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Bundesratsbeschluß betreffend

die Beschwerde von H. Heymann & Cie., Manufakturwarenhandlung, in Basel, wegen Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit (Bestrafung wegen Übertretung der baselstädtischen Vorschriften über Teilausverkäufe).

(Vom 21. Oktober 1904.}

Der schweizerische Bundesrat, hat über die Beschwerde von H. H e y m a n n & Cie., Manufakturwarenhandlung, in Basel, wegen Verletzung der Handelsund Gewerbefreiheit (Bestrafung wegen Übertretung der baselstädtischen Vorschriften über Teilausverkäufe); auf den Antrag seines Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt: A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Durch Urteil des Polizeigerichtes des Kantons Baselstadt, vom 29. Juli 1904, sind H. Heymann & Cie., in Basel, wegen Ausverkaufs ohne Bewilligung nach § 166, Ziffer 3, des Polizeistrafgesetzes mit einer Buße von Fr. 40 belegt worden.

125 Die angeführte Gesetzesbestimmung lautet: ,,Mit Geldbuße bis zu Fr. 200 oder Haft bis zu vier Wochen wird bestraft, wer den Vorschriften über Ausverkäufe (§§ 8, 11, 12, 15, 16) zuwiderhandelt."

II.

Gegen dieses Urteil des Polizeigerichtes haben H. Heymann &, Cie., mit Eingabe vom 10. August 1904, die staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesrat erhoben und das Rechtsbegehren auf Aufhebung des Urteils gestellt, und zur Begründung folgendesvorgebracht : 1. Rekurrenten, welche seit 1895 in Basel ein Manufakturwarengeschäft betreiben, eröffneten im Herbst 1903 zwei Filialen, eine in Gerbergasse 44 und die andere Greifengasse 27. Aus persönlichen Rücksichten genötigt, die erstere eingehen zu lassen, stellten sie am 27. Mai 1904 an das Basler Polizeidepartement das Gesuch, ihnen zur Liquidation des Warenstockes in dieser Filiale einen Totalausverkauf zu bewilligen nach Maßgabe von §§ 8 fi. des baselstädtischen Gesetzes betreffend den unlauteren Wettbewerb vom 11. Oktober 1900.

Durch Verfügung vom 28. Mai laufenden Jahres entschied das Departement: ein Totalausverkauf könne nicht bewilligt werden, da es sich nicht um Aufgabe des ganzen Geschäftes handle; Petenten seien auf den Weg des Teil- (jSaison-) Ausverkaufs zu verweisen.

Petenten rekurrierten an den Regierungsrat, welcher indessen durch Beschluß vom 4. Juni laufenden Jahres den Rekurs abwies, und die neueste, von der bisherigen zugestandenermaßen abweichende Praxis des Polizeidepartements, Totalausverkäufe nur noch bei gänzlicher Aufgabe eines Geschäftes zu bewilligen, guthieß.

.Die Rekurrenten kamen nun notgedrungen um die Bewilligung eines Teilausverkaufs ein, welcher ihnen für die Zeit vom< 13. Juni bis 9. Juli laufenden Jahres bewilligt wurde.

Als sie sich anfangs Juli überzeugten, daß sie mit der Liquidation des Warenstockes innert der bewilligten Frist unmöglich zu Ende gelangen könnten, kamen sie um eine Verlängerung der Bewilligung ein, wurden indessen mit diesem Begehren auf Grund von § 16 des zitierten Gesetzes abgewiesen.

Rekurrenten fügten sich dem Entscheid, hielten sich aber auf Grund von Art. 31 der Bundesverfassung für berechtigt, die-

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Waren zu den ihnen gutscheioenden Preisen weiterzuverkaufen und dies durch folgendes Inserat bekannt zu geben: ,,Wegen gänzlicher Aufgabe unserer Filiale Gerbergasse 44 'haben wir, um das Lager zu räumen, unsere Preise um 20, 30 · bis 40 Prozent ermäßigt u. s. w.tt Kein Wort dieses Inserates entsprach nicht der vollen Wahrheit, wie selbst die Staatsanwaltschaft in ihrem Plaidoyer zugestehen mußte; trotzdem wurde die Firma wegen desselben dem Polizeigericht verzeigt und von diesem zu einer Geldstrafe von .Fr. 40 verurteilt.

