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Bundesratsbeschluss über

die Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages für das Gipsergewerbe der Ostschweiz (Vom 1.Oktober 1959)

Der Schweizerische B u n d e s r a t , gestützt auf Artikel?, Absatz l, des Bundesgesetzes vom 28. September 1956 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen, beschliesst:

Art. l Die im Anhang wiedergegebenen Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages vom 9.Mai 1959 für das Gipsergewerbe der Ostschweiz werden allgemeinverbindlich erklärt.

1

2

Für den Arbeitnehmer günstigere gesetzliche Vorschriften und vertragliche Abmachungen bleiben vorbehalten.

Art. 2 Die Allgemeinverbindlichkeit wird für das Gebiet der Kantone Glarus, Appenzell A. Eh., Appenzell I. Eh., St. Gallen, Thurgau und Graubünden (ausgenommen die Bezirke Bernina und Moësa sowie der Kreis Bergell) ausgesprochen.

2 Die allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages finden Anwendung auf die Dienstverhältnisse zwischen Inhabern von Gipserarbeiten ausführenden Betrieben und den von ihnen beschäftigten Gipsern und Gipserhandlangern, ausgenommen die Lehrlinge im Sinne des Bundesgesetzes vom 26. Juni 1930 über die berufliche Ausbildung.

1

Art. 3 Dieser Beschluss tritt am 12. Oktober 1959 in Kraft und gilt bis zum 31. März 1964.

1

663 2 Mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens werden die Bundesratsbeschlüsse vom 11. Juni 19541), 13.Februar 19562) und 23. Juli 19573) über die Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeits Vertrages für das Gipsergewerbe der Ostschweiz aufgehoben.

Bern, den I.Oktober 1959.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : P. Chaudet Der Bundeskanzler: Ch. Oser

1 ) 2 ) 3

BEI 1954, I, 1033.

BEI 1956, I, 427.

) BB1 1957, II, 268.

664 Beilage

Gesamtarbeitsvertrag für

das Gipsergewerbe der Ostschweiz abgeschlossen am 9.Mai 1959 zwischen dem Gipsermeisterverband der Ostschweiz, einerseits, und dem Schweizerischen Bau- und Holzarbeiterverband sowie dem Christlichen Holz- und Bauarbeiterverband der Schweiz, anderseits.

Allgemeinverbindlich erklärte Bestimmungen:

Art. 2 Gemeinsame Durchführung

1

Die vertragschb'essenden Verbände vereinbaren im Sinne von Artikel 323ter des Obligationenrechts, dass ihnen gemeinsam ein Anspruch auf Einhaltung des Gesamtarbeitsvertrages gegenüber den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusteht.

Art. 4

Paritätische Berufskommission 3

Die Paritätische Berufskommission führt Kontrollen über die Einhaltung dieses Vertrages durch. Stellt sie fest, dass den Arbeitnehmern geschuldete geldliche Leistungen nicht bezahlt oder bezahlte freie Tage nicht gewährt worden sind, so hat sie den Arbeitgeber aufzufordern, diese sofort nachzuzahlen oder nachzugewähren.

.* Die Kommission hat die Widerhandlungen gegen das Akkord- bzw.

das Schwarzarbeitverbot zu beurteilen und eventuelle Sanktionen zu beschliessen. Sie ist berechtigt, sofort nach Eingang einer Meldung oder später das Ferienguthaben des Fehlbaren bei der Ferienkasse zu sperren.

Bei Anerkennung oder gerichtlicher Gutheissung der Konventionalstrafe ist das Guthaben bei der Ferienkasse in der Höhe der Konventionalstrafe

665 abzuheben, womit der Fehlbare seiner Ansprüche gegenüber der Kasse im Ausmass der Konventionalstrafe verlustig geht. Ein allfällig nicht gedeckter Betrag ist vom Fehlbaren noch nachzuzahlen.

5 Die Kommission ist befugt, Konventionalstrafen gemäss Artikel 5 auszufällen und sie, allenfalls auf gerichtlichem Weg, einzuziehen.

Art. 5 1

Besteht eine Widerhandlung .gegen den Vertrag in der Nichter- Konventionaifüllung geldlicher Leistungen, so wird dem Arbeitgeber eine Konventionalstrafe von 25 Prozent des geschuldeten Betrages auferlegt.

2

Arbeitnehmer, die gegen das Verbot der Schwarzarbeit (Art. 28) verstossen, werden mit einer Konventionalstrafe belegt, deren Höhe nach dem Verschulden und dem Umfange der ausgeführten Arbeit zu bemessen ist, jedoch im Einzelfall 800 Franken nicht überschreiten darf.

Diese Konventionalstrafe wird auch dem am Vertrag beteiligten Arbeitgeber auferlegt, wenn er Schwarzarbeit ausführen lässt oder diese in irgendwelcher Form begünstigt.

3

Durch die Erlegung der Konventionalstrafe wird der Fehlbare vom Verbot nicht entbunden.

