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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend das mit Deutschland getroffene Uebereinkommen zum gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz.

(Vom 24. Mai 1892.)

Tit.

Der am 23. Mai 1881 zwischen der Schweiz und dem deutschen Reiche abgeschlossene Handelsvertrag enthielt im Artikel 11 folgende Bestimmung: ,,In Bezug auf die Bezeichnung der Waaren oder deren Verpackung, sowie bezüglich der Fabrik- oder Handelsmarken, sollen die Angehörigen des einen der vertragschließenden Theile in dem Gebiete des andern denselben Schutz wie die eigenen Angehörigen genießen. Die Angehörigen eines jeden der vertragschließenden Theile haben jedoch die in dem Gebiete des andern Theiles durch Gesetze oder Verordnungen vorgeschriebenen Bedingungen und Förmlichkeiten zu erfüllen.

,,Der Schutz von Fabrik- und Handelsmarken wird den Angehörigen des andern Theiles nur insofern und auf so lange gewährt, als dieselben in ihrem Heimatstaate in der Benutzung der Marken geschützt sind."

Diese Bestimmung wurde in den am 10. Dezember 1891 mit Deutsehland abgeschlossenen Handelsvertrag nicht hinübergenommen ; es mußte daher auf einen Ersatz Bedacht genommen werden. Die Schweiz hat seit 1881 ihre Gesetzgebung über das gewerbliche Eigenthum vervollständigt, indem sie das Bundesgesetz betreifend

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die Erfindungspatente, sowie das Bundesgesetz betreffend die gewerblichen Muster und Modelle geschaffen hat. Sie hat auch ihr Gesetz betreffend den Schutz der Fabrik- und Handelsmarken in zeitgemäßer Weise abgeändert und in dasselbe Bestimmungen zur Unterdrückung falscher Herkunftsbezeichnungen aufgenommen.

Zudem sind durch die internationale Konvention vom 20. März 1883, welche in wichtigen Pnnkten die verschiedenen Gesetzesvorschriften der der Union beigetretenen Staaten durch einheitliche Bestimmungen ersetzt hat, bedeutende Fortschritte im internationalen Schutze des gewerblichen Eigenthums erzielt worden. Aus allen diesen Gründen empfahl es sich, den Artikel 11 des Handelsvertrages von 1881 durch dem heutigen Stand der Dinge entsprechende, das ganze Gebiet des Schutzes des gewerblichen Eigenthums umfassende Bestimmungen zu ersetzen.

Am einfachsten wäre es gewesen, wenn Deutschland der internationalen Konvention vom 20. März 1883 zum Schutze des gewerblichen Eigenthums beigetreten wäre. Der Bundesrath that bei der deutschen Reichsregierung Schritte in diesem Sinne; dieselben blieben jedoch resultatlos. In den Regierungskreisen des deutschen Reiches konnte man sich mit diesem Vorschlag nicht befreunden; es wurde dort angenommen, daß die internationale Konvention, welche nach ihrem gegenwärtigen Inhalt für andere Staaten vortheilhaft sein möge, dieß für Deutschland infolge seiner besonders gearteten Patentgesetzgebung nicht sei.

Dagegen unterbreitete uns Deutschland einen den Schutz in den verschiedenen Zweigen des gewerblichen Eigeiithums betreffenden Vertragsentwurf, welcher dem in der Folge mit OesterreichUngarn und Italien abgeschlossenen Abkommen ähnlich war. Dieser Entwurf hatte für die Schweiz dieselben Unzukömmlichkeiten, welche Deutschland in Beziehung auf sich der internationalen Konvention vorwarf; er nahm nämlich nicht genügend Rücksicht auf ihre interne Gesetzgebung. Es wurde schweizerischerseits ein Gegenentwurf ausgearbeitet; allein Deutschland erachtete denselben als unannehmbar und sehlug, als einziges Mittel, um zu einer Verständigung zu gelangen, die Eröffnung mündlicher Verhandlungen in Berlin vor.