2. Dieser Entscheid verletzt Art. 31 der Bundesverfassung, ·welcher die Freiheit des Handels und Gewerbes im ganzen Umfang der Eidgenossenschaft gewährleistet.

Rekurrenten hatten die Filiale gekündet und sahen sich deshalb genötigt, mit den darin befindlichen Waren aufzuräumen und zu diesem Zwecke die Preise zu ermäßigen, was sie öffentlich bekannt gaben.

In dieser Bekanntmachung liegt keine Ausverkaufsankündi·gung. Noch nie ist es einem Kaufmann verboten gewesen, der Gattung nach bestimmte Waren billiger zu erlassen und diese Preisermäßigung öffentlich bekannt zu geben, selbst dann nicht, wenn er außer den ausgebotenen keine anderen Waren führt, der billige Verkauf sich also tatsächlich als Ausverkauf darstellt (vergleiche z. B. das Inserat in den ,,Basler Nachrichten" Nr. 188, .lautend : Gelbe und farbige Schuhe mit 15 % Rabatt, Schwarze Sommerschuhe mit 10 °/o Rabatt offeriert Alb. Lumpert, Eisengasse 34.

Warum soll er sich aber dann einer strafbaren Handlung ·schuldig machen, wenn, wie hier, eine Beschränkung des Verkaufs auf einen örtlich statt generell begrenzten Rayon anerkanntermaßen vorliegt?

Das kantonale Gesetz vom 11. Oktober 1900 bildet mit seiner dem Begriff ,,Ausverkauf" widersprechenden Unterscheidung von Total- und Teilausverkauf und seinen über die bundesrechtlich zulässige Gewerbepolizei weit hinausgehenden administrativen Verfügungen selbst schon einen Eingriff in die Gewerbefreiheit, insoweit es, wie der vorliegende Fall zeigt, den ehrlichen Kaufmann hindert, bis zur Erschöpfung seines Warenstockes zu verkaufen und bildet, indem es der administrativen Praxis vollständig freie

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Hand läßt, eine beständige Gefährdung des Grundsatzes der Rechtsgleichheit (Art. 4 der Bundesverfassung").

Daß die sich an das Gesetz anschließende Praxis, wie das Departement in seiner Veraehmlassung an den Regierungsrat selbst zugibt, sehwankt, das zeigen folgende Fälle: 1. Dem Charles Ferralli wurde für seinen Bazar parisien am Steinenberg eine Bewilligung zum Totalausverkauf erteilt, obwohl er eine seit vielen Jahren an der Greifengasse bestehende Filiale als nunmehr einziges Geschäft weiterbetreibt.

2. Salomon Bollag, Hauptgeschäft an der Marktgasse, erhielt vor Jahresfrist die Bewilligung zum Totalausverkauf eines von ihm käuflich erworbenen gleichartigen Manufakturwarengeschäftes an der Eisengasse (Gebr. Gunz).

III.

Mit Zuschrift vom 29. August 1904 hat die Regierung des Kantons Baselstadt die Abweisung dieser Beschwerde beantragt, und im wesentlichen ausgeführt: Die rekurrierende Firma hat für ihre Filiale Gerbergasse 44 in Basel auf ihr Ansuchen eine Bewilligung zum Teilausverkauf nach § 16 des Gesetzes betreffend den unlautern Wettbewerb, vom 11. Oktober 1900, erhalten. Dieser Paragraph lautet: ,,Auch zu ändern Zwecken als zum Saisonausverkauf, wie z. B. bei Gelegenheit des Lokal Wechsels oder des Überganges des Geschältes an einen ändern Inhaber kann eine Bewilligung zum Teilausverkauf erteilt werden, jedoch darf dieselbe in keinem Falle mehr als 4 Wochen innert Jahresfrist dauern."

