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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Weiterführung der Preiskontrolle (Vom 25. August 1959)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Die Geltungsdauer des Bundesbeschlusses (Verfassungszusatzes) vom 26. September 1952/22. Dezember 1955 über die befristete Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle läuft am 31. Dezember 1960 ab. Es stellt sich somit die Frage, was für die Zeit nach diesem Termin auf dem Gebiete der Preiskontrolle vorzukehren ist.

Wir haben die Ehre, Ihnen den nachfolgenden Bericht über die Weiterführung der verschiedenen Aufgaben der Preiskontrolle mit einem Antrag über die Weiterführung der befristeten Preiskontrollmassnahmen zu unterbreiten.

Nachdem wir ihnen nunmehr zum dritten Male eine Weiterführung bestimmter Aufgaben der Preiskontrolle vorschlagen müssen, drängt sich unseres Erachtens eine Bereinigung in dem Sinne auf, dass die Eechtssetzung dem unterschiedlichen Charakter der verschiedenen Massnahmen Rechnung tragen soll. Der diesem Bericht beigefügte Antrag zu einem Verfassungszusatz bezieht sich deshalb nur auf die Weiterführung der befristeten kriegswirtschaftlichen Massnahmen und auf die Bereitschaftsbestimmung von Artikel 2 des geltenden Verfassungszusatzes, die sich nicht auf bestehende Verfassungsbestimmungen abstützen lassen, und wofür deshalb die sonst fehlende verfassungsrechtliche Kompetenznorm geschaffen werden muss. Damit soll vermieden werden, in eine Erneuerung des Verfassungszusatzes wirtschaftspolitische Friedensaufgaben einzubeziehen, zu deren gesetzlichen Eegelung der Bund ohnehin schon auf Grund der Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung (Art.31 bis, Abs.3, Buchstabe a und b) befugt ist.

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I.

Befristete kriegswirtschaftliche und unbefristete friedenswirtschaftliche Aufgaben der Preiskontrolle 1. Unterscheidung zwischen kriegswirtschaftlichen und friedenswirtschaftlichen Aufgaben Der geltende Verfassungszusatz vom 26. September 1952/27. Juni 1956 über die befristete Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle bezieht sich auf eine Eeihe von Massnahmen, die alle eine Eegelung der Preisgestaltung und folglich einen Schutz der Verbraucher, beziehungsweise der Mieter und Pächter bezweckten. Die einzelnen Aufgaben sind jedoch in bezug auf ihre wirtschaftliche Zielsetzung und verfassungsrechtliche Behandlung anders zu beurteilen, je nachdem es sich um noch nicht abgebaute Bestbestände der vergangenen Kriegswirtschaft oder um permanente beziehungsweise langfristige Aufgaben der Friedenswirtschaft handelt.

Gestützt auf den erwähnten Verfassungszusatz ist der Bund befugt, Vorschriften zu erlassen über : - die Mietzinse, einschliesslich der nichtlandwirtschaftlichen Pachtzinse, und die Beschränkung des Kündigungsrechts (Art. l, Abs.l) - die landwirtschaftlichen Pachtzinse (Art.l, Abs.l) - die geschützten Warenpreise (Art.l, Abs.2) - die Preisausgleichsmassnahmen (Art.l, Abs.2) - die Preise lebenswichtiger, für das Inland bestimmte Waren (Art.2).

Diese während des Krieges und bis dahin unter dem Titel «der Kosten der Lebenshaltung und des Schutzes der regulären Markversorgwng», also unter dem einheitlichen Gesichtspunkt des Schutzes der Konsumenten im geltenden Verfassungszusatz zusammengefassten Massnahmen sind jedoch nicht gleichartig.

Es lassen sich zweierlei Arten von Massnahmen unterscheiden, deren verschiedenartiger Charakter berücksichtigt werden muss, da es nur noch um die Durchführung einiger Einzelaufgaben geht, und die Preiskon trolle nicht mehr wie während des Krieges ein allumfassendes Arbeitsgebiet darstellt.

Bei der einen Gruppe handelt es sich um Restbestände kriegswirtschaftlicher Massnahmen, wie die Mietzinskontrolle, einschliesslich der Beschränkung des Kündigungsrechtes, und die Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte, die noch nicht abgebaut werden konnten und nur befristet weitergeführt werden sollen, um ein schrittweises Vorgehen bei ihrem Abbau zu ermöglichen.

Zu dieser Gruppe von Vorschriften, deren Geltungsdauer befristet erstreckt werden soll, gehört
auch die gemäss Artikel 2 des geltenden Verfassungszusatzes dem Bundesrat zustehende Kompetenz, Höchstpreisvorschriften für lebenswichtige, für das Inland bestimmte Waren mit sofortiger Wirkung in Kraft zu setzen, wenn er solche der Bundesversammlung beantragt. In dieser Vorschrift ist zwar keine eigentliche kriegswirtschaftliche Massnahme zu erblicken, wohl aber eine auf die ausserordentlichen Zeiten des sogenannten «kalten Krieges» zugeschnittene transitorische Bereitschaftsbestimmung.

445 Die andere Gruppe umfasst Aufgaben, wie die Pachtzinskontrolle, die Überwachung geschützter Warenpreise und die Preisausgleichskasse für Eier und Eiprodukte, die mit wirtschaftspolitischer Zielsetzung auch in Friedenszeiten im Eahmen der Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung (Art.Slbis Abs. 3, Buchstabe a und fe) durchzuführen sind.

2. Vorgeschichte der heutigen Unterscheidung zwischen kriegswirtschaftlichen und îriedenswirtschaîtlichen Aufgaben Im Zusammenhang mit dem Abbau der kriegswirtschaftlichen Preiskontrolle wurde im Lauf e der letzten Jahre in verschiedenen Botschaften des Bundesrates über die befristete Weiterführung der Preiskontrolle bereits mehrmals darauf hingewiesen, dass es sich bei der Kontrolle der geschützten Warenpreise (z.B. Eier, Fleisch, Früchte, Gemüse, Milch) um ein notwendiges Korrelat zu Schutz- und Hilfsmassnahmen des Bundes, also um die Wiederaufnahme einer friedensmässigen Daueraufgabe aus der Vorkriegszeit handle (Botschaft des Bundesrates betreffend die befristete Weiterführung der Preiskontrolle vom 2.Mai 1952 [BEI 1952 I 63]; Botschaft über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle vom S.Februar 1953 [BEI 1953 I 302/3]; Bericht des Bundesrates über das Volksbegehren zum Schütze der Mieter und Konsumenten vom 20. Juli 1954 [BEI 1954 II184-186]; Botschaft betreffend die Verlängerung des Verfassungszusatzes über die befristete Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle vom I.November 1955 [BB1 1955 II 983]; Botschaft betreffend die Durchführung der Preiskontrolle vom S.Mai 1956 [BEI 1956 I 1058]). Diese Feststellung wurde bei der parlamentarischen Behandlung der erwähnten Botschaften von keiner Seite bestritten. Trotzdem es sich bei der Überwachung der geschützten Warenpreise anerkanntermassen um eine ständige Aufgabe handelte, wurde sie jeweils vom Bundesrat der Einfachheit wegen in die Bundesbeschlüsse über die befristete Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle sowie deren Durchführung aufgenommen. In seinem Bericht vom 20. Juli 1954 über das Volksbegehren zum Schütze der Mieter und Konsumenten (BB1 1954 II 185/6) sowie in seiner oben zitierten Botschaft vom I.November 1955 hat sich der Bundesrat dahingehend geäussert, dass sich die Auffassung vertreten lässt, wonach in der Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zur Ergreifung von
preisbeeinflussenden Massnahmen seine Kompetenz zum Erlass von Preisvorschriften für die betreffenden Waren enthalten ist. Infolgedessen bedürfe es für die letztere Kategorie von Rechtssätzen keiner besonderen verfassungsmässigen Grundlage. Der Bundesrat hat dann allerdings die Bestimmung über die Kontrolle der geschützten Warenpreise trotzdem in den zu verlängernden Verfassungszusatz aufgenommen, nachdem die Angelegenheit damals noch eingehender Prüfung bedurfte und ohnehin andere Aufgaben der Preiskontrolle kriegswirtschaftlicher Natur weitergeführt werden mussten.

Auch in bezug auf die Kontrolle der landwirtschaftlichen Pachtzinse wurde ihre dauernde Verankerung im Bundesgesetz über die Erhaltung des bäuerlichen

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Grundbesitzes vom 12. Juni 1951 schon in bisherigen Botschaften des Bundesrates erwogen (Botschaften betreffend die Weiterführung bzw. Durchführung der Preiskontrolle vom 2.Mai 1952 [BB1 1952, II 84], vom S.Februar 1958 [BEI 1958 1301], vom I.November 1955 [BEI 1955 II983] und vom S.Mai 1956 [BEI 1956 11057]). Von verschiedener Seite wurde im Laufe der letzten Jahre die Ansicht vertreten, dass die Pachtzinskontrolle in der landwirtschaftlichen Gesetzgebung verankert werden sollte, da eine befristete Eegelung den tatsächlichen Verhältnissen nicht mehr entspreche. In der Herbstsession 1954 hat denn auch der Nationalrat eine Motion Stähli als Postulat angenommen, wonach der Bundesrat ersucht wird, den Einbau der Pachtzinskontrolle in das erwähnte Bundesgesetz über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vorzubereiten.

Im Hinblick auf die vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement bereits an die Hand genommenen Vorarbeiten zu einer Eevision des Bodenrechts wurde im Jahre 1956 anlässlich der Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Verfassungszusatzes über die Preiskontrolle vom 26. September 1952 für die Zwischenzeit doch auch die darauf beruhende Pachtzinskontrolle nochmals miteinbezogen.

Dem Antrage des Bundesrates entsprechend wurde der Bundesbeschluss vom 26. September 1952 über die Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle (Verfassungszusatz) durch den gleichnamigen Bundesbeschluss vom 22. Dezember 1955 unverändert, das heisst einschliesslich der Bestimmungen über die Kontrolle der landwirtschaftlichen Pachtzinse und der geschützten Warenpreise, verlängert.

Ausgehend von unseren Darlegungen in den erwähnten Botschaften wurden jedoch bei der parlamentarischen Behandlung des Bundesbeschlusses vom 28. September 1956 über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle in beiden Eäten folgende Postulate eingereicht, aus der Mitte der Bäte nicht bestritten und vom Bundesrat zur Prüfung entgegengenommen : Ständerat Postulat der Kommission für die Durchführung der Preiskontrolle vom 26. Juni 1956: Der Bundesrat wird eingeladen, rechtzeitig die nötigen Vorkehren zu treffen, damit bei Ablauf des Bundesbeschlusses über die befristete Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle 1. die Fortdauer der Kontrolle der landwirtschaftlichen Pachtzinse gesichert ist; 2. die Preise und Margen
von Waren, deren freie Preisbildung durch staatliche Schutz- und Hilfsmassnahmen beeinträchtigt wird, überwacht und nötigenfalls nach einheitlichen Grundsätzen so festgesetzt werden, dass eine ungerechtfertigte Preisbildung verhindert wird.

Nationalrat Postulat Nationalrat Herzog vom 21. September 1956: Der Bundesrat wird eingeladen, rechtzeitig die nötigen Vorkehrungen zu treffen, damit bei Ablauf des Bundesbeschlusses über die befristete Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle

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1. die Fortdauer der Kontrolle der landwirtschaftlichen Pachtzinse gesichert ist; 2. die Preise und Margen von Waren, deren freie Preisbildung durch staatliche Schutz- und Hilfsmassnahmen beeinträchtigt wird, überwacht und nötigenfalls nach einheitlichen Grundsätzen so festgesetzt werden, dass eine ungerechtfertigte Preisbildung verhindert wird; 3. die Weiterführung der Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte zur . Tiefhaltung des Müchpreises für die Konsumenten in Mangelgebieten und Konsumzentren gesichert ist.

Diesen beiden Postulaten liegt - wenn es auch in ihrem Text nicht ausdrücklich gesagt wird - übereinstimmend die Auffassung zugrunde, es sei dem dauernden Charakter der Kontrolle der geschützten Warenpreise und der Pachtzinskontrolle durch die formelle Ausgestaltung des künftigen Preiskontrollrechts Bechnung zu tragen.

Diese Ansicht entspricht den in unseren früheren Botschaften geäusserten Gedanken. Die Möglichkeit einer Verankerung dieser ständigen beziehungsweise langfristigen Friedensaufgaben im ordentlichen Becht bedurfte jedoch vorerst eingehender Abklärung. In Anbetracht der prinzipiellen Bedeutung der sich stellenden verfassungsrechtlichen Frage hat das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement Wert darauf gelegt, sie von berufener Seite überprüfen zu lassen. Infolgedessen wurde Professor Dr.Hans Huber (Bern) ersucht, sich darüber zu äussern. In zwei Gutachten vom 28. Jurii 1958 und 5.Februar 1959 bejaht Professor Huber die Möglichkeit, die Pachtzinskontrolle, die Überwachung der geschützten Warenpreise und die Preisausgleichskasse für Eier auf die Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung (Ar«fc. 31 Us, Abs. 3, Buchstabe a und fe) zu stützen. Er verneint die Frage dagegen in bezug auf die Preisausgleichskasse für Milch.

Gestützt auf das Ergebnis dieser Überprüfung geben wir nunmehr einem, dem unterschiedlichen Charakter der einzelnen Massnahmen entsprechenden Vorgehen den Vorzug, wonach die ständigen wirtschaftspolitischen Friedensaufgaben der Preiskontrolle nicht mehr im Verfassungszusatz, sondern gestützt auf Artikel Slbis, Absatz 3, Buchstabe a und b der Bundesverfassung in besonderen Erlassen der Gesetzesstufe geregelt werden sollen.

3. Wirtschaftspolitische Dauerauîgaben in Friedenszeiten a. Kontrolle der geschützten Warenpreise In bezug auf die geschützten
Warenpreise wurde Professor Dr. H. Huber ersucht, sich über folgende Frage zu äussern: «Schliessen die verfassungsmässigen Kompetenzen des Bundes zur Ergreifung von Schutz- oder Hilfsmassnahmen, die geeignet sind, die Preise gewisser Waren zu beeinflussen, die Befugnis ein, diese Preise zu überwachen, d.h. nötigenfalls sogar Preisvorschriften zu erlassen?» Professor Huber hat diese Frage in seinem Gutachten vom 28. Juni 1958 besonders im Zusammenhang mit Artikel 31 bis, Absatz 3, Buchstabe a und b der Bundesverfassung geprüft. In bezug auf diese beiden Zuständigkeiten des Bundes bejaht er die Frage: «Der Bund ist auch zuständig,

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die Preise zum Gegenstand von Überwachungsmassnahmen und Beschränkungsvorschriften zu machen, auf die der interventionistische Schutz einwirkt oder einwirken kann.» Er bezeichnet die Kompetenz des Bundes, zur Wahrung des Gesamtinteresses preisbeeinflussende Schutz- oder Hilfsmassnahmen, welche sich auf Artikel 31 bis, Absatz 3, Buchstabe a und b der Bundesverfassung stützen, mit Höchstpreisvorschriften zu verbinden, als «eine stillschweigende Bundeszuständigkeit auf Grund eines notwendigen Sachzusammenhanges mit einer ausdrücklichen.» Das Gutachten von Professor Huber ist überzeugend und bestätigt unsere in früheren Botschaften geäusserte Auffassung. Da es sich bei den durch Höchstpreisvorschriften zu ergänzenden preisbeeinflussenden Schutz- und Hilfsmassnahmen des Bundes gegenwärtig ausschliesslich um solche handelt, die in Anwendung von Artikel 31 bis, Absatz 3, Buchstabe a und b getroffen werden, erscheint eine besondere Verfassungsbestimmung über die Zuständigkeit des Bundes zur Kontrolle der geschützten Warenpreise nicht als notwendig. Die stark überwiegende Mehrheit der von uns um Vernehmlassung ersuchten Kantonsregierungen und Verbände teilt diese Auffassung.

b. Preisausgleichskasse (PAK) für Eier und EiproduUe Die Frage, ob auch zur Einführung eines Preisausgleiches eine stillschweigende und abgeleitete Zuständigkeit des Bundes im Zusammenhang mit Artikel 31 bis, Absatz 3, Buchstabe a und b der Bundesverfassung angenommen werden könne, ist ebenfalls Professor Dr. Huber vorgelegt worden, und zwar insbesondere mit Bezug auf die Preisausgleichskasse für Milch und diejenige für Eier. In seinem Gutachten vom S.Februar 1959 führt er hinsichtlich der auf den ersten Blick nicht ohne weiteres verständlichen, unterschiedlichen Beurteilung der beiden Kassen aus, es komme nicht darauf an, dass für beide Kassen das Wort «Preisausgleichskasse» gebraucht werde, es sei auch nicht entscheidend, dass in beiden Fällen ein Preisausgleich vollzogen werde. Vielmehr komme es auf den Zweck der Massnahmen an, und dieser sei bei den beiden Kassen grundverschieden.

Die Operation des Preisausgleichs sei eine bloss formelle Technik. Für die verfassungsrechtliche Beurteilung sei nicht diese wegleitend, sondern ihr Gehalt und Zweck.

Zieht man aus diesen Darlegungen die Nutzanwendung auf die PAK für Eier und Eiprodukte,
so ist folgendes festzustellen. Die PAK für Eier ist ein ausgesprochenes Instrument der Absatzförderung. Sie soll den Importeuren die Erfüllung ihrer Übernahmepflicht ermöglichen und ist ein nicht wegzudenkender Bestandteil der durch die Eier-Ordnung vom 19. Februar 1954 geschaffenen Marktordnung. Sie ist also ein Teil eines «zur Erhaltung eines gesunden Bauernstandes und einer leistungsfähigen Landwirtschaft» gestützt auf Artikel Blbis, Absatz 3, Buchstabe 6, BV getroffenen Massnahmenkomplexes. Im Bahmen oder als Korrelat dieser Erhaltungsmassnahmen im Interesse der Eierproduzenten trägt sie als zweckmässigste, wohlabgewogene Lösung auch dem

449 Gesamtinteresse Eechnung. Sie hilft nicht nur mit, den Bauern einen kostendeckenden Preis zu gewährleisten, sondern verbilligt auch den Preis der Inlandeier für die Konsumenten und ermöglicht es den Importeuren, die ihnen im Kahmen ihrer Pflichtübernahme zugeteilten Inlandeier neben den billigeren Importeiern abzusetzen, ohne den Eierimport zu beeinträchtigen, wie es sich in den letzten Jahren erwiesen hat.

Die PAK Eier wird durch Abgaben gespiesen, die auf den von den Importeuren eingeführten Eiern (Schalen-, Trocken-und Gefriereiern) erhoben werden.

Die ausgerichteten Beiträge verbilligen die von den Sammelorganisationen übernommenen und den Importeuren von Schaleneiern als Pflichtübemahme anzuliefernden Inlandeier, während der Vorteil der Importeure von Trocken- und Gefriereiern darin besteht, dass sie durch die Entrichtung der Abgaben an die Kasse von der Übernahmepflicht und dem Vertrieb von Inlandeiern entbunden sind. Es werden somit die gleichen Kreise belastet und begünstigt, wobei die Kasse selbsttragend ist, so dass Äquivalenz zwischen Abgaben einerseits und den von der Kasse gewährten Vorteilen andererseits besteht.