Der Bundesrath pflichtete diesem Vorschlag bei und ordnete als Unterhändler Herrn B. Frey-Godet, Sekretär der iuternatiomilen Bureaux des gewerblichen, literarischen und
künstlerischen Eigenthums, nach Berlin ab.

Die Unterhandlungen kosteten viel Arbeit. Man einigte sich beiderseits dahin, den immerhin auf den Grundsätzen der internationalen Konvention vom 20. März 1883 fußenden deutsehen

249 Entwurf als Unterhandlungsbasis anzunehmen. Die Hauptschwierigkeiten bestanden darin, die Vertragsbestimmungen in klarer Fassung den beiderseitigen innern Gesetzgebungen anzupassen. Man darf sagen, daß dieser Zweck im Ganzen genommen erreicht wurde.

Freilich hätten einige Bestimmungen verständlicher redigirt werden können, wenn Deutschland sich nicht durch seine mit Oesterreich und Italien abgeschlossenen Verträge gebunden erachtet und befürchtet hätte, es könnten Redaktionsänderungen zu Mißverständnissen Anlaß geben. Der Sinn der betreffenden Bestimmungen ist übrigens im Schlußprotokoll genau umschrieben worden.

Die Tragweite des Vertrages erhellt aus der nachfolgenden kurzen Besprechung der einzelnen Artikel.

Die Artikel l und 2, laut welchen die Angehörigen des andern Staates, sowie diejenigen Angehörigen dritter Staaten, welche in seinem Gebiete ihren Wohnsitz oder ihre Hauptniederlassung haben, den eigenen Staatsangehörigen gleichgestellt sein sollen, sind der internationalen Konvention entlehnt und bieten daher keinen Anlaß zu Aussetzungen dar. Für die Schweiz ist diese Gleichstellung deswegen von großem Werth, weil sie den Schweizern im deutschen Reiche den gesetzlichen Schutz der Muster und Modelle sichert, während die innere Gesetzgebung dieses Staates nur die Muster und Modelle inländischer Urheber schützt, welche durch die inländische Industrie ausgebeutet werden.

Art. 3 regelt Verhältnisse, deren Ordnung eine der wichtigsten Errungenschaften der internationalen Konvention bildet, in zum Theil abgeänderter Weise. Wenn in einem der vertragschließenden Theile die zur Erlangung des Schutaes einer Erfindung, eines Musters, eines Modelles oder einer Marke vorgeschriebenen Förmlichkeiten erfüllt worden sind und innert einer bestimmten Frist der Gegenstand auch im andern Staate zur regelrechten Anmeldung gelangt, so sollen für letztere Anmeldung die Rechtsfolgen derart sein, als ob sie gleichzeitig mit der erstem stattgefunden hätte.

Durch diese Bestimmung wird dem ersten Hinterleger die erforderliche Zeit gewährt, seine Hinterlegung auch im andern Staate zu bewirken, ohne daß ihm ein Dritter zuvorkommen kann und ohne daß eine inzwischen etwa erfolgte Veröffentlichung der Erfindung, des Musters etc. seine Rechte aufhebt.

Die betreffende Frist wird in Art. 3 für Erfindungen, gleich
wie für Muster, Modelle und Marken, auf 3 Monate festgesetzt 5 es ist aber zu beachten, daß Art. 4 die dreimonatliche Frist für Pateute nicht mit dem Hinterlegungsdatum, sondern mit dem Ertheilungsdatum beginnen läßt, und daß laut Schlußprotokoll ein Patentgesuch mit der in Art. 3 vorgesehenen Wirkung auch zwischen

