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Bericht der

nationalrätlichen Kommission betreffend Erlaß der sog.

Nationalbahngarantieschuld.

(Vom 31. Mai 1904.)

I.

Die Gründung der s c h w e i z e r i s c h e n N a t i o n a l b a h n in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts ist wohl nicht ohne Berechtigung. als eine Folge von schweren Verkehrs- und wirtschaftspolitischen Irrtümern bezeichnet worden. Wenn auch das angestrebte Ziel -- eine von den damals bestehenden großen Eisenbahngesellschaften unabhängige, die Schweiz von Nordost nach Südwest durchziehende Eisenbahn zu schaffen -- mit Rücksicht auf das sehr oft wenig entgegenkommende Verhalten dieser Gesellschaften gegenüber den Verkehrstreibenden Anerkennung verdient, so sind dabei doch sehr schwerwiegende und entscheidende Faktoren vollkommen außer Acht und außer Berechnung gelassen worden, welche, wenn in Betracht gezogen und richtig gewürdigt, die Unmöglichkeit der Erreichung jenes Zieles und den unvermeidlichen Verlust der dafür verwendeten pekuniären Mittel fast mit Sicherheit voraussehen ließen.

Es fehlte auch nicht an warnenden Stimmen, welche auf die Gefahren dieses Unternehmens eindringlich aufmerksam gemacht und von demselben abgeraten haben.

Bundesblatt. 56. Jahrg. Bd. III.

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Das Projekt sah drei Abteilungen voraus, nämlich : 1. Winterthur-Singen-Kreuzlingeu in einer Länge von 75 Kilometern -- O s t s e k t i o n .

2X Winterthur-Zofiogen in einer Länge von 88 Kilometern -- Westsektion.

3. Zoflngen-Lyß.

Die beiden ersten Abteilungen, für welche an die Gesellschaft der Linie Wiuterthur-Singen-Kreuzlingen und an die Gesellschaft der Linie Winterthur-Zoflngen besondere Konzessionen erteilt worden waren, wurden ausgeführt und in Betrieb gesetzt. Die Ausführung der dritten Abteilung unterblieb wegen Eintrittes der Zwangsliquidation über die beiden ersten.

Die Kosten der O s t s e k t i o n betrugen Fr. 13,396,000, diejenigen der W e s t s e k t i o n Fr. 18,275,569, total Fr. 31,671,569*).

Schon während des Baues der beiden Sektionen fusionierten sich ihre Gesellschaften. Die Ostsektion brachte der fusionierten Gesellschaft an Kapital ein Fr. 6,396,000 die Westsektion . . . , ,, 8,075,569 zusammen

Fr. 14,471,569

In der Folge wurden die beiden Eisenbahnstücke mit Anleihen belastet: A. Ostsektion : a. Hypothekaranleihen I. Ranges von . . . Fr. 5,000,000 î». Hypothekaranleihen II. Ranges von . . ,, 2,200,000 B. Westsektion : a. Anleihen von ,, 9,000,000 mit erster Hypothek auf der Bahn, solidarisch garantiert durch die Einwohnergemeinden Winterthur, Baden, Lenzburg und Zofiogen, rückzahlbar auf 1. Mai 1895, Zins zu 5°/o, zahlbar jährlich auf 1. Mai; b. Anleihen von Fr. 1,200,000 in zweiter Hypothek, als Garantie dienend für die Zeichner eines Supplemeataranleihens von Fr. 2,000,000, wovon Fr. 1,200,000 für das Oatstuck und Fr. 800,000 für das Weststück bestimmt waren.

*) Vgl. Bericht der für Untersuchung der Finanzlast der Garantiestädte für das Nationalbahnanleihen von 9 Millionen ernannten Expertenkommission an den Buudesrat vom 15. Oktober 1863.

779 Der K a n t o n Z ü r i c h als Kanton hat an dem Bau der Nationalbahn in folgendem Maße teilgenommen: Für die Strecke Winterthur-Singen-Kreuzlingen Fr. 1,506,000 ,, ,, ,, Winterthur-Zofingen . . . ,, 1,835,500 oder Fr. 50,000 per Kilometer, alles in Anwendung eines Gesetzes vom 14. April 1872.

Der K a n t o n A a r g a u hat an die Linie Winterthur-Zofingen beigetragen durch Zeichnung einer Griindungsaktie von Fr. 1000.

Die G e m e i n d e W i n t e r t h u r figuriert bei dem Unternehmen mit einer Beteiligung an Aktien, Obligationen und Garantieverpflichtungen von Fr. 8,026,000 Die G e m e i n d e Z o f i n g e n mit . . . .

,, 4,120,000 ,, ,, B a d e n mit ,, 2,028,000 ,, ,, Lenzburg ,, 2,028,000 Von P r i v a t e n wurden gezeichnet . . . ,, -757,000 Für das Anleihen von 9 Millionen der Westsektion mußte den Darleihern Garantie geleistet werden. Diese Garantieverpflichtung wurde von der politischen Gemeinde Winterthur und den Einwohuergemeinden Baden, Lenzburg und Zofingen beschlossen im August und September 1874, und gleichzeitig repartierten sie unter sich für den Fall, daß sie in die Lage kommen sollten, Zahlung leisten zu müssen, die Einstandspflicht folgendermaßen : Winterthur . . . . sieben Achtzehnteile, Zofingen fünf ,, Baden drei ,, Lenzburg drei ,, Die Garantieverpflichtung wurde in den aargauischen Gemeinden nicht ohne Opposition beschlossen, so in Lenzburg mit 135 gegen 108 Stimmen, in Baden mit 203 gegen 161 Stimmen und in Zofingen mit 389 gegen 32 Stimmen.

Von den Minderheiten wurde in allen drei Gemeinden gegen die Garantie besohl üsse Rekurs an die Oberbehörde ergriffen, jedoch erfolglos, indem die Rekurse von Baden, Lenzburg und Zofingen von der Direktion des Innern erst- und vom Regierungsrat oberinstanzlich abgewiesen wurden.

Von diesem 9 Millionen-Anleihen erwarb bei dessen Emission die Gemeinde Winterthur Obligationen im Betrage von Fr. 2,700,000 und die Ortsbürgergemeinde Zofingen solche im Betrage von Fr. 1,650,000. Später hat Winterthur seinen Obligationenbesitz vermehrt bis auf die Summe von Fr. 3,487,500, entsprechend der ihm vom 9 Millionen-Anleihen auffallenden Garantiequote, dann aber die Obligationen dem Biseubahndepartement zur Annullierung vorgelegt, welche Annullierung laut Erklärung des Pfandbuch-

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führers des schweizerischen Eisenbahndepartements vom 1. Juni 1881 wirklich erfolgt ist. Damit hatte die Gemeinde Winterthur ihren Anteil an dem 9 Millionen-Anleihen, das infolge der eingetretenen Zwangsliquidation der Nationalbahngesellschaft für die vier Gemeinden aus einer bloßen Garantie zur wirklichen Schuld geworden war, getilgt. Die Ortsbürgergemeinde Zofingen dagegen verkaufte im Laufe des Jahres 1880 ihre Obligationen, und zwar unter dem Emissionskurse.

Die Zwangsliquidation der Nationalbahn ist im Frühjahr 1878 verfügt und im März 1881 beendigt worden.

In dieser Liquidation wurde von dem Obligationenkapital des 9 Millionen-Anleihens, das nach Abzug von Fr. 32,500 kassierten Titeln und der im Besitze Winterthurs gewesenen annullierten Obligationen noch betrug Fr. 5,480,139 gedeckt ,,8,2 °/o oder ,, 449,371 Blieben ungedeckt Fr. 5,030,768 eine Summe, welche laut der zwischen den Gemeinden bestehenden Übereinkunft von Baden, Lenzburg und Zofingen zu verzinsen und auf den Verfallstag zu bezahlen war, für welche Winterthur aber solidarisch mithaftete.

II.

Für ihre Zinsenansprüche belangten nun die Obligationsgläubiger ausschließlich die Gemeinde Winterlhur, so daß dieser an die Gemeinden Baden, Lenzburg und Zoflngen Ende 1881 ein Guthaben von zirka Fr. 525,000 zustund. Diese drei Gemeinden hätten daher für das von ihnen übernommene Kapital samt Zinsen bis 1. Mai 1884 den Betrag von Fr. 6,310,236 zu leisten gehabt.

Sie erklärten rundweg, die Mittel dazu nicht zu besitzen, und es kam bis zur Konkursandrohung an dieselben. Lauge und weitläufige Verhandlungen zwischen den beteiligten Gemeinden und unter Mitwirkung der Kantonsregierungen von Zürich und Aargau blieben erfolglos. Schließlich rief die Regierung von Zürich im Januar 1883 die Bundesintervention an. Sie verlangte, daß der Bundesrat eine die wirklichen Verhältnisse klarstellende Untersuchung der Finanzzustände der aargauischen Garantiestädte vornehmen lasse zum Zwecke der Prüfung der Frage, inwieweit dieselben sich in der Möglichkeit befinden, die von ihnen vertraglich übernommenen Schuldquoten zu tilgen. Mit Zustimmung der Regierung von Aargau entsprach der Bundesrat diesem Begehren.

Die von ihm bestellte Expertenkommission gelangte in ihrem vom 15. Oktober 1883 datierten Berichte zu folgenden S c h l u ß folgerungen:

781 1. In bezug auf die Zahlungspflicht.

a. Die noch ausstehende Nationalbahnschuld betrage von .

nebst den verfallenen Coupons auf 1. Mai 1883 zusammen betragend

im GesamtFr. 5,030,760 ,, 1,028,040 Fr. 6,058,800

sind rechtlich die Einwohnergemeinden Baden, Lenzburg und Zofingen allein zu bezahlen schuldig, und zwar in folgendem Verhältnis : Baden Fr. 1,652,400 Lenzburg ,, 1,652,400 Zofingen ,, 2,754,000 b. Die Gemeinde Winterthur hat ihre Schuldverbindlichkeit abgelöst und ist berechtigt, die eingelösten Coupons im Betrage von Fr. 525,000 von den aargauischen Gemeinden zurückzufordern.

c. Die Ortsbürgergemeinden Baden, Lenzburg und Zofingen sind rechtlich nicht verpflichtet, an der Garantieschuld mitzutragen.

d. Den Kantonen Zürich und Aargau liegt rechtlich auch keine Zahlungspflicht ob.

2. In bezug auf Leistungsfähigkeit.

Die Eimvohnergemeinden Baden, Lenzburg und Zofingen besitzen kein oder nur ein so geringfügiges, zur Schuldentilgung verwendbares Vermögen, daß im Falle .der Durchführung des Geltstages, resp. der gerichtlichen Liquidation, die Forderungen der Nationalbahnobligationäre fast ganz verloren gehen würden.

Ähnlich verhält es sich bei der Gemeinde Winterthur. Dieselbe besitzt Vermögen, solches ist aber so überschuldet, daß im Falle des Konkurses die Forderungen der Nationalbahnobligationäre ganz oder größtenteils verloren gehen müßten.

Die Leistungsfähigkeit der Garantiegemeinden beruht daher lediglich auf ihrer S t e u e r k r a f t .

Nun würde die Verzinsung der den aargauischen Gemeinden obliegenden Garantieschuld, betragend mit Coupons auf 1. Mai 1883 Fr. 6.058,800 zu 5 °/o jährlich eine Summe erfordern von . . ,, 302,940 oder da eine ganze Steuer in den drei Gemeinden rund Fr. 75,000 abwirft, vier ganze Steuern ; mit den 4Vz Steuern, die sie gegenwärtig beziehen, würde die Gesamtsteuerlast ansteigen auf 81ls Steuern. D e n B e z u g e i n e r s o l c h e n S t e u e r a u f d i e Dauer halten die Experten für unmöglich.

782 Aus eigener Kraft sind daher die aargauischen Einwohnergemeinden ihre Verbindlichkeiten aus der Nationalbahngarantie zu erfüllen nicht im stände, sondern es m u ß ihnen geholfen werden.

Es k a n n ihnen geholfen werden, wenn : 1. Winterthur von der aargauischen Schuld, in Abweichung von der Verteilung im Garantievertrag, eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Quote übernimmt; 2. die aargauischen Ortsbürgergemeinden den Einwohnergemeinden die ihrem Vermögen angemessenen Beiträge leisten; 3. die Kantone sich in einem ihrem Interesse an der Aufrechthaltung der bedrohten-Gemeinden, ihrem Mitverschulden an der Kalamität und ihrem Vermögen entsprechenden Maße beteiligen.

Auf dieser Grundlage wäre es möglich, die schwebende Angelegenheit einer ehrenhaften Lösung entgegenzuführen. D i e s e Grundlage ist denn auch bereits von allen direkt und indirekt Beteiligten anerkannt worden bei Anl a ß d e r K o n v e r s i o n s b e s t r e b u n g e n v o n 1882, namentlich in dem damaligen Vertrage zwischen den Garantiegemeinden.

Wird an dieser Grundlage festgehalten uad dieselbe auf die jetzigen Verhältnisse angewendet, so ergibt sieh folgendes: Das Konversionsprqjekt fixierte die von den aargauischen Einwohnergemeinden an die Nationalbahnobligationäre zu bezahlende Summe auf Fr. 5,030,760 dazu kam die Couponsforderung von Winterthur, dannzumal beziffert auf .

,, 510,000 Zusammen Fr. 5,540,760 Die aargauischen Einwohnergemeinden proponierten den Obligationären Konversion ihrer 5 0/o-0bligationen in 3 °/o vom Staate Aargau garantierte, im Jahre 1945 rückzahlbare neue Obligationen oder aber Barzahlung mit 662/s %. .Beide Offerten sind als gleichwertig zu betrachten. Es hätten demnach die aargauischen Gemeinden zu bezahlen übernommen 2/s von Fr. 5,030,760 oder Fr. 3,353,840 Daran hatte Winterthur beizutragen sich verpflichtet ,, 230,000 Blieb wirkliche Leistung der aargauischen Gemeinden Fr. 3,123,840 Winterthur hätte geleistet: Den soeben genannten Beitrag von Fr. 230,000 Durch Verzicht auf die Rückzahlung der eingelösten Coupons . . . . : , .

.,, 510,000 Zusammen Fr. 740,000

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Heute, auf dem Boden der Vollzahlung, hat man es mit folgender Schuldenmasse zu tun : Ausstehendes Obligationskapital Fr. 5,030,760 Forderung von Winterthur ,, 525,000 Coupons pro 1. Mai 1882 und 1883 . . . . ,, 503,040 Zusammen Fr. 6,058,800 Es haben sich im Jahr 1882 zu Leistungen verpflichtet : Die aargauischen Gemeinden zu . Fr. 3,123,840 Winterthur zu ,, 740,000 ,, 3,863,840 Es bleiben zu decken übrig Fr. 2,194,960 Davon würden unter Beibehaltung des beim Konversionsprojekt zur Anwendung gekommenen Verteilungsmodus entfallen: Auf die aargauischen Gemeinden 81 °/o oder . . Fr. 1,777,920 ,, Winterthur 19 °/o ,, 417,040 Summa Fr. 2,194,960 Die Gesamtleistungen würden sieh demnach beziffern: Für die aargauischen Gemeinden : Im 1882er Projekt übernommen Fr. 3,123,840 Neu übernommen ,, 1.777,920 Fr.

4,901,760 0 Für Winterthur: 1882 übernommen Fr. 740,000 Neu übernommen ,, 417,040 ,, 1,157,040 Fr. 6,058,800 Hieraus würde sich ergeben: 1. Für die a a r g a u i s c h e n G e m e i n d e n : Die Gesamtleistung beträgt Fr. 4,901,760 Die Ortsbürgergemeinden haben zugesichert . . ,, 2,590,000 Bleiben Fr. 2,311,760 Der jährliehe Zios zu 5 °/o Die Regierung von Aargau hat 1882 einen jährlichen Beitrag zugesichert von würden den Gemeinden verbleiben entsprechend ungefähr einer ! 2 /io Steuer.

Fr.

r

Fr.

115,580 25,000 90,580

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Diese Mehrsteuer aufzubringen wäre den Gemeinden möglich, allerdings unter empfindlicher Belastung. Diese könnte gemildert werden durch eine Mehrleistung des Staates Aargau. Sein Interesse und seine moralische Pflicht legen ihm eine solche Mehrleistung nahe; er würde sogar, im Verhältnis zu dem, was der Kanton Zürich und die Gemeinden geleistet und zugesichert haben, und angesichts seiner Finanzlage, nicht zu viel tun, wenn er die ganze, den aargauischen Einwohnergemeinden auffallende Quote übernähme.

2. Für W i n t e r t h u r würde die Übernahme von Fr. l,157,040 eine jährliche Leistung von Fr. 57,850 bedingen, eine Mehrleistung, die möglich ist, namentlich wenn der Staat durch Änderung seiner Gesetzgebung die Gemeinde Winterthur in die Möglichkeit setzt, eine Einkommensteuer beziehen zu können. Zudem hat auch der Staat, wie wir bereits gesehen, ein Interesse und die moralische Pflicht, der Gemeinde Winterthur unter die Arme zu greifen, wenn es ihre Verhältnisse nicht erlauben sollten, Mehrleistungen zu übernehmen.

Bei vorstehenden Berechnungen und Verteilung der Garantieschuld auf die Gemeinden sind die Experten von dem jetzigen Zinsfuß des Nationalbahnanleihens von 5 °/o ausgegangen. Es kann aber mit ziemlicher Sicherheit angenommen werden, daß, wenn die Kantone Zürich und Aargau mit ihrem Kredite einstehen würden, das für die Rückzahlung erforderliche Kapital zu einem niedrigem Zinsfuße, wahrscheinlich zu 4 °/o, erhältlich wäre.