Eine Prüfung unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zeigt somit, dass die Preisausgleichkasse für Eier und Eiprodukte auf Artikel 31 bis Absatz 3, Buchstabe b der Bundesverfassung gestützt werden kann. Unsere Auffassung wird von Professor Huber bestätigt und deckt sich mit derjenigen fast aller konsultierten Kantonsregierungen und der meisten zur Vernehmlassung eingeladenen Verbände.

c. Kontrolle der landwirtschaftlichen PacMzinse Bei der verfassungsrechtlichen Würdigung der Kontrolle der landwirtschaftlichen Pachtzinse muss davon ausgegangen werden, dass ein wirtschaftlich tragbares Verhältnis zwischen dem Ertragswert des Bodens und dem Pachtzins zur Erhaltung eines gesunden Bauernstandes und einer leistungsfähigen Landwirtschaft notwendig ist und einschlägige von der Handels- und Gewerbefreiheit abweichende Vorschriften durch das Gesamtinteresse gerechtfertigt sind. Insofern ist in der durch Artikel 31 bis, Absatz 3, Buchstabe b der Bundesverfassung dem Bund eingeräumten Kompetenz auch die Befugnis zum Erlass von Vorschriften über die Kontrolle der landwirtschaftlichen Pachtzinse enthalten. Nach dem Gutachten von Professor Huber vom 5.Februar 1959 ist
darauf hinzuweisen, dass der Pächter innerhalb der ganzen Landwirtschaft nicht nur als «Konsument» einer Gebrauchsüberlassung dasteht, wie ein Wohnungsmieter, sondern selber als Produzent, welcher den Schutz von Artikel Blbis, Absatz 3, Buchstabe b der Bundesverfassung geniesst.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Überwachung der geschützten Warenpreise auf Artikel 31 bis, Absatz 3, Buchstabe a und b, die PAK Eier und die Pachtzinskontrolle auf Artikel 31 bis, Absatz 3, Buchstabe b der Bundesverfassung abgestützt werden können und dass, abgesehen von wenigen Ausnahmen, alle im Vernehmlassungsverfahren konsultierten Kantonsregierungen und Wirtschaftsorganisationen die von uns in. Aussicht geBundesblatt.lll.Jahrg.Bd.il.

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450 nommene, vom Verfassungszusatz getrennte Verankerung dieser Massnahmen in Erlasse der Gesetzesstufe begrüssen würden.

4. Befristete kriegswirtschaftliche Aufgaben a. Mietzinskontrolle und Mieterschutz (Beschränkung des Kündigungsrechtes und Aufschub von Umzugsterminen) In bezug auf die Mietzinskontrolle und die Beschränkung des Kündigungsrechts ist von entscheidender Bedeutung, dass die Mieter nicht als besonderer Beruf oder Wirtschaftszweig im Sinne von Artikel 31 bis, Absatz 3, Buchstabe a der Bundesverfassung gelten können. Infolgedessen enthält das permanente Verfassungsrecht des Bundes keine Grundlage für die Weiterführung dieser Massnahmen. Es handelt sich vielmehr um aus dem Vollmachtenrecht der Kriegsjahre übernommene, noch nicht abgebaute Massnahmen kriegswirtschaftlicher Natur, die nur t auf Grund eines Verfassungszusatzes weitergeführt werden können, für so lange, als dies aus gesamtwirtschaftlichen Überlegungen notwendig ist, um ihren Aufbau schrittweise vornehmen zu können.

b. Preisausgleichskasse (PAK) für Milch und Milchprodukte Unter Hinweis auf unsere Ausführungen unter Ziffer 3, Buchstabe b müssen wir feststellen, dass die PAK für Milch, im Gegensatz zur PAK für Eier, kein Instrument der Absatzförderung ist. Wir haben die Finanzierung und Tätigkeit der PAK-Milch in unserer Botschaft betreffend die Durchführung der Preiskontrolle vom S.Mai 1956 (BEI 1956 11059) dargelegt und können auf unsere dortigen Angaben verweisen. Ihr ausdrücklicher Zweck ist die «Tiefhaltung des Milchpreises für die Konsumenten in Mangelgebieten und Konsumzentren.» Sie hat also den Charakter einer sozialpolitischen Massnahme im Interesse der Konsumenten und kann nicht als Massnahme «zur Erhaltung eines gesunden Bauernstandes und einer leistungsfähigen Landwirtschaft» nach Artikel 31 bis Absatz 3, Buchstabe b der Bundesverfassung betrachtet werden. Zudem sind die Abgaben, welche die Kasse speisen, und die von ihr erbrachten Leistungen zur Tiefhaltung des Milchpreises keineswegs gleichwertig. Die zur Finanzierung der Kasse herangezogenen Erträgnisse der Abgaben auf Konsummilch und Konsumrahm sowie des Zollzuschlages auf Butter belasten die betreffenden Produkte gleichmässig für alle Konsumenten in der ganzen Schweiz. Die Leistungen der Kasse dagegen, wodurch der Konsummilchpreis tiefgehalten wird, beziehen
"sich wohl auf eine relativ grosse Zahl von Gemeinden, aber nicht auf alle. Nur rund drei Millionen Einwohner kommen in den Genuss der dadurch bewirkten Konsummilchverbilligung, und auch diese nicht gleichmässig, weil die Leistungen der Kasse nicht überall gleich hoch sind, sondern je nach Ortschaft grösser oder kleiner. Die Zuständigkeit zur Führung der Kasse kann deshalb nicht als stillschweigend in Artikel 31 bis, Absatz 3, Buchsabe b der Bundesverfassung enthalten betrachtet werden. Professor Huber bestätigt diese Ansicht in seinem Gutachten vom S.Februar 1959.

451 Desgleichen ist festzustellen, dass die Bundesverfassung keine Grundlage für eine generelle Konsummilchverbilligung aus sozialpolitischen Gründen enthält, wie wir in unserer Botschaft über zusätzliche wirtschaftliche und finanzielle Massnahmen auf dem Gebiete der Milchwirtschaft vom 6.Februar 1959 (BEI 1959 1307) schon dargelegt haben.

Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen ist festzuhalten, dass die Weiterführung der Kasse jedenfalls nur auf Grund einer einschlägigen ausdrücklichen Verfassungsbestimmung zulässig ist.

c. Kompetenz zum Erlass von Höchstpreisvorschriften für lebenswichtige, für das Inland bestimmte Waren Abgesehen von Artikel 2 des geltenden Verfassungszusatzes enthält die Bundesverfassung keine Bestimmung, wonach der Bundesrat Höchstpreisvorschriften für lebenswichtige, für das Inland bestimmte Waren mit sofortiger Wirkung in Kraft setzen kann, wenn er solche der Bundesversammlung beantragt. Soll eine solche Zuständigkeit des Bundesrates beibehalten werden, die für ausserordentliche Fälle, wie sie in wirtschaftlich und politisch bewegten Zeiten überraschenderweise eintreten mögen, vorgesehen ist, so kann dies nur durch Aufnahme der entsprechenden Bereitschaftsbestimmung im neuen Verfassangszusatz erfolgen.

5. Beantragtes Vorgehen in bezug auf die Rechtssetzung für die Weiterführung der verschiedenen Aufgaben Wie bereits erwähnt, halten wir ein differenziertes, dem unterschiedlichen Charakter der einzelnen Massnahmen entsprechendes Vorgehen für die bessere Lösung.

Eine blosse Verlängerung des gegenwärtigen Verfassungszusatzes wäre vielleicht einfacher, würde aber dem langfristigen Charakter der wirtschaftspolitischen Friedensaufgaben nicht Rechnung tragen und den erwähnten Postulaten der eidgenössischen Bäte nicht entsprechen.

Früher, als die Aufgaben der Preiskontrolle ein sozusagen allumfassendes Arbeitsgebiet darstellten und die Möglichkeit, einzelne dieser Aufgaben auf Grund der Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung weiterzuführen, nicht restlos abgeklärt war, mochte es vertretbar sein, alle Aufgaben unter dem einheitlichen Gesichtspunkt des Schutzes der Konsumenten zusammenzufassen. Heute geht es jedoch nur noch um die Durchführung einiger Einzelaufgaben, so dass sich eine der unterschiedlichen Natur dieser Aufgaben entsprechende Gestaltung der Eechtsgrundlagen
aufdrängt.

Es ist auch zweifellos verfassungstechnisch richtiger, allgemein anerkannte, dauernde wirtschaftspolitische Aufgaben, zu deren gesetzlicher Eegelung der Bund schon auf Grund der Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung befugt ist, nicht wieder zur Abstimmung zu bringen und nur die befristeten Massnahmen

452 allein in einem befristeten Verfassungszusatz, in klarer und eindeutiger Fragestellung, dem Volk und den Ständen vorzulegen.

Nachdem die grosse Mehrheit der im VernehmlassungsverfahreD konsultierten Kantonsregierungen und Wirtschaftsorganisationen unseren Vorschlag gutgeheissen hat, die Überwachung der geschützten Warenpreise, die Preisausgleichskasse für Eier und die Pachtzinskontrolle, gestützt auf die in den Wirtschaftsartikeln der Bundesverfassung schon enthaltenen Zuständigkeitsnormen, gesondert in Erlassen der Gesetzesstufe zu regeln, werden wir Ihnen zu gegebener Zeit die bezüglichen besonderen Botschaften mit Anträgen unterbreiten.

Demgegenüber enthält die Bundesverfassung keine Bestimmungen, die als Grundlage für die Weiterführung der Mietzinskontrolle, des Mieterschutzes (Beschränkung des Kündigungsrechts) und der PAK für Milch sowie den Erlass von Preisvorschriften für lebenswichtige, für das Inland bestimmte Waren, dienen könnten. Ihre Weiterführung muss somit durch entsprechende Bestimmungen in dem dieser Botschaft beigefügten Entwurf zu einem Verfassungszusatz ermöglicht werden.

II.

Umfrage bei Kantonsregierungen und Wirtschaftsverbänden Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement hat den Kantonsregierungen sowie den Spitzenverbänden der Wirtschaft und den Interessenorganisationen mit Bundschreiben vom S.Dezember 1958 die Frage vorgelegt, ob und welche Preiskontrollmassnahmen aus dem geltenden Verfassungszusatz nach Ende 1960 noch zu verlängern wären und insbesondere, ob sie es für zweckmässig halten würden, die ständigen von den befristeten Preiskontrollaufgaben des Bundes bei dieser Gelegenheit zu trennen und nicht in den befristeten Verfassungszusatz aufzunehmen, sondern gestützt auf schon bestehende Bestimmungen der Bundesverfassung in Erlassen der Gesetzesstufe zu ordnen.

A. Das vorgelegte Fragenschema Das in der Umfrage vorgelegte Fragenschema hatte folgenden Wortlaut : I. Mietzinskontrolle 1. Sind Sie der Auffassung, dass ab 1. Januar 1961 auf eine Kompetenz des Bundes zum Erlass von Vorschriften über Mietzinse verzichtet werden kann ?

(Wenn in diesem Pragenschema von Mietzinsen die Rede ist, so werden der Einfachheit halber die nichtlandwirtschaftlichen Pachtzinse immer Inbegriffen.)

2. Sind Sie der Auffassung, dass, falls eine solche Kompetenz vorgesehen wird, diese auf 4 Jahre (wie bisher) oder einen kürzeren oder einen längeren Zeitraum befristet werden soll ?

3. Soll der Umfang der Mietzinskontrolle (Art der Mietobjekte, die von ihr erfasst werden können) wie bisher in der Ausführungsgesetzgebung geregelt werden, oder soll dieser in der Verfassung selbst umschrieben werden ?

4. a. Soll die Regelung des Abbaues der Mietzinskontrolle wie bisher der Ausführungsgesetzgebung überlassen werden oder ist der Abbau in der Verfassung selbst zu verankern ?

458 b. Für den Fall, dass die Aufnahme einer Abbaubestimmung in die Verfassung vorgeschlagen wird: aa. Soll der Abbau der Mietzinskontrolle an gewisse Voraussetzungen geknüpft werden? Wenn ja welche?

bb. Soll den Kantonen die Befugnis zuerkannt werden, die Mietzinskontrolle gebiets- oder kategorienweise abzubauen oder soll wie bisher lediglich ein Antragsrecht der Kantonsregierungen zuhanden des Bundesrats vorgesehen werden ?

II. Mieterschutz (Beschränkung des Kündigungsrechts) : 1. Kann ab I.Januar 1961 auf eine Kompetenz des Bundes, Vorschriften zum Schütze der Mieter (Beschränkung des Kündigungsrechts) zu erlassen, verzichtet werden ?

2. Sonderfrage an die Kantonsregierungen: Welches sind Ihre Erfahrungen mit dem Mieterschutz ?

III. Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte 1. Sind Sie der Auffassung, dass ab 1. Januar 1961 auf die Weiterführung der Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte verzichtet werden kann oder dass sie weitergeführt werden soll ?

2. Für den Fall der Weiterführung: Sind Sie der Auffassung, dass die Weiterführung für 4 Jahre (wie bisher) oder für einen kürzeren oder längeren Zeitraum vorgesehen werden soll ?

3. a. Soll das Ausmass der Leistungen der Kasse-nach oben in der Verfassung selbst begrenzt werden, z.B. durch die Worte «höchstens im Rahmen der bisher ererbrachten Leistungen»?

b. Soll die Regelung des Abbaues der Kasse wie bisher der Ausführungsgesetzgebung überlassen werden, oder ist der Abbau in der Verfassung selbst vorzusehen ?

c. Sollen Zuschüsse aus allgemeinen Bundesmitteln an die Kasse ausdrücklich ausgeschlossen werden, d.h. sollen die Leistungen der Kasse auf jene Mittel beschränkt werden, die ihr auf Grund der bisherigen ordentlichen Einnahmen (Abgabe auf Konsummilch und Konsumrahm sowie Zollzuschlag auf Importbutter) zufliessen ?

IV. Erlass von Höchstpreisvorschriften für lebenswichtige, für das Inland bestimmte Waren 1. Kann ab 1. Januar 1961 auf eine besondere Verfassungsbestimmung im Sinne von Artikel 2 des Verfassungszusatzes vom 26. September 1952/22. Dezember 1955 verzichtet werden ?

Dieser Artikel 2 lautet wie folgt : 1 Beantragt der Bundesrat der Bundesversammlung, Höchstpreisvorschriften für lebenswichtige, für das Inland bestimmte Waren zu erlassen, so ist er befugt, diese Vorschriften mit sofortiger Wirkung selbst in
Kraft zu setzen.

2 Diese Vorschriften fallen dahin, wenn sie nicht in der auf ihr Inkrafttreten folgenden Session von der Bundesversammlung durch einen dem Referendum unterstellten Bundesbeschluss genehmigt werden.

2. Falls eine solche Bestimmung beibehalten wird: Sind Sie der Auffassung, dass die Beibehaltung für 4 Jahre (wie bisher) oder für einen kürzeren oder längeren Zeitraum vorgesehen werden soll?

454 V. Pachtzinskontrolle / Preise geschützter Waren / Preisausgleichskasse für Eier

Teilen Sie die Auffassung, dass die Pachtzinskontrolle auf Artikel Slbis, Absatz 3, Buchstabe b der Bundesverfassung, die Vorschriften über die Preise geschützter Waren auf Artikel Slbis, Absatz 3, Buchstabe a und b der Bundesverfassung und die Preisausgleichskasse für Eier auf Artikel Slbis, Absatz 3, Buchstabe b der Bundesverfassung abgestützt werden sollen und dass sich infolgedessen die Schaffung einer besonderen Verfassungsbestimmung für diese Massnahmen erübrigt ?

B. Die Stellungnahmen der Kantonsregierungen und Wirtschaftsverbände Die eingegangenen Vernehmlassungen sollen hier in gebotener Kürze wie folgt zusammengefasst werden : 1. Mietzinskontrolle a. Notwendigkeit der Weiterführung Alle Kantonsregierungen (von einem Kanton, auf dessen Gebiet die Mietzinskontrolle aufgehoben wurde, ist keine Antwort eingegangen) sind der Ansicht, dass die Kompetenz des Bundes zur Weiterführung der Mietzinskontrolle auch noch nach dem 31. Dezember 1960 notwendig sein wird. Nur ganz vereinzelt erfährt diese Stellungnahme eine Abschwächung durch Vorbehalte. So schlägt der Kanton Obwalden vor, die Mietzinskontrolle nur noch für Städte und die Ortschaften von über 5000 Einwohnern beizubehalten. Der Kanton Thurgau erachtet die Weiterführung der Mietzinskontrolle als notwendig, sofern in den Jahren 1959 und 1960 keine wesentlichen Lockerungen vorgenommen werden können.

Wie nicht anders zu erwarten war, sind die einschlägigen Auffassungen der Verbände nichts weniger als einheitlich. Für die Aufhebung der Mietzinskontrolle haben sich ausser den Organisationen der Hauseigentümer vor allem der Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins, der Zentralverband Schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen, der Schweizerische Katholische Frauenbund, die Schweizerische Bankiervereinigung, die Mehrzahl der Mitglieder des Verbandes Schweizerischer Kantonalbanken, der Schweizerische Baumeisterverband und der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein ausgesprochen. Sie führen vor allem grundsätzliche und allgemein wirtschaftliche Argumente gegen die Mietzinskontrolle ins Feld.

Als ab 1. Januar 1961 noch nicht entbehrlich wird die Mietzinskontrolle u.a.

von folgenden Verbänden bezeichnet: Schweizerischer Mieterverband, Schweizerischer Verband für Wohnungswesen, Schweizerischer Gewerkschaftsbund,
Christlich-Nationaler Gewerkschaftsbund der Schweiz, Landesverband freier Schweizer Arbeiter, Schweizerischer Verband evangelischer Arbeiter und Angestellter, Nationale Arbeitnehmergemeinschaft (NAG), Vereinigung Schweizerischer Angestelltenverbände, Bund Schweizerischer Frauenvereine, Verband Schweizerischer Konsumvereine, Migros-Genossenschafts-Bund, Schweizerischer Bauernverband. Auch die Schweizerische Nationalbank schliesst sich

455 dieser Ansicht an. Der Schweizerische Gewerbeverband bekennt sich zur Auffassung, es könne wohl nicht auf die nochmalige Verlängerung des Mietzinsregimes verzichtet werden, weist jedoch auf die schwerwiegenden wirtschaftlichen Nachteile der Mietzinskontrolle hin, und macht sein Zugeständnis davon abhängig, dass ihr Abbau schrittweise, aber in raschem Tempo, bis zum Ablauf der Geltungsdauer des neuen Verfassungszusatzes vorgenommen werde.