250 in ersterem Staate erfolgter Anmeldung und Ertheilung im /weiten eingereicht werden kann. Demnach existirt das Prioritätsrecht für Patente in Wirklichkeit vom Datum der Hinterlegung an bis drei Monate nach der Ertheilung, also für in der Schweiz zuerst eingereichte Pntentgesuche in vielen Fällen länger als die in der internationalen Konvention vorgesehenen sechs, beziehungsweise -- für überseeische Staaten -- sieben Monate. Den deutschen Erfindern wird in der Regel eine längere Prioritätsfrist zu gute kommen, als den schweizerischen, weil infolge der im deutschen Verfahren enthaltenen vorgängigen Prüfung und öffentlichen Bekanntmachung zwischen Patentanmeldung und Patentertheilung längere Zeit verfließt, als beim schweizerischen Verfahren. Diese Ungleichheit ist indeß ohne Nachtheile für die schweizerische Industrie, welche ja nur gewinnen kann, wenn infolge der den Ausländern gebotenen Vortheile in der Schweiz um so mehr Patente genommen werden. Sie ist die natürliche Folge der Ungleichheit der beiderseitigen Gesetzgebungen und des von Deutsehland aufrecht gehaltenen Verlangens, daß deutschen Erfindern die Gelegenheit gewahrt werden müsse, ihre Erfindungen erst dann in der Schweiz anmelden zu können, wenn sie in Bezug auf Ertheilung des deutschen Patentes sicher sind.

Es gibt eine besondere Kategorie von auf die äußern Formen von Erzeugnissen bezüglichen Erfindungen, welche in der Schweiz unter den Patentschutz, in Deutschland dagegen unter den Gebrauchsmusterschutz gestellt werden. Wenn für derartige Erfindungen die erste Hinterlegung in der Schweiz bewirkt wird, so gilt fdr dieselbe die Prioritätsfrist für Patente; findet die erste Hinterlegung aber in Deutschland statt, so findet die Prioritätsfrist für Muster und Modelle auf sie Anwendung. In diesem Falle macht sich ein Unterschied zu Gunsten der schweizerischen Erfinder geltend, denn es kommt ihnen für die Hinterlegung ihrer Gebrauchsmuster eine Prioritätsfrist zu gut, welche sich von der Anmeldung ihrer Erfindung in der Schweiz bis drei Monate nach Ertheilung des Patentes erstreckt, während die deutschen Erfinder nur eine dreimonatliche Prioritätsfrist zwischen der Anmeldung zum Gebrauchsmusterschutz in Deutschland und der Patentanmeldung in der Schweiz beanspruchen können. Unsere Staatsangehörigen brauchen sich also in diesem Falle
hinsichtlich des Datums der Hinterlegung in Deutschland nicht nach der besondern Natur des von ihnen daselbst nachgesuchten Schutzes zu richten.

In Beziehung auf Ausbeutung des gewerblichen Eigenthums vereinigt Art. 5 die · beiden vertragschließenden Theile gleichsam zu einem einzigen Gebiete, in dem Sinne nämlich, daß wegen Nichtausbeutung im Gebiete des einen Theils oder wegen Import vorgesehene Erlöschungsgründe nicht anwendbar sind, wenn die Aus-

251 beutung im Gebiete des andern Theiles oder die Einfuhr von dem Gebiete dieses andern Theiles aus stattfindet.

Da das schweizerische Patentgesetz die Niohtausführung einer patentirten Erfindung im Inland nicht als Erläschungsgrund vorsieht, so bedingt Art. 5 diesbezüglich keine Aenderung des gegenwärtigen Zustandes; überdieß hält das Schluliprotokoll den Erlöschungsgrund des Art. 9, Ziffer 4, des Bundesgesetzes aufrecht, welcher besagt, daß ein Patent gelöscht werden kann, wenn der patentirte Gegenstand importirt wird und der Patentinhaber auf billiger Grundlage beruhende Licenzbegehren abgelehnt hat. Dagegen werden wir deutschen Staatsangehörigen gegenüber Ziffer 2 des Art. 6 des Bundesgesetzes betreffend die gewerblichen Muster und Modelle, welche Denjenigen der aus der Hinterlegung hervorgehenden Rechte verlustig erklärt, ,,welcher das Muster oder Modell im Inland nicht in angemessenem Umfange zur Ausführung bringt, während im Ausland fabrizirte Artikel desselben Musfers oder Modells importirt werden", nicht mehr anwenden dürfen. Auf der andern Seite kann Deutschland diejenigen Patente nicht mehr zurücknehmen, welche auf seinem Gebiete nicht, auf dem unserigen aber in einem den deutschen Bedürfnissen genügenden Umfange ausgebeutet werden.

