971

# S T #

Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen, betreffend die durch Kinder von in der Schweiz naturalisierten Franzosen bei Optionserklärungen zu befolgenden Vorschriften.

(Vom 15. November 1904.)

Getreue, Hebe Eidgenossen !

Die minderjährigen Kinder eines im Auslande naturalisierten Franzosen bleiben nach französischem Rechte Franzosen, während nach schweizerischem Rechte die Naturalisation des Vaters sich ipso jure auf die minderjährigen Kinder erstreckt. Dieser Widerstreit der Gesetzgebungen beider Länder hatte namentlich für die Söhne von in der Schweiz naturalisierten Franzosen nachteilige Folgen, indem beide Staaten, Frankreich und die Schweiz, von ihnen die Leistung der Militärpflicht beanspruchten.

Um diesen Übelständen abzuhelfen, wurde am 23. Juli 1879 zwischen der Schweiz und Frankreich eine Übereinkunft betreffend die Nationalität der Kinder und den Militärdienst der Söhne von in der Schweiz naturalisierten Franzosen abgeschlossen (A. 8. n.

F. Bd. V, 178), welche im Art. l bestimmt: ,,Die zur Zeit der Naturalisation französischer Eltern noch minderjährigen Kinder derselben haben während ihres zweiundzwanzigsten Altersjahres das Recht der Option zwischen der schweizerischen und der französischen Nationalität. Bis zu dem Zeitpunkte, in welchem sie für die schweizerische Nationalität optiert haben, werden sie als Franzosen betrachtet."

972

Wir haben Ihnen den Text dieser Übereinkunft und das für die Optionserklärungen zu verwendende Formular durch Kreisschreiben vom 27. Juli 1880 (Bundesblatt 1880, Bd. III, S. 523) mitgeteilt.

Die nach diesem Formular ausgestellten Optionserklärungen wurden bisher nicht beanstandet; die Angabe des Datums der Geburt des Vaters des Optanten war von jeher nicht erforderlich, ebensowenig die Beibringung irgendwelcher zivilstandsamtlicher Urkunden.

In Zukunft soll es anders sein.

Die französische Regierung hat uns nämlich mitgeteilt, sie erachte es für erforderlich, daß fortan jeder Optionserklärung^ folgende Ausweise beigefügt werden : 1. der Geburtsschein des Optanten; 2. der Geburtsschein des Vaters des Optanten ; 3. die Geburtsscheine des Optanten, des Vaters und der Mutter,, der Eheschein der Mutter und der Totenschein ihres Ehemannes in allen Fällen, wo die Option sich auf die Einbürgerung der Mutter des Optanten stützt.

Der Grund dieser Neuerung liegt in der Gesetzgebung Frankreichs über die Nationalität.

Artikel 17, § l, des Code civil lautete ursprünglich: ,,Die französische Staatsangehörigkeit verliert: 1. wer sich im Auslande einbürgern läßt."1 Das Gesetz vom 26. Juni 1889 hat diesen Artikel wie folgt geändert : ,,Die französische Staatsangehörigkeit verliert: 1. der Franzose, welcher im Auslande naturalisiert wird oder auf sein Ansuchen ein fremdes Staatsbürgerrecht kraft Gesetzes erwirbt.

Ist er noch dem Militärdienst im aktiven Heere unterworfen, so verliert er die französische Staatsangehörigkeit durch seine Einbürgerung im Auslande nur dann, wenn diese mit Genehmigung der französischen Regierung erfolgt."1 Das aktive Heer umfaßt nach französischer Auslegung auch dessen Reserve.

Da der Franzose drei Jahre im aktiven Heere und zehn Jahre in dessen Reserve vom i. November desjenigen Jahres an

973 zu dienen hat, in welchem er das einundzwanzigste Lebensjahr erreicht, so verliert er die französische Staatsangehörigkeit nur dann, wenn er mit der Genehmigung der französischen Regierung, oder erst nach dem 31. Oktober desjenigen Jahres, in welchem er das 34. Lebensjahr zurücklegt, ein fremdes Bürgerrecht erwirbt.