Die Befürworter einer Verlängerung der Mietzinskontrolle sind der Ansicht, dass sie auf Grund der Wohnungsmarktlage weitergeführt werden muss, und dass ihre Aufhebung auf Ende 1960 wegen der zu befürchtenden Mietzinssteigerungen und deren wirtschaftliche Eückwirkungen nicht tragbar wäre.

b. Befristung Was nun die Befristung der Zuständigkeit des Bundes zur Weiterführung der Mietzinskontrolle betrifft, so setzen sich die Kantonsregierungen mehrheitlich für eine vierjährige Geltungsdauer ein. St. Gallen und Neuchâtel glauben, dass mit einer 3jährigen, Luzern, Uri und Zug, dass mit einer 2jährigen Frist auszukommen wäre.

Auch unter den Verbänden überwiegen diejenigen, welche - und sei es auch nur bedingt - für die Befristung auf 4 Jahre eintreten. Der Zentralverband Schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen, die Schweizerische Bankiervereinigung, der Schweizerische Baumeisterverband, der Schweizerische Katholische Frauenbund, der Verband Schweizerischer Kantonalbanken und die Hauseigentümerorganisationen sprechen sich dagegen - sofern die Kontrolle überhaupt weitergeführt wird - für eine Befristung auf 2 Jahre aus.

c. Geltungsbereich

Alle Kantone sind der Ansicht, dass die Umschreibung des sachlichen Geltungsbereiches erst auf der Gesetzesstufe vorgenommen werden sollte.

Unter den Verbänden gehen die Ansichten nicht weit auseinander. Die meisten sind der Auffassung, dass der Geltungsbereich auf der Gesetzesstufe geregelt werden soll.

d. Abbau Die Kantone Luzern, Zug, Fribourg, Basel-Land, Appenzell A.Eh., St. Gallen, Aargau und Thurgau wünschen, dass die Verpflichtung zu einem Abbau der Mietzinskontrolle in die Bundesverfassung aufgenommen werde, während die Mehrzahl einer Eegelung auf der Gesetzesstufe den Vorzug gibt.

Die meisten Kantone sind ferner der Auffassung, dass die Voraussetzungen für den Abbau nicht in den Verfassungszusatz aufgenommen werden sollten. Soweit zu den Voraussetzungen eines Abbaues Stellung genommen wird, sprechen sich die Kantone für die Berücksichtigung der Wohnungsmarktlage aus. Neun Kantonsregierungen treten dafür ein, dass der Abbau schon im Verfassungssatz von der Lage auf dem Wohnungsmarkt abhängig gemacht werde.

456

Die Forderung, dass der Gedanke des Abbaues der Mietzinskontrolle schon auf der Verfassungsstufe irgendwie zum Ausdruck kommen soll, wird u.a. von den nachgenannten Organisationen vertreten : Schweizerischer Hauseigentümerverband, Fédération Eomande des Intérêts Immobiliers, Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins, Zentralverband Schweizerischer Arbeitgeberorganisationen, Schweizerischer Gewerbeverband, Schweizerische BankierVereinigung, Verband Schweizerischer Kantonalbanken, Schweizerischer Katholischer Frauenbund, Migros-Genossenschafts-Bund und Landesverband freier Schweizer Arbeiter. Zu den Verbänden, welche die Frage des Abbaus bis zur Ausarbeitung des Erlasses der Gesetzesstufe zurückstellen möchten, gehören der Schweizerische Mieterverband, der Schweizerische Gewerkschaftsbund, der Christlich-Nationale Gewerkschaftsbund der Schweiz, der Schweizerische Verband evangelischer Arbeiter und Angestellter, die Vereinigung Schweizerischer Angestelltenverbände, der Verband Schweizerischer Konsumvereine, der Schweizerische Bauernverband, der Schweizerische Städteverband und der Bund Schweizerischer Frauenvereine. Im gleichen Sinne wie diese Verbände hat sich auch die Nationalbank ausgesprochen. Nur fünf Wirtschaftsverbände, unter denen sich keine der grossen Organisationen befindet, sind der Ansicht, dass der Abbau schon im Verfassungszusatz an gewisse Voraussetzungen geknüpft werden sollte.

e. Kompetenzerteilung an die Kantone Die Frage nach der allenfalls schon durch den Verfassungszusatz den Kantonen hinsichtlich des Abbaus der Mietzinskontrolle einzuräumenden Befugnissen ist nicht von allen konsultierten Kantonsregierungen und Verbänden beantwortet worden. Unter den sich zu diesen Problemen äussernden Ständen sprechen sich Luzern, Obwalden, Nidwaiden, Glarus, Freiburg, Appenzell A. Eh., Aargau, Graubünden und Neuenburg für eigene Kompetenzen der Kantone zur regionalen oder kategorienweisen Aufhebung der Mietzinskontrolle aus, während Bern, Zug, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, St..Gallen, Thurgau und Tessin ein blosses Antragsrecht der Kantone statuiert haben möchten. Unter den Verbänden, welche die Kantone mit eigenen Aufhebungskompetenzen ausgestattet, sehen wollen, findet man den Schweizerischen Hauseigentümerverband, die Fédération Eomande des Intérêts Immobiliers, den Vorort
des Schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins, den Zentralverband Schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen, den Schweizerischen Gewerbeverband, die Schweizerische Bankiervereinigung, den Verband Schweizerischer Kantonalbanken, den Schweizerischen Baumeisterverband, den Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein, die Vereinigung des Schweizerischen Import- und Grosshandels und den Migros-Genossenschaf ts-Bund. Anhänger eines blossen Antragsrechts sind der Schweizerische Mieterverband, der Schweizerische Verband für Wohnungswesen, der Verband Schweizerischer Konsumvereine, der Christlich-Nationale Gewerkschaftsbund der Schweiz und der Landesverband freier Schweizer Arbeiter.

»

457 2. Mieterschutz (Beschränkung des Kündigungsrechtes und Aufschub von Umzugsterminen) Die Entbehrlichkeit des Mieterschutzes wird verneint von den Kantonen Zürich, Luzern, Uri, Schwyz, Freiburg, Solothurn, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Schaffhausen, St. Gallen, Graubünden, Tessin, Waadt, Wallis, Neuenburg und Genf, dagegen bejaht von Nidwaiden, Glarus, Zug, AppenzellA.Eh., Aargau und Thurgau. Trotzdem er sich, hauptsächlich wegen der Städte, für die Beibehaltung des Mieterschutzes ausspricht, macht der Kanton Bern allerdings darauf aufmerksam, dass der Geltungsbereich desselben im Kantonsgebiet heute stark eingeschränkt sei, und der Kündigungsschutz als Korrelat der Mietzinskontrolle demgemäss an Bedeutung verloren habe. In den Berichten über die Erfahrungen mit dem Mieterschutz wird teils auf seine vorbeugende Bedeutung, teils auf erwünschte Wirkungen seiner tatsächlichen Inanspruchnahme hingewiesen. Diese Vernehmlassungen betonen entweder, dass der Mieterschutz Vermieter davon abhält, die Möglichkeit der Kündigung zur Erzielung widerrechtlicher'Mietzinserhöhungen zu verwenden oder heben ganz allgemein hervor, dass die Beschränkung des Kündigungsrechts es gestattet, die dem letzteren oft immanenten Härten zu mildern. In Vernehmlassungen der Stände, welche den Mieterschutz als überflüssig bezeichnen, heisst es etwa, dass er oft von Personen angerufen werde, die sich nicht in einer Notlage befänden oder die sonst seiner nicht würdig seien. Von den begrüssten Verbänden treten der Schweizerische Hauseigentümerverband, der Schweizerische Baumeisterverband, der Zentralverband Schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen, der Schweizerische Gewerbeverband, die Schweizerische Bankiervereinigung, der Schweizerische Katholische Frauenbund und der Verband Schweizerischer Lebensmittelfilialbetriebe vorbehaltlos für den Verzicht auf den Mieterschutz ein. Der Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins, die Fédération Eomande des Intérêts Immobiliers und der Verband Schweizerischer Kantonalbanken möchten auf den Mieterschutz verzichten, jedoch unter dem Vorbehalt, dass die Möglichkeit eines Aufschubs von Kündigungsterminen als dessen mildeste Form beibehalten werden könnte.

3. Die Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte (FAE) a. Notwendigkeit der Weiterführung Die Weiterführung der PAK
für Milch und Milchprodukte wird mit zwei Ausnahmen von allen antwortenden Kantonen als notwendig erachtet. Im allgemeinen hauptsächlich deshalb, weil der plötzliche und vollständige Abbau eine Verteuerung des Konsummilchpreises mit sich bringen und so zur Verteuerung der Lebenshaltungskosten beitragen würde. Von einzelnen wird auch eine nachteilige Wirkung auf den Milchabsatz befürchtet. Der Kanton Appenzell A.Bh. spricht sich gegen die Weiterführung aus, weil er die Verbilligung für die Stadtbevölkerung zu Lasten der Bergbevölkerung als widersinnig erachtet. Der

458 Kanton Wallis ist ebenfalls gegen die Aufrechterhaltung der Kasse, da der Landwirtschaft die ihr nach Artikel 26 des Landwirtschaftsgesetzes zustehenden, jetzt der PAK-Milch dienenden Mittel, zur Absatzförderung im Kampf gegen die lebhafte ausländische Konkurrenz vorenthalten würden. Eine Milchpreiserhöhung sei ferner für die Großstädte tragbar und es sei nicht richtig, im ganzen Lande erhobene Abgaben zur Milchpreisverbilligung, vor allem in Konsumzentren, zu verwenden.

Von den Spitzenverbänden der Wirtschaft und übrigen in Betracht kommenden Organisationen verlangen vor allem Industrie, Gewerbe und Grosshandel den Verzicht auf die Weiterführung der Kasse. Dieser werde nur einen praktisch unbedeutenden Einfluss auf die Lebenshaltungskosten haben. Eine schädliche Wirkung auf den Absatz von Milch wäre nur vorübergehend und sehr kurzfristig zu erwarten ; für die überwiegende Zahl der Verbraucher spielen die Verbilligungszuschüsse überhaupt keine Eolle. Die weitere Verbilligung eines Konsumgutes, teils durch Steuergelder, teils auf Kosten der weniger begünstigten Landesteile lasse sich nicht rechtfertigen. Es müsse auch die ursprüngliche Konzeption des Landwirtschaftsgesetzes betreffend die Verwendung der Abgaben auf Konsummilch und Konsumrahm sowie auf der Einfuhr der Butter wieder hergestellt werden. Die Arbeitnehmerorganisationen, ebenso wie der Bund Schweizerischer Frauenvereine und der Schweizerische Katholische Frauenbund sind für die Weiterführung dieser Preisausgleichsmassnahmen, im wesentlichen aus den gleichen Gründen wie die zustimmenden Kantone. Der Landesverband freier Schweizer Arbeiter erklärt sich für den Abbau, sofern dadurch keine spürbare Verteuerung der Lebenshaltungskosten verursacht werde.

Der Schweizerische Bauernverband und der Zentralverband Schweizerischer Milchpröduzenten befürworten die Weiterführung der Kasse zur Vermeidung unerwünschter Auswirkungen eines unvermittelten Abbaues. Sie betonen aber, dass die Landwirtschaft grundsätzlich und seit jeher für einen selbsttragenden Konsumentenpreis eingetreten und ein solcher auf längere Sicht wiederum anzustreben sei. Es bestehe auch kein innerer Zusammenhang zwischen der PAK Milch als sozialpolitischer Massnahme und dem Landwirtschaftsgesetz. Die Bezeichnung der Kasse und deren Finanzierung müssten daher geändert werden. Mit
Hinsicht auf die preislichen Auswirkungen eines Verzichtes erklären sich der Schweizerische Milchkäuferverband und der Schweizerische Verband des Milch-, Butter- und Käsehandels für die vorläufige Fortführung der PAK Milch. Der letztgenannte Verband regt die ständige Fortführung,der Kasse mit kleineren Mitteln und Leistungen an, um vorübergehende Kostensteigerungen aufzufangen, Auch der Schweizerische Gewerkschaftsbund betrachtet den durch die Kasse vorgenommenen Transportkostenausgleich als langfristige Aufgabe. Der Weiterführung stimmen auch der Verband Schweizerischer Konsumvereine, Der Migros-Genossenschafts-Bund und der Schweizerische Städteverband zu. Nach der Ansicht der Schweizerischen Nationalbank sollte die Kasse zur Vermeidung von Preissteigerungen und im Interesse der Erhaltung des Geldwertes befristet weitergeführt werden.

459 b. Befristung Für den Fall der Weiterführung der PAK Milch hält die überwiegende Mehrheit der Kantone wie auch die Mehrzahl der Spitzenorganisationen der Wirtschaft, soweit sie sich zur Frage äussern, die bisherige Befristung auf vier Jahre für angemessen. Während nach den Kantonen Bern, Basel-Stadt, Solothurn und Schaffhausen der Zeitraum auf mindestens vier Jahren zu bemessen ist, schlagen die Kantone St. Gallen und Neuenburg einen solchen von drei Jahren, Obwalden einen solchen von zwei Jahren vor. Eine Befristung auf zwei Jahre halten ebenfalls der Zentralverband Schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen und der Schweizerische Milchkäuferverband für ausreichend. Eine solche auf 8-4 Jahre wird von der Vereinigung des Schweizerischen Import- und Grosshandels verlangt und eine möglichst kurze Frist vom Verband Schweizerischer Lebensmittelfilialbetriebe. Eine längere Dauer als vier Jahre, d.h. eine solche von 6 Jahren beantragen der Schweizerische Bauernverband und der Verband Schweizerischer Konsumvereine.

c. Begrenzung der Leistungen Die Begrenzung der Leistungen der PAK Milch im Verfassungszusatz selbst wird von den Kantonen, mit Ausnahme von Zürich, Uri, Obwalden und Nidwaiden, St. Gallen und Genf, abgelehnt. Die Mehrheit der Spitzenverbände, soweit sie zu dieser Frage ausdrücklich Stellung genommen haben, ist ebenfalls dagegen. Im allgemeinen wird mit Hinsicht auf einen allfälligen raschen Wechsel der Verhältnisse die Beschränkung der Leistungen im Verfassungszusatz selbst als unzweckmässig bezeichnet. Der Zentral verband Schweizerischer Milchproduzenten beantragt die Aufzählung der bisherigen Leistungen dem Titel nach im Verfassungszusatz, lehnt aber die wertmässige Beschränkung der Leistungen ab, da sonst die Überwälzung steigender Kosten der Milchversorgung auf den Konsumentenpreis unter Umständen unvermeidbar wäre. Nach der Meinung einiger Befürworter gäbe die Limitierung der Leistungen in der Verfassung den Vollziehungsbehörden den für Abbaumassnahmen notwendigen Bückhalt.

d. Abbau Die Eegelung des Abbaues dieser Preisausgleichsmassnahmen in der Verfassung selbst wird von den Ständen und Verbänden mehrheitlich abgelehnt, da Ausführungsbestimmungen nicht in die Verfassung gehörten und eine solche Begehung unzweckmässig wäre. Auch die zustimmenden Kantone und Spitzenorganisationen
der Wirtschaft wünschen im allgemeinen, soweit sie sich näher äussern, nur die Aufnahme des Grundsatzes des Abbaues in den Verfassungszusatz und die nähere Begelung in der Ausführungsgesetzgebung.

e. Ausschluss von Zuschüssen aus allgemeinen Bundesmitteln Der ausdrückliche Ausschluss von Bundeszuschüssen in der Verfassung selbst wird von den meisten Kantonen und Wirtschaftsorganisationen zurück-

460

gewiesen, im allgemeinen deshalb, weil ohne Bundeszuschüsse der Zweck der Kasse nur teilweise erfüllt werden könnte und es ungewiss sei, ob künftig nicht Bundeszuschüsse benötigt würden. Dem Ausschluss von Bundeszuschüssen im Verfassungszusatz selbst stimmen die Kantone Zürich, Uri, Obwalden, Luzern, Schaffhausen und Graubünden ausdrücklich zu, ferner die Spitzenorganisationen von Industrie, Gewerbe und Grosshandel. Von den Konsumentenvertretern beantragt der Schweizerische Katholische Frauenbund ebenfalls ausdrücklich den Ausschluss von Bundeszuschüssen, der aber in der Ausführungsgesetzgebung vorzusehen sei. Von verschiedenen Befürwortern wird darauf hingewiesen, dass die Preisausgleichskasse einen Lastenausgleich bezwecke und daher selbsttragend sein müsse. Zürich äusserte die Meinung, dass die Versorgung mit den notwendigen Nahrungsmitteln bei der gegenwärtigen, günstigen Wirtschaftslage grundsätzlich ohne Zuschüsse des Staates erfolgen solle.

4. Höchstpreisvorschriften für lebenswichtige, für das Inland bestimmte Waren Der Beibehaltung der Zuständigkeit des Bundes, Höchstpreisvqrschriften für lebenswichtige, für das Inland bestimmte Waren zu erlassen beziehungsweise des für die Ausübung dieser Zuständigkeit vorgesehenen besonderen Bechtssetzungsverfahrens wird mehrheitlich zugestimmt. Unter den Kantonen haben sich lediglich Obwalden und Zug für einen Verzicht auf die einschlägige Bestimmung (Art. 2) des geltenden Verfassungszusatzes ausgesprochen. Von den begrüssten Organisationen wenden sich der Zentralverband Schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen, der Schweizerische Gewerbeverband, die Vereinigung des Schweizerischen Import- und Grosshandels, der Schweizerische Milchkäuferverband und der Verband Schweizerischer Lebensmittelf ili albetriebe vorbehaltlos gegen den Fortbestand dieser Kompetenz. Auch die Mehrheit der dem Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins angeschlossenen Verbände hat in diesem Sinne Stellung genommen. Sie glauben, dass die Kompetenz nicht mehr erforderlich sei, weil die Versorgungslage normal ist und für Notzeiten das Kriegsvorsorgegesetz zur Verfügung stehen würde. Es wurde auch geltend gemacht, man brauche keine Gesetze «auf Vorrat».

Was die Befristung betrifft, so herrscht unter den Kantonsregierungen und bei den Verbänden die Ansicht vor, es
sei wieder eine vierjährige Geltungsdauer vorzusehen. Eine kürzere Zeitspanne (drei Jahre) wird nur vom Kanton Neuenburg vorgeschlagen, während die Stände Nidwaiden, Solothurn, Appenzell A.Bh.

St. Gallen, Waadt und Genf, ferner der Schweizerische Bauernverband, der Schweizerische Gewerkschaftsbund, der Landesverband freier Schweizer Arbeiter, der Verband Schweizerischer Konsumvereine, der Migros-Genossenschaf tsBund und die Nationalbank zum Ausdruck bringen, dass sie sich auch mit dem Gedanken einer längeren Befristung beziehungsweise des gänzlichen Verzichts auf eine solche befreunden konnten.

