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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Nichtbezahlung von Militärpflichtersatz bestraften Rudolf Sollberger, Bahnarbeiter in Bern.

(Vom 28. Oktober 1904.)

Tit.

Rudolf Sollberger, Bahnarbeiter in Bern, wurde für das Jahr 1903 mit Fr. 10. 50 Militärpflichtersatz belastet und, da er trotz der gesetzlich vorgeschriebenen Mahnungen denselben nicht bezahlte, von der Militärbehörde dem Strafrichter überwiesen, der ihn am 30. Januar 1904 mit einem Tag Gefängnis und sechs Monaten Wirtshausverbot bestrafte. Am 8. Februar leistete Sollberger die verlangte Zahlung laut Eintrag in seinem Dienstbüchlein.

Er ersucht um Aufhebung der Strafe mit der Begründung, daß ihm die rechtzeitige Zahlung unmöglich gewesen sei, weil sein Arbeitsverdienst von Fr. 3. 70 per Tag kaum hinreiche, um die Bedürfnisse seiner Familienangehörigen (Ehefrau, zwei Kinder und seine alte Mutter) zu bestreiten. Die städtische Polizeidirektion berichtet, Sollberger sei am 2. Juni 1903 wegen Unterschlagung mit 30- Tagen Einzelhaft bestraft worden und habe sich auch hin und wieder dem Trunke ergeben. Eine Empfehlung seines Gesuches könnte nur mit Rücksicht auf die schwierige ökonomische Lage der Familie geschehen. Der Regierungsstatthalter

284 von Bern halt den Mann für nicht gerade sehr empfehlenswert und glaubt, er hätte mit einigem guten Willen die Ersatzsteuer bezahlen können ; wer seine Dienstpflicht erfülle, bringe ganz andere Opfer an Zeit und Geld als Sollberger.

Es darf allerdings angenommen werden, der Gesuchsteller hätte seine Schuld ebensogut Ende Januar als acht Tage nach der gerichtlichen Verhandlung entrichten und damit die Bestrafung verhindern können ; die Nichtbezahlung war daher offenbar in einem gewissen Grade eine schuldhafte. Und mit Rücksicht auf die Berichte der bernischen Behörden über das Vorleben Sollbergers darf gesagt werden, daß keine Veranlassungvorhanden sei, die vom Richter auf das gesetzliche Mindestmaß beschränkte Freiheitsstrafe aufzuheben. Das verhängte Wirtshausverbot ist durch Zeitablauf schon lange erloschen.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag: Es sei das Gesuch des Rudolf Sollberger abzuweisen.

B e r n , den 28. Oktober 1904.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Comtesse.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Nichtbezahlung von Militärpflichtersatz bestraften Rudolf Sollberger, Bahnarbeiter in Bern. (Vom 28. Oktober 1904.)

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Jahr

1904

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5

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44

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

02.11.1904

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283-284

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