mai 1903.

Wir heben aus diesem Beschlüsse die Feststellung hervor, daß jede Umgrenzung und Bestimmung der Amtsdauer der schweizerischen Kreiseisenbahnräte durch die Kantone nichtig ist (Bundesbl.

1903, IV, 203).

4. Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz vom 17. September 1875.

Beschluß über die Beschwerde des Dr. Eugen Patry, in Genf, wegen Verweigerung eines Jagdpatentes durch den Staatsrat des Kantons Wallis vom 20. Oktober (Bundesblatt 1903, IV, 423). Da der Bundesrat zur Beurteilung von behaupteten Verletzungen des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz kompetent ist, so haben wir uns auch, nach einem Meinungsaustausch mit dem Bundesgericht, kompetent erklärt für die Beurteilung der gleichzeitig anhängig gemachten Beschwerdepunkte einer angeblichen Verletzung der Art. 4 und 60 der Bundesverfassung.

Die materielle Entscheidung der Beschwerde konnte sich nur nach Beantwortung der Frage richten, ob kantonale Vorschriften über die Jagd und den Vogelschutz, welchen der Bundesrat die Genehmigung nicht erteilt hat, anwendbar sind oder nicht. Wir haben die Frage verneint und daher die Beschwerde gutgeheißen.

5. Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893.

Mit Beschluß vom 26. /28. März sind Sie auf eine bei Ihnen als Aufsichtsbehörde über das Bundesgericht auf Grund von Art. 47 des Organisationsgesetzes eingereichte Beschwerde des Johann Leuenberger betreffend Rechtsverweigerung wegen Inkompetenz nicht eingetreten.

481 Eine gegen unsern Beschluß in Sachen Boinay und Konsorten vom 25. August 1902 an Sie ergriffene Beschwerde ist von den Rekurrenten zurückgezogen worden (siehe unsern Bericht im Bundesbl.

1902, V, 759).

B. Polizeiwesen.

I. Yerträge und Konventionen.

1. Anläßlich der Schritte unseres Gesandten in Buenos Aires bei den Behörden von P a r a g u a y um Erwirkung von Nachforschungen nach dem wegen Mords verfolgten Seh. zum Zwecke der eventuellen Auslieferung an die Schweiz, wurde dem Gesandten von dem Minister der Auswärtigen Angelegenheiten in Assuncion erklärt, daß von Paraguay die Auslieferung verfolgter Individuen an fremde Staaten nur stattzufinden pflege, wenn diese ein förmliches bezügliches Abkommen mit Paraguay abgeschlossen haben. Mit Rücksicht hierauf, und da die Regierung von Paraguay ihre Bereitwilligkeit ausgesprochen hat, auf Verhandlungen zu einem A u s l i e f e r u n g s v e r t r a g mit der Schweiz einzutreten, ließen wir unserer Gesandtschaft in Buenos Aires zur Übermittlung an die genannte Regierung einen bezüglichen Vertragsentwurf zugehen.

Es wurde diesem das Projekt zu Grunde gelegt, welches aus den mit der argentinischen Regierung seinerzeit geführten entsprechenden Unterhandlungen hervorgegangen ist (siehe unsern Geschäftsbericht pro 1895, Seite 46). Wir sehen nun der Ruckäußerung der Regierung von Paraguay entgegen.

2. Da sich in der Praxis ergeben hat, daß die in Art. VIII des A u s l i e f e r u n g s v e r t r a g e s z w i s c h e n der S c h w e i z und G r o ß b r i t a n n i e n vom 26. November 1880 aufgestellte Frist von zwei Monaten für die Beibringung der Beweisakten in einem Auslieferungsfalle mit den Kolonien Großbritanniens, z. B.

Australien, zu kurz ist, wurde, nach vorheriger Vernehmung der Ansicht der englischen Regierung, dieser der Entwurf zu einer Vereinbarung vorgelegt, wonach dem ersten Absatz von Art. XVIII des erwähnten Auslieferungsvertrages eine dahingehende Bestimmung beigefügt werden soll, daß im Verkehr zwischen der Schweiz und den Kolonien, sowie den auswärtigen Besitzungen Großbritanniens, die in Art. III, Abs. 3, jenes Vertrages für die Stellung des diplomatischen Auslieferungsbegehrens vorgesehene Frist 6 Wochen, Bundesblatt. 56. Jahrg. Bd. I.

34

482 statt nur 30 Tage, und diejenige in Art. VIII betreffend die Vorlage der zur Bewilligung der Auslieferung erforderlichen Beweise 3 Monate, statt nur 2, betragen soll.

Eine Rückäusserung der groß britannischen Regierung ist uns hierauf noch nicht zugekommen.

II. Auslieferungen und Strafverfolgungen.

3. Die Gesamtzahl der A u s ! iefe r u n g s f ' ä l I e , die unser Justiz- und Polizeidepartement im Berichtsjahre beschäftigt hat, beträgt 702 gegen 607 im Vorjahre und 588 im Jahre 1901. Es wurden 164 Begehren von der Schweiz im Anstände 1902 144) und 538 von auswärtigen Staaten bei der Schweiz 1902 463 anhängig gemacht. Außerdem gingen 13 Gesuche um D u r c h t r a n s p o r t e von Delinquenten durch die Schweiz von auswärtigen Staaten ein.

Sodann hatte sich das Departement noch mit 33 Auslieferungsangelegenheiten aus frühem Jahren zu befassen.

Die Auslieferungsbegehren des Auslandes bei der Schweiz verteilen sich folgendermaßen auf die einzelnen Staaten : Bulgarien l Deutschland (die drei süddeutschen Staaten 214) 323 Frankreich 47 Großbritannien l Italien 101 Luxemburg l Österreich- Ungarn 60 Rußland . . . · 4 Von diesen Begehren sind 467 (6 durch das Bundesgericht) bewilligt worden; in 43 Fallen blieben «lie Nachforschungen nach den Verfolgten resullatlos, in 18 wurde das Begehren zurückgezogen und in 10 dasselbe verweigert.

Von den Auslieferungsbegehren, welche die Schweiz bei auswärtigen Staaten gestellt hat, gingen an : Ägypten l Beigion 3 Dänemark

l

Deutschland (die drei süddeutschen Staaten 34 . 71 Frankreich 67 Großbritannien l Italien 6

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Kapkolonie l Luxemburg 2 Österreich-Ungarn 9 Vereinigte Staaten von Amerika l Verschiedene Staaten gleichzeitig l Von diesen Gesuchen der Schweiz wurde 110 entsprochen, während 3 verweigert worden sind. In 18 Fallen blieben die Verfolgten unentdeckt und in 25 wurde das Begehren zurückgezogen.

8 Fälle waren am Schlüsse des Jahres noch pendent.

Die Kosten, welche nach Maßgabe von Art. 31 des Auslieferungsgesetzes von 1892 vom Bund an die K a n t o n e zu vergüten sind, betrugen im Jahre 1903 Fr. 11,151. 80 (1902: Fr. 8686).

4. Auf Grund von G e g e n r e c h t s e r k l ä r u n g e n wurde im Laufe dieses Jahres die Auslieferung an I t a l i e n wegen vorsätzlicher falscher Anschuldigung, Verletzung der Schammhaftigkeit böslichen Verlassens von Kindern, Vertrauensmissbrauches unter Fr. 1000 und wegen gewaltsamen Angriffs auf die Schamhaftikeit,, sowieana D e u t s c h l a n d wegen Vornahmeunzüchtigerr Handlungen mit einer zur Pflege anvertrauten Person über 14Jahren^ und gewaltsamer Vornahme unzüchtiger Handlungen an Frauenspersonen bewilligt.

Wir hal>en den eidgenössischen Katen hiervonnachh Maßgabe von Art. l, Abs. 5, desAuslieferungsgesetzes* von 1892 mit Schreiben vom 20. Februar und 25. November 1903 Kenntnis gegeben.

6. Von der bayrischen Gesandtschaft wurde um die A u s l i e f e r u n g eines A N. ans München nachgesucht, der gemäß dem vorgelegten Haftbefehle a u f G r u n d v o n A r t . 181 a , Abs. l , des D e u t s c h e n R e i eh ss t rafge e t z e s verfolgt wurde, weil er von einer Prostituierten in München Geldbeträge entgegengenommen hat, von denen er wußte, dass sie aus dem unzüchtigen Gewerbe der betreffenden Frauensperson herrührten, und sie zur Bestreitung seiner Lebensbedürfnisse verwendete. Die k. Gesandtschaft berief sich hierbei auf die im Jahre 1894 zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reiche ausgelauschte Gegenrechtserklärung, wonach sich die beidenStaatenn verpflichtet haben, in Ausdehnung von Art. l, Ziff. 9, desAuslieferungsvertragess vom 24. Januar 1874 in Zukunft aucwegenen ,gewerbsmäßiger Kuppelei mit großjährigen Personen" die Auslieferung zu gewähren.

Wir konnten dem gestellten Auslieferungsbegehren nicht entsprechen, da die dem N zur Last gelegten Handlungen sich nicht als K u p p e l e i darstellten und daher auch nicht unter die angerufene Gegenrechtserklärung oder irgend ein in dem Bundes-

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gesetze über die Auslieferung, vom 22. Januar 1892, vorgesehenes Delikt fielen. Zum Tatbestand der Kuppelei gehört, daß jemand durch seine Vermittlung oder durch Gewährung oder Verschaffung von Gelegenheit der Uczucht Vorschub leistet. Eine Mannsperson nun, welche, wie im vorliegenden Fall, ohne solches zu tun, mit einer Prostituierten im Verkehr steht und sich von ihr unterhalten läßt, macht sich demgemäß nicht der Kuppelei schuldig, sondera des besondern Deliktes, das in Art. 181 a des Deutschen Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist.

6. Von U n g a r n wurde auf dem diplomatischen Wege um die Auslieferung einer bayrischen Staatsangehörigen wegen in Kispest begangenen H a u s f r i e d e n s b r u c h e s (Art. I, Ziff. 11, des Auslieferungsvertrages zwischen der Schweiz und Österreich-Ungarn, vom 10. März 1896) nachgesucht. Die Requirierte hielt sich in Basel auf. Wir lehnten das gestellte Begehren ab, da gemäß Art. 128 des Strafgesetzbuches des Kantons Baselstadt das Vergehen des Hausfriedensbruches nur mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldbuße bis zu Fr. 2000 bestraft wird, in Art. I, Abs. 2, des erwähnten Auslieferungsvertrages aber vorausgesetzt wird, daß die Straftat, welche dem Begehren zu Grunde liegt, sowohl nach der Gesetzgebung des requirierenden, wie nach der des ersuchten Staates mit einer einjährigen Freiheitsstrafe oder einer schwerem Strafe bedroht ist.