461 5. Pachtzinskontrolle, Preise geschützter Waren, Freisausgleichskasse für Eier und Eiprodukte Keine Kantonsregierung bestreitet die Eichtigkeit der in Frage V des Fragenschemas vertretenen Rechtsauffassung, wonach die Pachtzinskontrolle, die Überwachung der geschützten Warenpreise und die Preisausgleichskasse für Eier auf Artikel 31 bis, Absatz 3, Buchstabe a bzw. b der Bundesverfassung abgestützt werden sollen, und dass sich infolgedessen die Schaffung einer besonderen Verfassungsbestimmung für diese Massnahmen erübrigt. Auch alle Wirtschaftsverbände teilen diese Ansicht und begrüssen das vorgeschlagene Vorgehen mit Ausnahme, der nachstehend erwähnten. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund, der Schweizerische Mieterverband und der Verband Schweizerischer Lebensmittelfilialbetriebe äussern bezügliche Zweifel. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund befürchtet, dass sich eine gesetzgeberische Aufteilung der bisher in einem Erlass geregelten Preiskontrollmassnahmen abstimmungspolitisch als eine Gefährdung der Weiterführung der Mietzinskontrolle, des Mieterschutzes und der Preisausgleichskasse für Milch auswirken könnte. Er bezeichnet die Trennung der Materien auch sachlich als unhaltbar, weil er Mietzinskontrolle und Pachtzinskontrolle sowie beide Preisausgleichskassen als analoge Rechtsinstitutionen ansieht. Die Abstützung der Kontrolle der geschützten Warenpreise, der Preisausgleichskasse für Eier und Eiprodukte und der Pachtzinskontrolle auf Artikel 31 bis, Absatz 3, Buchstabe a bzw. b der Bundesverfassung wird auch von den Kantonen Schwyz, Basel-Stadt und Neuenburg, ferner vom Verband Schweizerischer Konsumvereine, vom ChristlichNationalen Gewerkschaftsbund der Schweiz, vom Schweizerischen Bau- und Holzarbeiterverband und vom Bund Schweizerischer Frauenvereine aus Zweckmässigkeitsgründen abgelehnt.

III.

Die allgemeine Wirtschaftslage Die Wirtschaft befindet sich weiterhin gesamthaft in der Phase einer allerdings etwas differenzierten Vollbeschäftigung. Die Zahlen über den Aussenhandel, die Beschäftigung und den Konsum bewegen sich nach wie vor auf einem hohen Stand. Gegenüber den unmittelbar vorangehenden Spitzen der Überbeschäftigungsphase ist immerhin vielfach eine merkliche Abschwächung der Konjunktur zu verzeichnen. In verschiedenen Branchen macht sich die ausländische Konkurrenz stärker bemerkbar.

Das inländische Preisniveau weist seit Mitte des Jahres 1958 eine in den letzten Jahren nicht mehr verzeichnete Stabilität auf. Darin spiegeln sich die Abschwächung der Konjunktur, die zunehmende Konkurrenz und die gesunkenen Rohstoffpreise wider. Es wäre jedoch verfehlt, bereits auf eine dauernde Überwindung der Preisanstiegstendenzen zu schliessen. Im Falle einer Wiedererholung dürften weitere Kostensteigerungen von der Lohnseite - auch in Ver-

462 bindung mit Arbeitszeitverkürzungen - und Preiserhöhungen auf zurückgebliebenen Positionen, wie diejenige der Mietzinse und andere zu erwarten sein.

Inwieweit Rationalisierungen und Konkurrenzdruck die Preisentwicklung zu dämpfen vermögen, wird entscheidend vom weiteren Konjunkturablauf abhängen. Dabei wird die zukünftige Gestaltung der Aussenhandelsbeziehungen von wesentlicher Bedeutung sein.

Die Entwicklung der Konsumentenpreise in verschiedenen Ländern 1953-1958 (1953 = 100) Land

1954

1955

1956

1957

1958

Belgien . .

Dänemark .

England .

Frankreich Holland Italien Kanada Schweiz Schweden USA Westdeutschland

101 101 102 100 104 103 101 101 101 100 100

101 107 106 101 106 105 101 102 104 100 102

104

107 116 116 106 114 110 106 105 113 105 106

108 117 119 122 117 113 108 107 119 108 110

113 112 103 108 109 102 103 109 102 105

Quelle: Bureau international du trava il.

In den für unsere .Wirtschaftsbeziehungen wichtigsten Ländern sind die Konsumentenpreise in den letzten Jahren meist stärker gestiegen als in der Schweiz. In allen diesen Ländern haben sich die Preise im vergangenen Jahr stabilisiert, in einzelnen ist sogar ein leichter Eückgang zu verzeichnen. Es wäre aber verfrüht, daraus schon Schlüsse für die Zukunft zu ziehen.

Immerhin verlangt die Entwicklung alle Aufmerksamkeit. Für die Konkurrenzfähigkeit unserer Wirtschaft ist es wichtig, dass das inländische Preisund Kostenniveau unsere Ausgangslage gegenüber dem Auslande nicht wesentlich verschlechtert. Unvermeidbare Anpassungen in das allgemeine Preisgefüge, wie sie für die Mieten, die Milch und die Bahntarife beispielsweise vorzunehmen sind, müssen im Eahmen des für die Wirtschaft Tragbaren gestaffelt vorgenommen werden können. Aus diesen Gründen ist es - ganz allgemein betrachtet - wünschenswert, dass dem Bund für die Mieten, den Preisausgleich für Milch sowie im Hinblick auf ausserordentliche Entwicklungen auch für die Preise lebenswichtiger, für das Inland bestimmter Waren noch gewisse Kompetenzen für einige Zeit belassen werden.

463

IV.

Die Mietzinskontrolle 1. Gegenwärtige Lage Der Mietzinskontrolle unterstehen gegenwärtig noch die nicht subventionierten Wohn- und Geschäftsbauten, die vor dem I.Januar 1947 bezugsbereit geworden sind. Ausgenommen sind ausser den seit I.Januar 1947 erstellten Bauten: landwirtschaftliche Pachtobjekte, die besonderen Kontrollvorschriften unterworfen sind ; nichtüberbaute Grundstücke, soweit sie nicht als Pflanzland benutzt werden; Garagen, Eeklameflächen und Schaukästen, soweit sie nicht zusammen mit Wohn- oder Geschäftsräumen vermietet sind; in üblicher Weise vermietete möblierte Einzelzimmer; Ferienwohnungen. Ausgenommen sind ferner die seit 1942 subventionierten Wohnungen, die bezüglich der Mietzinsgestaltung der Kontrolle durch die Subventionsbehörden unterstellt sind.

Abgesehen von drei generell bewilligten Erhöhungen, dürfen die Mietzinse der der Mietzinskontrolle unterstellt bleibenden Mietsachen nur mit Bewilligung der Preiskontrollbehörden erhöht werden. Im Gegensatz zu den Mietzinsvorschriften der Kriegs- und ersten Nachkriegszeit sind die Möglichkeiten individueller Bewilligungen von Mietzinserhöhungen seit dem I.Januar 1954 stark eingeschränkt. Vor diesem Stichtag konnten individuelle Mietzinsaufschlage sowohl nach Massgabe der Kostenverteuerungen wie auch bei ungenügender Rendite zugestanden werden. Seit dem Inkrafttreten des auf den Verfassungszusatz vom 26. September 1952 beruhenden Bundesbeschlusses vom 10. Juni 1958 sind demgegenüber Bewilligungen von Mietzinserhöhungen im Binzelfall nur noch zulässig, wenn der Vermieter dem Mieter irgendwelche Mehrleistungen bietet, indem er zum Beispiel wertvermehrende Verbesserungen vornimmt oder zusätzliche Leistungen erbringt, ferner wenn im Einzelfall der am 31. Dezember 1956 zulässige Mietzins infolge besonderer Umstände (sogenannte Härtefälle) niedriger ist als die quartierüblichen Mietzinse für gleich alte und gleichwertige Mietobjekte. Dagegen sind nach der gegenwärtigen Rechtslage individuelle Erhöhungen wegen ungenügender Rendite oder Kostensteigerungen, die nicht auf wertvermehrende Arbeiten zurückzuführen sind, nicht mehr zulässig. Die Möglichkeit individueller Mietanpassungen an die. Kostenverhältnisse und bei ungenügender Lastendeckung wurden seinerzeit im Einvernehmen mit den Interessentenorganisationen aufgehoben, weil die
Durchführung des Verfahrens sich immer schwieriger gestaltete, je mehr man sich vom Basisjahr 1939 entfernte und weil die Weiterführung der Mietzinskontrolle lediglich als Auslaufaktion gedacht war. Anstelle individueller Anpassungen gedachte man, die Mietzinskontrolle durch generelle Mietzinsaufschläge, Ausnahme einzelner Kategorien von Mietobjekten und regionale oder örtliche Freigaben zu lockern, um die Diskrepanz zwischen den Alt- und Neubaumieten im Hinblick auf die erstrebte Aufhebung der Kontrolle schrittweise auf ein tragbares Mass zu reduzieren. Zu diesem Zweck wurden durch Bundesratsbeschluss vom I.Juni 1954

464 und 26. November 1957 generelle Bewilligungen zur Erhöhung der noch kontrollierten Mieten um je 5 Prozent erteilt, nachdem schon im Jahre 1950 eine lOprozentige allgemeine Erhöhung vorangegangen war. Ferner wurde durch Bundesratsbeschluss vom I.Dezember 1958 die Mietzinskontrolle in den Kantonen Obund Nidwaiden und beiden Appenzell, mit Ausnahme der Gemeinde Herisau, vollständig aufgehoben. o Es muss festgestellt werden, dass mit dieser nun seit über 5 Jahren geltenden Eegelung nicht die Fortschritte erzielt werden konnten, die man sich seinerzeit versprochen hatte. Die im geltenden Bundesbeschluss über die Durchführung der Preiskontrolle festgelegten wirtschaftlichen Voraussetzungen für allgemeine Lockerungsmassnahmen sind so eng, dass sie für die Wiederherstellung eines freien Wohnungsmarktes unerlässliche grössere Schritte erschweren. Praktisch wurde durch die drei generell bewilligten Mietzinsaufschläge nur gerade die allgemeine Verteuerung der Hausbesitzlasten ausgeglichen. Diese Kostenverteuerung, namentlich die 1957 eingetretene Hypothekarzinserhöhung, hat sich aber auch auf die aus der .Mietzinskontrolle entlassenen Mieten ausgewirkt, so dass sich diese ebenfalls erhöht haben. Da neuere Bauten im allgemeinen hypothekarisch in höherem Masse belastet sind und die meisten Hypothekarinstitute die Zinssätze für Belehnungen von Neubauten zudem stärker erhöhten, erfuhren die Mietzinse in den Neubauten 1957 und 1958 eher höhere Aufschläge als die Altbaumieten. Die Eealisierung solcher Mietaufschläge wurde durch den rückläufigen Wohnungsbau im letzten Jahre und das Absinken des Leerwohnungs vorrà tes auf ein Minimum stark begünstigt. Die Folge dieser Entwicklung und der fortschreitenden Bauteuerung ist, dass die Kluft zwischen den Altbau- und Neubaumieten, trotz der verschiedenen generellen Erhöhungen der ersteren, seit 1957 sich überall, wo die Anspannung des Wohnungsmarktes zum Teil erhebliche Erhöhungen der Neubaumieten ermöglichte, noch erweitert hat.

Die Entwicklung ist allerdings je nach den Eegionen und Ortschaften unterschiedlich. Gesajntschweizerisch mag sich die Preisdifferenz zwischen Altund Neubauten vielleicht nicht erweitert, aber auch, trotz der generellen Bewilligungen von zwei Mietzinserhöhungen von je 5 Prozent, kaum verringert haben.

Die Differenz zwischen den Alt- und
Neubaumieten kann auch durch folgenden Vergleich des Mietindexes mit dem Baukostenindex veranschaulicht werden, der neben den Bodenpreisen als für die Mietzinse in den Neubauten in erster Linie bestimmend angesehen werden kann. Der Mietindex auf der Basis 1939 = 100 stand per Mai 1959 für die alten und neuen Wohnungen zusammen auf 145,5 Punkten. Darin nehmen die bis zum Jahre 1940 erstellten Wohnungen einen Stand von 127,0 Punkten ein. Demgegenüber betrug per I.Februar 1959 der Zürcher Baukostenindex 215,1 Punkte. Seit dem Jahre 1953 hat sich die Differenz zwischen dem Miet- und Baukostenindex etwas verringert, ist doch der Index sämtlicher Mieten seither um 20,4 Prozent, jener der Altbaumieten um 12,4 Prozent, der-Baukostenindex aber nur um 8 Prozent gestiegen.

465 Auch der Unterschied zwischen dem Mietpreisniveau und den übrigen Lebenskosten hat sich im Laufe der letzten Jahre etwas verringert.

Entwicklung der Mietzinse und der übrigen Lebenshaltungskosten von 1950-1959 im Landesindex der Konsumentenpreise (August 1939 -- 100) Mietzinsen Jahr

Monat in allen Bauten

1950 1951 1951 1952 1953 1954 1954 1955 1956 1957 1958 1959

Mai Mai November Mai Mai Mai November Mai Mai .Mai Mai Mai

in vor 1940 erstellten Bauten

übrige Lebenshaltungskosten

108,8 = 100 113,4 116,8

104,0 = 100 107,9 110,8

170,6 = 100 179,3 184,3

118,7 120,8 123,0 124,8 127,8 131,0 134,1 141,1 145,5 = 133,7

112,3 113 113,6

183,9 181,7 181,9 185,1 183,4 186,0 188,9 192,4 188,8 = 110,7

-- 117,2 118,7 119,8 124,5 127,0 = 122,1

Die Mieten .sind bis zum Jahre 1950 ganz erheblich hinter der Entwicklung des allgemeinen Preisniveaus zurückgeblieben. Sie sind seit 1939 bis Mai 1950 nur um 9 Prozent gestiegen, während die andern Lebenskosten sich um 71 Prozent erhöht hatten. Seitdem sind die übrigen Lebenshaltungskosten bis Mai 1959 nur um 11 Prozent, die Mieten dagegen um 84 Prozent gestiegen. So haben sich also die Mieten in den letzten Jahren doch etwas dem allgemeinen Preisniveau angenähert.

2. Wohnungsbau Trotz einer Bautätigkeit die 1954 bis 1957 rekordmässige Eesultate erzielte und auch letztes Jahr im Vergleich zu früheren Perioden noch ansehnlich war, hat sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt nicht gebessert.

Wohnbautätigkeit in den 42 Städten Jahre

1952.

1953 1954

.

. .

1955.

1956 1957.

1958.

1958, 1. Quartal .

1959, 1. Quartal .

Neuerstellte Wohnungen

Baubewilligte Wohnungen

Wohnungsabgang durch Abbruche usw.

14274 14550

14840

786 1159 1408 1776 2099 1756 1701

16498 16735 16519 18384 12423 3181 2269

Bundesblatt. 111. Jahrg. Bd. II.

19 374 21 411 23146 18123 14468 17674 2786 5012

33

466

Neuerstellte Wohnungen in den Gemeinden mit über 1000 Einwohnern 1926-1958 Jahre bzw. Durchschnitt

1926/29 1930/34 1935/39 1940/45 . . .

1946/50 .

1951/53 1954/57

1958

. .

Absolute Zahlen

Auf 1000 Einwohner

12553

4,0 5,6 2,8 2,1

17187 8638 7 178 14129 25862 34313 23176

5,3 66 8,8 5.9

Im Jahre 1958 war die Wohnbautätigkeit rückläufig und erreichte nicht mehr die Spitzenergebnisse der Jahre 1954 bis 1957'. Immerhin war die Produktion des letzten Jahres immer noch höher als diejenige der besten Vorkriegsjahre 1980/34. Zudem deutet die Zunahme der Baubewilligungen darauf hin, dass die Bautätigkeit wieder anziehen wird. Das lässt sich auch aus der Zahl der im Bau befindlichen Wohnungen ableiten, die am Jahresanfang 1959 in den 42 Städten mit 14425 betreits etwas höher war als die Zahl der letztes Jahr fertiggestellten Wohnungen.

Ausserdem werden die auf Grund des Bundesbeschlusses vom 81. Januar 1958 über Massnahmen zur Förderung des sozialen Wohnungsbaues zu erstellenden Wohnungen einen Teil des Ausfalles kompensieren können. Aufgrund dieses Beschlusses, der auf den I.August 1958 in Kraft getreten ist, sollen innerhalb von vier Jahren insgesamt 10 000 Wohnungen mit Bundeshilfe erstellt werden, die Mietzinse auf weisen, welche auch für Familien mit bescheidenem Einkommen tragbar sind. Die Bundeshilfe besteht in der Ausrichtung jährlicher Zuschüsse an den Hauseigentümer während zwanzig Jahren für-die Verzinsung der investierten Kapitalien. Der Bund wird dafür höchstens 47 Millionen Franken aufwenden. Mit der vorgesehenen Hilfe können, zusammen mit der vom Kanton geforderten Leistung, die Mietzinse bis um 1/3 verbilligt werden.

3. Entwicklung von Angebot und Nachfrage Die massive Steigerung der Wohnungsproduktion in den Jahren 1954 -1957 hatte erhoffen lassen, dass auf dem Wohnungsmarkte rasch eine erhebliche Entspannung eintreten werde. Nach Feststellungen der statistischen Ämter von Zürich, Bern und Basel war die Wohnungszunahme in den letzten Jahren grösser als die Bevölkerungsvermehrung. Von 1939-1956 hat die Bevölkerung in Zürich um 26 Prozent, in Bern um 27 Prozent und in Basel um 25 Prozent zugenommen; die Vermehrung der Wohnungen betrug dagegen 40 beziehungsweise 41 beziehungsweise 33 Prozent. Das Handbuch der Schweizerischen Volkswirtschaft, Ausgabe 1955, weist in dem Artikel «Wohnungsmarkt» (Band II S. 640) darauf hin, dass schon in den Jahren 1942-1950 in den Städten Basel, Bern und

467 Zürich 18-19 Prozent mehr Wohnungen bezogen wurden, als dem theoretischen aus der Bevölkerungsbewegung berechneten Bedarf entsprochen hätte. Es fügt allerdings bei, dass es voreilig wäre, diesen Mehrverbrauch ohne weiteres und in vollem Umfange als eigentliche «Aufblähung» der Nachfrage zu brandmarken.

Die theoretischen Vergleichszahlen, die von sehr schematischen Annahmen abgeleitet werden müssten, seien keineswegs überall und für alle Zeiten schlüssig.

Umso weniger, als neben den kurzfristigen, zeitbedingten Schwankungen auch langfristige, tendenzielle Wandlungen der Wohnsitten die Nachfrage beeinflussten, und zwar nicht zuletzt solche, die eindeutig als sozialer Fortschritt gelten könnten.

Seiher ist besonders in den Jahren 1954-1957 noch bedeutend mehr gebaut worden. Statt einer Entspannung ist in Wirklichkeit aber trotz der ausserordentlichen Bautätigkeit eine eindeutige Verschärfung der Lage auf dem Wohnungsmarkte eingetreten: Die Lehrwohnungszählung vom I.Dezember 1958 ergab in allen Grossen klassen der erfassten Gemeinden, vor allem in den Städten, eine weitere Verschlimmerung der Lage.

Leersiehende Wohnungen am I.Dezember 1952-1958 in Prozent des Gesamtbestandes ' · Grosse

1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958

. . . " . . .