Während der Zeit des Teilausverkaufes hat die Rekurrentin zugestandenermaßen den Warenbestand ihrer Filiale durch Zufuhr aus dem Hauptgeschäft ergänzt. Bin Gesuch um Verlängerung der Bewilligung zum Teilausverkauf wurde abschlägig beschieden, da das Gesetz eine Verlängerung über 4 Wochen hinaus nicht kennt.

Nach Ablauf des Teilausverkaufs kündigte aber die Firma in einem Inserat vom 12. Juli den Verkauf ihrer Waren in der Filiale Gerbergasse u. a. mit den Worten an: ,,Wegen gänzlicher Aufgabe der Filiale Rabatt bis 40 °/o, ferner, um das Lager schleunigst zu räumen, . . . . und es gelangen d i e s e W o c h e noch besonders in Verkauf . . . ."· Diese Ankündigung hat die Verurteilung der Rekurrentin nach sich gezogen.

128 Gegen die in der Beschwerde erhobenen Vorbringen ist im allgemeinen einzuwenden, daß weder das Gesetz noch die ausführenden Behörden den Gewerbetreibenden an der Preisfestsetzung hindern, und daß Ankündigungen, welche schlechthin auf Verkauf zu herabgesetzten oder billigen Preisen lauten, unbeanstandet gelassen werden; auch ist es dem Gewerbetreibenden unbenommen, seine Waren durch Ausverkauf abzusetzen, sofern er eine amtliche Bewilligung eingeholt hat und die gesetzlich vorgeschriebenen Bedingungen erfüllt siud.

Als man durch Erlaß von gesetzlichen Bestimmungen über Ausverkäufe dem schwindelhaften Geschäftsgebahren entgegenzutreten trachtete, war vorauszusehen, daß eine Umgehung des Gesetzes auf alle möglichen Arten werde versucht werden. Es war Aufgabe der ausführenden Behörde, zu prüfen, nicht bloß, ob ein polizeilich angemeldeter Ausverkauf nach dem Gesetz berechtigt sei und bewilligt werden könne, sondern auch, ob ein ohne amtliche Bewilligung angekündigter und veranstalteter Warenverkauf als verschleierter Ausverkauf anzusehen und demnach zu behandeln sei. Es wurden deshalb gleich nach Erlaß des Gesetzes die hiesigen Geschäftsinhaber in periodischen Publikationen darauf aufmerksam gemacht, daß unter die gesetzlichen Bestimmungen betreffend Ausverkäufe auch alle ausverkaufsähnlichen Veräußerungen von Waren fallen, daß daher Verkäufe, die den Charakter eines Ausverkaufs haben, die aber ohne die Bezeichnung ,,Ausverkauf" in einer Form angekündigt werden, welche unverkennbar die Merkmale eines Ausverkaufs trägt, ebenfalls als Ausverkäufe zu betrachten seien, für die eine polizeiliche Bewilligung eingeholt werden müsse.

Daß im vorliegenden Falle die beanstandete Ankündigung der Firma Heymann alle Merkmale eines Ausverkaufs an sich trug, kann ernstlich nicht bezweifelt werden. Die Ausdrücke ,,gänzliche Aufgabe der Filiale"1, ,,Rabatt bis 40 °/otl, ,,schleunige Räumung des Lagers", und namentlich die Beschränkung auf eine bestimmte Zeit lassen ohne weiteres erkennen, daß es sich urn einen Ausverkauf handle, dessen Veranstaltung Rekurrent auch früher trotz Verbots in Aussicht gestellt hatte. Die polizeiliche Vorzeigung und Bestrafung erscheint daher vollständig gerechtfertigt.

Die Rekursschrift führt am Schluß zwei Fälle an, um zu beweisen, daß die Behörden in der Handhabung der Gesetze eine
ungleichartige Praxis befolgten. Im Fall Ferrai li handelte es sich um das gänzliche Eingehen eines seit 25 Jahren bestehenden Hauptgeschäftes, während eine Filiale noch weiter betrieben wurde.