7. Einem F. R. war im Kanton Waadt sein Gebäude mit Beschlag belegt und unter die Verwaltung des Betreibungsamtes gestellt worden. R. verschaffte sich in der Folge Eingang ia das Haus und richtete darin verschiedenen Schaden an. Dadurch machte er sich des Deliktes der Z e r s t ö r u n g , b e z i e h u n g s weise B e c h ä d i g u u g , b e s c h l a g n a h m t e r Gegenstände zum Nachteil der Gläubiger schuldig, welche Handlung nach waadtländischem Rechte dem Diebstahl gleichgeachtet und als solcher bestraft wird. Auf Veranlassung des Staatsrates des Kantons Waadt suchten wir bei F r a n k r e i c h , wohin sich R. begeben hatte, um dessen Auslieferung nach. Die französische Regierung trat indessen auf das Begehren nicht ein und erklärte, die dem R. zur Last gelegte Handlung lasse sich nach der französischen Gesetzgebung nicht unter Art. 379 des Code pénal (Diebstahl) subsumieren, sondern bilde ein besonderes
Delikt (détournement ou destruction d'objets saisis), das in dem Auslieferungsvertrag zwischen dei1 Schweiz und Frankreich, vom 9. Juli 1869, nicht vorgesehen sei.

8. In Hamburg war ein angeblicher Harold Brown verhaftet worden, in dessen Besitz sich Wertpapiere befanden, die von einem

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in G e n f v e r ü b t e n D i e b s t a h l herrührten. Da der Verhaftete gestorben ist, bevor in Deutschland eine Entscheidung über unser Begehren um Auslieferung desselben stattfinden konnte, erklärte sich die Deutsche Reichsregierung, in Anbetracht des Wortlauts von Art. 9 des schweizerisch-deutschen Auslieferungsvertrages vom 24. Januar 1874 zur Herausgabe der bei B. vorgefundenen Gegenstände nur bereit, wenn von Seite der Schweiz für einen umgekehrten Fall das G e g e n r e c h t zugesichert werde.

Wir konnten diese Zusicherung ohne Bedenken erteilen, weil in Art. 27 des Auslieferungsgesetzes vom 22. Januar 1892 ganz allgemein bestimmt ist, daß, ,,kann die Auslieferung (des Requirierten) nicht vollzogen werden, gleichwohl die Papiere, Wertsachen und ändern in Beschlag genommenen Gegenstände dem ersuchenden Staate zugestellt werden sollen11, und weil dementsprechend auch stets fremden Staaten gegenüber von der Schweiz verfahren wird.

9. Die Deutsche Reichsregierung wollte ea beanstanden, daß, in Abweichung von der in Ansehung der Übergabeorte bestehenden Vereinbarung, a n D e u t s c h l a n d a u s z u l i e f e r n d e P e r s o n e n , welche in P r u n t r u t verhaftet worden und im E l s a ß verfolgt sind, nicht nach St. Ludwig bei Basel, sondern nach O t t e n d o r f bei Pfirt zur Übergabe an die deutschen Behörden gebracht werden.

Unser Justiz- und Polizeidepartement machte indessen geltend, daß es sich nicht rechtfertige, solche Arrestanten zum Zwecke der Übergabe an die elsässischen Behörden den weitläufigen Transport von mehr als 70 km. über Delsberg nach St. Ludwig zurücklegen zu lassen, während die Distanz von Pruntrut nach Ottendorf nur 14 km. betrage. Auch dürften nach den gemachten Erhebungen den deutschen Behörden durch die Übernahme eines Arrestanten in Ottendorf, namentlich wenn es sich nicht um ein gefährliches Individuum handle, kaum besondere Schwierigkeiten entstehen.

Dagegen würden den schweizerischen Behörden Weiterungen und beträchtliche Mehrausgaben erwachsen, wenn sie die in Pruntrut verhafteten Personen nach St. Ludwig zu verbringen hätten, anstatt sie an der nahe gelegenen elsässischen Grenze übergeben zu können.

Es hat die Reichsregierung die Angelegenheit daraufhin auf sich beruhen lassen.

10. Bei der Stellung des Begehrens um Auslieferung des G., der
sich im vorletzten Jahre nach M e l b o u r n e g e f l ü c h t e t hatte (siehe unsero Geschäftsbericht pro 1902, Seite 30), waren Zweifel darüber entstanden, ob das Begehren an den Generalgouverneur des Commonwealth oder an den Lieutenant Gouverneur der Kolonie Viktoria zu richten sei. Das schweizerische

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Konsulat in Melbourne stellte zur Vorsicht bei beiden einen bezüglichen Antrag. Nach den seither nun bei der groß britannischen Regierung eingezogenen Erkundigungen ist zurzeit einzig bei dem Gouverneur des einzelnen australischen Staates urn die Auslieferung eines Verfolgten nachzusuchen.

Anläßlich desselben Falles waren die australischen Behörden verschiedener Meinung darüber, ob unter der in Art. V1I[ des Ablieferungsvertrages zwischen der Schweiz und Großbritannien vom 26. November 1880 festgesetzten Frist von 2 Monaten K a l e n d e r - M o n a t e oder L u n a r - Monate zu verstehen seien. Die großbritaunische Regierung hat unserer Ansicht beigepflichtet, daß damit Kalender Monate gemeint seien.

11. Auf Grund einer Bestimmung in einem Nachtrag zu dem amerikanischen Gesetze über die Einwanderung ist die Einwanderungsbehörde in New York (Board of special inquiry) befugt, die Verhaftung verfolgter Personen, die dort eintreffen und ihr rechtzeitig amtlich signalisiert worden sind, vorzunehmen und deren beförderlichen Rückschub durch dieselbe Dampfergesellschaft, durch welche die Herbeförderung geschehen ist, zu verfügen. Solche zurückgewiesene Personen müssen auf Kosten der betreffenden Gesellschaft wiederum an den Ort verbracht werden, wo sie sich eingeschifft haben. Es kann alsdann an diesem Orte neuerdings ihre Verhaftung veranlaßt, sowie bei dem betreffenden Staate ihre Auslieferung beantragt werden.

Das schweizerische Konsulat in New York hat sich schon einigemal mit Erfolg an die dortige Einwanderungsbehörde gewendet, um die Festnahme und Rückweisung eines in der Schweiz verfolgten Individuums zu erwirken. Es empfiehlt sich dieses Verfahren, da feist keine Kosten damit verknüpft sind, viel Zeit und Umtriebe erspart werden und dasselbe gleichwohl eine hinlängliche Garantie dafür bietet, daß der Flüchtling in die Hände der verfolgenden Behörde gelangt. Würde die Einwanderungsbehörde ein an sie gerichtetes Gesuch fraglicher Art als nicht begründet erachten und sich weigern, den Ankömmling als ,,nicht zulässig" zu betrachten, so kann immer noch ein Begehren an den Bundeskommissär behufs Erwirkung eines Haftbefehls gerichtet und das ordentliche Auslieferungsverfahren in die Wege geleitet werden.

12. M : t Kreisschreiben an die Kantonsregierungen vom 18. September lüCM hat unser Justiz-
und Polizeidepartement darauf aufmerksam gemacht, daß in den V e r e i n i g t e n S t a a t e n von A m e r i k a in Anbetracht der dort geltenden Gesetzgebung die p r o v i s o r i s c h e F e s t n a h m e von Verfolgten durch den

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Bundesrat beziehungsweise das genannte eidgenössische Departement nachgesucht werden muß und nicht von den kantonalen Behörden direkt verlangt werden kann.

13. Gesuche um s t r a f r e c h t l i c h e V e r f o l g u n g von S c h w e i z e r n , die im Ausland delinquiert und sich in die Schweiz geflüchtet haben, sind uns im Berichtsjahre 45 (1902: 38) zugegangen, nämlirh 38 von Deutschland, 6 von Frankreich und l von Österreich Ungarn. Außerdem hatten wir uns mit 32 solchen Fällen aus früheren Jahren zu beschäftigen.

Von den gestellten Strafverfolgungsbegehren hatten 9 am Ende des Jahres noch nicht ihre Erledigung durch die kantonalen Gerichte gefunden.

Bei a u s w ä r t i g e n Staaten haben wir im Berichtsjahre 95 Anträge (1902: 98) um strafrechtliche Verfolgung von Angehörigen derselben, die nach Begehung strafbarer Handlungen in der Schweiz in ihre Heimat geflohen waren, gestellt, nämlich bei Deutschland 75, bei Frankreich 7, bei Italien 10, bei den Niederlanden l und bei Österreich-Ungarn 2.

Am Schlüsse des Jahres waren bezüglich 31 dieser Fälle die Berichte über ihre Erledigung noch ausstehend.

14-. In unserem Geschäftsberichte pro 1900, Seite 62, teilten wir mit, dali wir bei der f r a n z ö s i s c h e n Regierung Schritte getan haben, um im Verkehr mit Frankreich eine bessere D u r c h f ü h r u n g des G r u n d s a t z e s ne bis in i d e m mit bezug auf die Strafverfolgung der eigenen Angehörigen und im weitern eine Bestrafung aller derjenigen Bürger der beiden Länder zu erwirken, die sich nach Begehung; eines gemeinen Deliktes im ändern Staate in ihr Heimatland geflüchtet haben.

Durch Gesetz vom 3. April 1903 sind nun die in Frage kommenden Vorschriften des französischen Code d'instruction criminelle abgeändert worden, infolgedessen in Zukunft ein französischer Staatsangehöriger, der, nach erfolgter Verurteilung im Ausland und ohne die zuerkannte Strafe verbüßt zu haben, nach Frankreich entfliehen konnte, nicht mehr straflos ausgeht. Und auch derjenige Ausländer, welcher sich in Frankreich eines Deliktes schuldig gemacht und daraufhin in seinen Heimatstaat sich begeben hat, kann in dem letztern wegen der betreffenden Straftat verfolgt und abgeurteilt werden, ohne daß für den Angeklagten wie bisher die Gefahr besteht, am Begehungsorte und in seiner Heimat wegen des gleichen Deliktes verurteilt und bestraft zu werden.