Durch eine solche Zinsersparnis würden dann die für Amortisierung der Schuld nötigen Mittel geschaffen, indem mit einer dem jetzigen Zinsfuß von 5 °/o entsprechenden jährliehen Leistung die Schuld während eines gewissen, nicht allzulaugen Zeitraumes nicht nur verzinst, sondern auch zurückbezahlt werden könnte.

Was schließlich die B u n d e s h ü l f e anbetrifft, so sind, falls solche von den Beteiligten bei der Nationalbahnschuld förmlich angerufen und von den Bundesbehörden in ernstliche Erwägung gezogen werden sollte, die Experten der Ansicht, es sei dieselbe nicht etwa mittelst Subventionen, resp. Übernahme eines Teiles der Schuld durch den Bund zu gewähren, sondern es sei die Hülfe in der Form eines Darlehens in Aussicht zu nehmen. Das Darlehen dürfte nach der unmaßgeblichen Ansicht der Experten mindestens eine Million betragen, mit Annuitäten von 4 °/o,
wovon 3 % als Zins berechnet und l % zu Amortisation verwendet würden. Das Darlehen wäre den Kantonen zu machen, die sich dem Bunde gegenüber für Erfüllung der noch bestehenden Verbindlichkeiten der Gemeinden aus der Garantie für das 9 Millionen-Anleihen der Nationalbahn haftbar zu erklären hätten.

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Mit Botschaft vom 23. November 1883 unterbreitete der Bundesrat den eidgenössischen Räten folgenden Entwurf zu einem Bundesbeschluß betreffend Darleihen an die Kantone Zürich und Aargau: Art. 1. Der Bundesrat wird ermächtigt, behufs Liquidation des auf 1. Mai 1884 zu Fr. 6,310,236 berechneten Restes der Nationalbahnschuld der politischen Gemeinde Winterthur und der Einwohnergemeinden Baden, Lenzburg und Zofingen den Kantonen Zürich und Aargau auf deren Begehren und unter den in Art. 2 und 3 dieses Beschlusses enthaltenen Bestimmungen Darleihen bis zu einem Gesamtbetrage von Fr. 2,400,000 zu machen, für welche Summe dem Bundesrate ein Kredit auf die Bundeskasse eröffnet wird.

In obiger Summe von Fr. 6,310.236 ist die pro 1. Mai 1884 auf Fr. 525,000 berechnete Regreßforderung der politischen Gemeinde Winterthur an die Einwohnergemeinden Baden, Lenzburg und Zofingen mitbegriffen.

Art. 2. Die Darleihen werden an folgende Bedingungen geknüpft: a. Die Gemeinde Winterthur verzichtet, in Aufrechthaltung ihres unterin 4. Juni 1882 und 19. August 1883 gemachten Anerbietens, auf die Regreßforderung, welche sie durch Einlösung von Coupons der gemeinsamen Obligationsschuld, über ihren Anteil hinaus, gegen die aargauischen Garantiegemeinden erworben hat, und bezahlt außerdem noch auf 1. Mai 1884 Fr. 230,000, mit Verzicht auf Rückvergütung.

b. Der Kanton Aargau verpflichtet sich, ebenfalls unter Ver zieht auf Rückvergütung, zu einer Leistung, welche, auf den 1. Mai 1884 berechnet, einem Kapitalwert von Fr. 550.000 entspricht.

c. Die Ortsbürgergemeinden Baden, Lenzburg und Zofingen leisten, in Erneuerung ihrer anläßlieh der Verhandlungen vom Jahr 1882 gemachten Offerten, an die Bezahlung der Gesamtschuld auf 1. Mai 1884 die Summe von Fr. 2,590,000, woran sich die Ortsbürgergemeinden Baden und Lenzburg mit je 580,000 Franken und Zofingen mit Fr. 1,430,000 zu beteiligen haben.

d. Die nach Abzug der in Art. 2, lit. a, b und c bezeichneten Leistungen zur Bezahlung der Gesamtschuld noch weiter nötige Summe von Fr. 2,415,236 ist von der politischen Ge-

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meiade Winterthur und den Einwohnergemeinden Badeu, Lenzburg und Zofingen aufzubringen.

Können sich dieselben über das Maß ihrer Beteiligung nicht verständigen, so haben sie den Entscheid des Bundesrates anzuerkennen.

e. Der Bundesrat bestimmt, auf Grundlage des gemäß lit. d festgestellten Verhältnisses, wie die Gesamtanleihenssumme auf die Kantone Zürich und Aargau als Schuldner zu verteilen sei.

f. Die Liquidation wird dem Regierungsrate des Kantons Aargau übertragen.

g. Die Kantone Zürich und Aargau -haben sich bis zum 1. März 1884 darüber auszuweisen, daß vorstehende Bedingungen erfüllt seien oder deren Erfüllung gesichert sei.

Art. 3. Behufs Verzinsung und Amortisation dieses Bundesanleihens haben die schuldnerischen Kantone Annuitäten von 3 Va °/o zu entrichten, von welchen 2'/2 °/o als Zins und l % als Amortisationsquote berechnet werden.

Die nähern Modalitäten des Anleihens bestimmt der Bundesrat.

Aus der Botschaft des Bundesrates zu diesem Beschlussesentwurfe geben wir folgende Stellen wieder: ,,Wir stellen uns auf den Standpunkt der vollen Befriedigung der Gläubiger. Von weiteren Versuchen zu einem Akkommodement ist bei den Obligationären kein besserer Erfolg zu erwarten als im Jahre 1882. Es fehlt zudem heute, da Winterthur und die aargauischen Gemeinden an der Schwelle des Konkurses stehen -- der nur durch ausnahmsweise Maßregeln so lange hat hinausgeschoben werden können -- an der nötigen Zeit zu neuen Verhandlungen. Abgesehen hiervon würde es mit der Würde und der Ehre der Eidgenossenschaft unverträglich sein, zu einem Akkommodetnent in irgend welcher Weise ihre Mitwirkung eintreten zu lassen.

,,Wie wir oben gezeigt haben, beträgt die Gesamtschuld auf 1. Mai 1884 Fr. 6,310,236 Nämlich : Obligationenkapital Fr. 5,030,640 Dazu Zinse zu 5 °/o pro 1882, 1883 und 1884, d. h. je Fr. 251,532 ,, 754,596 Forderung von Winterthur ,, 525,000 Summa gleich oben Fr. 6,310,236

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Hiervon hätten zum voraus zu Winterthur: Verzicht auf seine Forderung Dasselbe: 1882 zugesichert . . .

Aargauische Bürgergemeinden : 1882 zugesichert Kanton Aargau: 1882 in Aussicht gestellt, kapitalisiert rund . .

Zusammen

Übertrag Fr. 6,310,236 leisten: Fr.

,,

525,000 230.000

,, 2,590,000 ,,

550,000 ,,

3,895,000

Danach wären noch zu decken Fr. 2,415,236 ,,Diese Summe hätten die drei aargauisehen Einwohoergemeinden Baden, Lenzburg und Zofingen und Winterthur gemeinsam zu übernehmen, und einer spätem Verständigung unter denselben würde vorbehalten bleiben, das Maß ihrer Beteiligung festzusetzen. Sollten sie sich darüber nicht verständigen können, so würde der Bundesrat entscheiden und sie müßten sich, sofern auf ein Bundesanleihen Anspruch gemacht wird, seinem endgültigen Entscheide unterwerfen.

,,Die Übernahme dieser Schuld durch die betreffenden Einwohnergemeinden ist nun aber überhaupt nur dann möglich, wenn der Bund helfend eintritt durch Hinleihung einer ungefähr gleich großen Summe zu bedeutend reduziertem Zinsfuße und mit einer langen Amortisationsfrist. Denn die drei aargauisehen Einwohnergemeinden haben kein Vermögen und dasjenige von Winterthur ist anderweitig so sehr in Anspruch genommen, daß die ganze Summe auf dem Steuerwege verzinst und zurückbezahlt werden muß. Alle vier Garantiegemeiaden sind aber mit Steuern jetzt schon überlastet, nur noch eine geringe Steigerung derselben ist möglich, und die Ersparnisse, die nach Andeutung der Experten in einzelnen Gebieten des Gemeindehaushaltes der aargauisehen Städte noch gemacht werden können, sind so unbedeutend, daß sie kaum in Betracht fallen; bei Wiaterthur vollends kann absolut von Ersparnissen auf diesem Gebiete nicht mehr die Rede seia. Den erforderlichen Kredit, um anderswo ein Anleihen zu erheben, haben die Gemeinden nicht, und die beiden Kantone wären einesteils wegen ihrer konstitutionellen Verhältnisse, andernteils mit Rücksieht auf ihre vielfachen anderweitigen Verpflichtungen nicht gleich dem Bunde in der Lage, denselben zu einem solchen zu verhelfen.

,,Wenn dagegen ein Darleihen im ungefähren Betrage der Schuldsumme, also von Fr. 2,400,000, mit Annuitäten von 3 Va °/o,

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wovon 2 Va °/o als Zins und \ °/o zur Amortisation verrechnet werden, zur Disposition gestellt wird, so sollte es den Gemeinden möglich sein, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Die jährliche Leistung würde sich dann während 50 Jahren auf Fr. 84,000 beziffern, und es kann sich nur noch darum handeln, dieselbe so unter die einzelnen Gemeinden zu verteilen, daß jede derselben im stände ist, die ihr zufallende Quote aufzubringen.

,,Es ist nachgewiesen, daß es den vertragsrechtlich allein Zahlungspflichtigen aargauischen Einwohnergemeinden nicht möglich ist, ihrer aus dem 9 Millionen-Anleihen herrührenden Verbindlichkeit vollständig nachzukommen, und daß dies selbst dann nicht möglich ist, wenn die übrigen mehr oder weniger direkt Beteiligten, die Gemeinde Winterlhur, die aargauischen Bürgergemeinden, die Kantone Zürich und Aargau, sich zu namhaften Opfern bereit erklären. Nun drängt sich uns die schon wiederholt angedeutete Frage auf, ob nicht auch der Bund ein Interesse habe, den Konkurs der vier beteiligten Gemeinden womöglich zu verhindern und denselben zu diesem Behufe seine Hülfe angedeihen zu lassen. Unsere Antwort kann nicht zweifelhaft sein.

Weit e n t f e r n t , für den Bund irgend eine rechtliche oder auch nur mo rausche Ve r p f l i c h t u n g zu einem Z a h l u n g s bei t r a g e a n z u e r k e n u en , halten wir doch dafür, daß die Art und Weise, wie die Angelegenheit ihre endgültige Erledigung finden wird, die Interessen des gesamten Landes in hohem Maße berührt und daß der Eintritt des Konkurses der vier einst so blühenden Städte von tiefgreifender, folgenschwerer Bedeutung für den Kredit, die Ehre und die Wohlfahrt nicht nur der Gemeinden selbst und der Kantone, sondern des ganzen Landes wäre. In diesem Sinne besteht daher in vorliegender Frage allerdings ein bedeutendes gemeinschweizerisches Interesse und was wir diesfalls mit bezug auf die betreffenden Kantone gesagt haben, gilt zum großen Teile auch für die gesamte Eidgenossenschaft.

,,Zu diesem Zwecke müssen jedoch die Darleihen in einer Größe und in einer Form bewilligt werden, daß es den Gemeinden möglich wird, die ihnen neuerdings zugemuteten Verpflichtungen zu erfüllen; denn halbe Hülfe ist gleichbedeutend mit Verweigerung jeder Hülfe.

^Hierfür genügt nun aber ein Gesamtdarleihen von einer Million Franken, mit Annuitäten
von 4 °/o, wie es die Experten ,,mindesteos"1 in Aussicht nehmen, nicht, und wir glauben, Ihnen ein solches im Maximalbetrage von Fr. 2,400,000 mit Annuitäten von 3 l k °/o, wovon 2^2 % als Zins berechnet und i °.'o zur Amorti-

789 sation verwendet werden, vorschlagen zu sollen. Diese Summe würde dann ungefähr denjenigen Leistungen entsprechen, welche die vier schuldnerischen Einwohnergemeinden noch zu übernehmen haben. In 51 Jahren wäre auf diese Weise das Anleihen getilgt.

Mit andern Worten: die Schuldner hätten jährlich 3 x /2 °/o des Kapitals zu entrichten und würden dadurch in 51 Jahren nicht nur die jährlichen Zinse, sondern auch die Hauptschuld abtragen.

Zu dem, daß der Bund gegenüber dem gewöhnlichen Zinsfuß von 4 °/o auf der Annuität jährlich 1ln °/o des Kapitals (jährlich Fr. 12,000) verliert, büßt er nach 51 Jahren auch noch das Kapital ein. Die Opfer, welche heute nötig sind, um diese beiden in der Zukunft eintretenden Verluste auszugleichen, sind aber viel geringer. Wenn heute eine Summe von Fr. 324,719 zu 4 °/o auf Zinseszins angelegt wird, so steigt sie in 51 Jahren auf den Maximalbetrag des Anleihen«, nämlich auf Fr. 2,400,000, und eine zweite Summe von Fr. 259,400 reicht mit ihren Zinsen aus, um während der ganzen Dauer des Anleihens jährlich den Zinsverlust von Fr. 12,000 zu decken. In Wirklichkeit beträgt also der Verlust des Bundes bei den beantragten Anleihensbedingungen, gegenüber einem 4 °/oigen nach 51 Jahren rückzahlbaren Anleihen, nicht mehr als die beiden genannten Summen oder zusammen rund Fr. 600,000.

,,Dieses Opfer halten wir für gerechtfertigt, wenn durch dasselbe ein Landesunglück verhütet werden kann. Dem Bunde stehen die zur Ausrichtung des Darleihens erforderlichen Mittel zu Gebote, ohne daß er genötigt wäre, sieh dieselben auf anderem Wege, z. B. durch ein Anleihen, zu verschaffen. Als Darleihensschuldner sollen, in dem eventuell durch den Bundesrat zu bestimmenden Verhältnisse der abschließenden Leistungen der Gemeinden, die Kantone Zürich und Aargau haften.

,,Bei schweren Heimsuchungen haben sich die Eidgenossen zu allen Zeiten bundesbriiderliche Hülfe geleistet. Niemand wird verkennen, daß eine solche Heimsuchung nun über Winterthur und die aargauischen Garantiestädte gekommen ist. Deshalb mag auch ihnen die Hülfe des Bundes zu teil werden.tt IV.

Der Nationalrat behandelte diese Vorlage im Dezember 1883.

Seine vorberatende Kommission teilte sich in Mehrheit und Minderheit. Die Erstere beantragte Gutheißung der Vorlage des Bundesrates mit der Abänderung in Art. 3, daß die Annuitäten von 3 Va °/o auf 4 °/o zu erhöhen und davon 3 °/o (statt 2 Va °/o) als Zins und l °/o als Amortisation berechnet werden.

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Im weitern beantragte die Kommissionsmehrheit folgenden Zusatz zur bundesrätlichen Vorlage: Art. 4. Sollten die Kantone Zürich und Aargau bis zum 1. März 1884 den in Art. 2, lit. g dieses Beschlusses verlangten Ausweis nicht leisten, so hat der Bundesrat unverzüglich die Bundesversammlung einzuberufen und derselben über die zu treffenden weitern Maßnahmen Bericht und Antrag vorzulegen.

Die Minderheit der Kommission stellte dagegen folgenden Antrag au den National rat: Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Kenntnisnahme von einer Botschaft des Bundesrates betreffend die Nationalbahngarantieschuld vom 23. November 1883 und eines Vorschlages desselben zu einem Bundesbeschlusse betreffend Darleihen an die Kantone Zürich und Aargau, in Erwägung folgender Verhältnisse: 1. Die politische Gemeinde Winterthur hat den ihr anfänglieh überbundenen Anteil an der Grarantieschuld der Nationalbahn vollständig bezahlt, dagegen haben die Einwohnergemeinden Baden, Lenzburg und Zofingen an ihre Schuldanteile weder in Kapital noch in Zinsen irgendwelche Leistungen gemacht. Die noch ausstehende Nationalbahnschuld beträgt auf 1. Mai 1884 Fr. 6,310,236, deren Bezahlung nach obigem rechtlich den vorbenannten drei aargauischen Einwohnergemeinden obliegt, mit solidarischer Haftbarkeit der Gemeinde Winterthur.

2. Das verfügbare Vermögen der schuldnerischen Gemeinden reicht für die Schuldentilgung nicht hin, so daß dieselben, um ihrer Obliegenheit nachzukommen, das Erforderliche auf dem Wege der Steuererhebung beizubringen hätten. Die Prüfung der gegenwärtigen Steuerbelastung der aargauischen Garantiegemeinden und deren Vergleichung mit der Steuerbelastung der Gemeinden anderer Kantone rechtfertigt die Annahme, daß dieselben bei allseitig gutem Willen und bei vermehrter Anstrengung aller Kräfte im Stande wären, ihren Verpflichtungen wenigstens zum Teil nachzukommen.