129 Die Verhältnisse lagen so, daß die Veranstaltung eines Totalausverkaufs als berechtigt erschien, und es wurde ein solcher im Oktober 1903 auf die Dauer von 5 Monaten bewilligt. Als sich dann aber während dieses Ausverkaufes Verdacht erhob, daß aus der Filiale Waren nach dem Hauptgeschäft überführt werden, sah sich das Polizeidepartement zu einer strengern Handhabung des Gesetzes genötigt, indem es seither Bewilligungen zum Totalausverkauf, die wegen Geschäftsaufgabe nachgesucht wurden, nur erteilte, wenn es sich um vollständige Aufgabe des betreffenden Geschäftes (Hauptgeschäft und Filialen) handelte.

An dieser Praxis ist seither festgehalten worden, und es sind in mehreren ähnlichen Fällen bezügliche Gesuche um Bewilligung von Totalausverkäufen konsequent abgewiesen und die Petenten auf den Weg des Teilausverkaufs verwiesen worden. Die Behauptung des Rekurrenten, daß Salomon Bollag die Bewilligung zum Totalausverkauf eines käuflich erworbenen Geschäftes an der Eisengasse erhalten habe, während er gleichzeitig sein Hauptgeschäft an der Marktgasse weiter betrieben habe, ist unrichtig.

Bollag erhielt keine Bewilligung zum Ausverkauf an der Bisengasse und wurde wegen unbefugter Ankündigung eines solchen polizeilich verzeigt und polizeigerichtlich am 20. Februar 1903 zu Fr. 80 Geldbuße verurteilt.

IV.

Die Rekurrenten haben replicando noch vorgebracht: Es kann sich im vorliegenden Falle nur fragen, ob der Kaufmann, welcher einen sogenannten Ausverkauf publiziert, verhindert werden kann, neue Waren in sein Lager aufzunehmen.

Wir geben zu, daß bei der Publizierung eines sogenannten Ausverkaufs das Publikum vielfach mit Recht der Meinung sein wird, daß wirklich der Verkäufer ,,im Umfang seines Ausverkaufsversprechens nach Zeit, Ort und Warengattunga bloß mehr verkaufen, .,,nicht mehr aber neu ankaufen werde", und daß eine polizeiliche Kontrolle der Innehaltung eines bestimmten Ausverkaufsversprechens auch bis zu einem gewissen Grade zulässig erscheint. Unzulässig ist aber jede Verordnung, die eine Mitteilung des Ausverkaufswillens an und für sich verbietet und nur dann in beschränktem Maße erlaubt, wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind, die der Polizei die Kontrolle über die Einhaltung des Ausverkaufsversprechens nach Meinung des Gesetzgebers ermöglichen.

Die Rekurrenten protestieren dagegen, daß bei der Beurteilung des gegenwärtigen Falles Gewicht gelegt wird auf den von der Rekursgegnerin angerufenen Umstand, die Rekurrenten hätten

130 während des ihnen erlaubten Teilausverkaufs Waren aus ihrem Hauptgeschäft in die zu liquidierende Filiale geschafft. Denn dieser Punkt hat weder mit dem angefochtenen gegen die Rekurrenten stattgehabten Polizeiverfahren, noch mit der staatsrechtlichen Beschwerde das Geringste zu schaffen. Es wird auch bestritten, daß der Rekurrentin diesbezüglich irgend eine Vorschrift hindernd entgegenstand; vielmehr wurde ihr auf ihre spezielle Anfrage hin erklärt, es bestehe kein Hindernis, Partien unverkäuflicher Ware aus dem Hauptgeschäft in der Filiale mitzuliquidieren, da Filiale und Hauptgeschäft als Einheit aufgefaßt würden und demgemäß nur Teilausverkauf gestattet worden sei.

Auch wenn man -- allerdings mit Unrecht -- zugeben würde., daß die ,,geschäftliche"1 Terminologie von der Polizei reglementiert und die Wahl des Wortes ,,Ausverkauf11 an polizeiliche Konzessionen geknüpft werden könne, müßte das gegen die Rekurrenten ergangene Verfahren kassiert werden; denn dieselben haben nie einen ,,Ausverkauf* publiziert, sondern sich begnügt, die schlichte Wahrheit dem Publkum mitzuteilen, daß sie nämlich wegen gänzlicher Aufgabe der Filiale noch länger die Waren der betreffenden Filiale zu reduzierten Preisen zu verkaufen gedachten.