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Die betreffenden Bestimmungen des Gesetzes vom 3. April 1903 lauten: Art. 4. Le paragraphe 3 de l'article 5 du Code d'instruction criminelle est modifié ainsi qu'il suit: Toutefois, qu'il s'agisse d'un crime ou d'un délit, aucune poursuite n'a lieu si l'inculpé justifie qu'il a été jugé définitivement à l'étranger, et, en cas de c o n d a m n a t i o n , q u ' i l a s u b i ou p r e s c r i t sa peine ou o b t e n u sa grâce.

Art. 5. 11 est ajouté à l'article 7 du Code d'instruction criminelle la disposition suivante: Aucune poursuite ne peut ótre dirigée contre un étranger pour crime ou délit commis en France, si l ' i n c u l p é j u s t i f i e q u ' i l a été j u g é d é f i n i t i v e m e n t à l ' é t r a n g e r , et, en cas de c o n d a m n a t i o n , q u ' i l a s u b i ou p r e s c r i t sa p e i n e ou o b t e n u sa grâce.

15. Auf Antrag der Regierung des Kantons Zürich haben wir in D e u t s c h l a n d um die strafrechtliche Verfolgung des Reichsangehörigen R. W. wegen f a l s c h e r A n s c h u l d i g u n g nachgesucht, weil derselbe durch Anzeige bei der zürcherischen Staatsanwaltschaft wider besseres Wissen zwei Personen der Abgabe eines falschen Zeugnisses beschuldigt hat. Die deutschen Behörden konnten indessen dem gestellten Ansuchen nach Lage ihrer Gesetzgebung nicht entsprechen, weil das Zeugnis der beiden Angeschuldigten nicht durch Eid erhärtet worden war. Dieser Umstand hat nämlich zur Folge, daß, falls das Zeugnis falsch wäre, nach deutschem Rechte eine strafbare Handlung nicht vorliegt.

Die falsche Anschuldigung wegen eines solchen falschen Zeugnisses würde daher ebenfalls straflos sein, weil nach Artikel 164 des deutschen Strafgesetzbuches zur Strafbarkeit der falschen Anschuldigung erforderlich ist, daß jemand der Begehung einer (nach deutschen Gesetzen) strafbaren Handlung beschuldigt wird.

16. Gegen den u n t e r d e u t s c h e m S c h ü t z e s t e h e n d e n thurgauischen Angehörigen A. Z., Maschinenführer der ottomanischen Bahnen und wohnhaft in Mustupha Pascha (Türkei), war von dem Strafgerichte daselbst wegen Überfahrens eines Ochsen ein Strafverfahren eingeleitet worden, das mit dessen Freisprechung endete.

Z. wurde bei den betreffenden Verhandlungen zur Überwachung des Verfahrens und Garantierung einer möglichst geordneten Rechtsprechung d u r c h
den D r a g o m a n des österreichisch ungarischen Konsulates in Adrianopel v e r b e i s t ä n d et. Die dem DragoniHn hieraus entstandenen Kosten und zukommenden Gebühren betrugen Fr. 106. 55, um deren Vergütung die Deutsche Gesandtschaft in Bern nachsuchte. Da es sich in der Angelegenheit nicht um die

489 Wahrung allgemein schweizerischer Interessen handelte, sondern derjenigen eines Angehörigen des Kantons Thurgau, verlangten wir die Rückerstattung der fraglichen Kosten von der Regierung dieses Kantons, welchem Gesuche auch entsprochen wurde. Wir wiesen dabei darauf hin, daß Z., da er sich in der Türkei unter deutschen Schutz gestellt hat, dort wie ein deutscher Reichsangehöriger behandelt wird. Ein solcher hat nun Anspruch auf Beistand durch einen Dragoman vor einem türkischen Gericht, indem den deutschen Konsuln in der Türkei das Recht zusteht, Reichsangehörigen in den Verhandlungen vor den Gerichten Assistenz zu leisten, gestutzt auf Art. 5 des preußisch-türkischen Freundschafts- und Handelsvertrages vom 22. März 1761, welche Bestimmung durch Art. 24 des Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages zwischen dem Deutschen Reiche und der Türkei, vom 26. August 1890 (Deutsches Reichsgesetzblatt 1891, S. 117), auf das Deutsche Reich ausgedehnt worden ist. Die aus solcher Assistenz entstehenden Kosten trägt konsequenterweise nicht der Verbeiständete, sondern jeweilen dessen Heimatstaat.

III. Rogatorien.

17. Unser Justiz- und Polizeidepartement hatte sich während des Berichtsjahres mit der Übermittlung von 376 (1902: 344) g e r i c h t l i c h e n R e q u i s i t o r i e n zum Zwecke der Erwirkung ihrer Vollziehung zu befassen. 223 derselben bezogen sich auf Zivilangelegenheiten und 153 auf Strafsachen. Außerdem hatte es in 365 Fällen bei der Notifikation von G e r i c h t s a k t e n mitzuwirken.

Vom Auslande sind hiervon 123 Requisitorien und 220 Gerichtsakte zur Vollziehung, beziehungsweise Zustellung, eingelangt; von der Schweiz gingen 253 Requisitorien und 145 Gerichtsakte ans Ausland.

18. Von der Deutschen Reichsregierung wurde um Auskunft darüber ersucht, ob von den Gerichtsbehörden der Kantone für Oie Z u s t e l l u n g der von d e u t s c h e n Gerichten ausgehenden S c h r i f t s t ü c k e Gebühren in Anrechnung gebracht oder nur die baren Auslagen bezogen werden. Die von uns daraufbin in den einzelnen Kantonen gemachten Erhebungen hatten folgendes Ergebnis : 1. Gebühren und ihre Auslagen erheben die Kantone Baselstadt, Bern, Freiburg, St. Gallen, Graubünden, Luzern, Ob- und Nidwaiden, Schaffhausen, Solothurn, Thurgau, Uri und Zug.

490 2. Nur ihre Barauslagen bringen in Anrechnung die Kantone Aargau, Appenzell I.-Rh., Baselland, Glai'us, Tessin, Wallis und Zürich.

3. Ganz kostenfrei erfolgt die Zustellung durch die Behörden der Kautone Appenzell A.-Rh., Genf, Neuenburg, Schwyz und Waadt.

Bei der V o l l z i e h u n g e i g e n t l i c h e r R o g n t o r i e n deutscher Gerichte beziehen die meisten Kantone sowohl Gebühren als auch ihre Auslagen. Es sind ein/.ig die Kantone Zürich, Glarus, Buselstadt und Appenzell I.-Kh., welche sich auf die Erhebung der entstandenen Barauslagen (Zeugengelder, Expert'.senkosten, Porti) beschränken.

19. Anläßlich eines von uns auf dem diplomatischen Wege bei der Deutschen Reichsregierung gestellten Begehrens um M i t t e i l u n g e i n e s St r a f r e g i s t e r a u s z u g e s b e t r e f f e n d e i n e n d e u t s c h e n S t a a t s a n g e h ö r i g e n , der in der Schweiz verfolgt wurde, erwiderte die Reichsregierung, es bestehen keine Bedenken, daß solche Ersuchen um Erteilung von Strafregisterauszügen auf dem Wege des unmittelbaren Schriftenwechsels gestellt und beantwortet werden, da sowohl nach Art. 12 und 14 des deutschschweizerischen Auslieferungsvertrages vom 24. Januar 1874, wie auch nach dem mit der Schweiz getroffenen Übereinkommen vom Dezember 1878 der direkte Verkehr zwischen den beiderseitigen Behörden in weitgehendem Maße gestattet sei (Kreisschreiben an die Kantonsregierungen vom 18. Juni 1903).

20. Mittelst Requisitorials hatte ein schweizerisches Gericht bei einer französischen Gerichtsbehörde um die V o r l a g e e i n e s bei einem N o t a r in F r a n k r e i c h h i n t e r l e g t e n Testam e n t s zur Einsichtnahme gebeten. Es ergab sich, daß diesem Gesuch nicht entsprochen werden kann, indem die französische Gesetzgebung den Notaren untersagt, bei ihnen deponierte Testamente aus den Händen zu geben. Um ein solches Testament zur Einsichtnahme zu erhalten, gibt es nur zwei Wege, entweder unternimmt der französische Notar die Reise nach der Schweiz und unterbreitet das Testament dem ersuchenden schweizerischen Gerichte, ohne das Aktenstück herauszugeben, oder es wird durch ein Rogatorium das zuständige f'ranzösi.-che Gericht ersucht, das Original durch eine von dem Gerichte zu bezeichnende Person photographieren zu lassen. Das letztere System erscheint als das praktischere und dürfte in den meisten Fällen genügen. In dem Requisitorium ist die Vergütung der durch die photographische

491

Aufnahme entstehenden Kosten anzubieten, da für die Vollziehung desselben eine Drittperson beigezogen werden muß, an welche ein Honorar zu entrichten ist.

21. Von einem u n g a r i s c h e n Gerichte wurde auf dem diplomatischen Wege durch ein Requisitorial um die E x e k u t i o n e i n e s Z i v i l u r t e i l s nachgesucht, demzufolge bei dem in Zürich wohnhaften Schuldner zur Deckung einer Forderung Mobilien hätten gepfändet und veräußert werden sollen. Die Vollziehung dieses Requisitorials wurde indessen von dem zürcherischen Obergerichte abgelehnt, weil zwischen der Schweiz und Österreich-Ungarn ein Staatsvertrag über Urteilsvollstreckung nicht besteht. Eine solche Vollstreckung könnte nach Vorschrift des züreherischen Rechts (§ 752, Abs. 2, des Rechtspflegegesetzes) nur im Wege der Schuldbetreibung oder des Befehls Verfahrens, eventuell auch im ordentlichen Prozeßwege, von der interessierten Partei verlangt werden.

IV. Heimschaffungen.

22. Die Zahl der Fälle von Heimschaffungen v e r l a s s e n e r K i n d e r , G e i s t e s k r a n k e r und d e r ö f f e n t l i c h e n W o h l t ä t i g k e i t a n h e i m g e f a l l e n e r P e r s o n e n belief sich in» Berichtsjahre auf 233 (1902: 155; 1901: 166 und betraf 295 Personen.