' . . .

. .

Übrige Sta dte

0,15 0,10 0,11 0,19 0,11 0,09 0.03

0,18 0,22 0,47 0,58 0,46 0,27 0.19

Grosse Kleine Landge meinden

0,39 0,44 0,64 0,85 0,65 0,43 0.22

0,43 0,45 0,59 0,78 0,78 0,56 0.42

Ganze Schweiz

0,27 0,28 0,41 0,55 0,46 0,32 0.20

Natürlicherweise handelt es sich bei den wenigen leeren Wohnungen zumeist um solche in Neubauten. In der Stadt Zürich entfielen beispielsweise auf die am 1. Januar 1959 leerstehenden 26 Wohnungen (entsprechend einer Leerwohnungsziffer von 0,02 Prozent) nicht weniger als 13 auf das Baujahr 1958.

Demgegenüber betrachtet die Eidgenössische Preiskontrollkommission in ihrem Bericht über «Die langfristige Neuordnung der Mietpreispolitik» vom Monat Mai 1950 (S.71 und 93) einen Leerwohnungsbestand von ca. l Prozent im Landesdurchschnitt in angemessener Verteilung auf die meist gefragten Wohnungskategorien bei mittlerer Konjunkturlage als für die Wiederherstellung eines freien Wohnungsmarktes genügend. Dabei sollte zum mindesten in den grösseren Städten der Leerwohnungbestand wenigstens l % Prozent betragen, wogegen auf dem Lande ein entsprechend tieferer Prozentsatz angenommen

468 Leerwohnungszählungen vom I.Dezember 1957 und 1958 in den 42 Städten Wohnbevölkerung 1950

Städte

Basel Bern Genf Lausanne St. Gallen Winterthur . . .

Jjuzem . . . .

Biel La Chaux-de-Fonds . . . .

Freiburg Neuenburg Schaff hausen Thun Köniz Chur Lugano .

Solothum .

Ölten . .

Zug Aarau Vevey Riehen TJster Yverdon Bellinzona Le Lode .

Wettingen Montreux-Châtelard . . .

Burgdorf Rorschach Frauenfeld . . .

Sion . . .

Davos Wädenswil Horgen Kreuzlineen

. .

. . .

390 020 183 543 146 499 145 473 106 807' 68011 66925 60526 48342 33300 29005 27998 25971 24157 20742 19382 18122 16743 16485 14488 14280 14264 13407 12650 12955 12350 12266 12060 11979 11 667 11 614 11586 11575 11 325 11114 11065 10904 10433 10259 10155 10118 10045

Leerstehende Wohnungen Anzahl 1957

17 70 57 3 201 25 19 18 5 105 15 48 26 5 36 1 38 6 14 27 4 3 11 5 60

Anzahl 1958

18 29 16

10 39 9 30 4 6 12 66 21 13 28 34 2 14 1 24 8 8 11 4 1 3 94

in Prozent des Gesaratbestandes 1957 | 1958

0,0 0,1 0,1 0,0 0,5 0,1 0,1 0,1 0,0 1,8 0,2 0,6 0,3 0,1 0,6 0,0 0,6 0,1 0,3 0,5 0,1 0,1 0,2 0,1 1,1

5 31 6 6 9 41 6 73 1 20 2 5 25

4 9 7 8 32 26

\ 1 7

0,0 0,0 0,0 0,0 0,1 0,0 0,1 0,0 0,0 0,1 0,8 0,2 0,1 0,3 0,4 0,0 0,2 0,0 0,4 0,2 0,2 0,2 0,1 0,0 0,1 1,7 0,1

0,8 0,2 .0,2 0,2 1,0 0,2 2,0 0,1 0,8 0,1 0,1 0.7

0,1 0,2 0,2 0,2 0,8 0,7 0,1 0,6 0,1 0,0 0.2

469

werden kann. Es ist jedoch fraglich, ob bei Bestehen einer Wohnungsbewirtschaftung die Leerwohnungsziffer ein zuverlässiges Mass der Nachfrage darstellt.

Die Ursache dieser Anspannung auf dem Wohnungsmarkt liegt, abgesehen vom letztjährigen Eückgang des Angebotes, in der entsprechenden Steigerung der Nachfrage. Für den Bedarf sind nicht mehr nur die Heiratsziffern und Haushaltauflösungen massgebend. Der Verbrauch an Wohnungen pro Kopf der Bevölkerung ist seit Jahrzehnten, nicht erst seit Kriegsbeginn, ständig gestiegen.

Zur Hauptsache ist dies eine Folge der guten konjunkturellen Entwicklung und günstigen Einkommensverhältnisse. Das Ausmass der Wohnraumnachfrage ist in massgeblicher Weise von der Einkommenshöhe abhängig, d.h., dass mit zunehmendem Einkommen mehr Wohnraum beansprucht wird. Zum Teil trägt auch eine Änderung der Wohnsitten und Bedürfnisse zu dieser Entwicklung bei, wie das steigende Bedürfnis junger Leute, sich wohnungsmässig von den Eltern zu emanzipieren, das frühere Heiratsalter und dergleichen. Auch Alleinstehende, die sich früher mit einem möblierten Zimmer begnügten, belegen heutzutage in zunehmendem Masse eine ganze Wohnung. Andererseits sind ältere Ehepaare oder alleinstehende Verwitwete dank verbesserter Altersfürsorge heute eher in der Lage, ihre Wohnung zu behalten.

Wenn das Ausmass der Wohnraumnachfrage, wie allgemein anerkannt wird, von der Höhe der Einkommen abhängig ist, so kann auch angenommen werden, dass es andererseits durch die Höhe der Mietpreise beeinflusst wird. Das würde bedeuten, dass die Tiefhaltung der Mieten in Altbauten bis zu einem gewissen Grad die Nachfrage nach Wohnraum steigert und im Ausmass dieser Steigerung auch eine Verringerung des Leerwohnungsbestandes zur Folge hat.

In einem Bericht des «Sous-Comité de l'habitat» der «Commission Economique pour l'Europe» der Vereinigten Nationen vom 20.August 1953 über «La politique des loyers dans les pays d'Europe» (S.21) wird denn auch folgendes festgestellt : La première tendance à laquelle donne naissance le blocage des loyers, c'est la création ou l'intensification de la pénurie de logements par suite du grossissement de la demande, mais il est difficile de déterminer quantitativement dans quelle mesure la pénurie actuelle peut être imputée au contrôle des loyers.

Diese Feststellung bezieht sich vor allem auf die zugespitzteren Verhältnisse in verschiedenen Ländern Europas, die offenbar gewisse Auswirkungen sichtbarer in Erscheinung treten lassen. Danach soll die Mietzinskontrolle, die zur Bekämpfung der sich aus der Wohnungsnot ergebenden Missbräuche geschaffen wurde, die Nachfrage und damit paradoxerweise den Wohnungsmangel steigern.

In einem dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement erstatteten Gutachten über «Die Mietpreiskontrolle und ihr künftiger Abbau» vom 81.März 1959, Seite 21 ff. und Seite 27 vertritt Professor Dr. Hugo Sieber, Bern, ebenfalls die Ansicht, dass eine - zahlenmässig allerdings nicht genau bezifferbare - Erhöhung der durchschnittlichen Wohnnachfrage, beziehungsweise

470

Senkung der durchschnittlichen Wohndichte als Folge der Mietzinskontrolle nicht zu bestreiten sei und deshalb diese Kontrolle notwendigerweise auch eine ungünstige Wirkung auf den Leerwohnungsstand zeitige. Diese Feststellung ergebe sich aus der Überlegung, dass die Wohnnachfrage zweifellos bis zu einen gewissen Grad durch die Preishöhe beeinflusst werden müsse, wenn sie, wie allgemein anerkannt wird, von der Höhe der Einkommen abhängig sei. Die Mitverursachung der abnehmenden Wohndichte in den Altwohnungen durch die Mietzinskontrolle komme somit einer Mitverursachung des gegenwärtig fast überall zu geringen Leerwohnungsstandes und des darin zum Ausdruck kommenden Wohnungsmangels gleich.

Dass die Mietzinskontrolle, d.h., die Tiefhaltung der Mieten in Altbauten eine gewisse Erhöhung der durchschnittlichen Wohnraumnachfrage beziehungsweise Senkung der durchschnittlichen Wohndichte zur Folge haben muss und sich somit ungünstig auf den Leerwohnungsstand auswirkt, wird im allgemeinen angenommen. Umstritten ist jedoch das Ausmass dieser Auswirkung, die, wie Professor Sieber selbst feststellt, zahlenmässig nicht genau bezifferbar ist. Dabei ist allerdings darauf hinzuweisen, dass z.B. auch eine in relativen Zahlen geringe Zunahme der Wohndichte auf grössere Städte bezogen in absoluten Zahlen eine ins Gewicht fallende Vermehrung des Leerwohnungsstandes bedeuten kann.

Ist ein Einfluss der Mietzinskontrolle auf Wohnnachfrage, Wohndichte und Wohnungsmarkt, wie dargelegt, anzunehmen, so ist umgekehrt zu vermuten, dass eine Aufhebung beziehungsweise schritt weise Lockerung derMietzinskon trolle das Wohnungsangebot steigern beziehungsweise die Wohnnachfrage in einem gewissen Ausmass vermindern und die Wohndichte entsprechend erhöhen könnte.

Über das Ausmass dieser möglichen Auswirkung und die Zeitspanne, innert welcher sie sich fühlbar machen könnte, lässt sich jedoch wiederum zahlenmässig nichts Bestimmtes sagen. Auch wenn dabei keine grosse Zahl von Altwohnungen sofort frei würde, so könnte doch eine Auswirkung auf den Wohnungsmarkt erwartet werden, die gerade für die Bevölkerungsschichten mit bescheidenem Einkommen von Bedeutung wäre. Heute werden nämlich Wohnungen der älteren Altersklassen, die infolge ihres geringen Komforts an Wert eingebüsst haben, vielfach von Mietern besetzt, die an sich höhere Mieten
zahlen könnten, aber infolge ihrer Tiefhaltung keinen Anreiz erhalten, modernere Wohnungen zu beziehen. Würden solche Wohnungen frei, so stünden sie wieder, wie in früheren Jahrzehnten, den untersten Einkommenssohichten als billigste Eindeckungsmöglichkeit zur Verfügung.

Zweifellos ist auch die Tatsache, dass der Anspruch auf eine moderne Ausstattung der Wohnung in der Nachkriegszeit mit dem höheren Lebensstandard zugenommen hat, für die Nachfrage von Bedeutung. Die Erfahrung zeigt, dass viele Ehepaare, die in einer neuen Wohnung gewohnt haben, nur unter äusserstem Zwang in weniger komfortable Altwohnungen zurückziehen. Dies dürfte zu einem grossen Teil die Tatsache erklären, dass in den letzten Jahren der effektive Wohnbedarf über den aus demographischen Gründen zu erwartenden stark hinausgestiegen ist.

471 Es stellt sich übrigens auch die Frage, ob die Leerwohrmngsziffer unter den heutigen Bedingungen nicht an Aussagewert verloren hat. Es wäre verfehlt, bei der Beurteilung des Wohnungsmarktes ausschliesslich auf die niedrigeren Leerwohnungsziffern abzustellen und davon die Behauptung abzuleiten, die Sättigung des Wohnbedarfes sei heute in der Schweiz im ganzen kleiner, als sie bei Kriegsende war. Der Markt ist viel differenzierter geworden als damals.

Sättigungs- und Mangelerscheinungen bestehen nebeneinander. Letztere sind auf ganz spezielle Bedingungen zurückzuführen, die darauf schliessen lassen, dass es sich um eine Dauererscheinung handelt, die sich vermutlich nur im Kriegsfall oder bei radikalen Strukturmassnahmen (Boden-, Verkehrs-, Siedelungs- und Steuerpolitik) ändern würde. In den Großstädten ist der Zudrang der Bevölkerung infolge der Unterschiede in den Verdienstmöglichkeiten, der gebotenen Bequemlichkeiten, der günstigen Versorgungsmöglichkeiten, der Steuerbelastung und der sozialen Bedingungen gegenüber anderen Orten so gross, dass angesichts der schwindenden Landreserven eine Sättigung des Bedarfs und damit die Entstehung einer namhaften Leerwohnungsreserve nur im Falle einer Depression zu erwarten ist, die den Zuzug verlangsamt oder in einen Abfluss verwandelt. Zudem fördert die Tiefhaltung der Altmieten die Verstädterung, indem sie eine Verschärfung des Gefälles zugunsten der Stadt zur Folge hat. In den Vororten der Großstädte bilden dagegen heute die Baukosten und Bodenpreise ein immer grösseres Hindernis des Wohnungsbaues.

Um die Bevölkerung in grösserem Ausmass zu veranlassen, in diese Vororte zu ziehen, müssten die Mietpreise in diesen Gemeinden sehr viel tiefer sein als in den Großstädten selbst, während die Erstellungskosten annähernd ebenso hoch sind.

Die dortigen Wohnungen werden deshalb nur mangels günstiger gelegenen Wohnungen in der Stadt bezogen und aus diesem Grunde oft gewechselt.

Darum ist bei günstiger Konjunkturlage und ohne eine radikale Änderung in der Verkehrs-, Siedlungs- und Steuerpolitik die Wiederherstellung eines grösseren Leerwohnungsbestandes selbst in den Vororten nicht wahrscheinlich.

Dagegen ist ein normaler Ausgleich und die normale Bildung eines Leerwohnungsbestandes am ehesten in den kleineren Städten mit relativ günstigen Einkommensverhältnissen
und ausreichender Bodenreserve möglich. Wenn man also unter den heutigen Umständen die Lockerung der Mietzinskontrolle ausschliesslich von der Bedingung eines normalen Leerwohnungsbestandes abhängig machen würde, so könnte bei günstiger Konjunkturlage der Abbau der Zwangswirtschaft überhaupt nicht vorgenommen werden, während er bei schlechter Konjunktur mit Eücksicht auf die Einkommenslage aus politischen Gründen wohl zu unterbleiben hätte. Ausschlaggebend für die Beurteilung der Marktlage in bezug auf die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Lockerung der Mietzinskontrolle ist also nicht der Leerwohnungsbestand allein, sondern die Würdigung aller wirksamen Faktoren.

Eine entscheidende Entspannung des Wohnungsmarktes könnte durch einen fühlbaren, andauernden Konjunktureinbruch ausgelöst werden. Mit einem solchen ist aber für die nächste Zeit nicht zu rechnen. Bei der gegenwärtigen fest-

472 zustellenden 'Konjunkturlage kann der Wohnungsmarkt höchstens regional, nicht aber gesamthaft in spürbarem Masse entlastet werden.

4. Notwendigkeit der Weiterführung der Mietzinskontrolle nach 1960 und des schrittweisen Abbaues Unter den geschilderten Umständen ist es unwahrscheinlich, dass eine ausreichende Entspannung und somit eine entsprechende Verbesserung der Lage auf dem Wohnungsmarkt bis Ende 1960 eintreten wird, die es ohne schwerwiegende wirtschaftliche und soziale Nachteile erlauben würde, in diesem Zeitpunkt mit sofortiger Wirkung und auf der ganzen Linie auf jegliche Mietzinskontrolle zu verzichten. Ein plötzliches Abstreifen sämtlicher dem Hausbesitz auferlegten Fesseln müsste in einer Zeit grosser Wohnungsnot zahlreiche Mietzinserhöhungen auslösen. Zunächst würden bei der zu erwartenden Annäherung der Mieten an die Verteuerung der Kosten der Lebenshaltung, der Baukosten und Bodenpreise wohl diejenigen Hauseigentümer die Mietzinse ihrer Liegenschaften erhöhen, die rein renditenmässig am Besitz von Liegenschaften interessiert sind und seit Jahren auf den Moment warten, der es ihnen gestatten wird, die nominellen Erträgnisse ihres investierten Geldes auch real an die Teuerungsverhältnisse anzupassen. Dem Zug der allgemeinen Erhöhung würden vermutlich aber auch jene -Hausbesitzer folgen, für die der Ertrag aus ihren Liegenschaften die einzige oder bedeutendste Einkommensquelle darstellt. Einem Druck nach oben sind insbesondere auch die Mieten jener Liegenschaften ausgesetzt, die in den letzten 10 bis 15 Jahren durch Kauf oder Übernahme aus einer Erbgemeinschaft die Hand gewechselt haben. Im Gegensatz zu den blockierten Mieten sind die Preise der Liegenschaften entsprechend dem allgemeinen Preistrend und der Entwicklung der Bodenpreise in starkem Masse, in der Hegel mindestens im Ausmasse der Verteuerung der Lebenshaltung gestiegen. Für die Brwerber solcher Liegenschaften - es handelt sich dabei durchaus nicht immer um finanzstarke Leute - resultierten aus den erhöhten Anlagekosten bei gebundenem Mietertrag Bruttorenditesätze, die für die Verzinsung ihres investierten Eigenkapitals einen ganz ungenügenden Betrag oder überhaupt nichts übrig Hessen. Es wäre daher nicht zu verwundern, wenn sie die Gelegenheit wahrnehmen würden, um den Mietertrag nach Massgabe einer normalen Bruttorendite
zu steigern. Wie die Erfahrungen nach dem ersten Weltkrieg lehrten, würden vermutlich auch die Mieten vieler anderer Vorkriegsliegenschaften von der allgemeinen Mietzinshausse erfasst werden, wenn auch anzunehmen ist, dass gewisse Vermieter angesichts des Widerstandes der Mieter gegen Mietzinserhöhungen oder mit Eücksicht auf langjährige persönliche Beziehungen, sich eine gewisse Zurückhaltung auferlegen werden.

Die von verschiedenen Experten und fachkundigen Kreisen vorgenommenen Schätzungen über die mutmasslichen Auswirkungen eines Dahinfallens der Mietzinskontrolle gehen weit auseinander. Die höheren gehen von den beim jetzigen Stand der Bauteuerung schon hohen Eeproduktionskosten aus und stellen

473

einen gewissen Minderwert für die geringere Qualität der älteren Vorkriegswohnungen in Eechnung. Von anderer Seite wird jedoch darauf hingewiesen, dass der heutige hohe Stand der Bauteuerung zum Teil konjunkturbedingt ist und nicht als endgültig betrachtet werden kann. Eine Senkung derselben sei deshalb nicht ausgeschlossen. Zudem werde bei diesen Schätzungen die Bedeutung der Nachfrageseite und damit die Auswirkung der Qualitätsunterschiede unterschätzt. Der für die Altwohnungen dabei angenommene Minderwert sei als Mittel von Stadt und Land sowie von Wohnungen aller Altersklassen viel zu klein, besonders wenn man berücksichtige, dass der Anspruch auf eine moderne Ausstattung der Wohnung in der Nachkriegszeit an Bedeutung zugenommen habe, wie wir hiervor unter Ziffer 8 ausgeführt haben, und damit der Überalterungsfaktor bei den alten Wohnungen viel höher zu veranschlagen sei als früher. Im übrigen sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei diesen Schätzungen um einen gesamtschweizerischen Durchschnitt handle. Die Mietzinssteigerung dürfte jedoch je nach den lokalen Verhältnissen in den grösseren und kleineren Städten und auf dem Lande sowie von Kegion zu Eegion, sehr unterschiedlich sein und überdies von der Konjunkturlage im Zeitpunkt des Dahinfallens der Mietzinkontrolle abhängen. Angesichts all dieser zu berücksichtigenden Paktoren, deren Entwicklung nicht mit Sicherheit vorausgesehen werden kann, ist eine einigermassen zuverlässige Schätzung der zu erwartenden Mietzinserhöhung kaum möglich.