Die französische Regierung vertritt nun die Ansicht, daß die Kinder von in der Schweiz naturalisierten Franzosen, welche kraft der erwähnten Bestimmungen die französische Staatsangehörigkeit beibehalten haben, nicht optieren dürfen. Die Ausübung des Optionsrechtes setze eine nach den Gesetzgebungen beider Länder gültige Naturalisation der Eltern voraus. Hieraus ergebe sich die Notwendigkeit, jeder Optionserklärung die vorhin aufgezählten Urkunden beizulegen, damit festgestellt werden könne, ob die Bedingungen für eine gültige Option erfüllt seien oder nicht.

Wir können diese Auffassung nicht teilen, und zwar aus folgenden Gründen : Die Übereinkunft vom 23. Juli 1879 gewährt das Optionsrecht allen Franzosen, deren Eltern das Schweizerbürgerrecht zu einer Zeit erworben haben, wo sie -- die Optanten -- noch minderjährig waren. Die Frage, ob eine gültige Naturalisation zu stände gekommen ist, beantwortet sich naturgemäß ausschließlich nach schweizerischem Rechte. Der Vertrag von 1879 kennt eine Einschränkung des Optionsrechtes in dem Sinne, daß der Vater des Optanten die französische Staatsangehörigkeit verloren haben müsse, nicht. Irrelevant ist es, welche Folgen die französische Gesetzgebung an die Naturalisation eines Franzosen im Auslande knüpft, indem internationale Übereinkünfte den Gesetzen der vertragschließenden Staaten derogieren.

Die französische Regierung beharrte indessen auf ihrem Standpunkt, und wir sahen uns vor die Alternative gestellt, die Übereinkunft vom 23. Juli 1879 in Anwendung von deren Art. 6 zu kündigen, oder uns den französischen Forderungen zu unterziehen.

Nach reiflicher Erwägung haben wir beschlossen, von einer Kündigung des erwähnten Vertrages Umgang zu nehmen, weil sich derselbe auch bei der restriktiven Auslegung der französischen Regierung noch als vorteilhaft erweist. Die Mehrzahl der Optanten stammen nämlich von in der Schweiz naturalisierten Franzosen ab, welche die französische Staatsangehörigkeit gemäß dem durch das Gesetz vom 26. Juni 1889 modifizierten Art. 17,

974

§ l, des Code civil verloren haben. Die Übereinkunft von 1879 gewährt ihnen die Möglichkeit, die französische Nationalität abzulehnen, das Schweizerbürgerrecht zu erwerben und sich auf diese Weise allen unangenehmen Folgen zu entziehen, welche mit dem Besitze eines Doppelbürgerrechte verbunden sind.

Wir laden Sie daher ein, den Gemeindebehörden Weisungen in dem Sinne zugehen zu lassen, daß fortan die Optionserklärungen nach beiliegendem Formular (Beilage I) ausgefertigt und uns nebst den von der französischen Regierung verlangten Ausweisen zugestellt werden.

Wir haben uns veranlaßt gesehen, auch das Formular für die Optionsanzeigen (Beilage H) zu ändern.

Das Politische Departement wird Ihnen eine genügende Anzahl beider Formulare zur Verfügung stellen.

Gerne benutzen wir auch diesen Anlaß, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 15. November 1904.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Comtesse.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft :

ßingier.

2 Beilagen.

975 Beilage I.

OptionserlcläriMig'.

Der Unterzeichnete Präsident der Gemeinde __.

im Kanton (Schweiz), bezeugt, hiermit, daß heute .

__, wohnhaft in vor ihm erschienen ist und unter Vorweisung der erforderlichen Urkunden folgende Erklärung abgegeben hat: Er (sie) sei am .

in geboren als Sohn (als Tochter) des gebürtig (oder abstammend) aus .