3. Die Vollzahlung der restierenden Garantieschuld der aargauischen Gemeinden könnte jedenfalls dann zur Tatsache werden, wenn die dortigen Bilrgergemeinden die anläßlich der Verhandlungen vom Jahre 1882 gemachten Anerbietungen im Gesamt-

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werte von Fr. 2,590,000, ebenso die Gemeinde Winterthur die damaligen Versprechungen einer Mitbeteiligung bis auf Fr. 755,000 neuerdings bestätigen und sodann der Staat Aargau für den Mehrbedarf eintreten würde, soweit dieser nicht durch Steuererträgnisse der schuldnerischen Einwohnergemeinden gedeckt werden kann. Die restanzliche Schuldübernahme ab Seite des Kantons Aargau rechtfertigt sich mit Hinsicht auf das naheliegende Interesse, welches der Kanton am ehrenhaften Portbestande der drei Gemeinden hat, auf die Tatsache, 'daß die Regierung des Kantons Aargau durch ihre Mitwirkung zu den verhängnisvollen Garantiebeschlüssen der Gemeinden, wenn auch nicht rechtlich, so doch moralisch, mitverpflichtet worden ist, und endlich durch den Umstand, daß die StaBtsfinanzen des Kantons sich in einem vergleichsweise günstigen Verhältnisse befinden.

4. Die Tilgung der National bahnschuld in der angegebenen Weise ist diejenige, welche allen gerechten und billigen Erwartungen entspricht. Daß die Beseitigung des Konfliktes stattfinde, liegt auch in hohem Interesse des Bundes, des Hüters der Landesehre. Daher fordert der Bund die Kantone Aargau und Zürich auf, daß dieselben binnen einer vom Bundesrate zu bestimmenden Frist für die Befriedigung der Gläubiger des Garantieanleihens sorgen.

5. Bis zur Entscheidung darüber, ob die gewünschte Regulierung des Geschäftes erfolgen wird, ist der Bund nicht in der Lage, über eine materielle Beihülfe eine Entschließung zu fassen ; beschließt: 1. Auf den bundesrätlichen Beschlussesentwurf wird im Sinne der Motive nicht eingetreten.

2. Der Bundesrat wird eingeladen, auf den Fall, daß seitens der Kantone und der Gemeinden die Erledigung der Angelegenheit binnen gegebener Frist nicht erfolgt, der Bundesversammlung, nötigenfalls in einer außerordentlichen Session, neuerliche Berichte und Anträge vorzulegen.

In der Diskussion im Nationalrate wurde von den"prinzipiellen Gegnern der bundesrätlichen Vorlage geltend gemacht, es liege ein Grund zu einem Eingreifen des Bundes im Sinne einer materiellen Hülfeleistung zur Zeit nicht vor, weil eine solche von den Beteiligten gar nicht verlangt und die Intervention des Bundesrates von der Regierung des Kantons Zürich nur behufs Einsicht und Feststellung der Finanzlage der aargauischen Garantiestädte begehrt worden sei. Man wisse gar nicht, ob diese das

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ihnen vom Bundesrate in Aussicht gestellte Anleihen wünschen oder nicht, daß sie ihre Schuld Überhaupt bezahlen wollen, und wenn ja, ob sie dies ohne Hülfe nicht können. Es dürfte deshalb vorerst ein ernster Appell an die Beteiligten, ihrer Pflicht nachzukommen, genügen, zumal es Kantonen und Gemeinden möglich sei, von sich aus die Tilgung der Schuld vorzunehmen, wenn sie nur ernstlich wollen.

Neben den Anträgen der Mehrheit und der Minderheit der Kommission wurde aus der Mitte des Rates ein Antrag auf Verabfolgung eines Darleihens à fonds perdus an die Garantiestädte zum Zwecke der Abfindung mit den Gläubigern in der Meinung gestellt, daß das Geschenk dahinfalle, wenn mit dessen Hülfe eine Abfindung nicht zu stände komme. Im weitern wurde folgender zwischen den Anträgen der Mehrheit und der Minderheit vermittelnder Antrag gestellt : 1. Der Kanton Aargau ist pflichtig, dafür besorgt zu sein, daß die Gemeinden Baden, Lenzburg und Zofingen ihre Verpflichtungen in betreff des Nationalbahn-Anleihens sowohl gegenüber der Gemeinde Winterthur, als gegenüber den Obligationsgläubigern bis zum 1. März 1884 erfüllen.

2. Sollte bis zu diesem Zeitpunkte weder die Erfüllung der fraglichen Verpflichtungen, noch eine Verständigung mit der Gemeinde Winterthur und den Obligationsgläubigern erfolgt sein, so ist der Kanton Aargau als solcher unter Vorbehalt seines Rückgriffes gegen die Gemeinden Baden, Lenzburg und Zofingen zur Übernahme der noch ausstehenden Schuld verhalten.

3. Falls der Kanton Aargau zum Behufe der Erleichterung der ihm auffallenden Liquidation der rückständigen Nationalbahnschuld sich bis zum 1. März 1884 beim Bundesrate um ein Bundesanleihen bewerben sollte, ist der letztere angewiesen, sachbezügliche Anträge der Bundesversammlung vorzulegen.

Die aargauische Deputation im Nationalrate endlich beantragte : 1. Änderung von Art. l der bundesrätlichen Vorlage in der Weise, daß das Bundesanleihen von Fr. 2,400,000 den Kantonen Zürich und Aargau je zur Hälfte im Betrage von je Fr. 1,200,000 gemacht werde.

2. Ersetzung der lit. b und c von Art. 2 durch folgende Bestimmung : Der Kanton Aargau und die Ortsbürgergemeinden Baden, Lenzburg und Zofingen leisten, in Erneuerung ihrer anläßlich der

793 Verhandlungen vom Jahre 1882 gemachten Offerten, an die Bezahlung der Gesamtschuld auf 1. Mai 1884 die Summe von zusammen Fr. 3,140,000.

3. Fassung von lit. d des Art. 2 wie folgt: Die nach Abzug der in Art. 2, lit. « und fr, bezeichneten Leistungen zu Bezahlung: der Gesamtschuld noch weiter nötige Summe von Fr. 2,415,236 ist zur Hälfte von Winterthur, zur andern Hälfte von den Einwohnergemeinden Baden, Lenzburg und Zofingen aufzubringen.

4. Streichung von lit. e des Art. 2 als Folge der Anträge 2 und 3.

5. Feststellung der von den schuldnerischen Kantonen zu entrichtenden Annuitäten auf 3 °/o, wovon 2 °/o als Zins und l °/o als Amortisationsquote.

Die unter Namensaufruf vorgenommene Abstimmung ergab bei 4 Enthaltungen 98 Stimmen für den Antrag der Kommissionsmehrheit -- Eintreten auf die Vorlage des Bundesrates -- und 32 für der Antrag der Kommissionsminderheit -- motiviertes Nichteintreten.

In der Einzelberatung wurde zunächst Art. 3 nach der Vorlage des Bundesrates -- 3 Va % Annuität, wovon 2Va °/o als Zins und l °/o als Amortisationsquote -- angenommen, Art. 4 des Antrages der Mehrheit der Kommission dagegen fallen gelassen.

Die Beratung des so vom Nationalrate in Hauptsache mit der Vorlage des Bundesrates übereinstimmend festgesetzten Bundesbeschlusses im Ständerate ergab nur eine Abweichung materieller Natur. Der Ständerat wollte noch die Möglichkeit eines Arrangements mit den Gläubigern schaffen, er strich deshalb in lit. d des Art. 2 die ausgesetzte Summe von Fr. 2,415,236 und gab diesem Litera einfach folgende Fassung: ,,ei. Die nach Abzug der in Art. 2, lit. a, b und c, bezeichneten Leistungen zur Befriedigung der Gläubiger noch weiter nötige Summe ist von der politischen Gemeinde Winterthur und den Einwohnergemeinden Baden, Lenzburg und Zofingen aufzubringen."

Der Nationalrat hielt zwar zunächst an seinem von Anfang an eingenommenen Standpunkte der Vollzahlung der Gläubiger fest, trat dann aber schließlich doch der ständerätlichen Schlußuahme bei.

Bundesblatt. 66. Jahrg. Bd. JH.

§3

794 V.

Über das Maß der Beteiligung der vier Gemeinden Winterthur, Baden, Lenzburg und Zofingen am Bundesdarleihen von Fr. 2,400,000 konnte eine Verständigung nicht herbeigeführt werden.

Der Bundesrat beschloß deshalb am 15. Januar 1884, es sei die fragliche Restsumme zu einem Dritteil (im Maximum Fr. 800,000) von der politischen Gemeinde Winterthur und zu zwei Dritteilen (Fr. 1,600,000) von den Einwohnergemeinden Baden, Lenzburg und Zofingen aufzubringen, und es werde das im Art. l des Bundesbeschlusses in Aussicht gestellte Darlehen den Kantonen Zürich und Aargau gleichfalls in dem eben erwähnten Verhältnisse zugeteilt.

Im weitern gestaltete sich der Vollzug des Bundesbeschlusses vom 21. Dezember 1883 wie folgt: Durch Dekret vom 8. Februar 1884 ermächtigte der Große Rat des Kantons Aargau die Regierung, die Leistung des letztern von Fr. 550,000 an die Nationalbahngarantieschuld zu machen, hierfür ein Anleihen aufzunehmen und dieses durch einen jährlichen Beitrag der Staatskasse von Fr. 25,000 zu verzinsen und zu amortisieren. Die den drei aargauischen Gemeinden vom Bundesanleihen von Fr. 2,400,000 zuzuscheidenden Fr. 1,600,000 wurden verteilt auf Baden Fr. 550,000 Lenzburg ,, 410,000 Zofingen ,, 640,000 ohue solidarische Verbindlichkeit. Durch besondere Beschlüsse im Februar 1884 sicherten die O r t s b ü r g e r g e m e i n d e n Baden, Lenzburg und Zofingen die ihnen obliegende Leistung von Franken 2,590,000 an die Gesamtschuld zu, nämlich Baden Fr. 580,000, Lenzburg Fr. 580,000 und Zofingen Fr. 1,430,000. Es waren damit die Bedingungen, an welche die Leistung des Bundesanleihens von Fr. 1,600,000 an die E i n w o h n e r g e m e i n d e n Baden, Lenzburg und Zofingen geknüpft war, erfüllt. Am Schlüsse des Schreibens vom 22. Februar 1884, womit der Aargauische Regierungsrat dem Bundesrate von diesen Tatsachen Mitteilung machte, spricht sich ersterer wie folgt aus: ,,Gestützt auf diesen Ausweis und unter der Voraussetzung, daß auch der Kanton Zürich sich über die Erfüllung der ihm auferlegten Verpflichtungen ausweisen wird, richten wir nun an Sie das Begehren, dem Kanton Aargau zu Händen der Einwohnergemeinden Baden, Lenzburg und Zofingen das in Aussicht gestellte Bundesdarleihen nach den Bestimmungen des Bundesbeschlusses ausrichten zu wollen."1

795 Mit Schlußnahme vom 19. Februar 1884 ermächtigte der Kantonsrat Zürich den Regierungsrat zur Annahme des Bundesdarleihens, von Fr. 800,000, verzinslieh und rückzahlbar durch 51 Annuitäten von Fr. 28,000. Dieses Anleihen wird der Stadtgemeinde Winterthur abgetreten, welche für die Dauer des Bundesdarleihens eine Annuität von Fr. 18,000, für Verzinsung und Amortisation an den Staat Zürich zu bezahlen hat. Letzterer übernahm also auf seine Rechnung eine Leistung von j ä h r l i c h Fr. 10,000.

Am 24. Februar 1884 erklärte sich die Versammlung der politischen Gemeinde Winterthur damit einverstanden und verzichtete einerseits auf ihr Guthaben von Fr. 230,000 gemäß Anerbieten von 1882 und 1883 und anderseits auf die Regreßforderung an die aargauischen Garantiegemeinden für Einlösung von Coupons der gemeinsamen Obligationenschula -- im Bundesbeschluß zu Fr. 525,000 berechnet, effektiv Fr. 560,703. 50, Wert 1. Mai 1884, betragend. Die Erwägungen zum bezüglichen Beschlüsse der Gemeindeversammlung Winterthur lauten : ,,1. daß sie es zwar als ein schweres Unrecht empfindet, von den Mitgaranteu für das Neunmillionenanleihen der Nationalbahn, den Städten Baden, Lenzburg und Zofingen, trotz der abgeschlossenen, in rechtsgültiger Form gefertigten Verträge im Stiche gelassen worden zu sein; 2. ddß sie, der Macht der Verhältnisse weichend, darauf verzichten muß, ihre Mitgaranten zum Vertrags- und bundesgetreuen Verhalten auf dem Wege des Rechts und der Verfassung zu zwingen ; 3. daß ihr bei aller Erkenntnis der schweren Situation, die ihr für die Zukunft geschaffen wird, doch nichts anderes übrig bleibt, als sich dem vorgeschlagenen Vergleich und dem Entscheid des Bundesrates vom 15. Januar 1884 zu fügen; 4. daß sie von dem Bewußtsein getragen ist, mit den schweren Opfern wenigstens die Genugtuung erkauft zu haben, sich selbst treu geblieben zu sein und die Ehre der Stadt makellos erhalten zu haben.a Der Regierungsrat des Kantons Zürich schließt seine Zuschrift vom 21. Februar 1884 an den Bundesrat, womit er letztern von den bezeichneten Beschlüssen des Kantonsrates und der politischen Gemeinde Winterthur in Kenntnis setzt, folgendermaßen: ,,Kraft dieses kantonsrätlichen Dekretes geben wir Ihnen anmit die Erklärung ab, daß wir dieses Buudesdarleihen von Fr. 800,000 namens des Kantons Zürich akzeptieren und uns für die pünktliche Verzinsung und Rückzahlung durch Annuitäten von Fr. 28,000 verpflichten.

796 ,,So schwer diese Fr. 800,000 mit allen übrigen, die eigenen Verbindlichkeiten Winterthurs übersteigenden Leistungen den zürcherischen Teil nunmehr belasten, so trösten wir uns doch wieder mit dem Gedanken, aus einem jahrelang andauernden peinlichen Zustand und in einer Weise erlöst worden zu sein, durch welche die Ehre der vier Garantiestädte, der zwei zunächst beteiligten Kantone und damit der ganzen Eidgenossenschaft gewahrt worden ist.tt Am 4. März 1884 erklärte der Bundesrat gestützt auf die ihm von den Regierungen der Kantone Zürich und Aargau gemachten Mitteilungen und die denselben beigelegten Aktenstücke die Darleihensbedingungen laut ßundesbeschluß vom 2l. Dezember 1883 als erfüllt, und ordnete das Nötige für die Ausrichtung der Darleihen an. Am Schlüsse seines bezüglichen Berichtes an die Bundesversammlung vom 7. März 1884 finden sich folgende Ausführungen : ,,Mit dem Gefühle vollster Genugtuung sieht sich der Bundesrat in der Lage, Ihnen andurch die Lösung des Konflikts anzuzeigen, welcher zwischen den Kantonen Zürich und Aargau ausgebrochen war. Die ungerechte Vermögensschädigung, welche die Stadt Winterthur bedrohte, ist vermieden, und der Kredit, sagen wir geradezu das Ansehen der Eidgenossenschaft, ist gewachsen in dieser Probe, aus welcher dasselbe ohne die Intervention des Bundes wohl nicht unbeeinträchtigt hervorgegangen wäre.

.,,Wenn es uns demnach zu lebhafter Befriedigung gereicht, Ihnen diese amtliche Mitteilung zu machen, so werden Sie Ihrerseits nicht weniger erfreut sein, dieselbe entgegennehmen zu können. Gewiß, wenn im Laufe der Debatten des letztverflossenen Dezembers in der Bundesversammlung sich abweichende Ansichten über die Form der Bundesintervention geltend gemacht haben, so herrschte doch, wir dürfen es sagen, darüber so viel wie Einstimmigkeit unter den Mitgliedern dieser Versammlung, daß die Dazwischenkunft der Eidgenossenschaft eine Notwendigkeit sei, nicht nur um den Kanton Zürich vor unverdientem Nachteil zu bewahren, sondern auch um von der Schweiz die Kreditschädigung abzuwenden, welche die unausweichliche Folge des Falliments von vier großen Gemeinwesen unseres Landes gewesen wäre.

,,Fast alle Anträge, welche im letzten Dezember im Schöße der Bundesversammlung vorgebracht wurden, stellten entweder geradezu auf die eidgenössische Intervention ab oder
sie behielten dieselbe vor. Ein Antrag, der, wie Sie sich erinnern, eine sehr große Stimmenzahl auf sich vereinigte, wollte sogar die Eidgenossenschaft schon jetzt als befugt erklären, gegenüber den Kantonen Zürich und Aargau den staatsrechtlichen Grundsatz auszusprechen,

797 daß die Falliterklärung ihrer Gemeinden von ihnen verhindert werden müsse und daß sie eventuell selbst für pflichtig erklärt werden, unter Vorbehalt des Rückgriffsrechts gegen ihre Gemeinden, die National bahngarantieschuld abzuführen.

,,Von dem nun beendigten Konfliktfalle sind wir überrascht worden, ohne eine genaue Wegleitung vor uns zu haben. Aber wir konnten hierin keine Rechtfertigung für ein gleichgültiges und reserviertes Verhalten erblicken, welches angesichts des von Züiich ausgegangenen Appells an das Gerechtigkeitsgefühl der Eidgenossen und angesichts der Kreditschmälerung, die unzweifelhaft alle unsere Gemeinden und alle unsere Kantone betroffen hätte, offenbar wenig patriotisch zu nennen gewesen wäre. Wir haben aber anderseits gezögert, an die Stelle mangelnder gesetzlicher Vorschriften vom öffentlichen Wohl diktierte Maßnahmen zu setzen und diesen doch niemals gefahrlosen Weg zu betreten, so lange noch auf eine durch andere Mittel herbeizuführende befriedigende Lösung zu hoffen war. Zwischen diesen beiden Endpunkten war die Vermittlung und finanzielle Unterstützung gelegen, die wir zur Beseitigung des Konfliktes beantragt und mit Ihrer Zustimmung ins Werk gesetzt haben.

