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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend die Organisation der Vertheidigu und Verwaltung der Gotthardbefestigung (Vom 8. Dezember 1892.)

Tit.

Durch Bundesbeschluß vom 22. Dezember 1891 ertheilten Sie uns die Vollmacht, die mit den Befestigungsanlagen auf dem St. Gotthard zusammenhängenden organisatorischen Maßnahmen zu treffen, in der Meinung, daß Ihnen innert Jahresfrist eine bezügliche Gesetzesvorlage unterbreitet werde.

Daraufhin haben wir im Laufe des Jahres 1892 diejenige Organisation in der Hauptsache durchgeführt, welche wir Ihnen mit geringfügigen Abänderungen hiemit vorzulegen die Ehre haben und um deren endgültige Bestätigung wir nachsuchen.

Es handelte sich vor Allem darum, die Besetzung der Gotthardbefestigungen in keinem Falle dem Zufall zu überlassen,l sondern O O eine Truppe zu bilden, welche mit den besonderen Anforderungen dieser Aufgabe auf das Genaueste vertraut ist.

An die Spitze der Besatzung mußte ein Kommandostab gestellt werden, der alle für die Leitung der Vertheidigung wie der Friedensverwaltung notwendigen Elemente enthält.

Wenn derselbe im Verhältniß zu der unterstellten Truppe etwas zahlreich erscheint, so muß darauf hingewiesen werden, daß seine Aufgabe eine vielseitigere und ganz besonders auch eine örtlich viel weiter ausgedehnte Thätigkeit verlangt, als z. B. die Führung einer mobilen Division.

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Die Stellungen, die unter der Leitung dieses Kommandostabes vertheidigt werden müssen, umfassen eine Peripherie von circa 40 Kilometer Luftlinie und zerfallen in verschiedene, unter sich selbständige, durch große Gebirgsmassive von einander getrennte Abschnitte.

Es müssen daher die Führer, welchen die Verteidigung anvertraut werden soll, nicht nur mit den Anforderungen des Festungsund Positionskrieges im Allgemeinen, sondern auch mit den durchaus eigenartigen Verhältnissen des Platzes am St. Gotthard selbst vertraut gemacht werden.

Aehnlich verhält es sich mit den Truppen.

Neben der geringen Anzahl von Festungskompagnien, welchen
Da die Aufgaben der Vertheidigung an die taktische Ausbildung einer Truppe, welche einmal mit den lokalen Verhältnissen gehörig vertraut ist, keine großen Anforderungen stellen uud die Anlehnung an die permanenten Werke, wie die Natur des Geländes es gestatten, die Vertheidigung unter den günstigsten Bedingungen zu führen, so können größtentheils Landwehrtruppen verwendet werden. Immerhin muß denselben ein Minimum von Auszügei'truppen zugetheilt werden, um dem Ganzen mit Rücksicht auf Dienstbetrieb und militärisches Auftreten Halt und Beispiel zu geben, sodann aber ganz besonders, weil an den Auszug größere Anforderungen bezüglich Bereitschaft im Falle eines Aufgebotes gestellt werden können.

Fuhrer und Truppen können nur dann mit ihrer Aufgabe vertraut werden, wenn die Uebungen aller der Gotthardbesatzung angehörenden Truppen in den Positionen abgehalten werden, deren "Vertheidigung ihnen anvertraut ist, und wenn außerdem die Führer in besonderen Kursen für ihre Aufgabe ausgebildet werden.

Es sind deßhalb bereits im Jahre 1892 zwei Kurse für die Führer der Gotthardtruppen abgehalten worden. Der erste, theoretische in der Dauer von zwei Wochen im Monat März in Altorf; der zweite, praktisch-applikatorische in der Dauer von drei Wochen im Hochsommer im Gotthardgebiet selbst. An diesen letzteren reihten sich die Wiederholungskurse verschiedener Truppeneinheiten der Infanterie, Artillerie und des Genie, sowie ein Sanitätskurs, welche sämmtliche im Spätsommer und Herbst des laufenden Jahres im

759 Gotthardgebiet stattfanden und durchaus befriedigende Resultate mit Rücksicht auf das Verständniß der Führung und die Leistungs-fähigkeit der Truppe gezeigt haben. Im nächsten Jahre beabsichtigt dasMilitärdepartement, durch Einberufung einer größeren Anzahl von Subalternoffizieren die Spezialausbildung der Führer zu erweitern und weitere zur Gotthardbesatzung gehörende Einheiten zu Wiederholungskursen imGotthardgebiet einzuberufen.

