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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Unteroffizierskurse für die Einführung des Sturmgewehrs (Vom 23. Oktober 1959)

Herr Präsident!

Sehr geehrte Herren!

Im Rahmen der Beschlüsse vom 21.Dezember 1956 (Sofortprogramm; BEI. 1956, II, 1026) und vom 26. September 1957 (Rüstungsprogramm 1957; BEI. 1957, II, 665) haben Sie die nötigen Kredite bewilligt für die Beschaffung einer Gross-Serie von Sturmgewehren, für die entsprechende Vermehrung der Munitionsreserven sowie für die Beschaffung von Splittergranaten, Nebelgranaten und eines neuen Modells der Panzerwurfgranate, die alle mit dem Sturmgewehr verschossen werden können. Seither sind mit Versuchsserien des Sturmgewehrs bei der Truppe umfangreiche Erprobungen durchgeführt worden, die zu einigen Änderungen und Verbesserungen der Waffe geführt haben, den militärischen Stellen aber auch Gelegenheit gaben, Erfahrungen in der Ausbildung am Sturmgewehr, in der Organisation der Gefechtsgruppen und -züge, sowie im Einsatz der mit der neuen Waffe ausgerüsteten Einheiten zu sammeln.

Versuchs- und Demonstrationsschiessen in Schützenvereinen haben ferner die Grundlagen geschaffen für die Einführung des Sturmgewehrs im ausserdienstlichen Schiesswesen. Inzwischen hat die Fabrikation und Ablieferung eingesetzt, so dass wir 1960 mit der Abgabe des Sturmgewehrs als persönliche Waffe und mit der entsprechenden Unibewaffnung der Feldarmee beginnen können. Diese Umbewaffnung wird sich über mehrere Jahre erstrecken. Wenn es in mancher Hinsicht einfacher wäre, mit der Umbewaffnung noch einige Jahre zuzuwarten und sie dann kurzfristig innerhalb eines Jahres durchzuführen, so erscheint es uns doch zweckmässiger, sie in Übereinstimmung mit der Ablieferung der Sturmgewehre schrittweise vorzunehmen und damit auch die Feuerkraft und Schlagkraft der Armee .schrittweise zu verstärken.

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A. Flan für die Einführung des Sturmgewehrs Die bewilligten Kredite gestatten uns, in den nächsten Jahren die Auszugsformationen der Infanterie und der Leichten Truppen mit dem Sturmgewehr auszurüsten, wobei das Sturmgewehr als persönliche Waffe anstelle des Karabiners abgegeben wird. Die Abgabe des Sturmgewehrs und die Umbewaffnung sollen nach folgenden Gesichtspunkten erfolgen : a. Von 1960 an werden die Eekruten der Infanterie und der Leichten Truppen mit dem Sturmgewehr als persönliche Waffe ausgerüstet; b. im Laufe des Jahres 1960 werden die Auszugsformationen der Infanterie und der Leichten Truppen einer Heereseinheit auf das Sturmgewehr umbewaffnet und auf die neue Waffe umgeschult; e. von 1961 an werden jährlich in mehreren Heereseinheiten die Auszugsformationen der Infanterie und der Leichten Truppen umbewaffnet und umgeschult. Diese Aktion dürfte voraussichtlich im Laufe des Jahres 1964 abgeschlossen werden ; d. die Landwehrformationen der Infanterie und der Leichten Truppen erhalten das Sturmgewehr schrittweise ab 1961 durch den Übertritt von Wehrmännern, die mit dem Sturmgewehr ausgerüstet sind, aus dem Auszug in die Landwehr; eine eventuelle Herabsetzung der Heeresklassen wird die Einführung des Sturmgewehrs in der Landwehr beschleunigen; e. die Abgabe des Sturmgewehrs an Wehrmänner anderer Truppengattungen und Dienstzweige kommt erst in Betracht, wenn die Umbewaffnung der Auszugsformationen der Infanterie und der Leichten Truppen abgeschlossen ist.