,,Unsere Hoffnung ist nicht getäuscht worden. Die Worte, die im Schöße der Bundesversammlung gesprochen würden, haben ihren Wiederhall gefunden. Unser Mahnruf ist auch in denjenigen Kreisen gehört worden, welche sich bis dahin gegenüber den Folgen des drohenden Konkurses der Garantiestädte allzu zögernd verhalten hatten. Und zum Schlüsse haben alle ihre Pflicht getan.

,,Was die Eidgenossenschaft anbelangt, so wird sie niemals das kleine finanzielle Opfer zu bedauern haben, durch welches sie diese glückliche Lösung herbeizuführen im stände war, ohne von einer zweifelhaften Befugnis Gebrauch machen zu müssen. Es ist ihr heute noch, wie in ihren schönsten Tagen, vergönnt, zu sagen, daß sie den Kredit und die Ehre des Vaterlandes über alles setze und daß kein Kanton in die Lage komme, umsonst an das Rechtsgefühl seiner Bundesgenossen zu appellieren.a VI.

Für die ihnen geleisteten Darleihen, Kapital und Zinse, des Bundes stellte der Kanton Zürich für die Jahre 1885 bis und mit 1934 fünfzig auf den Namen lautende, je auf den 1. Mai verfallende, Obligationen von je Fi. 28.000 und für das Jahr 1935 restanzlich eine solche von Fr. 20,628. 32 aus, der Kanton Aargau für die Jahre 1885 bis und mit 1934 fünfzig Obligationen

798

von je Fr. 56,000 und pro 1935 restanzlich eine solche von Fr. 41,256.64. Verzinsungs- und Amortisationsplan sind den Obligationen beigedruckt. Dieselben bildeten anfänglich einen Teil des Bestandes der eidgenössischen Wertschriften, wurden dann aber später dem I n v a l i d e n f o n d s zugewiesen, in dessen Inventar sie zum vollen Werte aufgeführt sind. Die fälligen Obligationen sind auf Verfallzeit jeweilen bezahlt worden. Die Schuldrestanzen betrugen am I.Mai 1903: Für Zürich Fr. 608,431.93 ,, Aargau ,, 1,216,863.87 Zusammen

Fr. 1,825,295.80

Sofern die am I.Mai 1094 verfallenden Obligationen bezahlt werden, reduzieren sich diese Beträge auf Fr. 595,642. 73 Ct. für Zürich und T, 1,191,285.46 ,, ,, Aargau, Fr. 1,786,928.19 Ct. zusammen.

VII.

Schon mit Eingabe vom 17. Februar 1893 suchte die Regierung des Kantons Aargau eine Entlastung der aargauischen Garantiestädte, g ä n z l i c h e E r l a s 8 u n g d e r R e s t s c h u l d , z u erwirken.

Nach verschiedenen Verhandlungen hierüber, bei welchen der Bundesrat gegenüber diesem Gesuche sich absolut ablehnend verhielt und die Gesuchsteller schließlich selbst ihren Standpunkt aufgaben, formulierte die Regierung des Kantons Aargau am 23. Oktober 1896 ihr Begehren dahin, es sei der Z i n s f u ß des D a r l e i h e n s von 1884 von 2 1 /2°/o auf l */2 °/o zu r e d u z i e r e n . Sie begründete dieses Begehren unter andenn wie folgt : ,,Als die h. schweizerische Bundesversammlung am 21. Dezember 1883 den Kantonen Zürich und Aargau behufs der Liquidation des Restes der Nationalbahnschuld der Garantiegemeinden ein Darleihen bewilligte, lag es in ihrer ausgesprochenen Absicht, zu gunsten dieser Gemeinden ein Opfer zu bringen, d. h. ihnen die finanzielle Hülfe des Bundes angedeihen zu lassen. Diese Bundeshülfe bestand darin, daß den Kantonen, beziehungsweise den Gemeinden, die Vergünstigung gewährt wurde, die Schuld in Annuitäten von SVa'Vo abzuzahlen, wovon 2 1 /2°/o als Zins und l % als Amortisation berechnet werden sollte. Es liegt auf der Hand, daß diese Erleichterung, welche im Jahre 1883 unter der

799 Herrschaft eines normalen Zinsfußes von 5 °/o für Anlagen in der Tat als eine wesentliche und sehr willkommene Hülfe des Bundes angesehen werden durfte, heute bei den vollständig veränderten Geldverhältnissen, nachdem der normale Anlagezinsfuß um l bis lV3°/o und mehr zurückgegangen ist, den gleichen Wert nicht mehr besitzt, und als ein Opfer des Bundes nicht mehr betrachtet werden kann.

,,Ganz unzweifelhaft wollte die Bundesversammlung den Kantonen, beziehungsweise den Gemeinden, die Hülfe des Bundes nicht vorübergehend, sondern bis zur gänzlichen Erledigung der Folgen der Nationalbahnkatastrophe gewähren. Wenn es sich so verhält, worüber die damals gepflogenen Verhandlungen reichlich Aufschluß geben, so ist die Bitte der aargauischen Gemeinden, daß ihnen unter den gegenwärtigen Verhältnissen eine Zinsreduktion gewährt werde, unseres Erachtens keine unbillige. Wenn der Bund jetzt einen Nachlaß von i °/o des Zinses vom ganzen Darleihen bewilligt, so handelt er nur konsequent den Intentionen gemäß, welche bei Erlaß des Bundesbeschlusses vom 21. Dezember 1883 obgewaltet haben.

,,Die drei aargauisehen Gemeinden würden dieses Gesuch gleichwohl nicht gestellt haben und wir selbst würden zu dessen Unterstützung nicht Hand bieten, wenn nicht leider die Tatsache bestünde, daß die Gemeinden sich infolge der so verhängnisvoll gewordenen Nationalbahngarantie fortwährend in sehr schwierigen finanziellen Verhältnissen befinden und trotz äußerster Anspannung ihrer Steuerkraft nach allen Richtungen gehemmt und nicht im stände sind, ihren Aufgaben auf den verschiedenen wirtschaftlichen Gebieten zu genügen. Wir haben uns erlaubt, besondere Exposés der Gemeinden über ihre ökonomischen Verhältnisse (d h. über Vermögen, Steuerkraft u. s. w.) Ihrem Finanzdepartement direkt vorzulegen und wollen, indem wir auf die dort enthaltenen Darstellungen verweisen, hier nur auf folgende Ziffern aufmerksam machen : Baden muß jährlich an Steuern zirka Fr. 150,000 aufbringen und bezieht 4 ganze Steuern.

Lenzburg hat einen jährlichen Steuerbedarf von zirka Fr. 85,000 und bezieht 4 V* ganze Steuern.

Zofingen bedarf jährlich an Steuerzuschuß zirka Fr. 140,000 und bezieht 4 ganze Steuern.

Eine ganze Steuer ist -- abgesehen von der Progression -- l % des Einkommens und zirka l °/oo des Vermögens.

Die Einwohnerzahl beträgt in Baden 3815, in Lenzburg 2457 und in Zofingen 4450.

800

,,Der Kanton Aargau hat von Anfang an für die Beseitigung der Nationalbahnkatastrophe ganz erhebliche Opfer bringen müssen und bringt sie heute im gleichen Umfang weiter und zwar, wie wir glauben beifügen zu dürfen, ungleich größer als diejenigen sind, welche der Bund zu gunsten der Nationalbahngemeinden gebracht hat. -- Während der Bund nur für eine bestimmte Zahl von Jahren die Zinsdifferenz gegenüber dem jeweilen bestehenden Zinsfuß zu decken hat, aber nach Ablauf der vertraglichen Zeit sein Darleihen von Fr. 1,600,000 wieder vollständig zurücUbezahlt erhält, muß der Kanton Aargau die Subvention von Fr. 550,000 sowie das aus der Einlösung der Obligationen und Coupons sich ergebende Defizit (zirka Fr. 16,000) ganz à Fonds perdus auf sich nehmen und im weitern den drei Garantiestädten in der Weise zu Hülfe kommen, daß er ihnen eine die gesetzlichen Staatsbeiträge übersteigende jährliche Summe von Fr. 12,960 an ihr Schulwesen ausbezahlen und für die Folgezeit zusichern mußte. -- Letzterer Betrag repräsentiert zu 4 °/o einen Kapitalwert von über Fr. 300,000.

,,Diese Leistungen stehen zur heutigen Stunde noch in vollem Umfange fort, denn die Subvention von Fr. 550,000 mußte seinerzeit aufgenommen werden und wird verzinst. Die erhöhten Schulbeiträge werden aller Voraussicht nach noch für sehr lange Zeit im gleichen Umfange verabreicht werden müssen. Dem Kanton ist es nicht möglich, in dieser Sache noch weitere Leistungen zu übernehmen.

,,Wohl aber dürfen wir erwarten, daß der Bund den Gemeinden entgegenkommen werde. Denn tatsächlich wäre eine Zinsreduktion um l °/o nur die Wiederherstellung des Verhältnisses, wie es bestand, als das Bundesdarleihen gegeben wurde. Wenn der Bund damals den Nationalbahngemeinden durch Gewährung eines billigen Zinses eine Wohltat erweisen wollte und -- wie wir dankbar anerkennen -- erwiesen hat und, wenn sein Anleihen diesen Charakter beibehalten soll, so verlangt es die Konsequenz, daß er dem allgemeinen Sinken des Zinsfußes nun ebenfalls Rechnung trägt« Der Bundesrat beantragte der Bundesversammlung mit Botschaft vom 20. Oktober 1896 dem Begehren der aargauischen Regierung in der Weise zu entsprechen, daß der Zinsfuß des den Kantonen Z ü r i c h und A a r g a u zu Händen der NationalbahnGarantiestädte im Jahre 1884 geleisteten Darleihens vom 1. Mai 1897 hinweg für
den Rest der Dauer des Darleihens von 2 Va °/o auf l Va °/o herabgesetzt werde. Der Bundesrat hatte zwar anfänglich wegen der Finanzlage des Bundes in den Jahren 1893

801 und 1894 Bedenken, auf die Sache einzutreten, glaubte aber, die Periode der Defizite sei mit Rücksicht auf das Budget pro 1897 als definitiv abgeschlossen anzusehen, so daß die Bundesfinanzen einen Ausfall, wie er in Frage liege, ertragen können. Für die innere Berechtigung des Begehrens der aargauischen Regierung berief sich der Bundesrat auf die im Jahre 1883 geltend gemachten Argumente zu gunsten der damals geleisteten Bundeshülfe. Bezüglich des Maßes der Bundesunterstützung glaubte der Bundesrat, hervorheben zu sollen, daß man den Kantonen und Gemeinden nicht nur ein Buüdesdarleihen bewilligen, sondern für den Bund ein w i r k l i c h e s O p f e r übernehmen wollte, welches auf Fr. 600,000 berechnet worden sei. Er fährt dann fort: ,,Der Bund hatte damals sein Anleihen noch zu 4 °/o zu verzinsen, während er für Zins und Amortisation nach dem proponierten Bundesbeschluß nur SVa °/o, für die Verzinsung allein 2 J /2 °/o erhielt. Nun hat der Bund aber schon im Jahre 1887 sein damaliges Anleihen zu Sll2°lo konvertieren können und seit 1887 verschiedene neue Anleihen zu 3Vä °/o, teilweise mit Agio, emitiert. In das Jahr 1897 fällt ferner die Berechtigung der Kündigung des Anleihens von 1887, und es kann heute kaum ein Zweifel darüber walten, daß die Konversion in ein dreiprozentiges Anleihen mit aller Leichtigkeit sich vollziehen wird. Wir stehen somit in der Tat gegenüber dem Zinsfuß des eidgenössischen Anleihens im Jahre 1884 um ein volles Prozent tiefer, und wenn die Bundesversammlung der beantragten Zinsreduktion ihre Genehmigung erteilt, so ist unser Opfer nicht größer als dasjenige, welches wir im Jahre 1883 übernehmen wollten.1' Die mit der Vorberatung der bundesrätlichen Vorlage betrauten parlamentarischen Kommissionen beschlossen übereinstimmend, dem Antrage des Bundesrates n i c h t zuzustimmen, so daß dessen Ablehnung durch die Bundesversammlung mit ziemlicher Sicherheit vorauszusehen war. Mit Schreiben vom 12. Februar 1897 nämlich teilte der Präsident der nationalrätlichen Kommission dem Inhaber des Finanzdepartementes mit, daß die große Mehrheit der Kommission gegen den Antrag des Bundesrates sich ausgesprochen habe.

,,Es wurde darauf hingewiesen, daß das Darleihen zu reduziertem Zinsfuß seinerzeit von der Bundesversammlung nicht ohne heftige Opposition bewilligt wurde, um einer
Landeskalamität vorzubeugen, den erschütterten Kredit der Gemeinden zu stutzen und den Kantonen zu helfen, aus einer Notlage herauszukommen. Dieser Zweck sei auch erreicht worden.

802 ,,Heute läge die Sache anders. Man könne nicht davon sprechen, daß die aargauischen Gemeinden mit etwa 5 °/oo Gemeinde- und Staatssteuern unerträglich gedrückt seien.

,,Andere Gemeinden und Kantone hätten für das Zustandekommen von Eisenbahnen auch sehr erhebliche Opfer gebracht,.

ohne daß sie vom Bunde Unterstützung erhielten. Andernorts seien die Steuern erheblich höher als in den aargauischen Städten und hätten sich die Einwohner dieser Last unterworfen, ohne an den Bund zu gelangen.

,,Dazu komme, daß vom Kanton Zürich und von Wioterthur, welches höhere Steuern aufweise als die aargauischen Garantiestädte, kein Gesuch um Zinsreduktion vorliege.

,,Wenn der Kariton Aargau darauf hinweise, daß der Zinsfuß gesunken sei, so sei dem entgegenzustellen, daß die Sache ein- für allemal geregelt sei und daß eine Verzinsung zu 2Va °/o auch bei den heutigen Zinsverhältnissen immer noch eine erhebliche Begünstigung der Garantiestädte darstelle."

Gleichzeitig wurde von der Kommission der Wunsch ausgesprochen, die aargauische Regierung zu veranlassen, ihr 'Gesuch zurückzuziehen.

Der Präsident der ständerätlichen Kommission machte dem Inhaber des Finanzdepartementes über die Beratungen der erstem am 1. März 1897 folgende Mitteilungen: ,,Die abgegebenen Meinungen unserer Mitglieder waren geteilt, stimmten aber alle darin überein, daß dem bundesrätlichen Antrag nicht könne zugestimmt werden. Einige Mitglieder wollten das Begehren der aargauischen Regierung ganz abweisen, während die übrigen verlangten, daß de r K a n t o n A a r g a u s e i n e r s e i t s g l e i c h v i e l l e i s t e n m ü s s e wie der B u n d , und daßnur dann eine Reduktion des Zinses um Va °/o eintreten dürfe. Sodann wurde eventuell auch davon gesprochen, daß der zu erlassende Zinsanteil von */2 °/o an die Amortisation zu verwenden wäre.11 Von diesen Vorgängen wurde die Regierung des Kantons Aargau verständigt und diese richtete dann als Resultat einer Konferenz mit Abordnungen der aargauischen Garantiestädte am 12. März 1897 an den Bundesrat das Gesuch, ,,sich dafür bemühen zu wollen, daß die Behandlung dieser Angelegenheit durch die eidgenössischen Räte bis auf weiteres vertagt werdea.

Motiviert wurde dieses Gesuch damit, daß von den aargauischen Garantiestädten der Wunsch geäußert worden sei, es möchte ihnen Gelegenheit geboten werden, die Akten zu Händen der Bundesversammlung zu vervollständigen !

803

Am 16. März 1897 beschloß der Ständerat hierüber: ,,Vormerk vom Schreiben der ,,Aargauer Regierung" und am 19. gl. M.

der Nationalrat: ,,Der Gegenstand wird bis zum Eintreffen der von der Regierung des Kantons Aargau mit Schreiben vom 12. März in Aussicht gestellten Aktenvervollständigung von der Traktandenliste abgesetzt."

Diese Aktenvervollständigung ist aus naheliegenden Gründen ausgeblieben und damit d i e s e s Traktandum wohl definitiv dahingefallen.

VIII.

Über einen weiteren Zwischenfall in den Jahren 1897 und 1898 berichtet der Bundesrat an die eidgenössischen Räte, was folgt: ,,Am 23. September 1897 richtete der Regierungsrat des Kantons Aargau eine Eingabe an den Buadesrat, in welcher er mitteilte, er sei von den aargauischen Garantiestädten Baden, Lenzburg und Zofingen ersucht worden, anläßlich der Beratungen über das Ruckkaufsgesetz den N a c h l a ß i h r e r R e s t s c h u l d aus dem Bundesdarleihen vom 21. Dezember 1883 bei den eidgenössischen Räten zu beantragen. Der Regierungsrat nehme keinen Anstand, diesem begründeten Begehren zu entsprechen, nachdem ihm bekannt geworden sei, daß aus andern Kantonen ähnliche Postulate, die mit der Riickkaufsfrage konaex seien, ebenfalls gestellt werden.