Die S c h w e i z wurde seitens des A usl an des um die Heimschaffung von 93 Personen (81 Gesuche umfassend) angefangen, nämlich von 38 verlassenen Kindern, 44 Geisteskranken und 11 Hülfsbedürftigen. Aus Frankreich liefen 55 Gesuche ein, aus Deutschland und Österreich-Ungarn je 9, aus Italien 4 und aus den Niederlanden, Rußland, Monaco und Australien je 1. Von den 93 Personen wurden 44 als schweizerische Angehörige ermittelt und übernommen, 14 dagegen wurden nicht anerkannt, die Begehren, umfassend 5 Personen, wurden zurückgezogen, während diejenigen betreffend 14 Personen infolge Genesung oder Todesfall gegenstandslos geworden sind. Außerdem liegen noch 16 pendente Fälle vor.

Die S c h w e i z stellte an das A u s l a n d auf diplomatischem Wege 152 Heimschaffungsbegehren betreffend 2*'2 Personen. Davon entfielen auf Italien 82 Begehren, auf Frankreich 56, auf Rußland 5, auf Deutschland und Österreich Ungarn je 4 und auf Serbien 1. Von den 202 Personen wurden 109 vom Auslande als Angehörige anerkannt und heimgeschafft, die Übernahme von 7 Personen wurde abgelehnt, bei 32 Personen wurden die Begehren

492 zurückgezogen und bei 24 derselben sind die hierauf bezüglichen Ansuchen gegenstandslos geworden; 30 Fälle sind noch pendent.

Außerdem sind 44 Gesuche um Bewilligung des D u r c h t r a n s p o r t e s von 59 hülfsbedürftigen, geisteskranken oder polizeilich ausgewiesenen Personen über schweizerisches Gebiet eingegangen, und zwar 40 von Deutschland, 2 von Italien und je l von Luxemburg und Österreich-Ungarn. Sämtlichen Gesuchen ist, entsprochen worden.

23. In einer auf die Erwerbung des französischen Staatsbürgerrechtes sich beziehenden, bis jetzt streitig gewesenen Frage hat der französische Kassationshof nunmehr eine grundsätzliche Entscheidung herbeigeführt, deren Kenntnis für schweizerische Behörden, welche mit Heimschaffungen, Ausweisungen u. s. w. zu tun haben, von Interesse werden kann.

Der genannte französische Gerichtshof hat nämlich entschieden, daß jedes Individuum, das in einem Frankreich später einverleibten Gebietsteile vor dieser Einverleibung geboren wurde, als außerhalb des französischen Gebiets geboren zu betrachten sei, und die Einverleibung keine rückwirkende Kraft ausüben dürfe auf die Staatszugehörigkeit des betreffenden Individuums.

V. Verschiedenes.

24. Infolge einer im Großen Rate des Kantons Tessin gestellten Motion kam der Staatsrat des genannten Kantons in den Fall, die Frage zu prüfen, ob es nicht geeignet erscheine, für die Vertretung der schweizerischen und tessinischen Interessen in der internationalen Grenzstation der Gotthardbahn in Chiasso einen ständigen Polizeibeamten anzustellen, der dazu befugt sei, den Verkehr mit den italienischen Beamten zu vermitteln, und die der verantwortlichen Stellung entsprechenden persönlichen Eigenschaften und Sprachkenntnisse besitze.

Nachdem der Staatsrat dem Großen Rate über diese Frage Bericht erstattet hatte, wurde die Errichtung der Stelle eines Polizeikommissärs in Chiasso durch Dekret des Großen Rates vom 19. Mai 1903 genehmigt.

Da der polizeiliche Grenzverkehr der Schweiz mit Italien auf der Station Chiasso je länger je größere Dimensionen annimmt infolge der vielen Heimschaffungsfälle, Auslieferungen, Ausweisungen, Durchtransporte von aus Deutschland ausgewiesenen Italienern und ganz besonders auch infolge der äußerst zahlreichen Abschiebungen

493

mittelloser deutscher Staatsangehöriger aus Italien über Chiasso zum Weitertransport durch die Schweiz nach Deutschland, wobei die Bundesbehörden die Pflicht haben, unter Wahrung der schweizerischen Interessen, darüber zu wachen, daß bei diesem großen Polizeiverkehr den Bestimmungen unserer Staatsverträge und Vereinbarungen mit Deutschland und Italien in korrekter Weise Rechnung getragen wird, wurde das schweizerische Polizeidepartement durch den Bundesrat ermächtigt, auf vorausgegangenes Gesuch der Tessiner Kantonsbehörden hin den letztern die Ausrichtung der Hälfte der Besoldung eines tessinischen Polizeikommissärs in Ohiasso zuzusichern. Der erforderliche Kredit ist von der Bundesversammlung bewilligt worden.

25. Nachdem ein Teil der sogenannten ,,spanischen Schwindler"1 in Spanien zur Verantwortung gezogen worden ist, scheint ein anderer Teil dieser Bande seine - Operationen von Rußland aus weiterführen zu wollen, wie das aus Schwindelbriefen hervorgeht, die aus dem genannten Lande an Geschäftsleute in der Schweiz abgesandt worden sind. Die betreffenden Gauner tragen als Geschäftsvermittler den Verkauf von in Rußland gefundenem Gold an, bei dessen Ankauf ein Gewinn von 33 °/o erzielt werden könne.

Es wird gut seiu, wenn die Presse gleich anfangs durch geeignete Publikationen das Publikum auf diese neuen Gaunereien aufmerksam macht, damit viele unserer leichtgläubigen Mitbürger nicht auch ausgebeutet werden, wie das durch die ,,spanischen Schwindler" geschehen ist. Es ist dabei auch nicht außer acht zu lassen, daß ein Geprellter in Rußland gar nie klagend auftreten dürfte, weil jede Beteiligung am Ankauf von in Rußland gefundenem Gold nach der Gesetzgebung dieses Staates strafbar wäre.

Wir haben nicht verfehlt, der russischen Regierung von dieser Angelegenheit Kenntnis zu geben.

C. Bundesanwaltschaft.

I. Bundesstrafrecht.

Über die Natur und Behandlungsweise der von der Bundesanwaltschaft im Berichtsjahre behandelten Fälle von unter die Bestimmungen des Bundesstrafrechtes fallenden strafbaren Handlungen, gibt die nachstehende Tabelle Auskunft:

494

a. Bundesgesetz über das Bundesstrafrecht vom 4. Februar 1853.

1. G e f ä h r d u n g e n des E i s e n b a h n - , T r a m way-, P o s t - und D a m p f s c h i f f b e t r i e b e s (Art. 67, revidiert durch Bundesbeschluß vom 5. Juni 1902) : Aus dem Vorjahre gerichtlich unerledigt . . 26 Fälle Im Berichtsjahr eingelangt: 146 Gefährdungen des Eisenbahnbetriebes, 39 ,, ,, Tramwaybetriebes, 4 ,, ., Postbetriebes, 3 ,, ,, Dampfschiffbetriebes.

192 und zwar: I. Absichtliche Gefährdungen: 12 Fälle: Legen von Gegenständen auf das Geleise 25 ,, Steinwürfe gegen Züge 3 ,, Böswillige Bahnbeschädigungen . . .

l Fall : Schuß gegen einen Zug II. Fahrlässige G-efalirdungen : 62 Fälle: Erfolgter oder drohender Zusammenstoß 24 ,, Entgleisung 40 _ Kollision mit Fuhrwerken 5 ,, Gegenstände auf dem Bahnkörper .

11 ,, Unfälle von Passagieren oder Personal 2 ,, Unbefugtes Verschieben von Wagen 3 ,, Entlaufen von Wagen l Fall: Vieh auf dem Bahnkörper l ,, Brand eines Personenwagens .

l ,, Explosion in einem Personenwagen.

l ,, Umstürzen eines Postwagens . . . .

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2. R e c h t s w i d r i g e E i nw i r k u n g a u l' A b s t i m m u n g e n (Art. 49«) l Fall 3. A in t s p f H c h t v e r l e t z u u g , b e g a n g e n (hi r eli e i d g e n ö s s i s c h e B e a m t e (Art. 53 /) 7 Fälle 4. A m t s d e l i k t e , begangen d u r c h P o s t a n g e s t e l l t B (Art. 54, resp. 61): Ans dem Vorjahr gerichtlich iinerledigt geblieben 3 ,, Im Berichtsjahr eingelangt 14 ,, ö. V e r l e t z u n g d e s T e l e g r a p h e n g e h e i m u i s s e s (Art. 55) l Fall 6. F ä l s c h u n g vu n B u n d c s a k t e n (Art. Hl, in Verbindung mit der Verordnung über das militärische Kontrollwesen) H Fälle 7. Ü b e r t r e t u n g der L a n d e s v e r w e i s u n g (Art. 63 a) : Aus dein Vorjahr gerichtlich unerledigt geiblieben l Fall Ina Berichtsjahr eingelangt 3 Fälle 8. G e b r a u c h f a l s c h e r Ausweiss e h r i f t e u (Art. 636) 1 Fall b. Bundesgesetz betreffend Ergänzung des Bundesstrafrechtes, d.d. 12. April 1894.

9. S p r e n g s t o f f v e r b r e c h e n .

. .

.

l Fall

c. Bundesgesetz betreffend Schwach- und Starkstromanlagen, d. d. 24. Juni 1902.

10. B e s c h ä d i g u n g von e l e k t r i s c h e n Anlagen

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II. Bundesstrafpolizei.

11. Auf Veranlassung des Industriedepartemente wurden im Berichtsjahre 20 Fälle von W i d e r h a n d l u n g g e g e n das Bundesgesetz betreffend die Fabrikation und den V e r t r i e b von Z ü n d h ö l z c h e n d.d 2. November 1898 zur Beurteilung an die Gerichte gewiesen.

12. Wegen u n b e f u g t e n Betreibens von V e r sich e r u n g s g e s c h ä f t e n wurden auf Anregung des Eidgenössische Versicherungsamtes drei Fälle im Sinne des Bundesgesetzes betreffend Beaufsichtigung von Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens vom 25. Juni 1885 an die Gerichte gewiesen.

