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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Gewährleistung der revidierten Verfassung des Kantons Neuenburg (Vom 5.November 1959)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Die Stimmberechtigten des Kantons Neuenburg haben in der Volksabstimmung vom 26. und 27. September 1959 zwei Dekrete des Grossen Eates vom 22. Juni 1959 angenommen, nämlich dasjenige betreffend Eevision des Artikels 23 der Kantonsverfassung mit 14 320 Ja gegen 5123 Nein, das andere betreffend die revidierten Artikel 30, 38, 39, 42, 83 und 84 der erwähnten Verfassung mit 11 251 Ja gegen 9730 Nein. Gegen das Resultat dieser Abstimmungen wurde innert nützlicher Frist keine Beschwerde eingereicht. Mit Schreiben vom 8.Oktober 1959 suchte der Staatsrat des Kantons Neuenburg die eidgenössische Gewährleistung für diese neuen Verfassungsbestimmungen nach.

Der bisherige und der neue Text der revidierten Artikel lauten wie folgt (Übersetzung) : Bisheriger Text Art. 23 Die gesetzgebende Gewalt wird durch einen Grossen Eat ausgeübt, der aus dem Volk direkt, im Verhältnis von einem Abgeordneten auf 1200 Seelen der Bevölkerung, gewählten Abgeordneten besteht. Jede Bruchzahl über 600 zählt für 1200.

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Neuer Text Art. 23 Diegesetzgebende Gewalt wird durch einen Grossen Eat ausgeübt, der aus 115 direkt vom Volk nach dem Grundsatz der Verhältniswahl gewählten Abgeordneten besteht,

948 Bisheriger Text

Neuer Text

Art. 30 Stimmberechtigt sind alle neuenburgischen Staatsbürger im zurückgelegten 20. Altersjahr, sowie alle Schweizer gleichen Alters, welche im Kanton geboren wurden oder die seit der letzten drei Monate nach Hinterlage ihrer Papiere daselbst tatsächlich Domizil genommen haben. Sie üben ihre politischen Eechte an der Wahlversammlung ihres Domizils aus. Die Voraussetzungen des Domizils werden durch Gesetz geregelt.

Art. 30 Stimmberechtigt sind alle Neuenburger und Neuenburgerinnen im zurückgelegten 20.Altersjahr sowie alle Schweizer und Schweizerinnen gleichen Alters, welche... (Rest unverändert) .

Art. 38, Abs. 3 Der Antrag muss von wenigstens 8000 Wählern unterstützt werden.

Art. 38, Abs. 3 Der Antrag muss von wenigstens 6000 Wählern unterstützt werden.

Art. 39, Abs. 2 Die Gesetze sollen dem Volke zur Annahme oder Verwerfung vorgelegt werden, wenn 8000 Stimmberechtigte es verlangen. Das gleiche ist der Fall bei allgemeinverbindlichen Beschlüssen, die nicht dringlicher Natur sind.

Art. 39, Abs. 2 Die Gesetze sollen dem Volke zur Annahme oder Verwerfung vorgelegt werden, wenn 6000 Stimmberechtigte es verlangen. Das gleiche... (Rest unverändert).

Art. 42, Abs. 2 Wählbar ist jeder Schweizerbürger, der in bürgerlichen Ehren und Rechten steht.

Art. 42, Abs. 2 Wählbar ist jeder Schweizer und j ede Schweizerin, die in bürgerlichen Ehren und Rechten stehen.

Art. 83, Abs. l Wird die totale Verfassungsrevision vom Grossen Bat.oder von wenigstens 5000 Stimmberechtigten verlangt, so hat das Volk über die Frage zu entscheiden, 1. ob die Eevision vorgenommen werden soll, 2. ob sie von einem Verfassungsrat oder vom Grossen Rat vorgenommen werden soll.

Art. 83, Abs. l Wird die totale Verfassungsrevision vom Grossen Rat oder von wenigstens 10 000 Stimmberechtigten verlangt, so hat das Volk... (Rest unverändert).

949 Art. 84, Abs. 2

Art. 84, Abs. 2 .

Die Volksinitiative ist das Kecht von wenigstens 3000 Stimmberechtigten, dem Grossen Rat die Annahme eines neuen Verfassungsartikels sowie die Aufhebung oder die Abänderung von in Kraft stehenden Artikeln vorzuschlagen.

Die Volksinitiative ist das Becht von wenigstens 6000 Stimmberechtigten, dem Grossen Rat... (Rest unverändert).

Diese Abänderung der neuenburgischen Einerseits wird die Zahl der Abgeordneten schränkt (System der festen Zahlen), anderseits in kantonalen und Gemeind'eangelegenheiten

Verfassung verfolgt zwei Ziele: des Grossen Rates auf 115 bedasFrauenstimm- und -Wahlrecht eingeführt.