Durch Preisgabe der Löschung von in die Schweiz eingeführten und auf ihrem Gebiete nicht ausgebeuteten Mustern und Modellen wird einigen schweizerischen Industrien die Möglichkeit genommen, neue deutsche Muster zu benutzen. Dies ist jedoch kein Nachtheil, denn es ist wünschenswerth, daß unsere Industi"eilen sich mehr und mehr von der Nachahmung fremder Erzeugcisse abwenden, um selbst Originelles zu erzeugen. Wir werden dann auch die von uns mit vielem Kostenaufwand herangebildeten Musterzeichner im Lande behalten können, wodurch unsere Produktionsfiihigkeit an Lebenskraft gewinnen wird.

Was man schließlich über die von der Schweiz im Art. 5 gemachte Konzession auch denken mag, so steht doch so viel fest, daß dieselbe von Deutschland, indem es zu Gunsten schweizerischer Inhaber deutscher Patente den Erlöschungsgrund wegen Nichtausführung fallen läßt, weit überboten wird. Bis anhin mußten die schweizerischen Erfinder, welche in beiden Staaten Patente nahmen, dafür sorgen, daß ihre deutschen Patente innerhalb drei Jahren in Deutschland zur gewerblichen
Ausbeutung gelangten, wenn sie sich nicht der Zurücknahme derselben aussetzen wollten. Von nun an aber wird die Ausbeutung der Patente in der Schweiz genügen, um die deutschen Patente aufrecht zu erhalten ; dadurch erhalten auch unsere Patente größern Werth, und unsere industriellen Età-

252 blissemente, welche schweizerische und deutsche Patente besitzen, werden beide Länder für die Erzeugnisse ihrer Fabrikationsmonopole zu Absatzgebieten haben.

Der Art. 6 adoptirt den in der internationalen Konvention niedergelegten Grundsatz, wonach im Ursprungslande eingetragene Fabrik- oder Handelsmarken in den andern Staaten auch geschützt sein sollen, selbst wenn dieselben ihrer äußern Gestaltung nach den gesetzlichen Bestimmungen letzterer nicht entsprechen. Das Bundesgesetz vom 26. September 1890 enthält verschiedene im Markengesetz vom 19. Dezember 1879 vorgesehene Beschränkungen des Gebrauchs von Zeichen, welche als Marken dienen können, nicht mehr ; das Gebiet für die Auswahl charakteristischer Markenzeichen ist deßhalb gegenüber früher erweitert, und es können namentlich auch Phantasiebenennungen als schweizerische Marken dienen, während das deutsche Markengesetz die Hinterlegung von Phantasiebenennungen als Marken nicht zuläßt. Infolge des Art. 6 werden die deutschen Behörden die Frage nicht mehr zu untersuchen haben, ob in Deutschland zur Hinterlegung gelangende schweizerische Marken den deutschen Gesetzesvorschriften entsprechen; sie werden sich nur vergewissern, ob dieselben im Ursprungslande eingetragen sind, und ob sie nicht nach deutscher Anschauung den guten Sitten oder der öffentlichen Ordnung zuwiderlaufen.