III. Widerhandlungen gegen eidgenössische Fiskalgesetze.

13. Im Berichtsjahre wurden 7 Fälle von W i d e r h a n d l u n g gegen das Z o l l g e s e t z an die Gerichte gewiesen. In zwei Fällen konnten die Strafklagen zurückgezogen werden, weil sich die Angeschuldigten nachträglich unterzogen und die administrativ ausgesprochenen Bußen bezahlten; in 4 Fällen erfolgte Verurteilung der Beklagten und in einem Falle steht das gerichtliche Urteil noch aus.

IV. Auslieferung.

14. Zu Händen des Bundesgerichtes hat die Bundesanwaltschaft im Berichtsjahre 10 A u s l i e f e r u n g f ä l l e begutachtet.

Y. Begnadigung.

15. B e g n a d i g u n g s g e s u c h e lagen 26 vor, dieselben bezogen sich auf Bestrafungen, welche ausgesprochen worden wegen : a. Eisenbahngefährdung 2 b. Übertretung des Bundesgesetzes über Fabrikation und Vertrieb von Zündhölzchen 7 c. Übertretung des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen 2 d. Übertretung des Fischereigesetzes 5 e. Widerhandlung gegen die Viehseuchnepolizei . . . . l f. Schuldhafte Nichtbezahlung der Militärsteuer . . . . 6

499

g. Widerhandlung gegen das Zollgesetz l h . Widerhandlung gegen d a s Forstpolizeigesetz . . . . l i. Fälschung im Militärdienstbüchlein l Von diesen Gesuchen wurden dem Bundesrate zu Händen der Bundesversammlung 17 in empfehlendem, 9 in abweisendem Sinne begutachtet.

Bezüglich der weiteren Behandlung dieser Begnadiguügsgesuche durch Bundesrat und Bundesversammlung wird auf die im Bundesblatt enthaltenen betreffenden Berichte und Verzeichnisse der Verhandlungsgegenstände der Bundesversammlung verwiesen. Vergleiche Bundesblatt 1903: I, 233, 397, 520, 606, 791. U, 238, 240, 242, 489. III, 78, 256, 259, 263, 340, 969. IV, 13, 15, 17, 201, 416, 419, 421, 899. V, 83, 85, 266.

In einem Spezialfall entstand ein Kompetenzkonflikt zwischen dem Bundesrate und den Behörden des Kantons Genf, da die Begnadigungskommission des Großen Rates in Genf eine Buße aufgehoben hatte, die wegen Tramgefährdung ausgesprochen worden war. Der Bundesrat verlangte beim Bundesgericht Aufhebung dieses Entscheides wegen Verletzung des Art. 85, Ziff. 7, der Bundesverfassung, Art' 125 des Bundesgesetzes betreffend die Organisation der Bundesrechtspflege, welchem Antrage das Bundesgericht durch Urteil vom 14. September 1903 entsprach.

VI. Heimatlosenwesen.

Der bereits im letzten Jahresbericht erwähnte alte Streit zwischen Graubünden und Nidwaiden über die Einbürgerung der Heimatlosenfamilie Meyer in Roveredo ist an's Bundesgericht gezogen worden und war daselbst bei Jahresschluß noch pendent.

Im Berichtsjahr übernahm der Generalanwalt eine Bürgerrechtsstreitigkeit zwischen den Kantonen Obwalden und Nidwaiden zur Behandlung, die durch Beschluß des Bundesrates zu Ungunsten des letztgenannten Kantons entschieden wurde.

Andere Fälle sind nicht eingegangen.

VII. Behandlung von Strafsachen durch die Bnndesverwaltung.

Der Bundesrat hat am 20. November 1903 über die Behandlung von Strafsachen, welche nach eidgenössischen Gesetzen zu entscheiden sind, folgende Bestimmungen getroffen:

500 1. Die Departemente und Abteilungsvorstände der Bundesverwaltuog werden eingeladen, sobald zu ihrer amtlichen Kenntnis gelangt, daß von ihnen unterstellten Beamten oder Angestellten strafbare Handlungen gegen die Bundesverwaltung, insbesondere Veruntreuungen irgendwelcher Art begangen worden sind, jeweilen nach Feststellung des Tatbestandes und -- wenn nötig -- Sicherung der Person des Täters, unverzüglich von dem Geschehenen unter Beilage der Akten dem Bundesanwalt Mitteilung zu machen behufs Bericht und Antrag an den Bundesrat.

2. Im fernem werden die Departemente und Abteilungsvorstände eingeladen, in den nach eidgenössischen Gesetzen zu entscheidenden Strafsachen, in welchen sie Vorzeigungen bei Gericht einzureichen oder Weiterziehung gegen Urteile oder Einstellungsbeschlüsse kantonaler Gerichtsstellen einzulegen in die Lage kommen, die Akten dem Bundesau walte zu übermitteln und diesen mit den zutreffenden Rechtsvorkehren zu betrauen.

3. Das Eisenbahndepartement wird eingeladen, dafür zu sorgen, daß die Kreisdirektionen der Bundesbahnen bei Entdeckung strafbarer Handlungen von Beamten und Angestellten der Bundesbahnen ebenfalls in obiger Weise vorgehen.

Der Generalanwalt erließ sodann mit Zustimmung des Justizund Polizeidepartementes zu näherer Erläuterung dieses Beschlusses am 12. Dezember ein Kreisschreiben an die Departemente und Abteilungschefs der schweizerischen Bundesverwaltung und an die Generaldirektion und die Kreisdirektionen der Bundesbahnen, um ein einheitliches Verfahren bei allen beteiligten Instanzen zu erzielen.

VIII. Politische Polizei.

Mit Beschluß vorn 2. November 1903 wurde die Ausweisung von zwei in Genf wohnhaften Ausländern verfügt, die im Auftrage einer ausländischen Polizei Verwaltung in der Schweiz polizeiliche Nachforschungen und Überwachungen von Personen vorgenommen und sich dabei Handlungen hatten zu Schulden kommen lassen, die im Interesse der öffentlichen Ordnung -und Sicherheit des Landes nicht geduldet werden konnten.

Durch die bei denselben beschlagnahmten Papiere wurde man auf das terroristisch-revolutionäre Treiben einer Anzahl ebenfalls in Genf wohnhafter russischer Staatsangehöriger aufmerksam gemacht.

Aus der durchgeführten Untersuchung ergab sich, daß von zwei der-

501

selben in Genf Imprimate in russischer Sprache hergestellt und verbreitet wurden, in denen zur Ermordung des Kaisers von Rußland und dei- hauptsächlichsten Vertreter der russischen Staatsgewalt aufgefordert und Anleitung erteilt wird, wie dies zu bewerkstelligen sei. Mit Beschluß vom 7. Dezember wurde auch deren Ausweisung verfügt. (Bundesblatt 1903, Bd. V, pag. 290).

D. Versicherungsamt.

Der sechzehnte Spezialbericht des eidgenössischen Versicherungsamtes über das Geschäftsjahr 1901 wurde durch Bundesratsbeschluß vom 22. Mai 1903 genehmigt und publiziert (Art. 12 des Aufsichtsgesetzes).

Der Bestand der der Aufsicht unterstellten Versicherungsgesellschaften hat sich während des abgelaufenen Geschäftsjahres wenig verändert.

Eine einzige neue Konzession wurde erteilt, nämlich der Hagelversicherungsgesellschaft ,,Le Paragrêlea in Neuenburg. Das Wirkungsfeld dieser Gesellschaft ist auf das neuenburgische Rebgelände beschränkt.

Eine Konzessionserneuerung oder Konzessionserweiterung fand während des Berichtsjahres nicht statt.

Eine Gesellschaft hat im Verlauf desselben ihr Konzessionsgesuch zurückgezogen und drei Konzessionsgesuche waren am Schluß des Jahres noch unerledigt.

Neuerdings sah sich das Versicherungsamt veranlaßt, sich mit der viel umstrittenen und infolge der großen Unklarheit des Gesetzes schwer zu beantwortenden Frage zu befassen, wo die Grenze der in Art. l, AI. l und 2, des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1885 normierten Konzessionspflicht zu ziehen sei. Der Fall ist im Berichtsjahr noch nicht erledigt worden.

Eine Schwierigkeit für die Beurteilung der Frage, ob eine Gesellschaft konzessionspflichtig sei, kann sich aus dem Umstand ergeben, daß der Begriff ,,Versicherungsunternehmen"' im Gesetz nicht umschrieben ist, sondern als bekannt vorausgesetzt wird.

Nun ist aber der Begriff auch in der Theorie sehr bestritten, eine allgemein anerkannte, feststehende Definition gibt es nicht.

Die Frage muß demnach von Fall zu Fall entschieden werden, und zwar sollen bei ihrer Beurteilung nicht allein theoretische, sondern auch praktische Erwägungen mitsprechen.

502

In zwei Fällen sah sich das Versicherungsamt im Berichtsjahr vor diese Frage gestellt: 1. Ein in Genf tätiger Versicherungsagent unterbreitete dem Versicherungsamt den Statutenentwurf fiir eine schweizerische Tontinengesellschaft und fragte zugleich an, ob ein solches Unternehmen unter die Staatsaufsicht falle. Das Versicherungsamt entschied sich für die Konzessionspflicht, obgleich die Frage, ob das Tontinengeschäft als Versicherung zu betrachten sei, bestritten ist. Insbesondere ist es schwer, den Begriff der versicherten Gefahr zu fassen. Der Umstand aber, daß die Tontinengesellschaften äußerlich in der Gestalt von Versicherungsunternehmungen auftreten, daß sie sich als solche benehmen und auch wollen, daß sie das Publikum als Versicherungsgesellschaften betrachte, die Tatsache ferner, daß die meisten Kontrahenten, die einen Tontinenvertrag abschließen, mit dem Willen und in der Überzeugung handeln, einen Versicherungsvertrag einzugehen, ließ das Versicherungsamt zu der Ansicht gelangen, daß den praktischen Forderungen gegenüber die theoretische Streitfrage zurücktreten müsse. Die praktischen Forderungen verlangen aber, daß die Tontinengesellschaften vom Standpunkte des Aufsichtsgesetzes aus als ,,Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens" zu betrachten und somit der Staatsaufsicht zu unterstellen sind.