4 Sämtliche Konventionalstrafen sind in die Kasse der paritätischen Berufskommission einzuzahlen und dürfen nur zugunsten des Vertragsvollzuges verwendet werden.

Art. 9 1

Das Arbeitsverhältnis kann jederzeit auf das Ende des der Kündigung Anstellung und un gung folgenden Arbeitstages aufgelöst werden. Innerhalb einer dreitägigen Probezeit kann das. Arbeitsverhältnis auf das Ende des Arbeitstages gekündigt werden.

2

Bei überjährigern Dienstverhältnis beträgt die Kündigungsfrist 14 Tage.

Art. 10 1

Vom I.März bis 31.Oktober beträgt die normale Arbeitszeit

in der Stadt St. Gallen im übrigen Vertragsgebiet

45 Stunden 47 % Stunden

.pro Woche, wobei an den Samstagen den ganzen Tag nicht gearbeitet wird.

2 In den Monaten November, Dezember, Januar und Februar hat die wöchentliche Arbeitszeit nach Möglichkeit 44 Stunden pro Woche zu betragen. Der Samstagnachmittag ist frei.

Arbeitszeit

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Löhne

1

Art. 11 Die Betriebsdurchschnittslöhne betragen pro Stunde

für Gipser in der Stadt St.Gallen für Gipser im übrigen Vertragsgebiet für Gipserhandlanger in der Stadt St.GaUen für Gipserhandlanger im übrigen Vertragsgebiet 2 Akkordarbeit ist verboten.

bis 29. Februar 1960

ab 1. März 1960

3.75 8.60

3.80 3.65

2.95

3.--

2.70

2.75

Art. 12 Lohnzuschläge Für Überzeitarbeit ist ein Lohnzuschlag von 50 Prozent, für Nachtund Sonntagsarbeit ein solcher von 100 Prozent zu bezahlen.

2 Als Nachtarbeit gilt die Arbeit von 20 bis 6 Uhr und an Samstagen ab 17 Uhr, als Sonntagsarbeit die Arbeit an Sonn- und Feiertagen.

Die übrige Arbeit ausserhalb der normalen täglichen Arbeitszeit gilt als Überzeitarbeit.

Art. 13 Auswärtige * Bei auswärtiger Arbeit darf der Arbeitnehmer nicht schlechter Arbeit gestellt werden, als wenn er am Domizil der Firma arbeiten würde.

2 Die Kosten für die Fahrt zu einer auswärtigen Arbeitsstätte gehen zu Lasten des Arbeitgebers. Die Fahrzeit von über 40 Minuten täglich wird zum normalen Lohn bezahlt.

3 An die Kosten fürauswärtige Verpflegung wird in der Kegel vergütet : 1 Mittagessen Fr. 3.50 2 Mahlzeiten ohne Übernachten Fr. 6.-- für die Mahlzeiten ohne tägliche Heimkehr Fr. 10.-- an besonders teuren Orten die effektiven Kosten, 4 Arbeitnehmer, die die Entschädigung für auswärtige Verpflegung beanspruchen, haben auf Verlangen des Arbeitgebers den Nachweis der zweckmässigen Ernährung beizubringen.

1

Art. 14 VerkehrsDen Arbeitnehmern wird im Städtgebiet St. Gallen eine wöchententschädigung I^Q Verkehrsentschädigung von 2.40 Franken bezahlt.

Art. 15 GeschirrDen Arbeitnehmern wird pro Woche l Franken als Geschirrententschädigung Schädigung bezahlt. Die Auszahlung erfolgt jeweilen mit dem Zahltag.

1

667 2

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, das komplette Gipsergeschirr zu beschaffen und bei Stellenantritt auf Verlangen des Arbeitgebers vorzuweisen. Ist dasselbe nicht vollständig, so wird dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber das fehlende Geschirr verabreicht und der entsprechende Betrag vom Lohn abgezogen.

Art. 16 1

Für die Ferien erhält der Arbeitnehmer mit jedem Zahltag 5 Prozent des Bruttolohnes, Inbegriffen die Lohnzuschläge, in Form von Ferienmarken .

2 Über den Ferienantritt und die Feriendauer hat sich der Arbeitnehmer rechtzeitig, das heisst mindestens zwei Wochen vorher, mit dem Arbeitgeber zu verständigen und auf dringende Arbeiten Rücksicht zu nehmen.

3 Eine Barentschädigung anstelle der Ferienmarken ist nicht gestattet.

4 Die Ferienkasse des ostschweizerischen Gipsergewerbes (Adresse : E.Fischer, Thundorferstrasse 12, Frauenfeld) stellt den Arbeitgebern gegen Entgelt die Ferienmarken und die Ferienhefte zur Verfügung und verpflichtet sich, die rechtmässige Einlösung der Markenwerte zu vergüten.

Ferien

Art. 17 Für sechs Feiertage im Jahr, die auf einen Wochentag fallen, werden Feiertagsdem Arbeitnehmer jeden Zahltag Ferienmarken im Werte von 2 Prozent en sc a lgung des Bruttolohnes abgegeben.