Durch den Art. 7 wird zu Gunsten der Angehörigen beider Staaten, insoweit als das Uebereinkommen zur Geltung gelangt, die Verpflichtung aufgehoben, patentirte Gegenstände oder deren Verpackung mit einem speziellen Patenteeicheu zu versehen. Diese Bestimmun» trifft eigentlich nur auf die deutschen Inhaber schweizerischer Patente zu, denn Deutschland kennt das Obligatorium des Pateutzeichens nicht. Es ist begreiflich, daß Deutschland für seine Angehörigen die Aufhebung der schweizerischen Gesetzesbestimmung (Art. 20) verlangt, wonach der Patentinhaber sein Klagrecht wegen Nachahmung verliert, wenn er auf dem Patentgegenstand das eidgenössische Kreuz und die Patentnummer nicht angebracht hat, denn es versteht sich von selbst, daß, da nach Art. 5 des Uebereinkornmens die Ausführung der Erfindung in einem der beiden Staaten genügt, für die Ausbeutung die Gesetzgebung des Fabrikationslandes maßgebend sein soll. Da indeß das schweizerische Patentgesetz (Art. 25, Absatz 3)
die Civilentsehädigung auch für unwissentliche Nachahmung vorsieht, das Fehlen des Patentzeichens aber deren Vorkommen Vorschub leistet, hat die Schweiz die Aufnahme der Bestimmung verlangt, daß, wenn die Anbringung eines Patentzeichens unterlassen wurde, behufs Verfolgung des Nachahmers der Nachweis schuldhaften Verhaltens geführt werden muß.

253 Deutschland besitzt noch keine gesetzlichen Bestimmungen über die Unterdrückung falscher Herkunftsbezeichnungen von Waaren; es hat aber die Notwendigkeit, diese Lücke auszufüllen, erkannt und sich durch Art. 8 des Uebereinkommens dazu verpflichtet.

Sobald es diesen Verpflichtungen nachgekommen sein wird, werden seine Staatsangehörigen auch die auf falsche Herkunftsbezeichnungen bezüglichen Artikel des Bundesgesetzes vom 26. September 1890 zu ihren Gunsten anrufen können.

Das der vorstehenden Durchsicht unterzogene Uebereinkommen sichert der Schweiz viele und wichtige Vortheile, ohne ihr eine einzige ihren wahren Interessen zuwiderlaufende Konzession abzuringen. Wir haben daher allen Grund, anzunehmen, daß die Bundesversammlung dasselbe genehmigen wird, und zwar um so unbedenklicher, als es die Schweiz nicht für eine lange Zeitdauer bindet, sondern gemäß Art. 9 jederzeit auf sechs Monate hin gekündet werden kann.

Wir gestatten uns daher, Ihnen, Tit., die Annahme des beiliegenden Entwurfes eines Bundesbeschlusses zu empfehlen.

Genehmigen Sie bei diesem Anlasse die erneute Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 24 .Mai 1892.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Hauser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: ßingier.

254 (Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

das am 13. April 1892 mit Deutschland abgeschlossene Uebereinkommen zum gegenseitigen Schutz der Erfindungspatente, Muster und Marken.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Botschaft des Bundesrathes vom 24. Mai 1892, beschließt: 1. Es werden genehmigt: a. das am 13. April 1892 in Berlin getroffene Uebereinkommen zwischen der Schweiz und Deutschland betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz ; b. das zugehörige Schlußprotokoll.

2. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Uefoereinkommen zwischen

der Schweiz und Deutschland betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz.

Der Bundesrath der schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits, und Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preußen, im Namen des Deutschen Reiches andererseits, von dem Wunsche geleitet, die gegenseitigen Beziehungen auf dem Gebiete des Patent-, Muster- und Markenschutzes neu zu regeln, haben zu diesem Zweck Unterhandlungen eröffnen lassen und zu Bevollmächtigten ernannt: Der Bundesrath der schweizerischen Eidgenossenschaft: Seinen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser, König von Preußen, Herrn Dr. A. R o t h, Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preußen: Allerhöchst Ihren Wirklichen Geheimen Ratfa, Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Herrn Adolf Freiherrn Marschall von Bieberstein, welche, unter Vorbehalt der beiderseitigen Ratifikation, das nachstehende Uebereinkommen vereinbart und abgeschlossen haben :

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Artikel 1.

Die Angehörigen des einen der vertragschließenden Theile sollen in dem Gebiete des anderen in Bezug auf den Schutz von Erfindungen, von Mustern (einschließlich der Gebrauchsmuster) und Modellen, von Handels- und Fabrikmarken, von Firmen und Namen dieselben Rechte wie die eigenen Angehörigen genießen. Sie werden demgemäß danselben Schutz und dieselben gesetzlichen Mittel gegen jede Verletzung ihrer Rechte haben, wie die Inländer, vorausgesetzt, daß sie die Förmlichkeiten erfüllen, welche die innere Gesetzgebung eines jeden der beiden Staaten den Inländern auferlegt.