2. Eine englische Gesellschaft hatte im Jahre 1899 bei der Aufsichtsbehörde angefragt, ob eine Konzessionspflicht bestehe für die Versicherung außergewöhnlicher Verluste durch insolvente Schuldner. Der Bundesrat beschloß damals, daß vorläufig und unter jedem Vorbehalt für die Zukunft von der Beaufsichtigung Umgang genommen werde, da es sich um eine erst im Anfaugsstadium befindliche Geschäftsart handle, die zur Zeit weder auf statistischen oder technischen Grundlagen beruhe, noch feste Tarife anwende und daher praktisch seitens des Staates nicht wirksam kontrolliert werden könne. Im Jahre 1903 teilte der Vertreter der englischen Gesellschaft mit, daß diese ihr schweizerisches Geschäft aufgebe, daß aber eine andere Versicherungsgesellschaft an ihre Stelle zu treten gedenke. Damit war der Anlaß gegeben, die Frage der Konzessionspflicht der Kreditversicherung neuerdings zu prüfen. Das Studium der Frage konnte im Berichtsjahr noch nicht zum Abschluß gebracht werden, da noch die nötigen
Erhobungen fehlten.

Die Haupttätigkeit des Versicherungsamtes bestand selbstverständlich in denjenigen Funktionen, die sich mit der eigentlichen Kontrollierung der Versicherungsgesellschaften in technischer, finanzieller und rechtlicher Beziehung befassen. Es hielt an dem

503 Grundsatz fest, den Gesellschaften freien Spielraum zu lassen, soweit es dies mit den Interessen der Versicherten als vereinbar erachtete. Außerdem machte sich das Versichevungsamt zur Pflicht, wo sich ein Anlaß bot, Anregungen zu geben und durch Anbahnung von Verbesserungen auch seinerseits an der Ausgestaltung des Versicherungswesens mitzuarbeiten. Schwer empfunden wurde dabei das Fehlen eines Gesetzes über den Versicherungsvertrag, immerhin diente schon jetzt der Entwurf des Gesetzes in manchen Fällen zur Richtschnur.

Zahlreich waren indem verflossenen Jahr die Statutenänderungen.

Die meisten in Deutschland arbeitenden Gesellschaften sahen sich genötigt, infolge dea Reichsgesetzes über die privaten Versicherungsunternehmungen vom 12. Mai 1901, ihre Satzung zu revidieren und den Vorschriften des neuen Gesetzes anzupassen. Diese Änderungen waren teils bloß formeller, teils aber auch sehr eingreifender materieller Natur. (Schweizerische Lebensversicherungsund Rentenanstalt, Karlsruher Lebensversicherung A.-G., Gothaer Lebensversicherungsbank, Stuttgarter Lebensversicherungsbank).

Die Wirkung dieses Gesetzes sowie die Tätigkeit des kaiserlichen Reichsaufsichtsamtes in Berlin machte sich ferner in bezug auf die Gestaltung der Versicherungsbedingungen und auch in der Lösung technischer Fragen bemerkbar.

Die Errichtung des Reichsamtes ist der schweizerischen Aufsichtsbehörde sehr nützlich, da dessen Wirksamkeit ihr in vielen Fällen' bei der Erfüllung ihrer Aufgaben wertvolle Unterstützung bietet. Beide Aufsichtsämter stehen miteinander in direktem Verkehr.

Im Monat Juli besuchte der Präsident des kaiserlichen Reichsaufsichtsamtes bei Anlaß einer Informationsreise zum Studium der Staatsaufsicht in den verschiedenen Staaten mit Zustimmung des Bundesrates das eidgenössische Versicherungsamt, nicht allein, um dessen Einrichtung kennen zu lernen, sondern auch, um über einige wichtige, die Aufsicht Über das Versicherungswesen betreffende Fragen eine gegenseitige Aussprache herbeizuführen.

Über die durch das Inkrafttreten des deutschen Aufsichtsgesetzes und die Errichtung des deutschen Aufsichtsamtes geschaffene Situation herrschen vielfach unrichtige Auffassungen.

Namentlich herrscht die Meinung, daß Verfügungen der deutschen Aufsichtsbehörde betreffend die Veränderung der Versieherungsgrundlagen
deutscher Gesellschaften auch ohne weiteres für die schweizerische Aufsichtsbehörde maßgebend seien, und daß ihr demnach solche Änderungen nicht angezeigt werden müssen, oder daß es wenigstens genüge, sie nach vollendeter Tatsache mit-

50,4 zuteilen. In dieser Anschauung dokumentiert sich eine unrichtige Auffassung der souveränen Staatsaufsicht Überhaupt. Selbstverständlich kann eine Aufsichtsbehörde nur für ihr eigenes, auf selbständige Prüfung der Tatsachen und der gesetzlichen Vorschriften gegründetes Urteil und die aus diesem Urteil entspringenden Handlungen die Verantwortung übernehmen. Außerdem findet vielleicht die Aufsichtsbehörde Veranlassung, im Interesse der Versicherten des eigenen Landes noch besondere Bedingungen zu stellen. Daraus ergibt sich aber, daß geplante Änderungen, gleichgültig durch welche Umstände sie veranlaßt wurden, der schweizerischen Aufsichtsbehörde so frühzeitig mitzuteilen sind, daß es dieser möglich ist, eventuell ihren Standpunkt zu wahren.

Macht hingegen eine Gesellschaft erst nach Inkrafttreten der Neuerungen von denselben Mitteilung, so kann für sie die Situation unangenehm werden, wenn die schweizerische Aufsichtsbehörde die Neuerungen nicht ohne weiteres glaubt billigen zu können.

Ein solcher Fall hat sich ereignet.

· Mehrfach begegnete man auch im Berichtsjahr wieder der schon oft bekämpften Meinung, daß der schweizerischen Aufsichtsbehörde nur solche Änderungen der Versicherungsgrundlagen mitzuteilen seien, die direkt auch das schweizerische Portefeuille betreffen. Auch in dieser Meinung kommt eine falsche Auffassung vom Wesen der Staatsaufsicht zum Ausdruck. Eine so umschränkto Aufsicht könnte unmöglich ihren Zweck erfüllen. Die schweizerischen Versicherungen bilden bei keiner Gesellschaft einen selbständigen Versicherungskomplex mit getrennter Rechnungsführung, sondern sie sind ein unausgeschiedener Bestandteil des gesamten Versicherungsbestandes der Gesellschaft. Daher sind alle die Versicherungsgrundlagen betreffenden Maßnahmen auch für den schweizerischen Versicherungsbestand von Bedeutung, auch dann, wenn die schweizerischen Versicherungen von diesen Veränderugen direkt nicht betroffen werden. Die schweizerische Aufsichtsbehörde muß daher verlangen, daß sie ihr zur Kenntnis gebracht werden.

Diese Überlegung ist so naheliegend, daß es fast unbegreiflich erscheint, wie eine Gesellschaft glauben konnte, gewisse Änderungen dadurch der Prüfung durch die schweizerische Aufsichtsbehörde zu entziehen, daß sie dieselben den schweizerischen Versicherten nicht zu teil werden ließ.

Es ist
eine interessante Erscheinung, daß sich die Klaget wegen unlauteren Wettbewerbs im Anwerbebetrieb fortwährend mehren, sie beweist die zunehmende Verschärfung des Konkurrenzkampfes im Versicherungsbetrieb. Die Klagen richten sieh namentlich gegen Agenten, die in Prospekten oder auf andere Weise, in der Regel ohne Wissen der Direktion, übertriebene oder unwahre

505

Versprechungen machen, um dadurch Kandidaten anzulocken oder Versicherte auszuspannen. Um diesem Übel zu steuern, hat das Versicherungsamt zu Beginn des Geschäftsjahres die Lebensversicherungsgesellschaften auf die Häufigkeit der Erscheinung aufmerksam gemacht und sie, unter Hinweis auf Art. 10 des Aufsichtsgesetzfcs, daran erinnert, daß sämtliche von Vertretern der Gesellschaften verfaßten Drucksachen vor der Verwendung dem Versicherungsamt vorzulegen sind (Bundesratsbeschluß vom 21. Januar 1896). Eine Wirkung dieser Mahnung war nicht zu verspüren, denn gerade im Berichtsjahr waren diese Beschwerden besonders zahlreich und heftig, kam es doch nicht selten vor, daß, wer heute als Beschwerdeführer auftrat, morgen als Beklagter erschien. Vielleicht gelingt es der Tätigkeit des neu gegründeten Vereins schweizerischer Versicherungsbeamter, zu bewirken, daß diese Klagen beim Versicherungsamt nach und nach verstummen.

Den Konkurrenzkampf der Agenten in anständige Bahnen zu lenken, gehört streng genommen nicht zu den Aufgaben des Versicherungsamtes. Gleichwohl sieht es sich genötigt, Jahr für Jahr eine beträchtliche Summe von Zeit und Arbeit auf diese Tätigkeit zu verwenden.

Über einige Erscheinungen der Versicherungspraxis wurden im Berichtsjahr bei den Gesellschaften Erhebungen gemacht. Die wichtigste dieser Erhebungen betraf die Frage der Rabattgewährung der Lebensversicherungsgesellschaften an Vereine und Berufsverbände.

Die-wachsende Bedeutung, die dieser Frage im Versicherungsbetrieb zukommt und namentlich die Gefahr, daß die Rabaltsätze infolge der scharfen Konkurrenz zu hoch getrieben werden, verlangen, daß die Aufsichtsbehörde dieser Erscheinung ganz besondere Aufmerksamkeit schenke.

Auch im Berichtsjahr wurde das Versicherungsamt wieder über die verschiedenartigsten, die Versicherung betreffenden Fragen technischer und juristischer Natur beraten. Es erteilte bereitwillig Auskunft, soweit dies mit seiner Stellung als unparteiische und diskretionäre Behörde vereinbar war und soweit es ohne Verletzung des in Art. 13 des Aufsichtsgesetzes niedergelegten Grundsatzes, daß sich die Aufsichtsbehörde in Streitigkeiten privatrechtlicher Natur zwischen Unternehmungen und Versicherten nicht einmischen dürfe, geschehen konnte. Als Antwort auf die am häufigsten wiederkehrende Frage nach der Solidität
einer Gesellschaft konnte jeweilen nur auf die Tatsache der Konzessionierung und auf den jährlich erscheinenden Spezialbericht hingewiesen werden.