B. Charakteristik des Sturmgewehrs Das Sturmgewehr ist eine automatische Waffe, die sowohl Einzelschüsse als auch Feuerstösse (Serienfeuer) abgeben kann. Es verschiesst neben den bisherigen Gewehrpatronen auch Hohlpanzergranaten (Panzerabwehr), Stahlgranaten (Panzerabwehr und andere Zwecke) sowie Nebelgranaten. Diese viel: fältigen Möglichkeiten erlauben also, das Sturmgewehr sowohl als Schusswaffe mit rasanter Geschossflugbahn wie auch als Abschusswaffe für Wurfkörper mit stark gekrümmter Flugbahn zu verwenden. Die mit dem Sturmgewehr im Einzelschiessen erreichten Eesultate entsprechen denjenigen, die mit Karabiner erzielt werden. Was aber die neue Waffe weit über den Karabiner hinaushebt, das ist die Möglichkeit des raschen Präzisionsschusses mit einer Feuergeschwindigkeit von einem Schuss pro Sekunde. Im Serienfeuer entspricht die
Leistung des Sturmgewehrs derjenigen des Leichten Maschinengewehrs bis auf 500 m Entfernung. Der fest angebrachte Schiessbecher ermöglicht in wenigen Sekunden die Umstellung des Sturmgewehrs auf das Feuer mit Hohlpanzergranaten, Stahlgranaten und Nebelgranaten, die mit der neuen Waffe auf beträchtlich grössere Entfernungen abgefeuert werden können als bisher die Panzervrorfgranaten, ganz abgesehen von den Handgranaten.

831 Damit fallen dem Einzelkämpfer, den Gefechtsgruppen und -Zügen der Infanterie und der Leichten Truppen neue schiesstechnische und taktische Aufgaben zu, welche die Selbständigkeit des einzelnen Wehrmannes und der Führer der kleinsten Verbände auf dem Gefechtsfelde noch stärker hervortreten lassen. Der Einführung des Sturmgewehrs in der Infanterie und bei den Leichten Truppen kommt deshalb eine weitreichendere Bedeutung zu als vor Jahrzehnten der Ersetzung des Gewehrs 1911 durch den Karabiner 1931. Es handelt sich nicht bloss um die Ersetzung einer Waffe durch eine neuere Waffe gleicher Art, sondern um die Einführung eines neuen Waffentyps auf breiter Grundlage, wodurch Organisation und Einsatz der Truppe verändert und auch an die Ausbildung grundsätzlich neue Anforderungen gestellt werden.

C. Umschulung in den Wiederholungskursen Wenn die Ausbildung von Rekruten und Kadern in den Rekrutenschulen keine besonderen Schwierigkeiten bietet, ja sogar eine gewisse Vereinfachung erfährt, so verlangt die Umschulung von Formationen der Feldarmee umso mehr Beachtung und Sorgfalt. Wohl sind Handhabung und Gewehrfeuer mit dem Sturmgewehr einfach, während das Schiessen mit Hohlpanzergranaten schon eine erhebliche Übung erfordert. Vor allem aber verlangen die Wahl der Feuerart und der Munition von Führern und Truppe eine umfassendere und differenziertere Beurteilung der taktischen Situation und des erhaltenen Auftrages. Die durch das Sturmgewehr bedingte Umstellung im taktischen Denken und Handeln von Führer und Truppe muss daher im Vordergrund der Umschulung stehen. Die Formationen, die mit dem Sturmgewehr ausgerüstet werden, müssen daher den Wiederholungskurs neben der eigentüchen Waffenhandhabung und dem Schiessen vor allem der Gefechtsschulung der Gruppen und Züge widmen, um die durch das Sturmgewehr bedingten neuen taktischen Formen und Möglichkeiten mögüchst intensiv zu erarbeiten. Damit die ganzen Einheiten von der Umschulung erfasst werden, müssen sie mit, vollen Beständen zum Umschulungs-Wiederholungskurs einrücken, was eine Änderung in der zeitlichen Verteilung der Wiederholungskurse bedingt. Alle Leute, die ihre Wiederholungskurspflicht noch nicht völlig erfüllt haben, werden - unter entsprechender Anrechnung - zur Umschulung einberufen. Die beiden ältesten Jahrgänge des Auszuges im Alter von 35
und 36 Jahren, deren Wiederholungskurspflicht erschöpft ist, werden nur für die Dauer einer Woche einberufen unter Anrechnung des Dienstes auf die Ergänzungskurspflicht der Landwehr.

Auf diese Weise wird es möglich sein, die Umschulung in der Feldarmee durchzuführen ohne zusätzliche Dienstleistung für die Mannschaften, sondern lediglich mit zeitlichen Verschiebungen im Eahmen der gesetzlichen Wiederholungskurs- und Ergänzungskurspflicht. Diese Vorwegnahme von Wiederholungsund Ergänzungskursen wird für das Jahr 1960 zusätzliche Aufwendungen von rund 965000 Franken erfordern, welche im Voranschlag 1960 eingestellt werden.