Außer diesen Maßnahmen, welche unmittelbar mit der Truppenverwendung für die Verteidigung der Gotthardbefestigung zusammenhängen, brauchen wir ein, wenn auch wenig zahlreiches, s t ä n d i g e s Personal von Militärbeamten für Instruktions und Verwaltungszwecke.

Diese Offiziere werden gleichzeitig Funktionäre des im Uebrigen aus Truppenoffizieren gebildeten Kommandostabes sein, und es wird ihnen die Instruktion der Festungstruppen, die Leitung der im Platz stattfindenden Truppenübungen, die Verwaltung des umfangreichen und kostspieligen Materiale» an Waffen, Munition Lebensmitteln und Maschinen überbunden werden, sowie überhaupt die V e r a n t w o r t l i c h k e i t für die beständige Bereitschaft des Platzes.

Die daherigen Ernennungen haben bereits zu Anfang des Jahres 1892 stattgefunden, und es hat während dieses Jahres und zum Theil schon im Jahre 1891 der neue Organismus funktionirt und durchaus den Erwartungen entsprochen, welche auf ihn gesetzt wurden.

Der Bundesrath erbittet sich daher die Genehmigung dieser Organisation und beehrt sich, Ihnen zu diesem Zweck den beifolgenden Beschlussesentwurf zu unterbreiten. Gleichzeitig benutzen wir diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 8. Dezember 1892.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Hanser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

760 (Entwurf.)

Bnndesbeschlnß betreffend

die Organisation der Verteidigung und Verwaltung der Gotthardbefestigung.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 8. Dezember 1892, besch ließt: Art. 1. Der K o m m a n d o s t a b , welchem die Leitung der Verteidigung der Gotthardbefestigung und der in derselben stattfindenden Truppenübungen obliegt, wird gebildet wie folgt: Der Kommandant, mit dem Rang und den Kompetenzen eines Oberstdivisionärs 2 Pferde.

Der Stabschef, Oberstlieutenant oder Major im Generalstab 2 n Der zweite G-eneralstabsoffizier 2 ,, Zwei Adjutanten 4 ,, Der Artilleriechef, Oberst oder Oberstlieutenant der Artillerie 2 ,, Sein Adjutant .'

2 ,, Der Geniechef, Oberst oder Oberstlieutenaut des Genie 2 ,, Sein Adjutant 2 ,, Der Offizier des Materiellen, Major oder Haupttnann l Pferd.

Sein Gehülfe. Elektrotechniker --

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Der Trainchef, Hauptmann oder Oberlieutenant 2 Pferde.

Der Chef der Verpflegung, Major l Pferd.

Der Chefarzt, Major l ,, Drei Feldprediger (zwei katholisch, einer refbrmirt) -- Der Stabspferdearzt, Hauptmann oder Lieutenant l ,, Total: 18 Offiziere, 24 Reitpferde.

Art. 2. Dem Kommandostab sind außerdem beigegeben: a. Vier Abscbnittskommandanten, jeder mit einem Adjutanten, nämlich je einer für 'die Südfront, Ostfront, Westfront und Nordfront des Platzes.

b. Für jedes geschlossene Werk ein Fortkommandant.

Art. 3. Dem Kommandanten der Gotthardbefestigung werden an Infanterie-, Artillerie- und Genietruppen diejenigen meist der Landwehr zu entnehmenden Einheiten unterstellt, welche in allen Fällen als S i c h e r h e i t s b e s a t z u u g verwendet werden sollen. Diese Truppen halten ihre Uebungen in den Gotthardbefestigungen ab.