Sicher ist aber, dass die bei den Altwohnungen zu erwartenden Mietzinserhöhungen eine beträchtliche Steigerung des Mietindexes und damit auch des Gesamtindexes der Konsumentenpreise nach sich ziehen würden.

Würden auch die seit Kriegsbeginn erstellten Bauten von einer gewissen Erhöhung erfasst - eine Möglichkeit, die wir beim heutigen Wohnungsmangel und insbesondere auf Grund der 1957 und 1958 gesammelten Erfahrungen, durchaus nicht als ausgeschlossen betrachten -, so würde die Erhöhung des Mietund Gesamtindexes selbstverständlich entsprechend ausgeprägter ausfallen.

Wollte man dazu noch die möglichen Rückwirkungen auf das Lohnniveau und damit mittelbar auf die Produktenpreise der Landwirtschaft und weiter die Folgen einer Erhöhung anderer Produktionskosten in Eechnung stellen, dann ist es klar, dass auch
das allgemeine Preis- und Kostenniveau eine erhebliche Erhöhung erfahren könnte.

Die dargelegten erheblichen Mietzinserhöhungen, die im Falle der Aufhebung der Mietzinskontrolle zu erwarten sind, und die dadurch bewirkte weitere Drehung der Spirale Preis-Lohn zeigen, dass die volle Freiheit auf dem Wohnungsmarkt nicht mit einem Schlage wiedererlangt werden kann.

Eine abrupte Aufhebung der Mietzinskontrolle könnte zwar den Vorteil haben, dass bei diesem Verfahren die Beunruhigung allerdings gross, aber im Gegensatz zum schrittweisen Vorgehen nur einmalig wäre, und dass mit dieser Methode keine Erhöhungsprozentsätze statuiert werden müssten, durch welche gewisse Vermieter unnötigerweise zu deren vollen Ausnützung veranlasst werden könnten. Demgegenüber hätte die abrupte Aufhebung der Mietzinskontrolle

474

den grossen Nachteil, dass alle unerwünschten Wirkungen der Mietzinsfreigabe überall mit einem Schlag eintreten und, angesichts des beträchtlichen Abstandes zwischen den Alt- und Neuwohmmgsmieten zu einer übermässigen preislichen Beunruhigung führen würden. Dabei könnte nach unseren Darlegungen unter Ziffer 3 hiervor nicht einmal mit Sicherheit damit gerechnet werden, dass die nach der Freigabe eintretende Mietzinssteigerung das Wohnungsangebot in entscheidendem Ausmass und innert nützlicher Frist steigern und dadurch eine Entspannung des Wohnungsmarktes bewirken würde.

Es muss vor allem verhindert werden, dass die Mietzinssteigerungen innert kürzester Frist Dimensionen annehmen, die volkswirtschaftlich unerwünschte Folgen nach sich ziehen könnten und so das ganze Niveau der Lebenskosten erschüttern würden. Die Mietzinskontrolle wurde seinerzeit u. a. eingeführt, um einer Gefährdung unseres gesamten Preisniveaus im Verhältnis zum Ausland entgegenzuwirken. Auf diesen Gesichtspunkt gilt es auch beim Abbau Eücksicht zu nehmen, indem schrittweise vorgegangen werden soll unter Vermeidung gesamtwirtschaftlicher Störungen. Eine plötzliche massive Steigerung der Mietzinse ist übrigens auch aus sozialpolitischen Eücksichten auf die einkommensmässig schwächeren Mieter zu vermeiden.

Wir sehen uns deshalb genötigt, eine nochmalige, wiederum auf vier Jahre zu befristende Verlängerung der verfassungsmässigen Grundlage für eine neue Abbauordnung zu beantragen, um volkswirtschaftlich und sozial schädliche Auswirkungen eines plötzlichen Dahinfallens der zum Schütze der Mieter getroffenen Massnahmen zu vermeiden.

Wenn wir die Verlängerung der Mietzinskontrolle beantragen, so tun wir es im vollen Bewusstsein, dass damit noch für eine gewisse Zeit auch die nachteiligen Auswirkungen mit in Kauf genommen werden müssen, welche dem System der Mietzinskontrolle anhaften. Die Tiefhaltung der Mietzinse, insbesondere in den Vorkriegsbauten, privilegiert deren Mieter. Dank der Mietzinskontrolle haben diese einen wesentlich kleineren Prozentanteil ihres Einkommens für die Wohnungsmiete aufzuwenden als die Mieter neuer Wohnungen. Das ist um so stossender, als es sich bei den Mietern der teuren, neuen Wohnungen vielfach um junge Leute handelt, die am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn stehen, mit niedrigen Anfangslöhnen und
grosser Belastung durch Kosten der Haushaltgründung und der Kinder. Demgegenüber hat zum mindesten ein ansehnlicher Teil der privilegierten Altwohnungsmieter den Höchststand seiner beruflichen Karriere und seines Einkommens erreicht und wäre somit in der Hegel eher in der Lage, die höhere Miete einer neuen Wohnung auf sich zu nehmen.

Wir haben sodann bereits an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass die Tiefhaltung der Mietzinse in den Vorkriegsbauten dazu beitragen kann, den Wohnungsmangel zu steigern, indem Eestfamilien mit schwindender Familiengrösse es vorziehen, auf einen Abtausch der für ihre Raumbedürfnisse zu grossen preisgünstigen Altbauwohnung gegen eine kleinere zu verzichten. Das Verbleiben in der zu grossen Wohnung ist durchaus verständlich; denn wegen des zunehmenden Mangels an billigen Altwohnungen käme für sie nur ein Abtausch mit

475 einer neuen Wohnung in Frage, die sie daher trotz geringerer Grosse erheblich teurer zu stehen käme. Wenn angenommen werden muss, dass die Mieten der Altwohnungen bei Aufhebung der Mietzinskontrolle um einen zwar nicht bezifferbaren, aber jedenfalls erheblichen Betrag steigen würden, so bedeutet dies, dass der Wert der Altbauwohnungen dauernd um diesen Betrag unter ihrem Marktwert gehalten wird und dass diese Differenz dauernd dem zufälligen Mieter der keinerlei Beitrag zur Erstellung des Hauses geleistet hat und in keiner Weise daran gebunden ist, als Eente zufällt, während der Eigentümer, der das Kapital bereitgestellt und das Eisiko übernommen hat, auf Grund des sogenannten Kostenprinzips davon ausgeschlossen bleibt. Die Altwohnungsmieter sind auch insofern begünstigt, als sie einen Mietpreis zahlen, der beträchtlich unter dem durch den Mietindex ausgewiesenen, für die statistische Berechnung der Eeallöhne massgebenden Durchschnittswert liegt. Der Mietindex beträgt nach der letzten Erhebung im Mai 1959 für sämtliche Wohnungen 145,5 Punkte, für die vor 1940 erstellten allein dagegen nur 127 Punkte. Demzufolge kommen Altwohnungsmieter in den Genuss einer zusätzlichen, über die statistisch ausgewiesene hinausgehende Verbesserung ihres Eealeinkommens. Die dargelegte Diskriminierung des Hauseigentümers im Vergleich zu allen anderen Sachwertbesitzern stellt ihrerseits einen schwerwiegenden Eingriff in seine Eigentumsrechte und eine Abweichung vom Prinzip der Eechtsgleicheit dar, die wohl nur in Kriegs- und Notzeiten für solange geduldet werden kann, als es im allgemeinen Landesinteresse unumgänglich ist. In Friedenszeiten müsste doch mindestens der verbindliche Wille zur Beseitigung dieser Privilegierung und der damit verbundenen Diskriminierung bekundet werden. Die gegenwärtige Mietzinskontrolle schafft auch unter den Hauseigentümern zwei Kategorien, von denen die einen in der Eigentumsverwendung und Ausnützung der günstigen Marktlage vollkommen frei sind, während den anderen eine schwerwiegende Beschränkung der Verzinsung ihres Eigenkapitals auferlegt ist. Auch die bereits vollzogenen .kategorienweisen und regionalen Lockerungen der Mietzinskontrolle haben notgedrungen neue Ungleichheiten .geschaffen. Die Tiefhaltung der Vorkriegsmieten hat weiter zur Folge, dass der Leerwohnungsvorrat, soweit
ein solcher überhaupt besteht, sich praktisch immer nur aus teuren Neuwohnungen zusammensetzen wird. Der deshalb bei den Altwohnungen mangelnde Konkurrenzdruck leistet einer Vernachlässigung des Unterhaltes alter Liegenschaften Vorschub. Dies um so mehr als die auf diese Weise gemachten Einsparungen für jene Hauseigentümer, denen die Liegenschaft zufolge Handänderung zu einem hohen Preise anliegt oder die für die Bestreitung ihres Lebensunterhaltes auf den Liegenschaftsertrag dringend angewiesen sind, die einzige Möglichkeit bildeten, die Eendite etwas zu verbessern. Was die vieldiskutierten Hausabbrüche von noch gut erhaltenen Altbauten betrifft, dürften die Ursachen zumeist ausserhalb der Mietzinskontrolle zu suchen sein, so vor allem im zunehmenden Bodenmangel in den Städten, in der natürlichen City-Bildung, der guten Konjunktur und im vermehrten Bedarf an Geschäftsräumen und Kleinwohnungen. Das schliesst nicht aus, dass auch die verlockende Preisfreiheit bei dem einen oder anderen

476

Eigentümer, zumal solchen, die sich zufolge eines hohen Kaufpreises mit einer zu knappen Bruttorendite begnügen müssen, den Entschluss zum Abbruch mitbestimmen mag.

Ausser den soeben angeführten, unter dem Gesichtspunkte der zum Teil gegensätzlichen Einzelinteressen der Mieter und Vermieter nachteiligen Auswirkungen der Mietzinskontrolle dürfen auch deren bei gesamtwirtschaftlicher Betrachtungsweise negativen Aspekte nicht verschwiegen werden. So sehr die Mietzinskontrolle beanspruchen darf, das allgemeine Preisniveau wesentlich niedriger gehalten zu haben, als wenn Preisfreiheit bestanden hätte, muss doch darauf hingewiesen werden, dass sie möglicherweise durch Steigerung der Wohnraumnachfrage Bautätigkeit und somit auch Bodenpreise und Baukosten tendenziell.im Sinne einer Hochhaltimg beeinflusst hat. Sie wirkt auch, in dem Ausmass als die Altmieten unter dem allgemeinen Preisniveau gehalten werden und die Altmieter infolgedessen über eine freie Einkommensquote verfügen, vermutlich nachfragesteigernd und folglich preisstützend für Waren des sogenannten Wahlbedarfs, d.h. für nicht unbedingt lebenswichtige Güter. Als Folge der Mietzinskontrolle ist ferner eine gewisse Erstarrung des Wohnungsmarktes zu erwähnen. Wie dauerhaft die Mietverhältnisse besonders in Vorkriegsbauten geworden sind, geht aus dem festgestellten Eückgang der Anzahl von Wohnungswechseln in Altwohnungen hervor. Dadurch wird auch die zwischenörtliche Beweglichkeit der Arbeitskraft beeinträchtigt.

Endlich ist auch die auf lange Sicht abträgliche psychologische Auswirkung der Mietzinskontrolle hervorzuheben, die darin zu erblicken ist, dass sie bei einem Grossteil des Bevölkerung falsche oder zumindest überholte Vorstellungen über den normalen, marktgerechten, dem allgemeinen Preisniveau entsprechenden Mietpreis hervorruft. Die künstliche Tiefhaltung der Mieten in Altbauten führt zur wirklichkeitsfremden Annahme, dass die Altmieten angemessen seien, obwohl sie keineswegs dem heutigen Niveau der Preise und Einkommen entsprechen. Alle diese Nebenerscheinungen, die durch die Mietzinskontrolle, wenn nicht verursacht so doch gefördert werden, sind vom sozialpolitischen wie auch vom wirtschaftlichen und rechtlichen Standpunkt aus gesehen unerfreulich und ungesund. Sie sind als Symptome dafür zu deuten, dass sich die Mietzinskontrolle,
die während des Krieges als sinnvolle Massnahme durchgeführt werden konnte, immer mehr überlebt, je weiter man sich vom Jahr 1939, dem Stichjahre des Mietzinsstops, entfernt. Der Unterschied zwischen den Alt- und Neumieten sowie den Altmieten und dem Niveau aller übrigen Preise muss auf die Länge mehr und mehr zu Verzerrungen des Preisgefüges und zu Spannungen führen. Derartige Erscheinungen sind nur vorübergehend, während einer Übergangsphase erträglich. Sie können nur zeitweilig in Kauf genommen werden und müssen es unter Umständen, wenn sie im Zuge eines beförderlichen Abbaues dem Ziel der schrittweisen Wiederherstellung der vollen Freiheit dienen.

Voraussetzung für die Normalisierung des Wohnungsmarktes ist die Verringerung der unnatürlichen Differenz zwischen den Altbau- und Neubaumieten

477

auf ein Ausmass, welches der Bedeutung entspricht, die dem unterschiedlichen Gebrauchswert auf einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt zuzumessen wäre.

Mag auch eine gewisse Bückbildung der Baukosten und damit eine Angleichung der Altbaumieten auf etwas tieferem Niveau nicht ausgeschlossen sein, die Diskrepanz ist dermassen gross, dass sie ganz oder zur Hauptsache nur durch Erhöhungen der Altmieten verringert werden kann.

Wie weiter oben dargetan, sind die seit der Annahme des Verfassungzusatzes über die Preiskontrolle erzielten Portschritte bezüglich der Verringerung der Kluft zwischen Alt- und Neumieten.gering. In letzter Zeit ist, wie erwähnt (vgl. Ziffer l oben) vor allem wegen der Hypothekarzinserhöhung und der fortschreitenden Verteuerung der Bodenpreise und Baukosten, überall wo der Wohnungsmarkt angespannt ist, sogar eher eine Verschärfung ,,der Diskrepanz eingetreten. Will man also dem Ziel des selbsttragenden Wohnungsmarktes in der zu erstreckenden Frist soweit näher kommen, dass auf das Ende der Frist hin, d.h. bis Ende 1964, die verbleibenden Vorschriften ohne schwerwiegende Nachteile aufgehoben werden können, so darf es keinesfalls mit der Verlängerung des status quo sein Bewenden haben. Der Abbau muss vielmehr entschiedener bewerkstelligt werden.

Das Hauptproblem des Abbaues liegt in der Annäherung der Mieten in Vorkriegsbauten an einen dem allgemeinen Preisniveau entsprechenden Marktpreis. Die Spanne zwischen Vorkriegs- und Neubaumieten ist aber in den Städten und Industriezentren dermassen weit, dass sie aus volkswirtschaftlichen und sozialen Gründen nur schrittweise behoben werden kann. Soll der Abbau bis Ende 1964 durchgeführt werden, so kann ein weiteres Zuwarten nicht verantwortet werden. Der von den Gegnern des Abbaues immer wieder erhobene Einwand, man solle zuerst für genügend Wohnungen sorgen, macht eine Korrektur der Mietpreise für Altwohnungen nicht überflüssig; denn durch die Beschleunigung der Wohnungproduktion allein wird die Diskrepanz nicht kleiner, es sei denn, dass mit einer erheblichen Senkung der Bodenpreise und Baukosten gerechnet werden könnte, was in einem die Preiskluft überbrückenden Ausmass nicht zu erwarten ist, oder dass die Neubaumieten durch öffentliche Mittel verbilligt würden.

Der Abbau wird durch die schrittweise Erhöhung der Altmieten und durch die
Aufhebung der Kontrolle in Gemeinden oder Eegionen, in denen dies ohne nachteilige Auswirkungen möglich ist, verwirklicht werden können. Ferner werden auch die Möglichkeiten der Aufhebung der Kontrolle für nicht schutzwürdige Kategorien von Mietobjekten sowie der zweckmässigsten Kombinierung dieser oder anderer Lockerungsmodalitäten weiter zu prüfen sein. Professor Sieber schlägt in seinem bereits erwähnten Gutachten folgenden kombinierten Abbauplan vor : a. gemeinde- oder regionenweise Aufhebung der Mietzinskontrolle nach von den Kantonsregierungen einzuholenden Vorschlägen; b. Aufhebung der Mietzinskontrolle für die seit Kriegsbeginn erstellten Objekte, und zwar in einer ersten Etappe die in den Jahren 1942-1946 erstellten, zwei Jahre später dann jene der Jahre 1940 und 1941 ;

478 c. Erhöhung der noch unter Kontrolle verbleibenden Mieten um zunächst 15 Prozent ihres heutigen Standes; nach Ablauf von zwei Jahren Erhöhung um weitere 10 Prozent ihres dannzumaligen Standes; völlige Aufhebung der Kontrolle nach Ablauf von zwei weiteren Jahren.

Als Varianten könnten, mit entsprechender Verkürzung der einzuschaltenden Wartefristen, eine dreimalige Erhöhung um je 10 Prozent des jeweiligen Standes oder von zweimal 10 und einmal 5 Prozent in Frage kommen, in beiden Fällen wiederum mit nachfolgender Entlassung aus der Kontrolle.

Parallel mit der Aufhebung der Mietzinskontrolle gemäss Buchstabe a und b wäre auch der Kündigungsschutz aufzuheben und durch eine sechsmonatliche Erstreckung des Mietverhältnisses zum bisherigen Mietzins zu ersetzen.

Dagegen hält Professor Sieber kategorienweise Freigaben von Geschäftsräumen und teuren Wohnungen nicht für zweckmässig, weil zu befürchten wäre, dass sich die Freigaben in nachteiliger Weise ausweiten würden, sei es durch Vermietung von Wohnraurn zu Geschäftszwecken oder durch Umwandlung von billigen Wohnungen in teure.

Diesem Vorschlag gegenüber wird geltend gemacht, es hafte ihm der Nachteil an, dass für die unter die Mietzinskontrolle verbleibenden Mietobjekte aufeinanderfolgende, prozentual festgelegte Mietzinserhöhungen generell bewilligt würden. Dadurch könnten viele Hausbesitzer zur Erhöhung der Mietzinse angeregt werden, die dies von sich aus nicht beabsichtigen würden.