... .

und der .

_, gebürtig (oder abstammend) aus_, sein (ihr) Vater, geboren am und seine (ihre) Mutter, geboren am hätten sich am in verehelicht ; sein (ihr) Vater (eventuell : seine oder ihre Mutter, Witwe des am in verstorbenen ), wohnhaft in , habe am das Bürgerrecht der Gemeinde und des Kantons (Schweiz) erworben.

Hierauf gestützt verzichte er (sie) gemäß der Übereinkunft zwischen der Schweiz und Frankreich vom 23. Juli Î879 auf die französische Staatsangehörigkeit und optiere für die schweizerische Nationalität.

(Datum) Unterschrift des Gemeindepräsidenten : (Siegel)

Unterschrift des Optanten: Seilagen (s. Bückseite).

976

Urkunden, die der Optiouserklärung beizufügen sind: der Geburtsschein des Optanten.

Stützt sich die Option auf die Einbürgerung des Vaters des Optanten in der Schweiz, so genügt es, wenn, außer dem Geburtsschein des Optanten, noch der Geburtsschein des Vaters beigefügt wird.

Beruft sich der Optant auf die in der Schweiz erfolgte Einbürgerung seiner Mutter, so hat er folgende Ausweise vorzulegen: seinen Geburtsschein und die Geburtsscheine seiner Eltern, den Eheschein seiner Eltern und den Todesschein seines Vaters.

NB. Wenn die Optionserklärung von einem Bevollmächtigten gegeben wird, so muß die Unterschrift in der Vollmacht amtlich beglaubigt und die Vollmacht selbst der Optionserklärung beigefügt sein.

977 Beilage II.

Optioiisanzeig-e.

Der Unterzeichnete , Präsident der Gemeinde im Kanton (Schweiz), bezeugt hiermit, daß heute Herr.

_, wohnhaft in.

vor ihm erschienen ist und unter Vorweisung der erforderlichen Urkunden folgende Erklärung abgegeben hat: Er sei am in geboren als Sohn des , gebürtig (oder abstammend) aus und der , gebürtig (oder abstammend) aus sein Vater, geboren am seine Mutter, geboren am hätten sich am in verehelicht ; sein Vater (eventuell : seine Mutter, Witwe des am

, und ,

verstorbenen

), wohnhaft in , habe am das Bürgerrecht der Gemeinde und des Kantons (Schweiz) erworben.

Hierauf gestützt beabsichtige er im Laufe seines zweiundzwanzigsten Altersjahres gemäß der Übereinkunft zwischen der Schweiz und Frankreich vom 23. Juli 1879 auf die französische Staatsangehörigkeit zu verzichten und für die schweizerische Nationalität zu optieren ; bis dahin beanspruche er die Befreiung von jedem Militärdienst im Sinne von Art. 3 der erwähnten Übereinkunft.

(Datum)

(Unterschriften)

(Siegel) Verte

978 NB. Diese vorläufige Erklärung ist vor dem 20. Oktober desjenigen Jahres, wo der Optionsberechtigte sein zwanzigstes Altersjahr zurückgelegt, in doppeltem Originalexemplar dem politischen Departement zuzustellen.

Diese Anzeige hat lediglich den Zweck, zu verhindern, daß der Anzeigende in die französischen Rekrutierungslisten eingetragen wird, und kann nicht die definitive Optionserklärung ersetzen, welche der Optant im Laufe seines 22. Altersjahres abzugeben hat.

--^=-o~^-

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen, betreffend die durch Kinder von in der Schweiz naturalisierten Franzosen bei Optionserklärungen zu befolgenden Vorschriften. (Vom 15. November 1904.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1904

Année Anno Band

5

Volume Volume Heft

47

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

23.11.1904

Date Data Seite

971-978

Page Pagina Ref. No

10 021 200

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.