Wenn dieses Inserat in Baselstadt strafbar ist, so wird daselbst in der Tat der Gewerbetreibende von den Behörden an der Preisfestsetzung gehindert. Die Behauptung, es sei dem Gewerbetreibenden auch in Basel unbenommen, seine Ware durch Ausverkauf abzusetzen, ist einfach unrichtig.

V.

Endlich hat die Regierung des Kantons Basel - Stadt am 17. September 1904 dupliziert: Die Replik wiederholt im wesentlichen die unrichtige Behauptung der Beschwerde, daß durch das angefochtene Gesetz und dessen Handhabung der Kaufmann in der Preisfestsetzung gehindert sei und daß dadurch der verfassungsmäßig garantierte freie Handelsbetrieb unzulässig eingeschränkt werde. Wir haben in unserer Rekursbeantwortung darauf hingewiesen, daß dies keineswegs der Fall sei, und können zur Bestätigung unserer Ausführungen auf die beifolgende Verkaufsankündigung der Rekurrentin verweisen, welche nach Ablauf des polizeilich bewilligten Teilausverkaufes fortgesetzt publiziert worden ist, ohne daß eia polizeiliches Einschreiten erfolgte. Das Inserat lautet: ,,Preisermäßigung von 20, 30 und 40 Prozent. Nur so lange Vorrat,

131 offerieren wir noch : etc.u In dieser Ankündigung wird ungehindert der Warenverkauf mit bedeutender Preisermäßigung u. a. m.

angepriesen. Obgleich auch bei dieser Ankündigung ein Zweifel über die Natur des Verkaufs nicht bestehen kann, wurde dieselbenicht als Ausverkaufsankündigung beanstandet, weil das entscheidende Merkmal des Ausverkaufs, die Beschränkung auf eine gewisse Zeit -- in Abweichung von der frühern Ankündigung -- fehlte, und seit Erlaß des Gesetzes Polizei und Gericht konsequent an der Auslegung festgehalten haben, daß ein Warenverkauf nurdann als verkappter Ausverkauf zu behandeln sei, wenn er neben ändern Kriterien namentlich auf eine bestimmte Zeit beschränkt und entsprechend angekündigt worden ist.

Auf die Frage, ob die Firma Heymann berechtigt gewesen sei, während des polizeilich bewilligten Teilausverkaufes neue Waren in das betreffende Geschäft einzuführen, brauchen wir · nicht einzutreten, weil wir im vorliegenden Rekursfalle dieses Recht nicht bestritten haben. Das angefochtene Gesetz enthält nur bei Totalausverkäufen das Verbot der Warenzufuhr, während bei Teilausverkäufen dieser Art dieses Verbot -- offenbar aus Versehen -- nicht ausdrücklich aufgestellt worden ist. Wir haben der betreffenden Warenzufuhr nur zur Kennzeichnung des Geschäftsgebarens der Rekurrentin Erwähnung getan. Wenn es auch gesetzlich nicht verboten ist, muß es doch als eine unlautere Machenschaft angesehen werden, wenn ein Kaufmann, der angeblich wegen Aufgabe eines bestimmten Zweiggeschäftes das in diesem Zweiggeschäft befindliehe Warenlager ausverkauft, dieses Warenlager während des Ausverkaufs durch Zufuhr von auswärts, sei es durch direkten Bezug aus der Fabrik, sei es durch Bezug aus einem ändern Filialgeschäft, fortwährend ergänzt.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: 1. Aus der von H. Heymann & Cie., in Basel, in der Beschwerdeschrift an den Bundesrat gemachten Angaben und den derselben beigelegten Akten ist zu entnehmen, daß die Rekurrenten bei der zuständigen Behörde des Kantons Baselstadt um die Erteilung einer Bewilligung für die Veranstaltung eines Teilausverkaufes (für ihre Filiale Gerbergasse 44 in Basel) eingekommen sind, und daß ihnen eine solche Bewilligung für die im Gesetz betreffend den unlautern Wettbewerb vorgesehene Frist von 4 Wochen gewährt worden ist; daß ferner die Rekurrentcn

132 nach Ablauf dieser Frist den Verkauf zu ermäßigten Preisen fortgesetzt haben unter der Ankündigung, die Preise würden ,,wegen .gänzlicher Aufgabe der Filiale" um 20 bis 40 °/o ermäßigt, und bestimmte Artikel während der laufenden Woche zu besonders reduzierten Preisen verkauft.