Für viele Altwohnungen würde nämlich auch ein freier Markt aus Gründen der Überalterung keine oder nur viel Heinere Mietzinserhöhungen ermöglichen, wenn die Besitzer ihre Mieter bei der Qualitätskonkurrenz der neuen Wohnungen behalten wollen. Ausserdem sei jedenfalls mit einer sehr grossen Streuung der möglichen Aufschläge zwischen Stadt und Land, zwischen den einzelnen Alterskategorien und Verkehrslagen innerhalb der Ortschaften sowie zwischen den verschiedenen Benutzern der Liegenschaften zu rechnen, denen man durch generelle Aufschläge nicht Eechnung tragen könne. Wenn man auch einwenden könne, dass bei den bisher generell bewilligten Mietzinserhöhungen nicht alle Hausbesitzer die gebotene Möglichkeit wahrgenommen haben, so bestehe doch die Tatsache, dass solche Bewilligungen einen Anreiz schaffen könnten.

Ein vom Präsidenten der Preiskontrollkommission,
Professor Dr. E.Böhler, ETH Zürich, schon früher vorgebrachter und kürzlich wieder aufgenommener anderer Vorschlag geht dahin, die bisherige Methode der Kontrolle und des Mietzinsstops durch ein geschmeidigeres Überwachungssystem zu ersetzen. Damit soll ein Verfahren eingeführt werden, das einerseits die Möglichkeit gibt, den Marktpreis der einzelnen Wohnung experimentell zu ermitteln und damit zu individualisieren, das andererseits aber auch die Garantie vorsieht, dass die Mietzinserhöhungen nicht volkswirtschaftlich unerwünschte Dimensionen annehmen. Drei Ziele sollen mit diesem System verwirklicht werden: ein Ertasten des individuellen Marktpreises mit Annäherung an denselben, eine zeitliche Verteilung der tragbaren Erhöhungen und die Verhinderung eines möglichen Davonlaufens des ganzen Niveaus durch eine wirksame Bekämpfung übersetzter Erhöhungen. Zu diesem Zweck soll das Prinzip der freien Vereinbarung der Mietzinse wieder eingeführt, aber zugleich durch wirksame Bremsen genereller und

479 institutioneller Art dafür gesorgt werden, dass ein möglicher Missbrauch der Freiheit ausgeschaltet wird. Eine zeitliche Verteilung der tragbaren Erhöhungen und eine wirksame Bekämpfung übersetzter Erhöhungen drängt sich, abgesehen von rein volkswirtschaftlichen Erwägungen, auch aus sozialpolitischen Gründen, im Interesse der einkommensschwachen Mieter auf.

Die Mietzinsüberwachung wäre.nach diesem Vorschlag in folgendem Sinne gedacht : Im Prinzip würde auf dem Gebiete der Mietzinse wieder die Vertragsfreiheit statuiert. Zur Verhinderung übersetzter Mietzinsforderungen würde aber dem Mieter ein Einspracherecht gegen Mietzinserhöhungen bei einer staatlichen Stelle eingeräumt.

Auf diese Weise könnte erwartet werden, dass für die Mehrheit der Fälle der Anpassungsprozess reibungslos durch Einigung zwischen den Parteien vor sich ginge, indem der Markt innert gewisser Grenzen und unter Ausschaltung offensichtlicher Missbräuche wieder frei spielen könnte ; eine staatliche Mitwirkung könnte dann auf solche Fälle beschränkt werden, in denen sich die Mieter gegen übersetzte Forderungen zu wehren hätten. Eine Lösung dieser Art hätte auch den Vorteil, dass eine behördliche Fixierung von generellen Aufschlägen unterbleiben könnte und damit eine allfällig animierende Wirkung wegfallen würde, die eine solche staatliche Gutheissung von bestimmten Forderungsansprüchen auf jene Hausbesitzer ausüben würde, die sich mit geringeren Aufschlägen begnügen könnten. Den Organen der Preisüberwachung käme nach diesem Vorschlag in erster Linie die Aufgabe einer Schlichtungsstelle zu mit dem Ziel, die Parteien zu einer gütlichen Einigung zu bewegen. Eine behördliche Festsetzung der Mietzinse käme nur im Falle eines Scheiterns der Einigungsbemühungen in Frage.

Als Überwachungsorgane wären kantonale paritätische Kommissionen zu bilden, bestehend aus Vertretern der Mieter und Vermieter, neutralen Sachverständigen und einem sachkundigen Beamten der gegenwärtig amtierenden Preiskontrollbehörden.

Diese Kommissionen hätten die Einsprachen der Mieter zu behandeln und allenfalls die Mietzinse nach ihrem Ermessen im Bahmen bestimmter Kriterien festzusetzen, die absichtlich allgemein gehalten werden müssten, um den Marktkräften die Möglichkeit der Auswirkung zu lassen, weil der Wohnungsmarkt seinem Wesen nach ein differenzierter
Markt ist. Als Grundprinzip hätte zu gelten, dass nicht etwa eine Anpassung an das Niveau der Mieten von neuen Wohnungen anzustreben sei, zumal dieses keineswegs als definitiv angesehen zu werden braucht, sondern in der Annäherung an den individuellen Marktpreis, d.h. an den Preis, der bei ausgeglichenem Konkurrenzmarkt für die individuelle Qualität der Wohnung bei normaler Instandhaltung erzielbar wäre; denn der Marktpreis braucht die Anlagekosten nicht zu decken, wenn die Wohnung der Bedarfsrichtung nicht mehr entspricht oder der Unterhalt vernachlässigt ist. Dabei wäre von einem allgemeinen Niveau ausgehend eine individuelle Differenzierung nach unten und oben vorzunehmen, um auf diese Weise den Mietzins zu ermitteln, der annähernd erreichbar wäre, wenn die angegebenen Marktbedingungen existieren würden.

Um ein richtiges Funktionieren dieser Überwachungsmethode zu gewährleisten, wäre es unerlässlich, die Mieter gegen ungerechtfertigte Kündigungen in wirksamer Weise zu schützen.

Von anderer Seite wurde auch die Unterstellung der seit 1954 aus der Mietzinskontrolle entlassenen Neubauten unter die Überwachung vorgeschlagen, um einer Steigerung der Mietzinse in Neubauten und damit einer möglichen Erweiterung der Preisdiskrepanz zwischenAlt- und Neubauten entgegenzuwirken.

Der Vorschlag wird nicht verwirklicht werden können, weil ein solcher Widerruf einer vor Jahren schon erfolgten Freigabe das Gegenteil des erstrebten und im Verfassungszusatz festzulegenden Abbaues der Mietzinskontrolle bedeuten

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würde. Ausserdem bestünde die Gefahr, dass sich die Unterstellung der Neubauten unter die Preisüberwachung hemmend auf die Bautätigkeit auswirken könnte. Im übrigen sind die Ansichten über das mütmassliche Ausmass der zu befürchtenden Steigerung der Neubaumietzinse sehr geteilt.

Der Gedanke einer Mietzinsüberwachung im dargelegten Sinne wurde am 28. Juni 1959 der Eidgenössischen Preiskontrollkommission vorgelegt. Die Vertreter der Mieter und Konsumenten möchten am liebsten am bisherigen System der Kontrolle festhalten. Sie haben sich aber, falls diese Alternative wegfällt, der einstimmigen Auffassung der übrigen Kommissionsmitglieder angeschlossen, wonach dem System der Mietzinsüberwachung vor dem hiervor geschilderten Vorgehen generell bewilligter Aufschläge der Vorzug zu geben sei.

Der Nachteil der Mietzinsüberwachung ist darin zu erblicken, dass sie vermutlich eine Ausweitung der behördlichen Beanspruchung und einen wachsenden administrativen Aufwand verursachen wird, weil das neue Verfahren komplizierter ist als das bisherige System. Aber das letztere wird den komplizierten Marktbedingungen nicht gerecht. Ausserdem handelt es sich um die Lösung einer Übergangsaufgabe, also nicht um einen Dauerzustand. Der vorübergehende administrative Aufwand lohnt sich deshalb, besonders wenn dadurch eine Garantie gegen übersetzte Mietzinsforderungen geboten werden kann und es auf diese Weise möglich wird, ein Problem einer vernünftigen Lösung entgegenzuführen, das sonst jahrelang weitergeschleppt würde.

Die Ausgestaltung des dargelegten Überwachungssystems im einzelnen, die Modalität des Einspracheverfahrens und die Formulierung der für die Festsetzung der streitigen Mietzinse massgebenden Kriterien bedürfen noch einer näheren Prüfung und Präzisierung. Eine endgültige Stellungnahme wird erst möglich sein, wenn es in allen seinen Modalitäten und Details bezüglich der Gestaltung des Schutzes der Mieter und der Verhinderung eines unkontrollierten und unangemessenen Ansteigens der Mieten bekannt sein wird. Die nähere Abklärung des Planes wird zusammen mit der Vorbereitung des Durchführungserlasses vorzunehmen sein. Der Inhalt des neuen Verfassungszusatzes muss daher so gestaltet werden, dass er sowohl für Lockerungen in den bisherigen Formen wie auch für eine Überwachung in der geschilderten oder einer
modifizierten Weise als Basis genügen kann. Das wäre zwar schon nach dem derzeit geltenden Verfassungszusatz der Fall. Im vorgeschlagenen Text des neuen Verfassungszusatzes kommt dies jedoch deutlicher zum Ausdruck.

Angesichts der Notwendigkeit eines rascheren Schrittmasses beim Abbau sind wir ausserdem der Auffassung, dass eine klare Verpflichtung zu einem beförderlichen Abbau zu statuieren ist. Um dieser Verpflichtung vermehrte Nachachtung zu verschaffen, ist sie jedoch, entgegen der Ansicht der Mehrheit der Kantone, nicht erst auf der Gesetzesstufe vorzusehen, sondern, wenigstens dem Grundsatze nach, auch in den Verfassungszusatz aufzunehmen.

Der bisher geltende Verfassungszusatz sieht eine Übertragung der Befugnisse des Bundes an die Kantone vor. Um einen Abbau nach gesamtwirtschaftlichen Kriterien sicherzustellen, wird der Bund sich aber nicht seiner grund-

481 sätzlichen Kompetenzen entäussern können. Dagegen pflichten wir der Mehrzahl der Kantone und einzelner wirtschaftlicher Organisationen insoweit bei, als beim Abbau die Kantone in vermehrtem Masse zur Mitwirkung beizuziehen sein werden. Es wird Sache des Ausführungserlasses sein, die Art und Weise der Mitwirkung näher zu regeln.

Wir geben uns Rechenschaft, dass der Abbau der Mietzinskontrolle nicht alle sozialpolitischen Wohnprobleme zu lösen vermag. In unserer Botschaft vom S.Mai 1956 betreffend die Durchführung der Preiskontrolle (BEI 1956 I 1039) wiesen wir darauf hin, dass die Erstellung von Neuwohnungen zu niedrigen Mieten gefördert werden müsse und hoben hervor, dass darin, «im Gegensatz zar bisherigen rein bewahrenden, an der Vergangenheit haftenden Methode der Mietzinskontrolle ein auf die Zukunft gerichteter konstruktiver Beitrag zur Lösung des Wohnproblems» läge. In unserer Botschaft vom 28. Juni 1957 über Massnahmen zur Förderung des sozialen Wohnungsbaues (BB1 1957 II 117) fügten wir bei : Die erwünschte Normalisierung des Wohnungsmarktes dürfte in der Tat am ehesten dadurch erreicht werden, dass einerseits das Angebot an billigen Wohnungen mit allen Mitteln durch eine systematische Anregung und Förderung des Baues solcher Wohnungen gesteigert und anderseits die Mietzinskontrolle schrittweise gelockert wird.

Auf diese Weise liesse sich von beiden Seiten her eine Entspannung des Wohnungsmarktes herbeiführen.

Seither ist der Bundesbeschluss vom 31. Januar 1958 über Massnahmen zur Förderung des sozialen Wohnungsbaues in Kraft getreten, der eine Bundeshilfe für die Erstellung von 10 000 billigen Wohnungen in Aussicht stellt. Abgesehen von dieser direkten Bundeshilfe ist dieser Bundesbeschluss jedoch auch als Initialzündung gedacht, wodurch vor allem auch die freie Bautätigkeit zur Erstellung preiswerter Wohnungen angeregt werden soll. Der Bundesrat hat daher, gestützt auf Artikel 2 dieses Bundesbeschlusses, eine beratende Wohnbaukommission bestellt, deren Aufgabe es ist, die Bemühungen Privater und der Gemeinwesen auf die Erstellung preiswerter Wohnungen auszurichten und zu koordinieren. Solche Bemühungen stellen einen weiteren Beitrag zur Lösung des sozialen Wohnproblems dar. Über die Auswirkungen des Bundesbeschlusses kann noch kein endgültiges Urteil ausgesprochen werden, weil sich die Aktion noch im Anlaufstadium befindet. Erst die Erfahrung wird ergeben, ob die vorgesehenen Massnahmen genügen, angepasst oder erweitert werden müssen.

V.

Die Beschränkung des Kündigungsrechts Die Regierungen der meisten Kantone sind nach wie vor der Ansicht, dass auf die Beschränkung des Kündigungsrechts nicht verzichtet werden kann. Sie bestätigen die von uns seit jeher vertretene Auffassung, wonach die Mietzinskontrolle zu ihrer Wirksamkeit der Ergänzung durch den Mieterschutz bedarf.

Besonders deutlich hat sich in diesem Sinne der Staatsrat des Kantons Waadt ausgesprochen, welcher in seiner Vernehmlassung u.a. folgendes ausführte: Bundesblatt. 111. Jahrg. Bd. II.

34

482

... dans les localités où l'on à renoncé à cette protection ou bien lorsqu'on la limite à certaines catégories de logements, le contrôle des prix est devenu illusoire, parce que les propriétaires résilient les baux des locataires qui n'acceptent pas des prix de loyers illicites.

Ähnlich äussert sich der Eegierungsrat des Kantons Zürich : Die Erfahrung zeigt, dass eine Mietzinskontrolle ohne Schutz gegen unberechtigte Kündigungen wirkungslos bleibt. Die jüngst in der Stadt Zürich gesammelten Erfahrungen auf dem Gebiete der Vermietung möblierter Einzelzimmer haben erneut eindrücklich gezeigt, wie die Mietpreisvorschriften ohne Kündigungsschutz leicht umgangen werden können und deshalb häufig genug nicht durchsetzbar sind. Im weitern darf nicht übersehen werden, dass das Bestehen eines Kündigungsschutzes eine gewisse generalpräventive Wirkung ausübt, indem viele Vermieter mit Bücksicht auf die Möglichkeit eines mietamtlichen Verfahrens davon absehen, unbegründete Kündigungen auszusprechen. Aus diesen Gründen sollte der Mieterschutz beibehalten werden.

Den gleichen Standpunkt vertritt auch Professor Sieber im Mitteilungsblatt des Delegierten für Arbeitsbeschaffung, Juli 1948, Heft 2, Seite 84 und in seinem Gutachten vom 81.März 1959.

Das Fehlen des Mieterschutzes bringt es in vielen Fällen mit sich, dass die Mieter aus Furcht vor Kündigungen es nicht wagen, ihre Vermieter auf unzulässige Forderungen oder die Mietzinskontrollstellen auf widerrechtliche Mietzinserhöhungen aufmerksam zu machen.

Bei ausgesprochenem Wohnungsmangel ist eine Beschränkung des Kündigungsrechtes deshalb unerlässlich, um der Mietzinskontrolle den Grad von Wirksamkeit zu sichern, dessen sie bedarf.

Demgegenüber ist hervorzuheben, dass verschiedene Kantone den Anwendungsbereich der Vorschriften über den Mieterschutz schon stark eingeschränkt haben, wogegen die Mietpreisvorschriften immer noch für das ganze Gebiet dieser Kantone gelten. Die Aufhebung bezieht sich vorwiegend auf ländliche Gemeinden, in welchen der Prozentanteil der Mietwohnungen am Gesamtwohnungsbestand weit unter dem Landesdurchschnitt liegt, und die nie unter einer eigentlichen Wohnungsnot zu leiden hatten. Die Mietzinskontrolle erlangte darum in ländlichen Gemeinden kaum je eine ins Gewicht fallende Bedeutung.

Es wird zur Zeit denn auch geprüft, inwieweit
die Mietzinskontrolle in kleinen Gemeinden überhaupt aufgehoben werden kann.

Am I.Januar 1958 unterstanden von 492 bernischen Gemeinden nur noch 110 den Vorschriften über die Beschränkung des Kündigungsrechts. Im Kanton Luzern besteht schon seit Jahren in 80 Landgemeinden, einem Drittel aller Gemeinden, kern Kündigungsschutz mehr, ohne dass, nach Angaben der Kantonsregierung, dadurch besondere Schwierigkeiten entstanden wären. Im Kanton Basel-Land unterstehen nur noch 17 von 74 Gemeinden und im Kanton Thurgau nur noch l Gemeinde (Arbon) dem Mieterschutz.

Dieser Sachverhalt lässt auf die Unterschiedlichkeit der Verhältnisse von Stadt zu Land schliessen. Es ist nicht von ungefähr, dass sämtliche Kantone mit grösseren Städten die Ansicht vertreten, dass auf die Zuständigkeit des Bundes zum Erlass von Bestimmungen über den Mieterschutz nicht verzichtet

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werden könne. Auch Bern ist dieser Auffassung, trotzdem in einem grossen Teil seiner ländlichen Gemeinden die Vorschriften über den Kündigungsschutz nicht mehr gelten.

Einige Wirtschaftsverbände halten dafür, dass die Möglichkeit eines Aufschubs von Kündigungsterminen als mildeste Form des Mieterschutzes genügen dürfte.

Bereits nach geltendem Eecht entscheiden die Kantonsregierungen darüber, ob und wieweit die Vorschriften über die Beschränkung des Kündigungsrechts im Kantonsgebiet anwendbar sein sollen (Art. 6 des Bundesbeschlusses vom 28.September 1956 über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle; Art. 28 der Verordnung vom 28. Dezember 1956 über die Mietzinskontrolle und die Beschränkung des Kündigungsrechts). Daran soll in Zukunft nichts geändert werden. Die Kantone werden es also nach wie vor in der Hand haben, den Geltungsbereich des Mieterschutzes für ihr Gebiet zu bestimmen und je nach den Verhältnissen, allenfalls bis auf die blosse Möglichkeit eines Aufschubs von Kündigungsterminen, einzuschränken.

Bin Vorbehalt ist immerhin für den Fall notwendig, dass die bisherige Methode der Mietenkontrolle durch das obenerwähnte System einer Mietpreisüberwachung ersetzt werden sollte. Da ein befriedigendes Funktionieren dieses Systems nur in Verbindung mit einem wirksamen Schutz der Mieter gegen ungerechtfertigte Kündigungen denkbar wäre, würden für diesen Fall wohl einheitliche Vorschriften über die Kündigungsbeschränkung notwendig werden.

Wie seinerzeit im Bundesbeschluss vom 28. September 1956 (Art. 20) über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle wird auch diesmal die Geltungsdauer des Bundesbeschlusses vom 20.März 1953 über den Aufschub von Kündigungsterminen erstreckt werden müssen, ohne den einige Kantone zeitweise nicht auszukommen vermögen.

Da die Bundesverfassung dem Bund keine Kompetenz zur Ergreifung von Massnahmen von der Art des Mieterschutzes einräumt, muss die Grundlage für denselben wiederum durch eine ausdrückliche Norm des in Aussicht genommenen Verfassungszusatzes geschaffen werden.