Art. 4 . D i e V e r w a l t u n g d e r Gotthardb e f e s t i g u n g ist überbunden : a. Dem K o m m a n d a n t e n der G o t t h a r d b e F e s t i g u n g als verantwortlichem Chef der Verwaltung und Instruktion, dem Militärdepartement unmittelbar unterstellt.

b. Den folgenden Militärbeamten, welche zugleich Funktionäre des Kommandostabes sind und das ständige Verwaltungsbüreau mit Sitz in Andermatt bilden : 1. Dem A r t i l l e r i e c h e f des P l a t z e s , Stellvertreter des Kommandanten, zugleich Chef-Iustruktor der Festungsartillerie und Chef des Verwaltungsbüreau.

Jahresgehalt: Fr. 5000--7000.

2. Dem O f f i z i e r des M a t e r i e l l e n , als technischem Verwalter der Waffen, Munition, Maschinen und Material vorräthe des PJataes.

Jahresgehalt: Fr. 3500--5000.

762 3. Dem G e n i e c h e f , welcher zugleich Instruktionsoffizier des Genie und als solcher auch außerhalb des Platzes verwendbar ist. Derselbe überwacht den baulichen Zustand der Befestigungen, stellt die Pläne für die f o r t i fi k a t o r i s c h e A r m i r u n g des Platzes auf und leitet deren Ausführung in Krieg und Frieden; d. h.

er entwirft die zur Vervollständigung der permanenten Befestigungsanlagen in den verschiedensten Kriegslagen nothwendigen p a s s a g e r e n u n d p r o v i s o r i s c h e n Werke, bereitet die Beschaffung der zu deren Ausführung im Kriegsfall nothwendigen Arbeitskräfte und Materialien vor und leitet die successive Herstellung solcher Werke nach einem festen Programm in den Friedensübungen der Besatzungstruppen (ArmirungsUbungen).

Jahresgehalt: Fr. 5000--7000.

Art. 5. Außerdem werden dem Kommandostabe unterstellt : Zwei Fortver w a l t e r für Andermatt und Airolo, zugleich Instruktoren der Festungskompagnien.

Dem Fortverwalter von Andermatt, welchem auch die Anlagen auf Oberalp und Furka unterstellt sind, wird eia Adjunkt beigegeben.

Jahresbesoldung: Fr. 3000--4000.

Die Fortverwalter sind im Besonderen für den materiellen Zustand der ihnen anvertrauten Werke und deren Bewaffnung, Munition Ausrüstung, Mobiliar und Vorräth verantwortlieh. Sie treffen beim Kriegsausbruch die ersten Maßnahmen für die Gefechtsbereitschaft und Vertheidigun jener Werke.

Art. 6 . F ü r d i e B e w a c h u n g u n d I n s t a n d h a l t u n g d e r B e f e s t i g u n g e n wird d e n Fort verwaltern (v. Art. 5") das nöthige Personal an Maschinisten und Spezialarbeitern, letztere zugleich Unteroffiziere oder

76$ Soldaten der Festungsartillerie, sowie eine Anzahl von Unteroffizieren und Soldaten, welche jeweilen auf freiwillige Anmeldung hin für die Zeit, da keine anderen Truppen im Fort Dienst thun, zur Bewachung desselben kommandirt werden,, unterstellt.

Jahresgehalt eines Maschinisten und eines Spezialarbeiters : Fr. 1800--2800.

Art. 7. Die regelmäßige Inspektion des gesammten Dienstes der Vertheidigung und Verwaltung der Gotthardbefestigung überträgt das Militärdepartement nach seinem Ermessen einem höheren Offizier.

Den Waffen- und Abtheilungschefs der schweizerischen Militärverwaltung steht die Inspektion über Truppen, Material und bauliche Anlagen, soweit es ihre Verwaltungsabtheilung angeht, unter Mittheilung an das Gotthardkommando zu. Ihre Bemerkungen sind an das Militärdepartement zu richten.

Art. 8. Der Bundesrath ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Beschlusses zu, veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben^ festzusetzen.

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14.12.1892

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