Neben der Beantwortung dieser Anfragen, die meist rasch erledigt werden konnte, hatte das Versicherungsamt einige umfangD

O

506

reiche Gutachten und Berichte teils technischen, teils juristischen Inhalts zu erstatten.

Der im Bericht für das Jahr 1901 erwähnte Rekurs der Basler Lebensversicherungs-Gesellschaft gegen die Regierung des Kantons Aargau ist, nachdem die letztere dem Begehren der Rekurrentin entsprochen hatte, als gegenstandslos dahin gefallen.

Mehrmals sah sich das Versicherungsamt genötigt, gegen Agenten ausländischer, in der Schweiz nicht konzessionierter Versicherungsunteruehmungea, gestützt auf Art. 11, Ziff. 1, des Aul'sichtsgesetzes, wegen unerlaubtenGesschäftsbetriebesStrafanzeige zu erheben. Infolgedessen verurteilte das Polizeigericht des Kantons Genf zwei Agenten der Lebensversicherungsgesellschaft ,,Le Conservateur a in Paris zu je 100 Fr. Buße und das Polizeigericht von Basel-Stadt einen Agenten der Lebensversicherungsgesellschaft ,,Janus" in Wien zu 200 Fr. Buße. Zwei weitere Strafanzeigen waren am Schluß des Berichtsjahres noch pendent.

Die im Bericht für das Jahr 1901 erwähnte Strafuntersuchung gegen P. Barrai, Vorsteher der apostolischen Schule Bethlehem in Immensee, wurde fallen gelassen, da die Beweise für den Tatbestand des Art. 11, Ziff. l, des Aufsichtsgesetzes nicht erbracht werden konnten.

In Ausführung des Bundesbeschlusses vom 20. Dezember 1888 sind dem Versicherungsamt im Laufe des Berichtsjahres 20 Urteile mitgeteilt worden, in denen eine konzessionierte Versicherungsgesellschaft Partei ist. Es besteht indessen die Vermutung, daß nach Abschluß des Geschäftsberichtes noch weitere Urteile zu erwarten sind. Über die interassantesten Entscheide wird jeweilen im Spezialbericht des Versicherungsamts kurz referiert.

An den im September in New-York abgehaltenen vierten Kongreß der Versicherungstechniker wurden als schweizerische Delegierte vom Bundesrat die beiden Mathematiker des Versicherungsamtes, die Herren Trefzer und Rosselet, abgeordnet. Über das Resultat der Kongreßverhandlungen wurde dem Bundesrat Bericht erstattet.

Die Aufsichtsbehörde sah sich leider veranlaßt, den Artikel 10 ries Aufsichtsgesetzes, der die Zuwiderhandlung gegen Verordnungen und Verfügungen des Bundesrates mit Buße bedroht, strenger als sonst zu handhaben. In der Anwendung dieser Bestimmung hatte man bisher absichtlich eine gewisse Milde und Rücksichtnahme walten lassen und sich in leichtern Fällen mit Verwarnungen begnügt. In mehreren Kreisschreiben wurden im Lauf der Jahre die Gesellschaften auf ihre Pflichten gegenüber der Aufsichtsbehörde

507

unter Hinweis auf die Bußbestimmung des Art. 10 des Aufsichtsgesetzes aufmerksam gemacht. Man hoffte, auch ohne Anwendung dieser die Gesellschaften an die Vorlagepflicht zu gewöhnen. Die meisten erfüllen sie auch pünktlich, noch gibt es aber solche, denen dieses Zeugnis nicht gegeben werden kann. Diesen gegenüber wird das Versicherungsamt in Zukunft die Strenge des Gesetzes walten lassen.

Auf Antrag des Versicherungsamtes wurden vom Bundesrat im Berichtsjahr im ganzen sieben Bußen im Gesamtbetrag von Fr. 850 ausgesprochen. Die höchste Buße war 500 Fr.

Die von den Gesellschaften geleistete Staatsgebühr (Art. 12, AI. 2, des Aufsichtsgesetzes) ergab im Jahr 1901 Fr. 60,852. 90 (gegen Fr. 54,711.85 im. Vorjahr).

Der Verkauf des Berichtes brachte im Subskriptionsweg Fr. 2714, im Kommissionsverlag Fr. 409.10 (gegen Fr. 2562.10 und Fr. 408.30 im Vorjahr) eio.

E. Amt für geistiges Eigentum.

Allgemeines.

Das Zusatzabkommen vom 14. Dezember 1900, betreffend Änderung der Konvention zum Schütze des gewerblichen Eigentums vom 20. März 18S3 und des zugehörigen Schlußprotokolles, ferner das Zusatzabkommen vom 14. Dezember 1900 zur Übereinkunft vom 14. April 1891, betreffend die internationale Eintragung der Fabrik- oder Handelsmarken, sind durch Spanien am 22. Januar und durch Brasilien am 8. April ratifiziert worden.

Am 21. März erklärte das Deutsche Reich seinen Beitritt auf 1. Mai zur Konvention vom 20. März 1883 und dem zugehörigen Schlußprotokoll, zu dem Protokoll über die Ausstattung des internationalen Bureaus für den Schutz des gewerblichen Eigentums, vom 15. April 1891, und zu dem Zusatzabkommen vom 14. Dezember 1900, betreffend Änderung der Konvention

508

vom, 20. März 1883 und des zugehörigen Schlußprotokolls. Am 22. Juni notifizierte Belgien den Beitritt der Vereinigten Staaten von Mexiko zur Konvention vom 20. März 1883 in der durch das Zusatzabkommen vom 14. Dezember 1900 abgeänderten Fassung.

Am 13. Juni erklärte Dänemark seinen Beitritt auf 1. Juli zur internationalen Konvention vom 9. September 1886, betreffend die Bildung einer Union zum Schütze des literarischen und künstlerischen Eigentums, sowie zu dem Zusatzabkommen vom 4. Mai 1896 nebst Interpretationserklärung. Dieser Beitritt umfaßt das Königreich Dänemark und die Ferör-Inseln, unter Ausschluß Islands, Grönlands und der Antillen.

Ende des Jahres 1903 gehörten an r 1. D e r U n i o n z u m S c h ü t z e des g e w e r b l i c h e n Eigent u m s , g e m a lì d e r K o n v e n t i o n v o m 20. März 1883: Belgien, Brasilien, Dänemark mit den Ferör-Inseln, Deutschland, die Dominikanische Republik, Frankreich mit Algier und Kolonien, Großbritannien ' einschließlich Neuseeland und Queensland Italien, Japan, Mexiko, Niederlande mit niederländisch Indien, Surinam und Curaçao, Norwegen, Portugal mit Acoren und Madeira, Schweden, Schweiz, Serbien, Spanien, Tunis und Vereinigte Staaten voa Amerika.

Dem die Konvention abändernden Zusatzabkommen vom 14. Dezember 1900 sind alle Unionsstaaten beigetreten, mit Ausnahme der Dominikanischen Republik und Serbiens.

2. Der Übe r ein k u n f t , b e t r e f f e n d die i n t e r n a t i o n a l e Eintragung der Fabrik- oder Handelsmarken, vom 14. A p r i l 1891, a b g e ä n d e r t d u r c h Z u s a t z a b k o m m e n v o m 14. D e z e m b e r 1900: Belgien, Brasilien, Frankreich, Italien, Niederlande, Portugal, Schweiz, Spanien und Tunis.

3. Der Ü b e r e i n k u n f t , b e t r e f f e n d das V e r b o t fals c h e r H e r k u n f t s b e z e i c h n u n g e n auf Waren n, vom 14. A p r i l 1891: Brasilien, Frankreich, Großbritannien, Portugal, Schweiz, Spanien und Tunis.

4. Der U n i o n z u m S c h ü t z e des l i t e r a r i s c h e n und k ü n s t l e r i s c h e n E i go e n t u m s :

509 Belgien, Dänemark mit den Ferör-lnseln, Deutschland, Frankreich mit Algier und Kolonien, Großbritannien mit Kolonien und Besitzungen, Haiti, Italien, Japan, Luxemburg, Monaco, Norwegen, Schweiz, Spanien mit Kolonien und Tunis.

Das am 24. Mai 1902 zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reich vereinbarte Abkommen zur Abänderung des Übereinkommens vom 13. April 1892, betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz, ist im Berichtsjahr von den beiden Vertragsstaaten ratifiziert worden und am 1. Mai in Kraft getreten.

Personal.

Mit Schlußnahme vom 17. Februar bestätigte der Bundesrat die sämtlichen Beamten des Amtes für eine neue Amtsdauer vom 1. April 1903 bis 31. März 1906.

Am 2. Juli starb der technische Adjunkt, Herr Hans voa Orelli von Zürich- am 31. August ist Herr Ernst Jezler von Schaff hausen, technischer Experte II. Klasse, ausgetreten.

Eingetreten sind folgende Beamte: Am 16. Februar Herr Walther Kraft, Fürsprech, von Brugg (Kfc. Aargau), als administrativer Adjunkt; am 16. November die Herren Fritz Häusler von Lenzburg (Kt. Aargau) und Ernst Furrer von Solothurn, beide als technische Experten II. Klasse.

Am 28. August wurden die provisorischen technischen Ex.perten II. Klasse, Herren Ernst Schauenberg von Zofingoii (Kanton Aargau) und Friedrich Blau von Bern, ferner der provisorische technische Experte III. Klasse, Herr Jakob Stocker von Büron (Kt. Luzern), in ihren angegebenen Eigenschaften definitiv bestätigt.

Auf den 1. Oktober wurde Herr Hermann Oberlin von Solothurn zum technischen Adjunkten und am 30. Oktober Herr .1. Heinrich Schenk von Röthenbach (Bern) zum technischen Experten H. Klasse befördert.

1. Erfindungsschutz.

Durch Beschluß vom 30. Januar fügte der Bundesrat in die Vollziehungsverordnung zum Gesetz betreffend die Erfindungspatente einen neuen Artikel 30bis ein, wonach die Patentbewerber,

510

deren Gesuche mangels Regelung innert nützlicher Frist abgewiesen worden sind, diese Rückweisung innert Monatsfrist vermittelst der Bezahlung einer Gebühr von Fr. 300 und Neueinreichung des nach Maßgabe der amtlichen Beanstandung geordneten Patentgesuches rückgängig machen können.