,,Zur Begründung des Begehrens machte die Eingabe geltend, daß die Nationalbahn, die heute einen Bestandteil des Netzes der schweizerischen Nordostbahn und (für die Linie Aarau-Zofingen) der schweizerischen Zentralbahn bilde, aus Mitteln von Gemeinden und Privaten erstellt worden sei. Die Erstellung der Gesamtlinie habe einen Kostenaufwand von rund 33 Millionen Franken erfordert, wovon auf die Westsektion 17 Millionen entfielen.

Hieran seien speziell die drei aargauischen Garantiegemeinden, abgesehen vom Privatkapital, aus öffentlichen Gemeindegeldern beteiligt gewesen wie folgt: Zoflngen . . . m i t Fr. 4,120,000 Lenzburg . . .

,, ,, 2,080,000 Baden . . . .

,, ,, 2,028,000 ,,Die Gesamtbeteiligung der drei aargauischen Garantiestädte belaufe sich somit auf die hohe Summe von Fr. 8,228,000 an Aktien- und Obligationenkapital. Die ganze Linie, für deren Anlage und Erstellung ein Kapital von 33 Millionen aufgewendet wurde, sei in der Liquidation am 1. Mai 1884 um den Betrag

804

von 4,4 Millionen in den Besitz der resp. Bahngesellschaften übergegangen. Die drei aargauischen Gemeinden aber seien genötigt gewesen, zur vollständigen Deckung ihrer Verbindlichkeiten aus der Garantie, zu allen durch Kantone, Ortsbürger- und Einwohnergemeinden sonst zur Disposition gestellten Summen, noch einen Restbetrag von Fr. 1,600,000 zu übernehmen, welche sie dem Bunde verzinsen und amortisieren müßten.

,,Möge nun der Rückkaufswert der ganzen Linie nach diesem oder jenem Modus berechnet werden, so stehe so viel fest, daß, für den Fall des Zustandekommens des Rückkaufes überhaupt, der Bund sie -- dank der 1884 eingetretenen Liquidation -- nicht wesentlich höher als um die Liquidationssumme von 4,4 Millionen, jedenfalls zu einem solchen Preis erwerben werde, der in keiner Weise auch nur annähernd dem großen Kapitale gleichkomme, das für die Anlage aufgewendet wurde. Dabei sei die fragliche Linie eine Bahn, welche sich als Hauptbahn charakterisiere, welche volkswirtschaftlich und militärisch eine hervorragende Bedeutung zu beanspruchen habe, welche in der Entwicklung und Majoration begriffen sei, deren Wert sich steigern und die mit aller Sicherheit in naher Zeit eine die Betriebskosten übersteigende Rendite abwerfen werde.

,,Die aargauischen Gemeinden seien nun nicht der Meinung, daß der Bund ihnen in irgend einer Weise Ersatz für die verlorenen Aktien- oder Obligationengelder zu leisten habe; diese Gelder seien verloren und als Verluste abgeschrieben. Aber das sei nicht recht und billig, daß sie, während sie noch unter den Verlusten bluten, welche die Erstellung der Bahn gekostet habe, dem Bund, wenn er Eigentümer der Bahn werde, dann auch fernerhin noch eine Schuld verzinsen und amortisieren sollen, die sie ihm gegenüber übernehmen mußten, um ihre letzten Verpflichtungen aus der übernommenen Garantie zu decken.

,,Die ganze Sachlage dränge, wenn sie mit derjenigen Billigkeit ins Auge gefaßt und behandelt werde, welche in öffentlichen schweizerischen Angelegenheiten Brauch sei, zu dem Schlüsse, daß der Bund diese Schuld als ausgeglichen und getilgt erklären sollte, sobald er Eigentümer der Bahn geworden sein werde. Den großen Opfern gegenüber, welche die Gemeinden gebracht, handle es sich ohnehin nur um einen verhältnismäßig kleinen Rest. Die Schuldsumme betrage zur Zeit, d. h. nach
Entrichtung der auf 1. Mai 1897 fällig gewesenen Annuität, für die aargauischen Gemeinden noch Fr. 1,357,752.93.

,,Im Namen der drei Städte Baden, Lenzburg und Zofingen stelle daher die Regierung das Gesuch, es möchte für den Fall

805 des Rückkaufes der schweizerischen Hauptbahnen diesen drei Gemeinden das Restkapital von Fr. 1,357,752.93 nachgelassen werden.

,,Aus verschiedenen Gründen, hauptsächlich aber deshalb, weil man noch nicht wußte, wie sich der Rückkauf der Nordostbahn gestalten würde, hielten wir es für zweckmäßig, das Gesuch der aargauischen Regierung der Bundesversammlung einstweilen nicht vorzulegen. Auf alle Fälle sollte auch der Ausfall des Volksentscheides über das Rückkaufsgesetz abgewartet werden. Als dann dieser am 20. Februar 1898 in bejahendem Sinne ausfiel, beschlossen wir arn 22. gleichen Monats, kraft der durch Art. 2 des Gesetzes erhaltenen Vollmacht, diejenigen Linien des Nordostbahnnetzes vom Ruckkauf auszunehmen, ,,deren Erwerb nur mit unverhältnismäßigen Opfern möglich und deren Besitz nicht zu einem rationellen Betrieb der Bundesbahnen unentbehrlich ist".

Infolgedessen wurden die Linien der Westsektion der ehemaligen Nationalbahn nicht zum Rückkauf gekündigt und hatten wir keinen Anlaß, das Gesuch der Regierung des Kantons Aargau an Sie weiterzuleiten."· IX.

Nachdem im Jahre 1901 das ganze Nordostbahnnetz infolge j freihändigen Ankaufes auf den Bund übergegangen war, reichte die Regierung des Kantons Aargau der Bundesversammlung am 9. Dezember 1901 ein neues Gesuch um E r l a ß des R e s t e s der Schuld vom Darleihen für die National bahnseh u Id ein. Zu dessen Begründung berief sie sich hauptsächlich auf eine Broschüre des Herrn Nationalrates R. Suter in Zofingen vom 14. November 1901 : .,,Der freihändige Rückkauf der schweizerischen Nordostbahn und die schweizerische Nationalbahn". Darin soll nach Ansicht der aargauischen Regierung nachgewiesen sein, daß der Bund die Nationalbahn zu einem Preise erworben habe, der in gar keinem Verhältnis stehe zu den übermäßigen Leistungen, welche die vier Garantiestädte dafür haben aufwenden müssen.

Es sei nun aber auch der Beweis geleistet, daß die neu erworbene Linie für den Bund nicht etwa ein nonvaleur, sondern wirklich eine rentable Linie werde. Die Linie Effretikon-Otelftngen-Wettingen-Aarau habe nämlich, nach dem reduzierten Anlagekapital, rentiert : 1896 4,39 °/o 1897 3,70 °/o 1898 3,77 °/o 1899 5,52 °/o im Durchschnitt 1888/1899 . . . . 4,85 °/o

806

Auf Grund des Resultates von 1899 lasse sich offenbar auch nach Erlaß der Bundesschuld eine ordentliche Rendite für den Bund erwarten. Es dürfe also gesagt werden, daß auch der gegenwärtige Reinertragswert höher sei als die Summe, welche der Bund effektiv dafür bezahle.

Auf Ansuchen der aargauischen Mitbeteiligten reichte der Regierungsrat des Kantons Zürich Namens der Stadt Winterthur am 27. März 1902 zu Händen der Bundesversammlung das Gesuch ein, es möchte für den Fall, daß den aargauischen Garantiestädten die Restschuld erlassen würde, das Gleiche auch dem Kanton Zürich, beziehungsweise der Stadt Winterthur zugestanden .werden, was ohne weiteres als selbstverständlich erscheint.

Der Bundesrat, von den eidgenössischen Räten zur Berichterstattung über diese Schuldnachlaßgesuche eingeladen, kommt in seinem vom 29. April 1902 datierten Berichte darüber zum Schlußantrage, es sei auf jene n i c h t e i n z u t r e t e n . Er begründet diesen Antrag im wesentlichen damit, daß die Annahme der Regierung des Kantons Aargau, die Westsektion der. ehemaligen Nationalbahn sei vom Bunde zu einem Preise erworben worden, der in gar keinem Verhältnisse stehe zu den übermäßigen Leistungen der Garantiestädte für dieselbe, nicht zutreffend sei.

,,Der Berechnung des Kaufpreises der Nordostbahnlinien lag das Anlagekapital zu Grunde, und zwar kam für die Westsektion der ehemaligen Nationalbahn gemäß Urteil des Bundesgerichtes der Betrag, den die Nordostbahn für dieselbe bis Ende 1900 ausgelegt hatte, in Betracht. Laut der von der Bahnverwaltung für die Rückkaufsverhandlungen produzierten Ausscheidung belief sich dieses Anlagekapital für Effretikon-Örlikon-Otelfingen-Wettingen-Suhr-Aarau Ende 1899 auf Fr. 3,889,433.18 und gemäß der endgültigen Aufstellung .auf Ende 1900 auf Fr. 3,935,262. 41.

,,Der Betriebsüberschuß (Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben) der genannten Bahnlinie beträgt laut den von der Nordostbahn erstellten sektionsweisen Ertragsrechnungen für die 12 Jahre 1888/1899 zusammen allerdings Fr. 2,056,288 oder im Durchschnitt per Jahr Fr. 171,357. Es ist aber zu beachten, daß die sektionsweise Ausscheidung, wie sie von der Nordostbahn' vorgenommen wurde, vom Bunde niemals als richtig anerkannt worden ist. Der erste Blick auf die Zusammenstellung zeigt ganz bedeutende Schwankungen, welche mit der
allgemeinen Verkehrsbewegung nicht übereinstimmen. Hiervon abgesehen ist aber namentlich hervorzuheben, daß gewisse Ausgabeposten in diese Aufstellung nicht aufgenommen worden sind, weil deren Répartition eine bestrittene und deren Höhe ebenfalls streitig war; es

807 betrifft dies namentlich die Konzessionsgebühren und die Einlagen in den Erneuerungsfonds. Wenn nur die letztgenannten Posten, die unzweifelhaft laut bundesgerichtliehem Entscheid ebenfalls als Betriebslast zu betrachten sind, berücksichtigt werden, und zwar zu dem sehr mäßig berechneten Ansatz voa Fr. 1200 per Kilometer, so ergibt sieh auf die 58,5 km. Betriebslänge der Westsektioü der Nationalbahn eine Mehrausgabe, beziehungsweise eine Reduktion des Betriebsüberschusses um Fr. 70,200 per Jahr.

,,Eine Gegenüberstellung der Resultate der von der Regierung von Aargau besonders herausgehobenen Jahre ergibt somit folgendes : Prozente Unrichtig.

Richtig.

des Anlagekapitals.

Fr.

Fr.

1896 1897 1898 1899

160,423 138,528 145,282 214,516

90,223 68,328 75,082 144,316 101,157

2,29 1,74 1,91 3,67

1888/1899 (Jahresdurchschnitt) 171,357 2,57 ,,Es ist also keine Rede davon, daß der Bund ein genügendesÄquivalent für die Verzinsung der Kaufsumme erhalte. Zum Anlagekapital von rund 4. Millionen kommt noch das der Nordostbahn auf den 3*/2 °/o Bundesobligationen vergütete Agio von 2 °loy so daß die Kaufsumme für die Westsektion der Nationalbahn rund Fr. 4,080,000 und der 3»/2 °/o Zins hiervon Fr. 142,800 beträgt.

Dieser Betrag ist nur in dem außerordentlich günstigen Verkehrsjahr 1899 um eine Kleinigkeit überschritten worden, der Durchschnitt der Rendite bleibt dagegen um ein Prozent unter der Zinslast. Von einem Überschuß zu Amortisationszweeken ist schon gar keine Rede.

,,Dazu kommt, daß der Nordostbahn gegenüber für die Westsektion der ehemaligen Nationalbahn keine Abzüge für Minderwert der vorhandenen Objekte gemacht werden konnten, weil eben die Kaufsumme geringer war als die ursprünglichen Erstellungskosten. Dafür müssen die Bundesbahnen den Erneuerungsfonds höher dotieren, als die Abzüge für den Minderwert betragen.

Die Differenz beläuft sich im ganzen auf Fr. 1,100,000.

,,Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, wie die Bundesbahnverwaltung auch noch die Zins- und Amortisationslast für den Betrag von Fr. 1,899,246.45*) auf der Westsektion der Nationalbahn herausschlagen solle.a *) Betrag der Restschuld 1. Mai 1901, wovon zu lasten des Kantons Zürich Fr. 633,082. 15 und zu lasten des Kantons Aargau Fr. 1,266,164. 30 fallen.

808

Im weitem mächt der Bundesvat auf die Folgen eines Eintretens auf die Eachlaßgesuche aufmerksam. Mit dem gleichen Rechte könnte der Bund auch von andern Gemeinwesen um finanzielle Mithülfe angegangen werden. ,,Denn bekanntlich hat das Scheitern des'Nationalbahnunternehmens nicht nur den Kantonen Aargau und Zürich und den Städten Zofingen, Lenzburg, Baden und Winterthur, sondern noch einer ganzen Reihe von Ortschaften in den Kantonen Aargau, Zürich, Thurgau und Schaff hausen eine Schuldenlast eingetragen, unter welcher die meisten derselben heute noch seuf/.en.a Endlich stellt der Bundesrat noch fest, daß es sich hier nicht um eine E i s e n b a h n s u b v e n t i o n , wie hei den Bundesbahnen, dem Simplonunternehmen, der Rickenbahn und anderen handle. Man könne doch sicher nicht sagen, daß der Bund durch die finanzielle Unterstützung der Nationalbahngarantiestädte ein öffentliches Werk, speziell ein Eisenbahnunternehmen, im Sinne von Art. 23 der Bundesverfassung fördere. ,,Nein, sondern die Rettung von vier schweizerischen Gemeinden vor dem Konkurse galt es damals, und diese Rettung hat der Bund auch vollzogen.

Auf das Zustandekommen oder Fortbestehen der Nationalbahn hatte diese Hülfeleistung keinen Einfluß mehr; noch viel weniger kann dieses öffentliche Werk heute einen Grund abgeben, um den Bund zu einer Erhöhung seiner damaligen Leistung zu veranlassen, welch letztere, wie der Bundesrat in seiner Botschaft vom 23. November 1883 ausführte, einer Kapitalsumme von Fr. 600,000 entsprach. Über diese Leistung hinauszugehen und nachträglich den Rest des Darleihens zu erlassen, dazu hat der Bund unseres Erachtens keinen Grund und auch kein Recht."

X.

Im September 1902 richtete die Einwohner- und Ortsbürgergemeinde M e l l i n g e n , Aargau, -- ob um die Befürchtung r im Berichte des Bundesrates vom 29. April 1902 wahr zu machen oder aus freundnachbarlicher Liebe und Gewogenheit zu den aargauischen Garantiestädten, mag dahingestellt bleiben -- das Gesuch an den B u n d e s r a t zu Händen der schweiz e r i s c h e n B u n d e s v e r s a m m l u n g , es sei dieser Gemeinde ,,ein B u n d e s d a r l e i h e n im Betrage von Fr. 200,000 zu gewähren zu 3 °/o, inklusive l % Amortisationsquote.11 Die Begründung dieses Gesuches verweist zunächst auf folgende Tatsachen: ,,1. Die Nationalbahnkatastrophe, welche anfangs der Achtzigerjahre eintrat und in sich den vollständigen Zusammenbruch des

809 ganzen Nationalbahnunternehmens barg, war für die Gemeinde Hellingen in jeder Beziehung viel tiefgreifender und verhängnisvoller als für alle andern dadurch ebenfalls in Mitleidenschaft gezogenen Gemeindewesen.

Vor der Eröffnung der Eisenbahnlinie'Zürich-Bern herrschte in Meilingen, da es an der Hauptverkehrsstraße zwischen diesen beiden Städten und Verkehrszentralen lag, ein reges Geschäftsleben.

Mit der Einführung der Eisenbahnlinien änderte sich dieser Zustand plötzlich: der Verkehr und damit Verdienst und Wohlstand nahmenstetig ab, sie strömten den Orten und Plätzen zu, die in der Nähe der Eisenbahnlinien liegen und deshalb günstige Zu- und Abfuhrverhältnisse boten. Auf dem ganzen Gebiete des Geschäfts- und Verkehrslebens trat in der Gemeinde Hellingen infolge der Eröffnung der Bahnen ein empfindlicher Rückschlag ein; der einstigen Blüte folgte eine beinahe vollständige Stagnation.

Angesichts des offenkundigen Niederganges dieser Verhältnisse ist es nicht zu verwundern, wenn anfangs der Siebzigerjahre in Hellingen alle die Bestrebungen sympathische Aufnahme fanden, durch welche diese Gemeinde an eine Eisenbahnlinie angeschlossen und selber Eisenbahnstation werden sollte.

So war denn schon im Jahre 1871 seitens der Gemeinde Hellingen für das allerdings nach kurzer Dauer ins Wasser gefallene Projekt einer Reußtalbahn eine Aktienbeteiligung von Fr. 200,000 beschlossen worden. Als es sieh bald nachher, im Jahre 1873, um die Subventionierung der Nationalbahn handelte, beschloß die Gemeinde Hellingen unterm 26. Juni 1873, sich hierbei mit einem Aktienkapital von Fr. 400,000 zu beteiligen.