Auf Grund dieses Tatbestandes hat das Polizeigericht des Kantons Baselstadt die Rekurrenten, in Anwendung des Polizeistrafgesetzes zu einer Buße verurteilt, indem er auf eine Übertretung des Art. 16 des baselstädtischen Gesetzes betreffend den unlautevn Wettbewerb vom 11. Oktober 1900 erkannte, welcher lautet : ,,Auch zu ändern Zwecken als zum Saisonausverkauf, wie JL. B. bei Gelegenheit des Lokalwechsels, oder des Überganges des Geschäftes an einen ändern Inhaber kann eine Bewilligung .zum Teilausverkauf erteilt werden, jedoch darf derselbe keinesfalls mehr als 4 Wochen innert Jahresfrist dauern.'1 2. Die Regierung des Kantons Baselstadt hat in ihrer Rekursbeantwortung und Replik die Buße im Hinblick darauf gerechtfertigt erklärt, daß einerseits im angeführten Tatbestand eine Gesetzesübertretung vorliege, da die Rekurrenten mit der Ankündigung eines Verkaufs zu ermäßigten Preisen w ä h r e n d e i n e r b e s t i m m t e n Z e i t eine A u s v e r k a u fs a n k ü n d i g u ng erlassen haben, und daß anderseits die Rekurrenten an der Festsetzung des Preises ihrer Waren außerhalb des Rahmens eines Ausverkaufs nicht behindert seien. Die Rekurrenten machen dagegen geltend, daß im vorliegenden Falle keine Ausverkaufsankündigung vorgelegen habe, daß mit der Beschränkung des Ausverkaufs auf eine bestimmte Zeit der ehrliche Kaufmann ver.hindert werde, bis zur Erschöpfung seines Warenstockes zu verkaufen und daß er nach Ablauf der Frist an der Festsetzung des Preises seiner Waren gehindert sei ; außerdem beweise ein Vergleich der vorliegenden Entscheidung mit frühern Beschlüssen 5er Regierung, daß ihre Praxis schwanke.

3. Die Kompetenz des Bundesrates zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde gründet sich auf Art. 189 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893, wonach der Bundesrat und die Bundesversammlung entscheiden über Beschwerden, die sich auf eine Verletzung von Art. 31 der Bundesverfassung, oder die entsprechenden Bestimmungen der Kantons-verfassungen beziehen.

Mit dieser Beschränkung auf die Anwendung von Verfassungsivorschriften fällt die Beurteilung der Frage, ob in der Annahme

133 des Vorhandenseins eines Ausverkaufs im vorliegenden Falle eine Verletzung von Art. 16 des Gesetzes vom 11. Oktober 1900 betreffend den unlautern Wettbewerb liege oder nicht, außerhalb des Rahmens der Kompetenzen des Bundesrates. Ebenso fällt außer Betracht die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des Art. 16 selbst, da die Rekursfrist für die Anfechtung desselben schon längst abgelaufen ist (Organisationsgesetz, Art. 178, Ziffer 3).

Was der Bundesrat heute noch entscheiden kann, ist einzig die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Anwendung der genannten Gesetzesbestimmung auf die Rekurrenten, d. h. einmal die Frage, ob es dem Sinne der Handels- und Gewerbefreiheit widerspreche, wenn in der Ankündigung eines Verkaufs zu ermäßigten Preisen w ä h r e n d e i n e r b e s t i m m t e n Zeit eine Ausverkaufsankündigung erblickt werde, und zweitens, ob es verfassungswidrig sei, daß die Veröffentlichung einer solchen Ankündigung den Rekurrenten aus dem Grunde verboten wurde, weil ihnen ein Ausverkauf für die Dauer von 4 Wochen bereits bewilligt worden sei.