L Nach dem Ergebnis, der Volkszählung vom 31. Dezember 1958 würde sich der Grosse Rat, auf der Grundlage eines Abgeordneten auf 1200 Seelen der Bevölkerung, aus 120 Mitgliedern zusammensetzen. Hält die Vermehrung der Bevölkerung weiter an, so dürfte die Zahl der Abgeordneten bald einmal 125 übersteigen, was mit der Bedeutung des Kantons nicht vereinbar wäre. Ausserdem darf ein allerdings nur zweitrangiger Aspekt der Frage nicht ausser Acht gelassen werden, dass nämlich der Sitzungssaal des Grossen Rates nur 118 Sitze aufweist. Würde diese Abgeordnetenzahl überschritten, so müsste der Saal mit grossen Kosten umgestaltet werden. Aus diesen Gründen hat der Staatsrat dem Grossen Rat einen Dekretsentwurf auf Änderung des Artikels 23 der Kantonsverfassung unterbreitet, der die Zahl der Abgeordneten auf 110 beschränkt.

Diese Ziffer wurde indessen vom Grossen Rat gemäss dem in der Volksabstimmung vom 26./27. September 1959 angenommenen Dekret vom 22. Juni 1959 auf 115 festgesetzt. Der geänderte Artikel 23 bestimmt auch, dass die Abgeordneten des Grossen Rates nach dem Grundsatz der Verhältniswahl gewählt werden. Die Abänderung des Artikels 23 der neuenburgischen Verfassung betrifft ausschliesslich kantonales öffentliches Recht. Die neue Bestimmung enthält nichts, was dem Bundesrecht widerspricht, weshalb ihr die eidgenössische Gewährleistung zu erteilen ist.

II.

Durch die Abänderung der Artikel 30, 38, 39, 42, 83 und 84 der neuenburgischen Verfassung wird das Frauenstimm- und -Wahlrecht in kantonalen und Gemeindeangelegenheiten eingeführt.

Artikel 30 wurde geändert, um klarzustellen, dass bei der Wahl des Grossen Rates Neuenburgerinnen und Schweizerinnen, welche die verlangten Voraussetzungen erfüllen, genau gleich wie Neuenburger und übrige Schweizer stimm-

950 berechtigt sind. Jeder Stimmberechtigte im zurückgelegten 25.Altersjahr ist in den Grossen Bat wählbar (Art. 31).

Durch die Einführung des Frauenstimm- und -Wahlrechts wurde die Zahl der Stimmberechtigten verdoppelt, weshalb auch die für Gesetzesinitiativen (Art. 88), für das fakultative Eeferendum (Art. 39) sowie für Initiativen auf totale (Art. 83) oder teilweise (Art. 84) Verfassungsrevision erforderlichen Unterschriftenzahlen entsprechend erhöht werden mussten.

Nach dem geänderten Artikel 42 ist jeder Schweizer, der in bürgerlichen Ehren und Eechten steht, in den Staatsrat wählbar. Durch die Eevision werden die Frauen ebenfalls stimmberechtigt und wählbar für die Vertretung in den Ständerat und in den Gerichten des Kantons.

Die Einführung des unbeschränkten Frauenstimm- und -Wahlrechts in kantonalen und kommunalen Angelegenheiten des Kantons Neuenburg enthält nichts der Bundesverfassung (Art. 6) Zuwiderlaufendes. Sie verletzt namentlich nicht Artikel 4 der Bundesverfassung (BB1 1959, I, 364). Für die Einführung des Frauenstimm- und Wahlrechts in kantonalen und Gemeindeangelegenheiten ist, wie schon in unserer Botschaft vom 22.Februar 1957 (BB1 1957, I, 775) ausgeführt wurde, das kantonale Eecht massgebend. Daher ist den neuen Artikeln 30, 38, 39, 42, 83 und 84 der neuenburgischen Verfassung die Gewährleistung des Bundes zu erteilen, wie das bereits in den Jahren 1911, 1957 und 1959 anlässlich der Verfassungsrevisionen der Kantone Zürich, Basel-Stadt und Waadt geschah.

Aus diesen Gründen beantragen wir Ihnen, den neuen Bestimmungen der Verfassung des Kantons Neuenburg die eidgenössische Gewährleistung zu erteilen und den beiliegenden Beschlussesentwurf anzunehmen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Bern, den 5.November 1959.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: P. Chaudet Der Bundeskanzler: Ch. Oser

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(Entwurf)

Bundesbeschluss über

die Gewährleistung der geänderten Verfassung des Kantons Neuenburg

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, in Anwendung von Artikel 6 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 5. November 1959, in Erwägung, dass die geänderten Verfassungsbestimmungen nichts der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthalten, beschliesst:

Art. l Den in der Volksabstimmung vom 26. und 27. September 1959 angenommenen Änderungen der Artikel 28, 30, 38, 39, 42, 83 und 84 der Verfassung des Kantons Neuenburg wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.

Art. 2 Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

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1959

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7943

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19.11.1959

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