Mit Botschaft vom 13. November 1903 hat der Bundesrat der Bundesversammlung den Antrag unterbreitet, den Artikel 64, 1. Alinea, 4. lemma, der Bundesverfassung, welche Bestimmung zurzeit lautet: ,,Über den Schutz neuer Muster und Modelle, sowie solcher Erfindungen, welche durch Modelle dargestellt und gewerblich verwertbar sind,c" dahin abzuändern, daß die Worte : .,,durch Modell dargestellt undtt fallen gelassen werden. Dem Bunde würde demnach, bei Annahme dieser Verfassungsänderung, die Kompetenz gegeben, den gesetzlichen Patentschutz grundsätzlich auf die nicht durch Modell darstellbaren Erfindungen auszudehnen.

Beim Departement wurden acht Rekurse gegen Verfügungen des Amtes eingereicht; hiervon wurden sechs abgewiesen, einer gutgeheißen und einer vom Rekurrenten zurückgezogen.

Gegen drei Rüekweisungen des Departements wurde der Rekurs an den Bundesrat ergriffen; einer dieser Rekurse wurde gegenstandslos infolge der hiervor erwähnten Einfügung eines Art. 30bis in die Vollziehungs v er Ordnung zum Patentgesetz; die zwei ändern Rekurse wurden abgewiesen.

Statistik.

A, Allgemeine Informationen.

Hinterlegte Gesuche für ,, ,, ,,

wovon : provisorische Patente definitive Patente Zusatzpatente Ausstellungsschutz

Zurückgezogene Gesuche Zurückgewiesene Gesuche Rekurse gegen Gesuchszurückweisung u. s. w.

Beanstandungen betreffend pendente Gesuche .

1903

1902

2923

2749

2209 645 66 3

2060 G26 61 2

265 235 8 5052

302 180 l 3922

511

wovon : I. Beanstandungen

u.

m.

,, ,,

weitere ,, Fristverlängerungen Konfidentielle Anzeigen Hauptpatente, eingetragene Zusatzpatente, eingetragene Ausstellungsschutz, eingetragener . . . .

Umwandlungsmahnungen Modellausweise dem Amte zugestellt wovon : Zur Vergleichung a u f d e m Amte . . . .

Zur Vergleichung außerhalb des Amtes .

Bleibend hinterlegte Modelle Bleibend hinterlegte Photographien Modellausweise vom Amte verneint .

Modellausweise dem Departement zugestellt Jahresgebilhren-Mahnungen Stundungen für die 3 ersten Jahresgebühren Bezahlte Jahresgebühren wovon : 1. Jahresgebühren 2.

,, 3.

,, 4.

,, -.

5.

,, 6.

:,

7.

8910 1112.

,, ,, ,, ,, ,, ,,

.

.

.

.

.

1902

3167 1419 428 38

2695 931 264 32 119 31

.

193 34 . 2905 46 2 801 . 1653 1165 105 116 267

2291 36 2 819 1505 1052 96

111

246 145 22

144 18 3864 20 8486

3426

2381 1959 1252 692 583 428 316 217 160 126 109 111 61 48 43

2210 1671 1190 764 529 405 271 196 160 134 142 77 60 63 16

267 34 19 5 2176 1 . 281

238 31 5 5 2105 2 244

.

.

.

13.

,, . . . . ' . . . . .

14.

,, 15.

,, . . ' Abtretungen, eingetragene Lizenzen, eingetragene Verpfändungen, eingetragene Nachträgliche Eintragungen Löschungen .

» «Nichtigkeitserklärungen Vertreter-Änderungen

1903

.

.

20 7888

512 B. Verteilung der m den Jahren 1902 und 1903 erteilten Haitptpatenle nach Ländern.

1903

Schweiz Ausland

1902

1017 = 35% 1888 = 65 % 2905

759 = 33% 1532 = 67 % 2291

Verteilung für das Ausland.

Europa.

Belgien Dänemark und Kolonien

1903 31 20

1902 15 8

Deutschland Frankreich und Kolonien Großbritannien und Kolonien Italien Luxemburg Monaco Niederlande und Kolonien Norwegen (pro 1902 s. hiernach un ter Seh w eden) Österreich Ungarn Rumänien Rußland

897 334 164 40 2 -- 4 8 85 29 l 16

68« 281 119 3<) l l 8 -- 81 23 -- 18

22 5 l

19 4 l

l

4

.Schweden (pro 1902 inklusive Norwegen) Spanien Türkei Andere Erdteile.

Afrika Amerika: Kanada Mexiko Südamerika Vereinigte Staaten von Amerika Asien Australien

. . . .

5 -- 5 198 2 18

1888

4 -- 5 204 2 12

1532

2. Muster und Modelle.

Die Eigentümer von 441 Hinterlegungen wurden vom AI)laufe der Schutzfrist benachrichtigt. ·

513 Neun Hinterlegungsgesuche mit 21 Gegenständen wurden abgewiesen und sechs Gesuche mit 427 Gegenständen zurückgezogen.

Statistik.

A. Tabelle für die drei Schutzperioden.

Hinterlegungen

Gegenstände

Perioden 1902

1903

I. Periode (wovon versiegelt) II. Periode . Tu. Periode . . . ° .

1902

1158 » 848 2 226,485 149,861 521 382 192,861 129,763 292 104 84 416 21 24 207 .

125

.

Abtretungen . . . . . .

Löschungen (ganzer Depotinhalt) .

Löschungen (teilweiser Depotinhalt) 1 2

1903

41 290 32

44 144 19

19,718

9,240

5,610 612

878 86

Wovon 344 mit 217,596 Stickereimustern.

,, 296 ,, 144,633 ,,

j

B. Vertheilung nach Ländern für die 1. Periode.

Hinterlegungen

Gegenstände

Länder

1903

1902

1903

1902

i

1101

.Schweiz

57

Ausland 1

Total Verteilung fUr das Ausland.

Belgien Deutschland Frankreich Großbritannien . . .

Italien Österreich Ver. Staaten v. Amerika

.

Total Bundesblatt.

56. Jahrg. Bd. I.

1158

813 225,824 149,335

35

661

526

848 226,485 149,861

1 31 17 3 1 3 1

15 18 -- · -- 1 1

1 579 27 5 45 3 1

161 363 _^_ --_ 1 1

57

35

661

526 36

514

3. Fabrik- und Handelsmarken.

Statistik.

A. Allgemeine Informationen.

Marken, welche zur Eintragung angemeldet wurden Marken mit unregelmäßigen oder unvollständigen Gesuchen Eingetragene Marken (auf dem eidgenössischen Amte) Eingetragene Marken (auf dem internationalen Bureau) Internationale Marken, denen der Schulz verweigert wurde Zurückgezogene oder zurückgewiesene Marken .

Rekurse Marken, welche zu einer vertraulichen Mitteilung Anlaß gegeben haben Firmen- oder Domuiländerungen ete Übertragene Marken Gelöschte Marken (auf Ansuchen der Hinterleger oder infolge Urteils) Gelöschte Marken (wegen Nichterneuerung) . .

Marken, deren Hinterlegung erneuert wurde . .

Erneuerungsmahnungen (Art. 8 des Gesetzes) . .

S,

1903

1902

1418

1195

361

307

1365

1198

577

435

4 36 --

l 23 l

83 16 163

27 65 104

34 156 27 150

31 145 50 169

Verteilung

der auf dem eidgenössischen Amte und auf dem internationalen Bureau eingetragenen Marken nach Warenklassen.

Warenklassen

Nationale Eintragung 1903 1902 1865/03

148 202 2,198 1. Nahrungsmittel etc.

53 2. Getränke etc. .

43 1,038 130 3. Tabak etc. . .

70 1,390 155 118 1,694 4. Heilmittel etc.

5. Farben, Seifen etc.

163 129 1,701 94 72 1,718 6. Textilprodukte etc.

34 7. Papierwaren etc. .

35 375 Übertrag 777 66910,114

Internationale Eintragung 1903 1902 1893/03

69 691 54 500 48 13 187 111 91 725 81 61 580 45 52 366 12 29 86 446 352 3135 71 61

515 Warenklassen

Übertrag 8. Heizung, Beleuchtung etc. .

9. Baumaterialien etc. .

10. Möbel etc.

11. Metalle, Maschinen etc.

12. Uhren etc. .

13. Direrses .

Nationale Eintragung 1903 1902 1865/03

777

Internationale Eintragung 1903 1902 1893/03

669 10,114 .446

42 379 26 20 11 182 20 17 186 84 996 59 441 382 4,833 41 6 9 1365 1198 16,731

352 3135

43 16 184 66 13 10 12 56 15 25 14 142 35 18 165 24 3 10 577 435 3772

G. Verteilung

der aut dem eidgenössischen Amte und auf dem internationalen Bureau eingetragenen Marken nach Ländern.

Länder

Nationale Eintragung 1903 1902 1865/03

1107 92212,092 Ägypten -- -- 7 1 8 85 Belgien 1 1 3 Dänemark . . . .

Deutschland . . . . 153 128 1,723 12 24 1,408 Frankreich . . . .

39 45 870 Großbritannien .

2 -- 2 4 Italien -- -- 2 Kuba -- -- 19 Niederlande . . . .

Österreich . . . .

12 23 231 Ungarn 3 1 6 Portugal \ 1 Queensland . . . .

-- -- 1 Rumänien . . . .

Rußland 1 3 5 4 4 48 Schweden . . . .

Übertrag 1335 1160 16,525 Schweiz

Internationale Eintragung 1903 1902 1893/03

87

76

821

32

33

217

381

252 2007

15

5

74

48

59

583

2

565

3

428

8

3710

516 Internationale Eintragung

Nationale Eintragung

Länder

1902 1865/03

1903

1902

1335 116016,525 9 -- --

565 12 --

428 3710 2 56 5 6

1903

Obertrag Spanien Tunis Vereinigte Staaten von Brasilien . . . .

Vereinigte Staaten von Amerika . . . .

--

--

1865/03

1

--

--

--

30 38 196 1365 119816,731

-- 577

-- 435

-- 3772

4. Schutz des literarischen und künstlerischen Eigentums.

Es wurden 276 obligatorische und 57 fakultative Eintragungen vorgenommen.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1903.

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1904

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

09

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

02.03.1904

Date Data Seite

449-516

Page Pagina Ref. No

10 020 865

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

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