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D. Kaderkurse Wenn die Umschulung im ordentlichen Wiederholungskurs von Erfolg gekrönt sein soll, so verlangt dies eine gründliche Vorbereitung des Offiziersund des Unteroffizierskaders, wofür aber die gesetzlichen Kadervorkurse von 8 Tagen Dauer für die Offiziere und von 2 Tagen Dauer für die Unteroffiziere nicht ausreichen. Wir sehen deshalb vor, für die Umschulungs-Wiederholungskurse die Vorschulung des Kaders bis zu 7 Tagen Dauer für die Offiziere und bis zu 4 Tagen Dauer für die Unteroffiziere auszudehnen.

a. Offiziere: Artikel 2, Buchstabe 6 des Beschlusses der Bundesversammlung vom 19. September 1952 über Ausbildungskurse für Offiziere (AS 1952, 789) ermächtigt den Bundesrat, «Bei Umorganisation von Truppen, Neubewaffnung oder Ausrüstung mit neuen Geräten für die Offiziere dieser Truppen Einführungs- oder Umschulungskurse bis zu 6 Tagen Dauer anzuordnen.» Gestützt auf diese Bestimmung beabsichtigen wir nun, die Offiziere derjenigen Truppen, welche im Wiederholungskurs auf das Sturmgewehr umgeschult werden, in einen 4tägigen Einführungskurs einzuberufen, an welchen der dem Wiederholungskurs vorangehende ordentliche Kadervorkurs sich unmittelbar anschliessfc.

Dadurch wird die Dauer der Kadervorkurse dieser Offiziere praktisch einmalig von 3 auf 7 Tage verlängert. Diese Lösung ist zunächst für das Jahr 1960 vorgesehen. Auf Grund der damit gemachten Erfahrungen soll dann die Eegelung für die folgenden Jahre getroffen werden.

b. Unteroffiziere: Gemäss Artikel 123, Absatz l der Militärorganisation (BS 5, 3; AS 1949, 1491) kann die Bundesversammlung «für den Fall einer Umorganisation oder Neubewaffnung eines Truppenkörpers oder einer Einheit des Auszuges und der Landwehr Dienstleistungen anordnen und deren Dauer bestimmen». Auch hier sollte nun der Bundesrat die Möglichkeit erhalten, zunächst einmal für das Jahr 1960 eine Lösung zur Anwendung zu bringen und gestützt auf die dabei gesammelten Erfahrungen die-Begelung für die nachfolgenden Jahre zu treffen.

Der Bundesrat sollte daher ermächtigt werden, die in Betracht fallenden Unteroffiziere in ähnlicher Weise wie die Offiziere zu einem höchstens zweitägigen Binführungskurs einzuberufen, welcher dem zum Umschulungs-Wiederholungskurs gehörenden ordentlichen Kadervorkurs ebenfalls unmittelbar voranzugehen hat. Auch hier ergibt sich damit praktisch
eine einmalige Verlängerung des Kadervorkurses der Unteroffiziere um höchstens 2 auf maximal 4 Tage. Wir beabsichtigen, diese Ermächtigung im Jahre 1960 versuchsweise voll auszuschöpfen.

Die Kosten für diese Verlängerung der Kadervorkurse werden sich 1960 auf rund 38000 Pranken für die Offiziere und rund 27000 Franken für die Unteroffiziere, zusammen also auf rund 65000 Franken belaufen.

833 E. Auswirkungen der Einführung des Sturmgewehrs auf das ausserdienstliche Schiessen Die Einführung des Sturmgewehrs wird sich auch in erheblichem Masse auf das Schiesswesen ausser Dienst in seiner Gesamtheit auswirken. Schon seit 1957 bemüht sich die Gruppe für Ausbildung, die zivilen Schützenkreise über die neue Waffe zu orientieren und durch zahlreiche Demonstrationen und Versuchsschiessen ihr Interesse an derselben zu wecken. Im allgemeinen wurde das Sturmgewehr als hochwertige Kampfwaffe anerkannt. Mit der Zeit wird der Durchschnitt der Schiessresultate sogar fühlbar ansteigen. Die Erfüllung der ausserdienstlichen Schiesspflicht mit dem Sturmgewehr und die Teilnahme am Feldschiessen stellen keinerlei Probleme, die nicht mit Leichtigkeit gelöst werden können. Anderseits ist nicht zu bestreiten, dass die Einführung des Sturmgewehrs künftig die Organisation von freien Schiessanlässen erschweren wird. Angesichts der guten Beziehungen, die zwischen den zivilen Schützenkreisen und den zuständigen Fachinstanzen des Militärdepartements bestehen, wird es zweifellos möglich sein, gestützt auf Versuche und Erfahrungen mit der Zeit eine befriedigende Lösung dieser Probleme zu finden ohne Beeinträchtigung der zivilen Schiessanlässe und ihrer Bedeutung für die Schiessfertigkeit unserer Wehrmänner wie auch für den inneren Zusammenhang des Schweizervolkes.