So groß die Subventionssumme auch für die kleine Gemeinde an sich sein mag, so erklärlich ist doch der bezügliche Gemeindebeschluß. Einmal erwartete man allgemein durch die neue Bahn eine erhebliche Besserung der sehr darniederliegenden Verkehrsverhältnisse. Sodann war von einflußreicher und sachverständiger Seite dem ganzen Unternehmen eine sichere Rentabilität in Aussicht gestellt worden, und weiterhin hatten ja die bekannten Garantiestädte ebenfalls erhebliche Verpflichtungen finanzieller Natur eingegangen. Wir machen darauf aufmerksam, daß nach einem technischen Gutachten des Herrn Dr. C. W. von Graffenried in Bern eine Verzinsung des ganzen Anlagekapitals zu 4 °/o als sicher angenommen wurde. Auch die
in Frage kommenden Kantone beteiligten sich bei diesem Bahnunternehmen: der Kanton Bern sollte gemäß einem Großratsdekrete die Nationalbahn auf seinem Gebiete mit zirka Fr. 2,000,000 subventionieren. Der Kanton Zürich stellte eine Subvention von über l Va Millionen für die Bundesblatt. 56. Jahrg. Bd. IH.

54

810 Bahnstrecke von Wioterthur bis an die Kantonsgrenze in Aussicht; was die aargauische Regierung anbelangt, so hat sie bekanntlich die Rekurse der Minderheiten in den aargauischen Garantiestädten, die »He aus materiellen Bedenken gegen das projektierte Nationalbahnunternehmen hervorgingen, als unbegründet abgewiesen.

Auch die Bundesbehörden, denen die Bedenken über die Rentabilität und ungenügende Finanzierung unterbreitet wurden, sahen sich nicht zu einem Einsprüche veranlaßt.

Angesichts aller dieser Vorgänge war der Subventionsbeschluß der Gemeinde Hellingen weder ein unüberlegter noch ein leichtfertiger; er ist gegenteils aus allen diesen Verhältnissen heraus wohl begreiflich.

,,2. Leider gingen nun die auf die neue Bahn gesetzten Hoffnungen nicht in Erfüllung. Schon bei der ersten bald eingetretenen Krisis der Nationalbahn, als eine Nachsubvention erforderlich war, beteiligte sich Meilingen zu den Fr. 400,000 nochmals mit Fr. 10,000. Mit der schließlich notwendig gewordenen Zwangsliquidation der Nationalbahn, welche im Jahre 1878 eingeleitet wurde, trat über die Gemeinde Meilingen wegen ihrer Aktienbeteiligung der ökonomische Ruin ein. Die Gemeinde hatte für die genannte Bahnsubvention bei der aargauischen Bank ein Anleihen von Fr. 500,000 aufgenommen und hierfür die sämtlichen Ortsbürgerliegensehaften, bestehend in zirka 280 Jucharteu offenen Landes und 418 Jucharten Waldung unterpfändlich verschrieben.

Meilingen konnte nun nach dem Zusammenbruche der Nationalbahn seineu finanziellen Verpflichtungen der aargauischen Bank gegenüber nicht mehr nachkommen, und infolgedessen wurde über die Gemeinde die Staatsadministration verhängt. Nach langen Unterhandlungen zwischen Staat Aargau, aarg. Bank und der Gemeinde wurde schließlich, um den Konkurs der letztern zu verhindern, ein Abkommen getroffen, welches in seinen Grundzügen folgendermaßen lautet: 1. Der Staat Aargau übernahm die Waldungen, verpfändete und unverpfândete, um Fr. 290,000. -- 2. Die aargauische Bank erhielt: a. das offene Land, gewertet zu . . . . ,, 240,722. 02 b. die sämtlichen ortsbürgerlichen Kapitalien mit ,, 26,089. 48 Die Gemeinde Mellingen ist also tatsächlich wegen ihrer Nationalbahnsubvention vermögenslos geworden; in ihr Vermögen teilten sich der Staat und die aargauische Bank. Weder war von der letztern ein Nachlaß zu erhalten, noch hat ihr bis zur Stunde

811 der Kanton Aargau in irgendwelcher Weise trotz mehrfachen Eingaben die Mittel zur Sanierung dieser auf die Dauer unhalt- .

baren Situation an die Hand gegeben. Daß eine Änderung eintreten muß, wenn das Gemeindewesen existensfähig bleiben soll, liegt auf der Hand ; anders als durch staatliche Unterstützung wird diese aber nicht erfolgen können."

Als weitere Erwägungen, welche die Petentin zur Anbringung ihres Gesuches veranlaßt haben, werden angeführt: ,,1. Beim Abschluß der Zwangsliquidation der Nationalbahn erwarb nach dem Schlußberichte über dieselbe (Seite 157) die Nordostbahn die Linie Winterthur-Zofingen (Westsektion), deren Bau über 18 Millionen Franken erfordert hatte, für Fr. 750,000.

,,2. Beim Rückkauf hat der Bund die nämliche Linie Winterthur-Zofingen von der Nordostbahngesellsehaft um rund 4 Millionen Franken erworben (siehe Bericht der Rückkaufskommission).

Der Kaufpreis, welchen der Bund zahlte, steht nun sowenig wie der der Nordostbahn, abgesehen von den wirklichen Baukosten etc., insbesondere in keinem Zusammenhang mit den großen Verlusten, welche speziell die Gemeinden und insbesondere auch Meilingen wegen des Zusammenbruches der Bahn erlitten haben.

Wir halten dafür, daß mit Rücksicht auf die äußerst billige Erwerbung der Bahn durch den Bund, wenn auch nicht eine Rechtspflicht, so doch das BilligkeitsgefQhl dafiir spricht, daß der Bund denjenigen Gemeinden, ein Entgegenkommen erzeige, welche durch ihre Subventionsleistungen an die Nationalbahn finanziell so hart und schwer hergenommen worden sind. In dieser Lage befinden sich unseres Erachtens nicht nur die sogenannten Garantiestädte, welche für die Rückzahlung des Obligationenkapitals von 9 Millionen Franken unter Solidarhaft Gewähr geleistet haben, sondern vor allem auch die Gemeinden, welche, wie Meilingen, durch die Uebernahme der Subvention in Form einer eigentlichen Aktienbeteiligung für den übernommenen und bezahlten Betrag gänzlich ic Verlust gekommen sind.'

In beiden Fällen liegt doch mindestens eine moralische Pflicht des Bundes vor, nachdem dieser die Nationalbahn, insbesondere die Westsektion (Winterthur-Zofingen), zu so günstigen Bedingungen erworben hat, den Gemeinden für die schweren Opfer, die sie bringen mußten, einen, wenn auch nur teilweisen Ersatz für die Verluste zu bieten.

Dabei scheint es uns, daß der oft gemachte Unterschied zwischen den beiden Beteiligungsformen (direkte Aktienübernahme und Garantieversprechen für daa Obligationenkapital) faktisch

812 und vor allem hinsichtlich der Wirkung der Verpflichtung ein unrichtiger sei. Tatsächlich ist ja der Verlust bei beiden Formen, und bei beiden wiederum vollständig eingetreten. Ebenfalls stehen Ursache und Wirkung bei beiden Beteiligungsarten in durchaus gleichem Verhältnis. Wenn die Gemeinde Hellingen in ihrer wirklichen Notlage an den Bund um Bundeshülfe gelangt, hierbei, wie schon bemerkt, auf den Titel der Gerechtigkeit und der Billigkeit sich stützend, so liegt die innere Berechtigung zu einem solchen Vorgehen in den vorstehend geschilderten Ausführungen.

,,3. Es ist Tatsache, daß der äußerst prekäre Haushalt der Gemeinde Hellingen seine einzige Ursache in dem durch die Nationalbahnsubvention erlittenen großen Verluste hat. Wie sehr die Gemeinde an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit steht, resultiert aus den nachstehenden steuerstatistischen Orientierungen.

Per laufendes Jahr 1902 müssen Steuern bezogen werden: Polizeisteuer Fr. 6,458.65 Schulsteuer ,, 8,603.05 Kirchensteuer ,, 3,426. -- Armensteuer ,, 1,798.35 Staatssteuer ,, 2,190.90 Total

Fr. 22,476. 65

Eine ganze Steuer wirft in Meilingen etwas mehr als Fr. 4000 ab. Die Einwohnerzahl beträgt nach der letzten Volkszählung 898 Seelen. Diese müssen für den großen Steuerbetrag aufkommen.

Die Beiträge des Staates Âargau an den Gemeindebaushalt sind minim; so leistet er an das Primarschulwesen Hellingen im ganzen zirka 22 %. Obwohl sich die Gemeinde Hellingen bis zur Stunde von dem schweren Schlage des Nationalbahnkraches nicht hat erholen können und sich auch ohne ausgiebige staatliche Unterstützung nie erholen kann, -- liegt ihr doch die Pflicht ob, das ganze Gemeindewesen so zu führen, wie es die Anforderungen der heutigen Zeit gebieterisch verlangen.

Mag die Ungunst der Verhältnisse noch so groß und die Steuerbelastung der Gemeiudegenossen eine noch so schwere sein: den Aufgaben auf kulturellem Gebiete, insbesondere für die Schule, für das Sanitätswesen, für das Verkehrsleben etc., wird sich die Gemeinde auf die Dauer nicht entziehen können.

Sie muß nach allen diesen Richtungen hin stets dasjenige erfüllen können, was ein gesunder Fortschritt von einem modernen Gemeindeweaen mit Recht verlangen kann und darf.

813 Wenn aber, wie es im Jahre 1901 der Fall war und wie es sich in Zukunft noch ungünstiger gestaltet, per Jahr 5*/4 Steuern zu entrichten sind und die Deckung dringend notwendiger laufender Verbindlichkeiten nicht mehr durch direkte Steuererhebuog, sondern nur mehr auf dem Wege der Anleihenaufnahme erfolgen kann, darf wohl behauptet werden, daß die Gemeinde ihrerseits nicht mehr leisten kann. Und doch harren der Erledigung noch so viele dringende Aufgaben.

,,4. Es wird nun wohl die Frage aufgeworfen werden, welche Zweckbestimmung das nachgesuchte Bundesdarleihen haben soll.

Zum Aufschluß hierüber bemerken wir : a. Vor einigen Jahren hat die Gemeinde einön neuen Schulhausbau aufgeführt, der ihr eine Schuldenlast von rund Fr. 100,000 eintrug. Dieser Bau entsprang einem seit Jahren gefühlten, dringend notwendigen Bedürfnis. Wenn trotz der geschilderten, äußerst prekären Lage die Ausführung desselben unternommen wurde, so gereicht dies dem Gemeinsinn, der Schulfreundlichkeit der gedrückten Gemeinde nur zur Ehre. Nun gelingt aber die Verzinsung der Bausumme nur mit Not; von einer Armortisation ist gar keine Rede, obwohl eine solche schon im Hinblick darauf erforderlich wäre, daß die Zukunft noch andere größere Leistungen auf Gemeindegebiet erheischt. Als der Schulhausbau in Angriff genommen wurde, rechnete man mit der Bundeschulunterstiitzung, einem billigen Zinsfuß, dem weiteren Aufschwünge der gewerblichen und industriellen Entwicklung und der Besserung der finanziellen Lage durch die damals in Aussicht genommene Erstellung eines elektrischen Werkes, das Verkehr und Verdienst hätte bringen sollen. Auch diese Erwartungen schlugen alle fehl.

Heute lastet auf der Gemeinde nur für den Bau als solchen eine Schuld von Fr. 80,000; die à 4V4°/o verzinslich ist; dagegen aber bestehen im Schulwesen beständig noch neue Anforderungen, die ebenfalls im Interesse der Volksbildung ihre Befriedigung finden müssen.

6. Gerade so dringend, wie der Schulhausbau erwies sich die Errichtung des nunmehr vollendeten Wasserversorgungswerkes.

Wenn auch hier etwelche Möglichkeit für die Verzinsung des hierfür aufgenommenen Anleihens von Fr. 70,000, verzinslich à 4^/4 °/o, vorhanden ist, so hat doch anderseits die Polizeikasse fdr eine Reihe neuentstandener Auflagen aufzukommen (Errichtung von Hydranten, Anschaffung von

814 Feuerwehrutensilien, Wasserzinse für die öffentlichen Gebäude etc.). Auch dieses Werk vermehrt somit nicht nur die Schuldenlast der Gemeinde, sondern es hat auch infolge vermehrter Ausgaben, eine durch Steuer zu deckende Mehrbelastung zur Folge.

c. Als ebenso unabweisbare Notwendigkeit erzeigt sich die baldige Erstellung eines Kinderasyles. Die Zahl der Kinder, welche aus Mitteln der Armenkasse versorgt und dadurch der Verwahrlosung entzogen werden müssen, ist eine große, stets noch im Steigen begriffene. Die Gemeindebehörden halten nun dafür, daß für die richtige, körperliche wie geistige Erziehung dieser armen Kinder eine gutgeleitete Anstalt bessere Garantie zu bieten vermag, als die Versorgung derselben durch den Armenerziehungsverein in oft nicht einwandfreien Familien. Bereits ist mit der Unterbringung einer Anzahl Kinder in dem bestehenden, aber leider ungenügenden Asyl ein Anfang gemacht worden. Die Erfahrungen sind derart, daß es nur zu bedauern ist, daß nicht alle Kinder in dieser Weise untergebracht werden können. Da aber der aargauische Regierungsrat die Unterbringung von Erwachsenen und Kindern unter einem Dach nicht duldet, ist die Errichtung eines eigenen Kinderasyles erforderlich. Will die Gemeinde aber dieses wahrhaft humanitäre und gemeinnützige Werk ausführen, so braucht es einen Kostenaufwand von zirka Fr. 30--40,000.

d. Durch die Gewährung des bei ihrer hohen Behörde nachgesuchten Darleihens wäre für die Gemeinde nun die Möglichkeit geboten, einmal die zu hohem Zinsfuß gemachten Gemeindeanleihen zu konvertieren, anderseits würden ihr dadurch auch noch Mittel zur Verfügung gestellt, um andere dringende Aufgaben in naher Zukunft einer gedeihlichen Lösung entgegenzubringen.

Die Gemeinde, die ohne ihre Schuld in die mißliche Lage gekommen ist, die aber anderseits auuh den ernsten Willen hat, diese in Zukunft günstiger zu gestalten, wozu sie aber finanziell allein zu schwach ist, würde dadurch wieder auf eine gesunde, kräftige Basis gestellt."

,,Schließlich erlauben wir uns noch einen Einwand zu widerlegen, der vielleicht erhoben werden dürfte, und der darin bestehen könnte, daß die Gemeinde Hellingen in erster Linie auf die allerdings nicht minder gerechtfertigte Nachsuchung einer Unterstützung durch den Staat Aargau angewiesen würde. Nun hat aber die Gemeinde schon wiederholt nach dieser Richtung

815 hio bei der aargauischen Regierung petitioniert; sie ist jedoch jeweilen unter Hinweis auf die ungünstige Finanzlage des Kantons abschlägig beschieden worden. Wenn sich die Gemeinde Meilingen in letzter Instanz nun an die hohen Bundesbehörden wendet, so erwartet sie von dem Gerèchtigkeits- und Billigkeitsgefühl derselben ein wohlwollendes Entgegenkommen im Sinne einer Entsprechung des vorliegenden Gesuches. Wir erklären uns gerne bereit, Ihnen noch weitern Aufschluß über alle einschlägigen Verhältnisse auf Verlangen zu erteilen.a Der aargauische Regierungsrat, welchem das Gesuch von Meilingen vom Bundesrate zur Vernehmlassung übermittelt wurde, bemerkt dazu, es stehe dasselbe durchaus in keinem Zusammenhange mit demjenigen der Garantiestädte und es können deshalb von daher auch keine Konsequenzen für die Erledigung dieses letztern abgeleitet werden.

,,An den Leistungen für die Obligationengarantie, welche auf den Gemeinden Baden, Lenzburg und Zofingen so schwer lasteten, war Hellingen nicht beteiligt. Dieses hat nur Fr. 400,000 Aktien der Nationalbahn besessen. Die Beteiligung der übrigen drei aargauischen Städte an der Nationalbahn war aber folgende: Aktien Obligationen Baden . . . . F r . 528,000 F r . 1,500,000 Lenzburg . . . ,,,, 500,000 ,, 1,540,000 Zofingen . . . ,, 1,400,000 ,, 2,720,000 ,,Diese drei Gemeinden sind s. Z. nur mit bezug auf die O b l i g a t i o n e n , welche sie aus Anlaß der Bundeshülfe voll einlösen mußten, um Erleichterung an den Bund gelangt, während sie den Totalverlust der A k t i e n s u m m e ohne weiteres auf sich nahmen. Mellingen, das am Obligationenkapital gar nicht beteiligt war, will nun für seinen Verlust aus der Aktienbeteiligung Staatshülfe beanspruchen. Würde diesem Gesuche entsprochen, so könnten nicht nur auch die drei Garantiestädte, sondern eine ganze Reihe anderer Gemeinden, welche im gleichen Falle sind, zur Erleichterung ihrer Steuerlast mit gleichen Gesuchen auftreten."

XI.