4. Dies ist zu verneinen.

Daß die Kantone das Recht haben, die Ankündigung eines Ausverkaufs dann zu verbieten, wenn nachgewiesenermaßen ein Ausverkauf im Geschäftssinn nicht vorliegt, bedarf keiner nähern Begründung; die Bundesbehörden haben lit. e des Art. 31 der Bundesverfassung stets so ausgelegt, es sei den Kantonen damit das Recht gegeben worden, unlauteres Geschäftsgebaren zu verhindern.

Ebenso wenig aber kann vom Standpunkt des Bundesrechtes aus etwas dagegen eingewendet werden, wenn ein Kauton die Merkmale einer Ausverkaufsankündigung darin erblickt, daß eine Preisermäßigung während einer bestimmten Zeit angekündet wird.

Die Aufstellung dieses Merkmales durch die kantonalen Behörden ist nicht willkürlich, weil sie auf der richtigen Erwägung beruht, daß eines der wichtigsten Kennzeichen des Ausverkaufs eben seine Beschränkung auf eine bestimmte Dauer (,,bis Ende der Saison", ,,während einer Woche", ,,bis zur Erschöpfung des Lagers" etc.")

ist, und daß daher mit der Ankündigung eines Verkaufs während beschränkter Zeit, welcher kein Ausverkauf ist, beim Publikum eine falsche Vorstellung erweckt würde. -- Da im übrigen die Ankündigung von ermäßigten Preisen nicht verboten ist, so ist die Behauptung der Rekurrenten, als werde mit dem Verbot der baselstädtischen Behörden der Kaufmann an der Festsetzung seiner Preise überhaupt gehindert, unrichtig.

Bundesblatt. 56. Jahrg. Bd. V.

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134 Nun braucht im vorliegenden Falle die Frage, ob die Frist von 4 Wochen, welche die Behörde den Rekurrenten zum Ausverkauf ihrer Filiale gestellt hat, für die Räumung des Lagers genügend gewesen sei, nicht entschieden zu werden, da aus den Akten hervorgeht, daß die Rekurrenten während der Ausverkaufszeit ihr Warenlager aus dem Hauptgeschäft ergänzt haben. Mit der Feststellung dieser Tatsache fällt aber auch die Behauptung der Rekurrenten dahin, daß das Verbot einer (nach Ablauf der 4 Wochen) fortgesetzten Ausverkaufsankundigiing der verfassungsmäßig gewährleisteten Handels- und Gewerbefreiheit widerspreche, indem ,,der ehrliche Kaufmann verhindert werde, bis zur Erschöpfung seines Warenstockes zu verkaufen11; denn da die Rekurrenten den Ausverkauf während der bestimmten Frist gar nicht durchzuführen versucht haben, so ist ihnen von vornherein die Erbringung des Beweises unmöglich, daß sie durch die behördliche Beschränkung des Ausverkaufs auf eine bestimmte Zeit in der Wahrung der Geschäftsinteressen geschädigt worden seien.

5. Wenn schließlich die Rekurrenlen darauf hingewiesen haben, daß die Praxis der baselstädtischen Behörden hinsichtlich der Beurteilung der Teilausverkäufe bisher eine andere gewesen sei, so kann hierin eine Verletzung der Bundesverfassung (Art. 4 in Verbindung mit Art. 31) deshalb nicht erblickt werden, weil der Bundesrat nach seiner Praxis einer kantonalen Behörde das Recht der Änderung der Auslegung eines Gesetzes an sich nicht bestreitet, und im vorliegenden Fall die Behörde die Änderung ihrer Praxis mit bestimmten, nicht als willkürlich zu bezeichnenden Gründen motiviert hat.

Demnach wird erkannt: Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

. B e r n , den 21. Oktober 1904.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Comtesse.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bundesratsbeschluß betreffend die Beschwerde von H. Heymann & Cie., Manufakturwarenhandlung, in Basel, wegen Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit (Bestrafung wegen Übertretung der baselstädtischen Vorschriften über Teilausverkäufe).

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43

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26.10.1904

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124-134

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10 021 152

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