Artikel 2.

Den Angehörigen im Sinne dieser Vereinbarung sind gleichgestellt andere Personen, welche in dem Gebiete des einen der vertragschließenden Theile ihren Wohnsitz oder ihre Hauptniederlassung haben.

Artikel 3.

Wird eine Erfindung, ein Muster oder Modell, eine Handels- oder Fabrikmarke in dem Gebiete des einen der vertragschließenden Theile angemeldet und binnen einer Frist von drei Monaten die Anmeldung auch in dem Gebiete des anderen vertragschließenden Theiles bewirkt, so soll diese spätere Anmeldung dieselbe Wirkung haben, als wenn sie am Tage der ersten Anmeldung geschehen wäre.

Artikel 4.

Die im Artikel 3 vorgesehene Frist beginnt a. bei Mustern und Modellen, sowie bei Handels- und Fabrikmarken mit dem Zeitpunkt, in welchem die erste Anmeldung erfolgt; b. bei Erfindungen mit dem Zeitpunkt, in welchem auf die erste Anmeldung das Patent ertheilt wird;

257 e. bei Gegenständen, wslche in Deutschland als Gebrauchsmuster, in der Schweiz als Erfindungen angemeldet ·werden, mit dem Zeitpunkt der ersten Anmeldung, falls diese in Deutschland erfolgt, und mit dem Zeitpunkt, in welchem das Patent auf die erste Anmeldung ertheilt wird, falls diese in der Schweiz erfolgt.

Der Tag der Anmeldung oder der Ertheilung wird in die Frist nicht eingerechnet.

Als Tag der Ertheilung gilt in Deutschland der Tag, an welchem der Beschluß über die endgültige Ertheilung des Patentes zugestellt, in der Schweiz der Tag, an weichern das Patent in das Patentregister eingetragen worden ist.

Artikel 5.

Die Rechtsnachtheile, welche nach den Gesetzen der vertragschließenden Theile eintreten, wenn eine Erfindung, ein Muster oder Modell, eine Handels- oder Fabrikmarke nicht innerhalb einer bestimmten Frist ausgeführt, nachgebildet oder angewendet wird, sollen auch dadurch ausgeschlossen werden, daß die Ausführung, Nachbildung oder Anwendung in dem Gebiete des anderen Theiles erfolgt.

Die Einfuhr einer in dem Gebiete des einen Theiles hergestellten Waare in das Gebiet des anderen Theiles soll in dem letzteren nachtheilige Folgen für das auf Grund einer Erfindung, eines Musters oder Modells oder einer Handels- oder Fabrikmarke gewährte Schutzrecht nicht nach sich ziehen.

Artikel 6.

Dem Inhaber einer in den Gebieten des einen Theiles eingetragenen Handels- und Fabrikmarke kann die Eintragung in den Gebieten des anderen Theiles nicht aus dem Grunde versagt werden, weil die Marke den hier geltenden Vorschriften über die Zusammensetzung und äußere Gestaltung der Marken nicht entspricht.

258 Artikel 7.

Angehörige des einen der vertragschließenden Theile, welche ein Patent in dem Gebiete des anderen Theiles erlangt haben, sind in dem letzteren von jeder gesetzlichen Verpflichtung befreit, behufs Geltendmachung der aus dem Patent sich ergebenden Rechte, die nach dem Patent hergestellten Gegenstände oder deren Verpackung als patentirt zu kennzeichnen. Ist eine solche Kennzeichnung nicht erfolgt, so muß behufs Verfolgung des Nachahmers der Nachweis schuldhaften Verhaltens besonders geführt werden.

Artikel 8.

Jeder der vertragschließenden Theile wird, soweit dies noch nicht geschehen ist, Bestimmungen gegen den Verkauf und das Feilhalten solcher Waaren treffen, welche unrichtiger Weise und in der Absicht zu täuschen als von einem im Gebiete des anderen vertragschließenden Theiles belegenun Orte oder Bezirke herrührend bezeichnet sind.