Im September 1902 ließ, sich der Regierungsrat des Kantons Âargau von Herrn Professor G. Einkelin in Basel ,,ein Gutachten über das Darleihen des Bundes vom 21. Dezember 1883 zu gunsten der Garantiestädte der Nationalbahn" geben. Der Experte stellte sich dabei vorerst die Frage: ,,Welches sind die Vorteile, die der Bund den Garantiestädten eingeräumt hat?" Er

816 beantwortet sie dahin, ,,daß der Bund den Gavantiestädten das Kapital nicht geschenkt hat, sondern nur Fr. 600,000 und daß er in Wirklichkeit ein Kapital von Fr. 1,500,000 zu 4 % verzinst und nach 50 beziehungsweise 51 Jahren zurückbezahlt erhält". Es wäre logisch gewesen, die Fr. 600,000 von vorneherein von der Darleihenssutnme als Geschenk abzuschreiben und diese nur mit Fr. 1,500,000 als Schuldsummen zu buchen. Diese Schuld wäre dann mit 4 % als dem dermaligen ordentlichen Zinsfuß zu verzinsen gewesen.

,,Im Laufe der neunzehn Jahre, die seit dem Bundesbeschluß verflossen sind, hat sich der ordentliche Zinsfuß geändert und ist in der letzten Zeit auf 3Va °/o zurückgegangen. Auch besteht keine Aussicht, daß er sich wieder erholen wird, eher ist anzunehmen, daß er noch weiter sinkt. Entspricht es nun der Billigkeit, daß die Garantiestädte ihr Darleihen weiterhin mit 4 °/o verzinsen müssen, da doch der Bund selbst seine Anleihen zu 3Va °/o al pari aufnehmen kann? . . .

. . . ,,Bei der Untersuchung, wie sich bei der Annahme eines niedrigem Zinsfußes die Sache gestaltet hätte, muß daran festgehalten werden, daß den Garantiestädten vom Bund ein Opfer von Fr. 600,000, Wert Ende 1883, bewilligt ist, und daher als ursprüngliche wirkliche Schuld an den Bund nur Fr. 1,800,000 angerechnet werden dürfen. . . .

,,Hätte man von Anfang an eine Verzinsung mit SVa °/o vorgesehen, so wäre die Schuld schon ia etwa 40 Jahren getilgt gewesen, anstatt erst ia 50 Jahren.

,,Nun stund aber der ordentliche Zinsfuß bis in die letzte Zeit wirklich auf 4 °/o und ist erst seit kurzem auf 3Va % gesunken. Um daher zu bestimmen, wie lange durch eine Annuität von Fr. 84,000 bei einer Verzinsung von heute an zu 3Va °/o die Schuld abgetragen sein wird, muß zunächst ermittelt werden, wie hoch sich auf Ende 1902 die Restschuld noch beläuft. Man erhält die ßestschuld = Fr. 1,492,000. . . .

,,Diese Summe ist nun durch die Annuitäten von Fr. 84,000 mit 3 ] /2 °/o zu verzinsen und zu amortisieren.

,,Nach 28V4 Jahren, im iahre 1931, würde die Schuld getilgt sein, anstatt erst im Jahre 1935 nach dem gegenwärtigen Amortisationsplan. Den Garantiestädten würde demnach eine Erleichterung von 4 Va Annuitäten zu Fr. 84,000 nebst Zinsen gewährt, welche am Schlüsse zirka Fr. 400,000 betrüge.

,,Würde der Bund keine Rücksicht auf die veränderten Verhältnisse nehmen und die Erleichterung des Zinsfußes nicht

817 gewähren, so erwüchse ihm hieraus ein Gewinn von dem .angegebenen Betrage, der nur schwer zu rechtfertigen wäre.

,,Die Umwandlung der gegenwärtigen Schuld könnte nun in der Weise geschehen, daß zunächst die Buchsehuld auf 31. Dezember 1902 auf Fr. 1,492,000 reduziert und hernach mit Annuitäten von Fr. 84,000 amortisiert würde, in der Weise, daß die jeweilige Restsumme mit 3 Vz.'/o verzinst und der übrige Teil der Annuität auf die Kapitaltilgung verwendet wird.

,,Demnach wäre einfach zu beschließen, daß für die Zukunft, .bei gleichbleibender Annuität von Fr. 84,000, der Zinsfuß des Anleihens von 2 '/a °/o auf l 3/4 °/o herabgesetzt wird.

,,Ich wiederhole, daß mit einem solchen Beschluß der Bund kein anderes Opfer bringt, als daß er eine den heutigen Zinsfußverhältnissen entsprechende und der Billigkeit durchaus gemäße Rücksicht walten läßt. Im übrigen bleibt es bei dein vom Bundesrat auch in seiner letzten Botschaft vom 29. April d. J. hervorgehobenen Verzicht auf eine Kapitalsumme von Fr. 600,000.

Der Bund erhält sein Kapital von Fr. 1,800,000 zurück, das bis jetzt zu 4 °/o verzinst wurde, von jetzt ab zu 3 llz °/o verzinst wird. Er bringt kein größeres Opfer, als er im Jahre 1883 zu bringen willens war, und vernichtet nur auf einen dem Billigkeitsgefühl widersprechenden Gewinn."1 In seinem Berichte vom 17. Mai 1904 an unsere Kommission kommt der Bundesrat mit bezug auf dieses Gutachten des Herrn Kinkelin zu dem Schlüsse, auch eine weitere Reduktion des Zinsfußes, wie er durch den BundesbeschlulJ vom 21. Dezember 1883 festgesetzt ist, lasse sich nicht rechtfertigen. Der Bundesrat bemerkt zunächst zu dei' Behauptung, es müsse daran festgehalten werden, daß den Garantiestädten vom Bund ein Opfer von Fr. 600,000 Wert E n d e 1883 bewilligt wurde und daher als ursprüngliche wirkliche Schuld an den Bund statt Fr. 2,400,000 nur Fr. 1,800,000 angerechnet werden dürfen: ,,Wenn wirklich am 21. Dezember 1.883 beim Bundesrate und bei den eidgenössischen Räten d i e s e Meinung geherrscht hätte, so hätte es logischerweise keinen Sinn gehabt, im Bundesbeschlusse von D a r l e h e n im Betrage von Fr. 2 , 4 0 0 , 0 0 0 zu sprechen und sodann den Kanton Zürich mit Fr. 800,000, Aargau mit Fr. 1,600,000 zu belasten. Man würde zweifellos die Fr. 600,000 als Subvention an genannte Kantone in die Ausgaben der
Staatsrechnung eingestellt und die von ihnen dem Bunde übergebenen Schuldtitel entsprechend herabgesetzt haben oder, wenn auf ihrem jetzigen Annuitätenbetrag belassen, die Amortisationsfrist von 51 Jahren um etliche reduziert haben.a

818 ,,Auffällig und unverständlich ist es auch", führt der Bundesrat weiter aus, fldaß in genanntem Gutachten mehrfach von einer 4 °/o Verzinsung die Rede ist, die dem Bunde als Gläubiger übel anstehe, da er seine dermaligen Anleihen nur zu 3Va 0 / 0 verzinsen müsse, währenddem die V e r z i n s u n g d u r c h die Pet e n t e n vom e r s t e n T a g e an bekanntlich nur 21/« °/° beträgt.

,,Nach einer Berechnung, welche das Finanzdepartement an Hand der Amortisationstabelle fraglichen Darlehens aufgestellt hat, beläuft sich die Zinsdifferenz von 1 °/o (2V2 °/0 gegenüber 3Ys %) für die 19 verflossenen Jahre -- bis und mit 1. Mai 1903 -- schon auf rund Fr. 426,000 und würde bis zum Auslauf der 51jährigen Amortisationsfrist rund Fr. 745,000 betragen.

,,Der Bund besitzt noch jetzt in seinen Wertechriften und in den Spezialfonds mindestens 5 Millionen 4 °/oige Titel und hat auch im Laufe dieses Frühjahrs noch über eine halbe Million solcher erworben. Von ersteren ist in letzter Zeit allerdings ein Teil zur Konversion in 33/* % gekündet worden, was jedoch durchaus nicht ausschließt, daß im Geldmarkt während den noch verbleibenden 31 Jahren -- bis zur vorgesehenen gänzlichen Amortisation der Fr. 2,400,000 -- erhebliche Verteurungen eintreten können.

,,Der Einfachheit halber wurde, wie erwähnt, nur ein Zinsausfall von l °/o angenommen ; wäre statt des Zinsfußes von 3y2 % auch nur während den Jahren 1884--1894 4 °/0 und von 1894--1904 33/4 °/o berechnet worden -- was vollauf gerechtfertigt wäre -- so würde sich die Leistung des Bundes noch beträchtlich höher summieren und das von ihm übernommene Opfer von Fr. 600,000 wäre, ohne die weitere Zinseinbuße bis 1935, schon heute als vollständig geleistet zu betrachten."

XII.

Im November 1902 veröffentlichte Herr Nationalrat R. Suter in Zofingen eine neue Broschüre über diese Angelegenheit, betitelt : ,,Ein Wort zur Aufklärung über die National bah n frage". Dieselbe wurde den Mitgliedern des Bundesrates und der Bundesversammlung zugestellt. Der Bundesrat nimmt Veranlassung, sich in seinem Berichte vom 17. Mai 1904 an unsere Kommission auch über den in Betracht kommenden Inhalt dieser Broschüre auszusprechen.

Wir halten es für angezeigt, diese Vernehmlassung des Bundesrates auch im Berichte unserer Kommission wiederzugeben. Sie lautet :

819 ,,Was die z w e i t e B r o s c h ü r e des H e r r n S u t e r betrifft, so konstatieren wir zunächst mit Genugtuung, daß die Behauptung, der Bund habe mit der Erwerbung der ehemaligen Nationalbahnlinien von der Nordostbahn ein gutes Geschäft gemacht, das ihm erlaube, die Garantieschuld zu erlassen, nicht mehr aufrecht erhalten, sondern daß anerkannt wird, unsere ablehnende Haltung müsse ,,vom praktischen Geschäftsstandpunkt aus" gebilligt werden. Auf einen andern Standpunkt darf man sich aber unseres Erachtens nicht stellen, da man sonst zu Konsequenzen käme, die von jedem unparteiischen Beurteiler als unannehmbar bezeichnet werden müßten.

,,Herr Nationalrat Suter versucht in der zweiten Broschüre nachzuweisen, der Bundesrat habe die Garantiestädte dadurch dem Verderben preisgegeben, daß er die Bewilligung zur Inangriffnahme der Obligationsgelder erteilte, obschon der Finanzausweis nicht geleistet war. Wenngleich dieser Vorwurf kein Mitglied des gegenwärtigen Bundesrates trifft, finden wir uns doch veranlaßt, ihn als unbegründet zurückzuweisen.

,,Der Art. 27 der Verordnung zum Eisenbahngesetz vom 1. Februar 1875, der durch den Beschluß des Bundesrates betreffend die Ergänzung des Finanzausweises der Nationalbahn vom 25. Juli 1876 verletzt worden sein soll, lautet folgendermaßen : ,,Wird das Unternehmen von einer Aktiengesellschaft ausgeführt, so hat dieselbe, insofern nicht die Totalsumme durch Aktien oder diesen gleichkommende "Werte gedeckt wird, den über die Aktienfceichnung u. s. w. hinaus restierenden Betrag auszuweisen durch bindende Zusicherungen von Gemeinwesen, Gesellschaften oder Privaten, denselben zum Bau und zur betrieblichen Ausrüstung der Bahn binnen einer bestimmten Frist, beziehungsweise spätestens auf den Zeitpunkt, da das Aktienkapital verwendet sein wird, in effektivem Gelde beschaffen zu wollen.a ,,Nun macht die Broschüre geltend, daß die Garantiestädte nur für die Rückzahlung des Kapitals und der Zinsen des 9 Millionen Anleihens Garantie geleistet hatten und daß diese Garantieleistung nicht als bindende Zusicherung, den Kapitalbetrag der Bahngesellschaft in effektivem Gelde beschaffen zu wollen, aufgefaßt werden durfte. Auf diesen Punkt sei der Bundesrat namentlich auch durch die Eingaben von Angehörigen der Minderheiten in Lenzburg und in Baden aufmerksam gemacht und ersucht worden, der Bank in Winterthur und der Eid-

820

genössischen Bank in Bern, bei denen die einbezahlten Obligationengelder deponiert waren, deren Verabfolgung zu Händen der Nationalbann sofort zu untersagen, bis der Bundesrat diese Verfügung wieder zurückziehe, falls er finde, daß die Nationalbahn den Vorschriften der Verordnung vom 1. Februar 1875 nachgekommen sei.

,,Es ist allerdings richtig, daß der Bundesrat damals das 9 Millionen Anleihen einem Zahlungsversprechen im Sinne des Art. 27 der Verordnung vom 1. Februar 1875 gleichstellte. Er nahm eben mit dem Eisenbahndepartement an, daß zufolge der Städtegarantie die Begebung der zweiten Anleihensserie ebenfalls gelingen werde. Hat er sich in dieser Annahme getäuscht?

Nein. Auf der gleichen Seite 42, auf welcher die Broschüre die ,,einseitige Stellungnahme"1 des Bundesrates als ,,geradezu unbegreiflicha bezeichnet, anerkennt sie, daß die O b l i g a t i o n e n g e l d e r s u k z e s s i v e i m B e t r a g e v o n 9 M i l l i o n e n einb e z a h l t w u r d e n . Der Erfolg hat also dem Bundesrat, der am 25. Juli 1876 das 9 Millionen Anleihen als Zahlungsversprechen berücksichtigte, Recht gegeben. Dieser Tatsache gegenüber sollte man heute nicht mehr mit ,,Wenn a und mit ,,Aber" argumentieren und es ist der Behauptung, der Bundesrat hätte das Unglück der Garantiestädte vermeiden können, wenn er auf die Minderheiten gehört hätte, nicht mehr Bedeutung beizumessen als jedem anderen Argument, z. B. daß die Garantiestädte von der Kalamität verschont geblieben wären, wenn in den Gemeindeversammlungen die Ansieht der Minderheiten obgesiegt hätte !

,,Nicht viel besser steht es um die auf Seiten 43 ff. der Broschüre aufgestellte Behauptung, durch die sogenannte Bundeshülfe sei den Garantiestädten keine Hülfe gebracht, sondern die Verpflichtung auferlegt worden, den Obligationsgläubigern Fr. 3,060,000 mehr zu bezahlen, als es durch die Lage der Dinge vom geschäftsmäßigen Standpunkt aus geboten war. Man habe nämlich mit den Inhabern der Obligationen Verhandlungen gepflogen, die eine Abfindung mit 66 °/o bezweckten. ,,Durch die von den Bundesbehörden aufgestellte Bedingung der Vollzahlung . . . . wurden alle daherigen Bestrebungen der Garantiestädte vereitelt."

,,Diese Darstellung erweckt den Ansehein, als hätten sich die Garantiestädte mit den Gläubigern abfinden können, wenn nicht der Bund gekommen,
ihnen seine Mithülfe gleichsam aufgezwungen und die Vollzahlung der Obligationen verlangt hätte. G e g e n eine solche D a r s t e l l u n g m ü s s e n wir auf Grund der

821 A k t e n V e r w a h r u n g e i n l e g e n . Wir erlauben-uns, auf die Botschaft des Bundesrates vom 23. November 1883 und auf die Protokolle der Verhandlungen zu verweisen, welche zwischen dem Vertreter des Bundesrates und den Vertretern der Regierungen von Zürich und Aargau am 29. Dezember 1882 und 6. Januar 1883 stattgefunden hatten. Daraus geht folgendes hervor: ,,Die Versuche, mit den Gläubigern ein Akkomniodement zu treffen, datierten aus dem Juni des Jahres 1882 und scheiterten schon damals an der Weigerung eines Teiles der Gläubiger, also bevor die Bundesbehörden sich mit der Angelegenheit befaßten.

Im Dezember 1882 beauftragte der Bundesrat den Vorsteher des Eisenbahndepartements, mit Abgeordneten der Regierungen von Zürich und Aargau die Angelegenheit zu besprechen. Die erste Konferenz, an welcher beide Regierungen durch je zwei Mitglieder ' vertreten waren, fand am 29. Dezember statt, nachdem am 20. gleichen Monats der Nationalrat über die Motion Brunner zur Tagesordnung übergegangen war. In dieser Konferenz äußerte sich der Vertreter des Bundesrates, er könne nicht eine Erklärung abgeben, daß und in welcher Form der Bundesrat eventuell eine materielle Hülfe aus Bundesmitteln beantragen werde. Als Voraussetzungen, die nach seiner, des Vertreters, Ansicht für die Bundeshülfe maßgebend wären, bezeichnete er: 1. daß die Hülfe von Seiten der Beteiligten n a c h g e s u c h t werde; 2. daß die Verpflichtungen, welche Gemeinden und Kantone zur Lösung des Bürgschaftsverhältnisses auf sich nehmen, in fertiger Weise vorliegen müssen, bevor ein Antrag an die Bundesversammlung gestellt werden könne. Es war also selbst damals von Seiten des Bundesrates noch nicht die Rede von einer Vollzahlung. Dagegen ergibt sich aus dem Protokoll jener Konferenz, daß schon vorher in den Verhandlungen, die zwischen den Regierungen von Aargau und Zürich gepflogen worden waren, die letztere ,,die unbedingte Zahlungspflicht"1 in den Vordergrund gestellt hatte. ,,Erst als wir uns überzeugten," heißt es in der Wiedergabe des Votums des einen zürcherischen Vertreters, ,,daß bei den aargauischen Interessenten mit diesem Gedanken nicht durchzudringen sei, hat man sich zürcherischerseits den Konversionsbestrebungen anbequemt, welche von Aargau ausgingen und mit denen den Gläubigern ungefähr zwei Dritteile ihres
Guthabens geboten wurden.