Art. 18 1 Der versicherungsfähige Arbeitnehmer muss einer Krankengeld- KrankengeldVersicherung angehören. Die Wahl des Versicherungsträgers ist Sache Ver8'° erung der direkten Verständigung zwischen den einzelnen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

2 Die Krankengeldversicherung hat ein tägliches Krankengeld von 50 Prozent des Tagesverdienstes und eine Genussrechtsdauer von 360 Tagen innerhalb von 540 aufeinanderfolgenden Tagen und bei Erkrankung an Tuberkulose von 1800 Tagen innerhalb von 7 aufeinanderfolgenden Jahren vorzusehen, wobei die Karenzzeit nicht länger als 3 Monate und die Wartefrist nicht länger als 2 Tage da.uern dürfen.

3 Für die Prämien dieser Krankengeldversicherung (ungefähr 2 Prozent des Bruttolohnes) hat der Arbeitgeber aufzukommen. Dadurch ist die ihm gemäss Artikel 335 des Obligationenrechts obliegende Lohnzahlungspflicht im Krankheitsfalle des Arbeitnehmers abgelöst. Soweit

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der Arbeitnehmer zufolge Krankheitsanlagen bei Versicherungseintritt von der Krankengeldversicherung ausgeschlossen wurde, gilt im Krankheitsfalle Artikel 835 des Obligationenrechts.

Art. 20 1

InspektionFür den Inspektionshalbtag wird dem Arbeitnehmer der volle halbtage und T I ». n .., , unumgängliche Lohnausfall vergütet.

Absenzen 2 Für den bei nachstehend bezeichneten unumgänglichen Absenzen entstehenden Lohnausfall werden folgende Tagesentschädigungen von 20 Franken bezahlt : 1 Tagesentschädigung bei Verheiratung des Arbeitnehmers und bei Geburt eines Kindes des Arbeitnehmers; 2 Tagesentschädigungen bei Todesfall in der Familie (Ehefrau, Kinder, Eltern, Geschwister und Schwiegereltern des Arbeitnehmers).

3 Die Auszahlung der Entschädigung erfolgt am Schiusa der Zahltagsperiode, in welche die ausgewiesenen Absenzen fallen.

Art. 21 1

Der Zahltag wird alle 14 Tage während oder unmittelbar nach der Arbeitszeit in verschlossenem Zahltagstäschchen, mit detaillierter Abrechnung versehen, auf der Baustelle ausgerichtet.

2 Auf jeder Zahltagsabrechnung sind die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden, der Stundenlohn, ferner allfällige Lohnzuschläge, die Zulagen für auswärtige Arbeiten und die Verkehrsentschädigung sowie gestattete Abzüge im Detail aufzuführen. Ebenso sind alle 14 Tage die Geschirr-, Ferien- und Feiertagsentschädigung sowie der Arbeitgeberbeitrag an die Krankentaggeldversicherung des Arbeitnehmers auf dem Zahltagstäschchen aufzuführen.

Art. 22 1 Der Transport des Materials und des Gipserwerkzeuges nach und Besondere Bestimmungen von ^gQ Arbeitsplätzen hat während der Arbeitszeit zu erfolgen.

Zahltag

2 Der Arbeitnehmer ist für das ihm anvertraute Werkzeug persönlich verantwortlich. Zur Aufbewahrung von Werkzeug wird in Neubauten ein verschliessbarer Eaum zur Verfügung gestellt, der womöglich heizbar sein soll. Bei kalter Witterung sind die Eäume, in welchen gearbeitet wird, gegen Zugluft zu schützen.

3 In den Neubauten ist den Arbeitnehmern nach Möglichkeit während der Winterzeit ein Ofen samt Heizmaterial zur Verfügung zu stellen.

4 Das Umkleiden hat ausserhalb der Arbeitszeit zu erfolgen.

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Art. 23 1

Den Arbeitnehmern, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, ist die Schwarzarbeit 'Ausführung jeglicher Berufsarbeit für Drittpersonen untersagt. Verletzungen dieser Bestimmungen berechtigen zur sofortigen Entlassung.

2

Die Fälle von Schwarzarbeit sind der Berufskommission zu melden.

Die Meldung ist schriftlich, mit Angabe der Personalien des Fehlbaren sowie des Ortes und der Zeit der ausgeführten Schwarzarbeit zu erstatten. Auf Meldungen, die die erforderlichen Angaben nicht enthalten, wird die Berufskommission nicht eintreten.

3 Bei Verrichtung von Schwarzarbeit kann die Berufskommission dem Arbeitnehmer und allenfalls auch dem Arbeitgeber gemäss Artikel 5, Absatz 2, eine Konventionalstrafe auferlegen. In leichten Fällen kann die Berufskommission von einer Konventionalstrafe absehen und dem Fehlbaren einen Verweis erteilen.

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Bundesblatt.lll.Jahrg.Bd.il.

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1959

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

08.10.1959

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662-669

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