F. Weitere finanzielle Auswirkungen Die Einführung des Sturmgewehrs wird aber auch die laufenden Ausgaben des Bundes für die Munitionsbeschaffung in ziemlich erheblicher Weise beeinflussen. Die Bedürfnisse der Kekrutenschulen, Kaderschulen, und einer verstärkten Division an zusätzlichen Gewehrpatronen bewirken 1960 eine Steigerung der Kosten von rund 690000 Franken. Die weiteren mannigfachen Verwendungsmöglichkeiten mit Hohlpanzergranaten, Stahlgranaten und Nebelgranaten verlangen ebenfalls eine entsprechende Ausbildung, für welche die Kriegstechnische Abteilung eine besondere Übungsgranate konstruiert hat, die wiederholt verwendet werden kann und erheblich billiger ist als die Kriegsmunition. Für die erstmalige Beschaffung dieser Übungsgranaten ist ein Aufwand von 4,8 Millionen Franken nötig, von denen wir bereits l Million Franken als dringenden Vorschuss bewilligt haben, den wir Ihnen mit der zweiten Serie von Nachtragskrediten für 1959 unterbreiten
werden. Der Eestbetrag von 8,3 Millionen Franken wird in den Voranschlag 1960 eingestellt. Zu diesem Betrag gesellen sich 1960 ferner die Aufwendungen für die Betablierung und den Ersatz unbrauchbar gewordener Übungsgranaten, die auf rund 3,1 Millionen Franken berechnet werden. Insgesamt verursacht die Einführung des Sturmgewehrs im Jahre 1960 Mehraufwendungen für Gewehrmunition und Übungsgranaten im Betrage von rund 8,1 Millionen Franken, von denen l Million noch auf das Jahr 1959 entfallen, die restlichen 7,1 Millionen auf das Jahr 1960. Alle diese Mehraufwendungen sind indessen unabhängig von der Anordnung eines ver-

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längerten Kadervorkurses. Sie sind, wie auch die in den Abschnitten C und D hievor erwähnten Aufwendungen, unausweichliche Auswirkungen der vorgesehenen Einführung des Sturmgewehrs, die hier lediglich zur Beleuchtung der Sachlage angeführt werden. Im Eahmen der gegenwärtigen Vorlage ist somit kein Kreditbeschluss zu fassen.

Wenn diese Zahlen zunächst überraschen mögen, so ist doch zu bedenken, dass die erhebliche Vergrösserung der Feuerkraft unserer Infanterie und der bedeutende Fortschritt, den die Einführung des Sturmgewehrs für unsere Panzerabwehr bedeutet, unvermeidlich vermehrte und intensivere Schiessübungen und damit einen gesteigerten Munitionsverbrauch nach sich ziehen muss. Wir sind indessen auch in dieser Hinsicht noch im Stadium der Versuche, und es ist nicht ausgeschlossen, dass wir auf Grund der Erfahrungen noch dazu gelangen, in vermehrtem Masse zu spezialisieren und die vorgesehenen Munitionsdotationen herabzusetzen. Ebenso besteht'die Möglichkeit, dass bei fortschreitender Fabrikation die Gestehungskosten der verschiedenen Munitionsarten gesenkt werden können und dass -weniger kostspielige Übungsmunition eingeführt werden kann.

Wir empfehlen den mitfolgenden Beschlussesentwurf zur Annahme und benützen den Anlass, Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 23.Oktober 1959.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: P.Chaudet Der Bundeskanzler: Ch. Oser

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über Unteroffizierskurse für die Einführung des Sturmgewehrs (Vom 23. Oktober 1959)

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29.10.1959

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