.... Das Konversionsanerbieten hatte aber keinen Erfolg; der zw e i t e Anlauf scheiterte s c h l i m m e r als der erste, und es ist a n z u n e h m e n , daß weitereVers u c h e a u f diesem W e g b e s s e r n E r f o l g nicht hätten."

822

Und in der zweiten Konferenz vom 6. Januar 1883 erklärte der Vertreter des Bundesrates wiederholt, ,,daß von selten des Bundes.

das Anerbieten eines Anleihens nicht gemacht worden isttt.

,,Erst als diese Verhandlungen resultatlos blieben und die Regierung des Kantons Zürich am 20. Januar 1883 an den Bundesrat, unter Berufung auf Art. 14 der Bundesverfassung, ein förmliches Interventionsbegehren stellte, sah er sich veranlaßt, einzugreifen, indem er zunächst die Verhältnisse der Garantiestädte durch eine Expertenkommission untersuchen ließ. Daß sich dann der Bundesrat ebenfalls auf den Standpunkt der vollen Befriedigung der Gläubiger stellte, wird man nach dem Gesagten und aus den auf der achten Seite der Botschaft vom 23. November 1883 angeführten Gründen begreifend Endlich hält der Bundesrat dafür, daß nach diesen Ausführungen und Feststellungen ein weiteres Eintreten auf eine Eingabe der aargauischen Mitglieder der Bundesversammlung an den Bundesrat vom 29. Dezember 1903, welche den Mitgliedern der eidgenössischen Räte durch die erstem am 15. Februar 1904 gedruckt zugestellt worden ist, nicht mehr nötig sei.

Auch in diesem Berichte 'kommt der Bundesrat zu dem Schlußantrag, es sei auf die G e s u c h e der R e g i e r u n g des Kantons Aargau nicht einzutreten.

Tit.

Nach diesen geschichtlichen und tatsächlichen Feststellungen,welche etwas einläßlicher, als es sonst geschieht, für die allseitige Würdigung des Gesuches des aargauischen Regierungsrates auszuführen nötig war, ist es zunächst unsere Aufgabe, die Begründung des letztern, wie sie die Potenten -- unseres Erachtens nicht ganz glücklich -- in mehreren, zeitlich getrennten Abteilungen versucht haben, zu erörtern.

A.

Als maßgebend für die Begründetheit des in Frage liegenden Gesuches wurde ursprünglich lediglich geltend gemacht, der Bund habe die Nationalbahn beim freihändigen Rückkäufe des ganzen Nordostbahnnetzes zu einem Preise erworben, der in keinem Verhältnisse zu den Leistungen der Garantiestädte für die erstere stehe etc. (vgl. Ziffer IX, pag. 805 ff.).

Dagegen ist nachgewiesen, daß die daherigen Behauptungen nicht zutreffen und den tatsächlichen Verhältnissen nicht ont-

823

sprechen. Sie erweisen sich also als irrtümlich und fallen aus diesem Grunde schon von vornherein dahin.

Dieser Standpunkt scheint uns aber auch grundsätzlich nicht haltbar zu sein. Wenn nämlich die mehrerwähnten Behauptungen · tatsächlich sogar richtig wären, so kämen die V o r t e i l e e i n e s b i l l i g e n E r w e r b e s der Nationalbahn durch den Bund n i c h t der a l l g e m e i n e n B u n d e s v e r w a l t u n g , von welcher die Übernahme und die Bezahlung der Obligationen der Kantone Zürich und Aargau an den Invalidenfonds verlangt wird, sondern den B u n d e s b a h n e n zu gut, an welche ein Anspruch nicht gemacht wird und niemals gemacht werden kann. Selbst der Bund besäße bei der bestehenden Gesetzgebung keine Kompetenz dazu (vgl. Art. 8 des Rückkaufsgesetzes vom 15. Oktober 1897).

Daß aus einem solchen Umstände eine r e c h t l i c h e V e r p f l i c h t u n g des Bundes gegenüber den Petenten zu der von ihnen nachgesuchten Schuldübernahme abgeleitet werden könne, prätendieren selbst diese nicht. Sie können es um so weniger, als sie sieb einen Rechtstitel dafür weder beim Zustandekommen des Rückkaufgesetzes vom Jahre 1897, noch beim Rückkäufe der Nationalbahn durch den Bund verschafft haben.

Endlich liegt es wohl auf der Hand, daß, wenn von einer Zuwendung solch angeblicher Vorteile an Dritte die Rede sein könnte, wie nicht, dieselbe nicht bloß an e i n z e l n e , sondern an a l l e durch das National bahnunternehmen Geschädigte im Verhältnis zum erlittenen Schaden geschehen müßte.

B.

Nachträglich wird für die Gutheißung des Gesuches aus Billigkeitsgranden zunächst betont, es treffe den ßundesrat ein Verschulden dafür, daß die Garantiestädte seinerzeit so belastet worden seien, weil er im Jahre 1876 die Inangriffnahme der Obligationsgelder der Nationalbahn bewilligt habe, obschon der Finanzausweis nicht geleistet gewesen sei. Diesen Vorwurf hat der Bundesrat in seinem Berichte an unsere Kommission (vgl. Ziffer XII, pag. 819) widerlegt. Wir erlauben uns, seinen Ausführungen noch folgendes beizufügen : 1. Wenn dieser Vorwurf begründet wäre und ein Motiv für irgend welche Leistungen des Bundes an die Garantiestädte bilden könnte, so hätte dies unbedingt schon im Jahre 1883 geltend gemacht werden müssen und wäre dies auch geschehen. Gerade der Umstand, daß es damals unterblieben und von keiner Seite

824 auch nur angedeutet wordeü ist, beweist die Unhaltbarkeit dieser Argumentation der Petenten am besten.

2. Wenn aber auch das Gegenteil der Fall wäre, so hätte der Bund durch seine Leistungen gemäß Bundesbeschluß vom 21. Dezember 1883 die angebliche Schuld seiner Exekutive gewiß mehr als gesühnt.

3. Tatsächlich trifft jedoch die Schuld an der Kalamität, in welcher die Garantiestädte des Kantons Aargau durch die Nationalbahnunternehmung gekommen sind, vor allem aus, die Mehrheiten der Bewohner dieser Gemeinden selbst, welche entgegen den wohlmotivierten Warnungen und Vorstellungen der Minderheiten den Gemeinden die fraglichen Lasten aufgebürdet haben, und, wenn man einen Schritt weiter gehen will, auch die Regierung des Kantons Aargau, welche die Rekurse der Minderheiten gegen die bezüglichen Beschlüsse der Gemeinden Baden, Lenzburg und Zoflngen im Jahre 1874 abgewiesen hat (vgl. Ziffer I, pag. 779). Es sollte daher, von diesem Gesichtspunkte ausgehend, der Kanton Aargau den Garantiestädten entgegenkommen. Er dürfte dies um so eher, als seine Leistungen für das Nationalbahnunternehmen gegenüber denjenigen des Kantons Zürich äußerst geringe sind.

Der Kanton Aargau hat nämlich an die Linie Winterthur-Zofingen beigetragen : a. Fr. 1000 (ein Tausend Franken) durch Zeichnung einer Gründungsaktie, und b. Fr. 550,000 Leistung an die drei Garantiestädte am 1. Mai 1884; Der Kanton Zürich dagegen : a. Fr. 1,835,000 Beitrag an die Baukosten laut Gesetz vom 14. April 1872 (Fr. 50,000 per Kilometer) und b. seit 1884 j ä h r l i c h Fr. 10,000-Beitrag an die Gemeinde Winterthur für die Abhebung. des Bundesanleihens vom 1. Mai 1884 bis zu dessen gänzlicher Tilgung im Jahre 1934 (vgl. Ziffer I, pag. 779, Ziffer HI, pag. 785 und 787, und Ziffer V, pag. 795).

C.

Offenbar faute de mieux wird sodann der Bundesversammlung selbst noch ein Verschulden gegenüber den Garantiestädten dahingehend imputiert, daß erstere den letztern bei Gewährung des Darlehens von Fr. 2,400,000 die Verpflichtung überbunden habe, ihre Gläubiger der Nationalbahnschuld vollständig zu befriedigen.

Auch diesfalls kann vorerst auf die Ausführungen des Bundesrates in seinem Berichte an unsere Kommission (vergi. Ziff. XII,

825 pag. 820 ff.) verwiesen werden. Es ergibt sich daraus mit Bestimmtheit, daß die Petenten sich auch hierbei in einem tatsächlichen Irrtume befinden. Abgesehen davon, ist die Tendenz, welche die Bundesversammlung bei Gewährung der Bundeshülfe zur Hebung der damaligen finanziellen Notlage der Garautiestädte im Dezember 1883 geleitet hat, durchaus zu billigen und auch damals von den letztern und den Regierungen des Kantons Zürich und Aargau als vollkommen berechtigt anerkannt worden (vergi.

Ziff. V, pag. 794--797). Es erscheint uns deshalb ohne weiteres als unbegründet und unzutreffend, für das gestellte Gesuch auf das Verhalten der Bundesversammlung im Jahre 1883 sich zu berufen.

D.

Endlich wird noch gesagt, der Bund habe zu gunsten der Garantiestädte im Jahre 1883 ein Opfer von Fr. 600,000 bringen, ihnen diesen Betrag schenken wollen und diese Summe werde nun beim Fortbestande der Verpflichtung zur Einlösung der noch nicht bezahlten Obligationen mit Rücksicht auf das Sinken des Zinsfußes nicht erreicht, so daß sich wenigstens eine Reduktion des letztern von 2 Va auf 18/4 °/o rechtfertigen ließe (vergi.

Ziff. XI, pag. 817). Dagegen kommen zunächst die Erwiderungen des Bundesrates iu seinem Berichte an unsere Kommission in Betracht (vergi. Ziff. XII, pag. 817 ff.). Uns erscheint die Berufung auf den Umstand, daß der allgemeine Zinsfuß in den letzten Jähen einigermaßen zurückgegangen ist, durchaus unstichhaltig. Die ganze Angelegenheit betreffend die Unterstützung der Garantiestädte ist im Jahre 1884 endgültig und definitiv liquidiert worden. Die Fluktuationen des Geldmarktes können auf das durch die damaligen Transaktionen normierte Verhältnis zwischen Bund und den Kantonen Zürich und Aargau absolut keinen Einfluß ausüben. Der Bund ist damals den Garantiestädten so weit entgegengekommen, als es erforderlich war, um sie aus ihrer finanziellen Notlage zu retten und sie so zu stellen, daß ihnen ihr ungestörter Fortbestand gesichert und eine allmähliche Abhebung ihrer bescheiden gehaltenen Verbindlichkeiten gegenüber dem Bunde ermöglicht wurde. Um ihre Verpflichtungen an ihre Gläubiger zu erfüllen, bedurften sie die nötigen Mittel. Wenn sie solche nicht aufbrachten, trat der Konkurs ein. Diese Mittel besaßen sie nicht und konnten sie überhaupt nicht erhältlich machen, weil sie keinerlei Garantien zu leisten im stände waren. Da verabfolgte ihnen der Bund diese Mittel, indem er nicht nur auf alle und jede Sicherheit für sein Darlehen verzichtete, sondern dasselbe für 50 Jahre zu Bundesblatt. 56. Jahrg. Bd. m.

55

826 dem damals und auch heute noch höchst bescheidenen Zinsfuße von 2*/s °/o mit der weitern Verpflichtung zur Leistung von l °/o jährlich für die Amortisation der Schuld vorschoß. Damit war die Sache ein für allemal erledigt und dachte wohl niemand daran, daß man früher oder später, ausgenommen in einem durch ganz außerordentliche Verhältnisse eintretenden neuen Notstande der Garantiestädte, darauf zurückkommen werde. Im übrigen bemerken wir noch beiläufig, daß ein Sinken des Zinsfußes ja den Schuldnern nnter allen Umständen zu gute kommt, weil sie sich die Mittel zur Bezahlung der Obligationen billiger verschafien können, als bisher, sowie daß im Falle des Steigens des Zinsfußes, was nicht ausgeschlossen ist, es ihnen wohl nicht einfallen und von ihnen auch nicht verlangt werden dürfte, dem Bunde größere Leistungen zu machen, als wozu sie nach dem Inhalte der im Besitze des Invalidenfondes sich befindlichen Titel gehalten sind.

Tit.

Nach unseren bisherigen Ausführungen qualifiziert sich das Begebren, welches der Regierungsrat des Kantons Aargau namens der Einwohnergemeinden Baden, Lenzburg und Zofingen an den Bund stellt, einfach als ein Gesuch um eine S c h e n k u n g an diese drei Gemeinden resp. auch an die Gemeinde Winterthur, welch letztere solches nicht direkte gestellt, sondern aus naheliegenden und begreiflichen Gründen sich ihm nur angeschlossen hat. Statt daß bisher die Kantone Zürich und Aargau teils aus eigenen, teils aus den Mitteln der Garantiestädte die von den erstem ausgestellten Obligationen auf Verfall eingelöst haben, soll dies in Zukunft durch die Bundesverwaltung geschehen, d. h.

diese hierfür vom 1. Mai 1904 bis 1. Mai 1935 j ä h r l i c h F r a n k e n 85,000 ausgeben.

Gegenüber einem solchen Verlangen sollen und müssen die Bundesbehörden, sofern sie die bisher in unserm politischen und Rechtsleben allgemein anerkannten Grundsätze nicht preisgeben wollen, unseres Erachtens grundsätzlich entschieden abl e h n e n d sich vefhalten. Dafür mangelt jede verfassungsmäßige oder gesetzliche Grundlage. Daß Art. 23 der Bundesverfassung auch nur per Analogie im konkreten Falle zutreffen sollte, wie ·von den Petenten angetönt worden ist. braucht beim klaren Wortlaute desselben hier wohl nicht besonders widerlegt zu werden.

Die Errichtung von öffentlichen Werken oder ihre Unterstützung im Interesse der Eidgenossenschaft oder eines großen Teiles derselben durch den Bund ist himmelweit verschieden von der Übernahme der Folgen von Fehlern, welche Kantonen oder Gemeinden

827 zur Last fallen und für die sie allein verantwortlich sindi Sodann ist von den Bundesbehörden bisher auf allen Gebieten daran festgehalten worden, daß der Bund Gemeinden etc. nur dann, subventioniert, wenn auch der betreffende Kanton entsprechende Beiträge leistet. Geschieht dies durch diesen nicht,- so ist jede Bundessubvention von vornherein ausgeschlossen. Endlich wären die Konsequenzen eines Eintretens auf ein solches Begehren, wie es gestellt ist, geradezu unabsehbare. Nicht nur haben eine sehr große Anzahl von Gemeinden in der Schweiz gleiche oder noch größere Opfer für Eisenbahnzwecke als die Potenten gebracht, und sind infolge davon finanziell überlastet worden, sondern es wäre zu befürchteü, daß selbst Gemeinden etc., welche durch anderweitige Ausgaben im wirklichen oder vermeintlichen öffentlichen Interesse momentan vielleicht überschuldet sind, Erleichterung durch milde Gaben der in solchen Lagen stets geliebten und geschätzten Mutter Helvetia zu finden versuchten. Da heißt es: principiis obsta, selbst wenn der Bund finanziell noch so gut gestellt und nicht, wie es tatsächlich der Fall, aufs Sparen angewiesen wäre!

Abgesehen von dieser prinzipiellen Seite der Frage ist zu berücksichtigen, daß die Petenten die von ihnen nachgesuchte Schenkung auch nicht bedürfen. Sie befinden sich nicht mehr in einer finanziellen Notlage, für deren Beseitigung die Hülfe des Bundes, wie im Jahre 1883, nötig wäre. Es ist damals vom Bunde genug geschehen, um solche b l e i b e n d aus der Welt zu scharfen. Der Zweck der damaligen BundeshUlfe ist erreicht worden, heute ist sie nicht mehr erforderlieh. Die in Frage kommenden Gemeinden sind bezüglich ihrer finanziellen und wirtschaftlichen Lage, ihrer Steuerverhältnisse etc. ebenso gut, selbst besser gestellt, als eine große Anzahl anderer Gemeinwesen in der Schweiz. Es liegt deshalb für die Bundesbehörden gegenwärtig absolut kein Grund vor, ihnen auf Rechnung des Bundes b e s o n d e r e B e g ü n s t i g u n g e n zu gewähren.

Tit.

Gestützt auf die im vorstehenden enthaltenen Feststellungen und Erwägungen, welche sowohl für den Erlaß der ganzen Schuld, als die Reduktion des Zinsfußes in gleicher Weise gelten, beantragt Ihnen die Kommission einstimmig: Es sei das Gesuch der Regierung des Kantons Aargau vom 9. Dezember 1901 um Erlaß des Restes der Schuld vom Darleihen für die Nationalbahnschuld laut Bundesbeschluß vom 21. Dezember 1883 abzuweisen und das eventuell gestellte Gesuch des

828

Regierungsrates des Kantons Zürich vom 27. März 1902 um Erlaß der daherigen Schuldrestanz des Kantons Zürich damit als dabingefallen zu erklären.

Bern, den 31. Mai 1904.

Hochachtend !

Der Berichterstatter der nationalrätlichen Kommission:

Gallati.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der nationalrätlichen Kommission betreffend Erlaß der sog.

Nationalbahngarantieschuld. (Vom 31. Mai 1904.)

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Bundesblatt

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Foglio federale

Jahr

1904

Année Anno Band

3

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23

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

08.06.1904

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777-828

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10 021 008

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