Artikel 9.

Das gegenwärtige Uebereiukommen soll ratifizirt und die Ratifikationsurkunden sollen sobald als möglich in Berlin ausgewechselt werden.

Das Uebereinkommen tritt mit dem Ablauf von zwei Wochen von dem Tage des Austausches der Ratifikationsurkunden ab in Kraft und bleibt in Wirksamkeit bis zum Ablauf von sechs Monaten nach erfolgter Kündigung Seitens eines der vertragschließenden Theile.

Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten das gegenwärtige Uebereinkommen unterzeichnet und ihre Siegel beigedrückt.

So geschehen zu B e r l i n , den 13. April 1892.

(L. S.) (sig.) Roth.

fL. S.) (sig.) Freiherr von Marschall.

25!»

Schlussprotokoll.

Bei der am heutigen Tage erfolgten Unterzeichnung des Uebereinkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Schweiz über den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz haben die beiderseitigen Bevollmächtigten folgende Erklärungen in das gegenwärtige Protokoll niedergelegt: l. Zu Artikel Ì.

Die Gleichstellung der beiderseitigen Staatsangehörigen soll hinsichtlich des Firmenschutzes auch die Wirkung haben, daß Firmen aus dem Gebiete des einen Theiles, um einen Schutz gegen mißbräuchliche Verwendung zur Waarenbezeichnung in dem Gebiete des anderen Theiles zu genießen, hier der Hinterlegung und Eintragung als Marke nicht bedürfen.

17. Zu Artikel 3.

Angehörige des einen der vertragschließenden Theile, welche eine Erfindung, ein Muster oder Modell, eine Handelsoder Fabrikmarke in einem dritten Staate anmelden, können auf Grund dieser Anmeldung in dem Gebiete des anderen vertragschließenden Theiles Rechte aus dem vorliegenden Uebereinkommen nicht herleiten.

777. Zu Artikel 4.

Im Sinne des Artikels 4, Absatz l, kann eine Erfindung auch vor dem Zeitpunkt, in welchem auf die erste Anmeldung das Patent ertheilt wird, in dem Gebiete des anderen Theiles mit der in Artikel 3 vorgesehenen Wirkung angemeldet werden, vorausgesetzt, daß die Brtheilung des Patentes auf die erste Anmeldung nachträglich erfolgt.

Bundesblatt. 44. Jahrg. Bd. ili.

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260 IV. Zu Artikel 5.

Rechtsnachtheile, welche nach den Gesetzen der vertragschließenden Theile bei Erfindungspatenten im Fall der Lieenzverweigerung eintreten, werden durch die Vorschriften des Artikels 5 nicht ausgeschlossen.

Y. Zu Artikel 6.

Die Bestimmung im Artikel 6, Absatz l, des Uebereinkommens bezweckt nicht, der in den Gebieten des einen Theiles eingetragenen Marke in den Gebieten des anderen Theiles auch dann einen Anspruch auf Eintragung zu gewähren, wenn hier befunden wird, daß der Inhalt der Marke gegen die Sittlichkeit oder gegen die öffentliche Ordnung verstößt, oder mit den thatsächlichen Verhältnissen in einem das Publikum irreführenden Widerspruch steht. Liegt eine dieser Voraussetzungen vor, so kann die Eintragung versagt werden.

Das vorliegende Protokoll bildet einen integrirenden Bestandtheil des Uebereinkommens, auf das es sich bezieht, und ist ohne besondere Ratifikation durch die bloße Thatsache der Auswechselung der Ratifikationen dieses Uebereinkommens als von den vertragschließenden Theilen gebilligt und bestätigt anzusehen. Dasselbe wurde in doppelter Ausfertigung zu Berlin am 13. April 1892 unterzeichnet.

Roth.

Freiherr von Marschall.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend das mit Deutschland getroffene Uebereinkommen zum gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz. (Vom 24. Mai 1892.)

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22

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01.06.1892

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