VI.

Die Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte 1. Bisherige Tätigkeit und Finanzierung der Preisausgleichskasse Die Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte (PAK-Milch) wurde im Jahre 1942, gestützt auf das kriegswirtschaftliche Vollmachtenrecht errichtet ; (Verfügung Nr. 17 des EVD vom 12. Juli 1942 betreffend die Kosten der Lebenshaltung und den Schutz der regulären Marktversorgung) und diente der Tiefhaltung des Preises für Konsummilch in Mangelgebieten und Konsumzentren.

Zu diesem Zwecke übernahm die Kasse grundsätzlich ' die Verteuerung der Sammlung, des Transportes, der Behandlung und des Detailvertriebes der Kon-

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summilch und richtete insbesondere an Molkereien und Milchhandel sogenannte Spannenzulagen, d.h. Zuschüsse an die Milchhandelsmargen, aus. Diese Aufwendungen wurden im wesentlichen gedeckt durch die Abgabe auf Konsummilch, früher Krisengebühr genannt, die in den Kriegsjahren geschaffene Abgabe auf Konsumrahm und die Zollzuschläge auf eingeführter Butter. Ausgabenüborschüsse wurden aus allgemeinen Bundesmitteln bestritten.

Nach der Aufhebung des kriegswirtschaftlichen Vollmachtenrechts wurden diese Preisausgleichsmassnahmen gestützt auf den Verfassungszusatz vom 26. September 1952/22.Dezember 1955 über die befristete Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle mit unveränderter Zweckbestimmung und Finanzierung der PAK-Milch fortgeführt. Die Ausführungserlasse (Bundesbeschlüsse vom 10. Juni 1953 und 28. September 1956 über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle) schrieben aber vor, dass die PAK-Milch womöglich selbsttragend zu gestalten und die Verringerung der Zuschüsse an die Kosten der Konsummilch anzustreben sei.

Bis ins Jahr 1951 hatten die Konsumenten der allermeisten Ortschaften dank der PAK Milch keine Verteuerungen der Beschaffung und des Vertriebs von Konsummilch zu tragen. Auf I.Mai 1951 wurde der Konsumentenpreis erstmals auch zur Verminderung der Leistungen der Kasse um l Eappen je Liter Milch erhöht.

Für die letzten 6 Jahre weist die PAK Milch folgende Abschlusszahlen auf : Milchjahr (30. April endigend)

Einnahmen

Ausgaben

13 708 744 10

13717588.92 12522225.15 13328889.26 13368400.56 13691 818 82 13122771.10

1952/53 1953/54 1954/55

12372765.49 14 030 341 18

1955/56 1956/57 1957/58

12857818.31 12 849 037 29 10055295.77

Ausgaben- bzw. Einnahmenüberschuss --

8 844 82

-- 149459.66 + 701 451 92 -- 489582.25 -- 842 781 53 -- 3067475.33

Der Ausgabenüberschuss des Jahres 1957/58 von etwas über 3 Millionen Franken geht in erster Linie auf die Verbesserung der Marge des Milchdetailhandels ab I.Mai 1956 zurück. In jenem Zeitpunkt wurde der Produzentengrundpreis um 2 Eappen erhöht. Um den Konsumenten nicht mit einem dritten Eappen zu belasten, wurde die Margenverbesserung für den Milchhandel im Sinne einer zeitweiligen Überbrückungsmassnahme durch eine vorübergehende ganze oder teilweise Befreiung von der Abgabe auf Konsummilch vorgenommen.

Die Einnahmen der Kasse verminderten sich entsprechend.

Die Abgaben auf Konsummilch konnten jedoch per I.November bzw.

I.Dezember 1958 als Einnahmen der PAK weitgehend wiederhergestellt werden.

Auf die genannten Daten wurde nämlich insbesondere zur weiteren Verbesserung der Milchhandelsmarge der Konsumentenpreis im allgemeinen für die ins Haus

485 gelieferte Milch um l Eappen je Liter erhöht. Der Milchhandel erhielt einen Teil dieses Happens und durch den Best wurde die erwähnte, zwecks Margenverbesserung per I.Mai 1956 erfolgte Befreiung von der Abgabe auf Konsummilch grossenteils ausgeglichen. Trotzdem ist das Defizit für das Milchjahr 1958/59 derzeit mit rund 4,5 Millionen Franken zu veranschlagen. Das ist namentlich auf einen starken Kückgang der Erträge aus Zollzuschlägen auf Butter zurückzuführen, indem erst zu Beginn des laufenden Jahres wieder grössere Butterimporte getätigt werden konnten. ' 2. Weiterführung der Preisausgleichskasse Im Zusammenhang mit der Erörterung der finanziellen Lage der Kasse muss darauf hingewiesen werden, dass die Einnahmequellen der PAK Milch: die Abgaben auf Konsummilch und Konsumrahm sowie eine dem Zollzuschlag auf Importbutter entsprechende stärkere Belastung eingeführter Butter nach Artikel 26 des Landwirtschaftsgesetzes und Artikel 26 des Milchbeschlusses für die Absatzförderung einheimischer Milchprodukte, nicht aber für die Verbilligung der Konsummilch vorgesehen sind. Solange und soweit die PAK Milch diese Mittel benötigt, fallen sie für den genannten landwirtschaftlichen Zweck aus.

Dafür stellt aber Artikel 19 des geltenden Bundesbeschlusses vom 28. September 1956 über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle zur Verbilligung der Milchprodukte ersatzweise und im Umfang der abgezweigten Mittel den Ertrag der Preiszuschläge auf Futtermitteln zur Verfügung. Soweit dieser Ertrag für die Ersatzleistung nicht ausreicht, wird er aus allgemeinen Bundesmitteln ergänzt. Diese Eegelung wurde auch in Artikel l, Absatz 2 des Bundesbeschlusses vom 19. Juni 1959 über zusätzliche wirtschaftliche und finanzielle Massnahmen auf dem Gebiete der Milchwirtschaft (BB1 1959 I 1557) vorgesehen, der mit seinem Inkrafttreten den Artikel 19 ersetzen wird.

Eine Möglichkeit, die PAK Milch durch eine andere Umlage zu finanzieren d.h. andere Quellen im Sinne eines echten Preisausgleiches zu erfassen, steht nicht zur Verfügung.

Die PAK-Milch leistet für die meisten Städte zur Tiefhaltung des Konsummilchpreises Zuschüsse von 3 bis über 4 Eappen und für kleinere Ortschaften von l bis 3 Eappen je Liter. Fielen diese Leistungen weg, so würde sich der Konsumentenpreis im gleichen Ausmass erhöhen. Die daraus resultierende
Steigerung des Landesindexes der Konsumentenpreise (Stand Ende 1958) würde 0,6 Punkte oder 0,3 Prozent ausmachen bzw. einem Ehepaar mit drei Kindern, gemäss Haushaltungsrechnungen (BIGA), eine jährliche Mehrausgabe von 20 bis 25 Franken verursachen.

Angesichts dieser Situation stellte sich die Frage, ob die PAK-Milch bis Ende 1960 abgebaut werden kann oder wiederum befristet weitergeführt werden muss. In Übereinstimmung mit der grossen Mehrheit der Kantone und vieler Organisationen sind wir der Auffassung, dass die PAK-Milch nach 1960 weitergeführt werden sollte, indem ein unvermittelter Wegfall der gesamten von der

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PAK getragenen Verbilligung vor allem in den Städten eine erhebliche Verteuerung der Trinkmilch mit sich bringen müsste.

Grundsätzlich aber halten wir dafür, dass abgesehen von Verbilligungsmassnahmen zur Absatzförderung die Verbilligung von Lebensmitteln nur in aussergewöhnlichen Zeiten, bei allgemeiner Notlage oder einer solchen grösserer Bevölkerungsgruppen, nicht aber unter den bestehenden wirtschaftlichen Verhältnissen unseres Landes, gerechtfertigt ist. Aus diesem Grunde kann auch die P AK-Milch nicht als dauernde Aufgabe des Bundes beibehalten werden. Ihre befristete Weiterführung sollte von Anbeginn nur dazu dienen, die nachteiligen Folgen einer abrupten Aufhebung zu vermeiden. Gegenüber Vorschlägen, welche die Preisausgleichskasse als Dauerinstitution fortführen wollen, beispielsweise zum Zweck des Transportkostenausgleichs, oder um zeitweilig Spitzen von Beschaffungs- oder Verteilungskosten aufzufangen, ist festzuhalten, dass der Trinkmilchpreis selbsttragend, wenn auch möglichst tief sein soll. Dieser selbsttragende Milchpreis muss durch eine entsprechende Gestaltung der Marge zwischen Produzentenpreis und Konsumentenpreis und allfällige Einsparungen hergestellt werden.

Es wurde in unserer Botschaft vom G.Februar 1959 über zusätzliche und finanzielle Massnahmen auf dem Gebiete der Milchwirtschaft bereits dargelegt (BB1 1959 I 305), dass eine generelle Verbilligung der Konsummilch zur Verbrauchsförderung im Gegensatz zur Verbilligung der Milchprodukte kein geeignetes Mittel wäre, um zu kostendeckenden Preisen für die Landwirtschaft beizutragen. Entgegen einer von Konsumentenseite geäusserten Ansicht könnte daher die dauernde Verbilligung der Konsummilch auch nicht gestützt auf Artikel Slbis, Absatz 8, Buchstabe b Bundesverfassung als agrarpolitische Massnahme weitergeführt werden. Von Preisausgleichsmassnahmen kann, wie schon gesagt, nur gesprochen werden, wenn die Massnahmen selbsttragend sind.

Die bestehende PAK Milch geht aber gegenwärtig über einen Preisausgleich hinaus, und zwar namentlich infolge des erwähnten starken Rückganges der Erträgnisse aus dem Butterzollzuschlag. Ebensowenig wie die dauernde Verbilligung und aus gleichen Gründen ist eine den Preisausgleich überschreitende Verbilligung der Konsummilch aus ausgleichfremden, d.h. aus allgemeinen Mitteln des Bundes am
Platze. Die landwirtschaftlichen Kreise verlangen zwar, dass die PAK Milch nur durch allgemeine Bundesmittel zu finanzieren sei und der Landwirtschaft die Abgaben auf Konsummilch und Konsumrahm sowie eine dem Zollzuschlag auf Butter entsprechende stärkere Belastung der eingeführten Butter nicht länger vorenthalten werden.

So verständlich vom Standpunkt der Landwirtschaft diese Begehren sind, erscheint es doch als zweckmässiger, für die als Auslaufaktion charakterisierte Weiterführung der PAK Milch nicht vom bisherigen Preisausgleich und der entsprechenden Finanzierung abzugehen.

Soweit Kantone und Wirtschaftsverbände sich gegen die Begrenzung der Leistungen der PAK Milch im Verfassungszusatz aussprechen, befürchten sie

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hauptsächlich, dass diese Eegelung zu starr sei und künftigen Ausnahmesituationen nicht gerecht würde, beispielsweise wenn sich mangels Einnahmen aus Butterimporten wiederum Defizite ergäben. Da die Butterimporte und namentlich der Bedarf der grösseren Konsumorte und Mangelgebiete an Milch aus entfernten Produktionsgebieten je nach Milchfluss ändern, decken sich Einnahmen und Ausgaben der PAK Milch allerdings im einzelnen Bechnungsjahr nicht genau. Es ergeben sich Defizite oder Überschüsse, die aber von einem Jahr zum andern überbrückt und ausgeglichen werden können.

Nach den gemachten Erfahrungen dürfte der Abbau dieser Institution nur erreichbar sein, wenn die Kasse vorerst selbsttragend wird. Das bedingt aber auch, dass ihre künftigen Leistungen die bisherigen mindestens nicht überschreiten und keine neuen Belastungen übernommen werden. Ferner werden bis zum Inkrafttreten des neuen Verfassungszusatzes die Leistungen der Kasse im Ausmass von l Eappen je Liter Milch, d.h. allenfalls durch entsprechende Erhöhung des Konsumentenpreises, verringert werden müssen.

Wir halten es der anderen Meinung vieler Kantone und Verbände gegenüber für notwendig, die Kompetenzen zur Weiterführung der PAK Milch im Verfassungszusatz selbst eindeutig abzugrenzen und im Hinblick auf den anzustrebenden Abbau einzuschränken. Hiezu bedarf es keiner allzu detaillierten Verfassungsbestimmungen. Es genügt, im Verfassungszusatz die Finanzierung und die Leistungen der PAK Milch dem Grundsatze nach vorzuschreiben durch die Worte « . . . weitergeführt ..., jedoch ohne Zuschüsse aus allgemeinen Bundesmitteln und höchstens im Eahmen der bisher erbrachten Leistungen». Damit soll der Abbau sichergestellt werden. Der weitere Zusatz «deren Abbau anzustreben ist» charakterisiert die Weiterführung dieser Preisausgleichsmassnahmen als Auslaufaktion und soll dieser Nachdruck verleihen.

In Übereinstimmung mit den meisten Kantonen und Spitzenorganisationen der Wirtschaft, erscheint es uns als richtig, die Weiterführung der PAK Milch auf 4 Jahre zu befristen. Eine kürzere Dauer nähme den Behörden die nötige Bewegungsfreiheit. Ist die Kasse spätestens von 1961 an selbsttragend, dann sollte die gewählte Frist für die Durchführung der weiteren Abbaumassnahmen ausreichen. Eine längere Frist würde auch Zweifel am Abbauwillen wecken. Die
Befristung auf 4 Jahre will aber andererseits nicht besagen, dass die Kasse während dieses ganzen Zeitraumes bestehen bleiben müsse; sie kann und soll abgebaut werden, sobald die Verhältnisse entsprechende Schritte ermöglichen.

Die Tiefhaltung der Konsumentenpreise durch Preiszuschüsse kann erfahrungsgemäss, namentlich bei allgemeiner Tendenz zu Kosten- und Preiserhöhungen, nur durch gleichzeitige Höchstpreis- und Margenvorschriften gesichert und wirksam durchgeführt werden. Die Kompetenz zu solchen Bestimmungen ist daher in der Zuständigkeit zu Verbilligungen durch Preisausgleichsmassnahmen stillschweigend als eingeschlossen zu betrachten.

488

VII.

Die Preiskontrolle für lebenswichtige, für das Inland bestimmte Waren Nach dem geltenden Verfassungszusatz kann der Bundesrat Höchstpreisvorschriften für lebenswichtige, für das Inland bestimmte Waren selbst sofort in Kraft setzen, wenn er solche der Bundesversammlung beantragt. Sie fallen jedoch dahin, wenn sie nicht in der nächstfolgenden Session von den Bäten genehmigt werden. Das bedeutet, dass der Bundesrat nur dann solche Vorschriften erlassen kann, wenn die Dringlichkeit und das Landesinteresse klar gegeben sind.

Die Befugnis, auf Grund einer Verfassungsbestimmung im Notfall sofort handeln zu können, steht dem Bundesrat seit dem Jahre 1953 gemäss Artikel 2 des Verfassungszusatzes vom 26. September 1952 über die befristete Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle zu. Sie wurde mit gleichnamigem Bundesbeschluss vom 22. Dezember 1955 um weitere vier Jahre bis Ende 1960 verlängert. Beide Male war die politische Situation massgebend. Die internationale Lage, der kalte Krieg, regionale Kriegshandlungen und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten für eine Bedrohung unserer Zufuhren sowie Haussen auf lebenswichtigen Waren liessen gewisse Vorsichtsmassnahmen auf dem Gebiet der Preiskontrolle tunlich erscheinen. Bis heute haben sich die massgeblichen Umstände nicht gebessert. Die Verhältnisse sind für die nächste Zukunft mit Vorsicht zu beurteilen.

Die Mehrheit der Kantone und Wirtschaftsverbände hat die Verlängerung der jetzigen Verfassungsbestimmung befürwortet (siehe Abschnitt II, B, Ziff. 4).

Der in einigen Stellungnahmen geäusserte Gedanke, der geltende Artikel 2 des heutigen Verfassungszusatzes gehöre als Bereitschaftsbestimmung in das ständige Verfassungsrecht, lässt sich vertreten. Um aber hierüber den Eidgenössischen Bäten nicht eine besondere Vorlage unterbreiten zu müssen, ziehen wir es vor, diese Bestimmung einstweilen in den befristeten Verfassungszusatz aufzunehmen.

Die Versorgungslage ist momentan zweifellos normal. Aber das ist keine Versicherung für die Zukunft, nicht einmal auf kurze Frist. Wir haben in den letzten Jahren gelernt, wie schnell die Umstände sich ändern können und welche wirtschaftliche Gefahren ein solcher Umschwung in sich bergen kann.

Das Bundesgesetz vom 30. September 1955 über die wirtschaftliche Kriegsvorsorge erlaubt den Erlass von Preisvorschriften
für lebenswichtige Güter nur dann, wenn die Zufuhren für die Waren ernstlich gestört sind oder unmittelbare Kriegsgefahr besteht. Eine weitere Voraussetzung für Preisvorschriften ist, dass die entsprechenden Güter bewirtschaftet werden. Das Kriegs Vorsorgegesetz bezieht sich also keineswegs auf alle denkbaren schwerwiegenden Störungen der Marktverhältnisse und stellt keinen ausreichenden Ersatz für die jetzigen Befugnisse des Bundesrates dar.

Der Einwand, es handle sich bei diesem Artikel um eine Kompetenz «auf Vorrat», besser gesagt «auf Bereitschaft», besteht zurecht. Das entspricht vollkommen der Natur dieser Befugnis und dem, was mit ihr angestrebt wird. Der

489 Bundesrat soll ja nur dann handeln können, wenn es im Interesse der Allgemeinheit unumgänglich ist. Aber dann muss er auch sofort handeln können und nicht warten müssen, bis die Preise davon gelaufen sind. Die Bestimmung, wonach solche Höchstpreisvorschriften des Bundesrates in der nächsten Session von den Bäten genehmigt werden müssen oder dahinfallen sowie die Tatsache, dass die Kompetenz noch nie angewendet wurde, geben ausreichende Gewähr, dass der Bundesrat nur in ausserordentlichen Fällen und mit ausserster Zurückhaltung von dieser Befugnis Gebrauch machen wird.

VIII.

Kommentar zu den einzelnen Bestimmungen des Entwurfs zu einem neuen Verfassungszusatz Zu den einzelnen Bestimmungen des Entwurfes haben wir folgendes zu bemerken : Titel Mit der Überschrift «Bundesbeschluss' über die Weiterführung befristeter Preiskontrollmassnahmen» deuten wir an, dass der neue Verfassungszusatz sich nur noch auf einen Teil der im bisherigen erwähnten Materien beziehen soll, nämlich auf diejenigen, die nicht Gegenstand dauernder Bundesaufgaben sein sollen und auch im permanenten Verfassungsrecht der Eidgenossenschaft keine Basis finden.

Ingress Wir übernehmen vom Bundesbeschluss (Verfassungszusatz) über die befristete Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle vom 26. September 1952, an die heutige Situation angepasst, aber sinngemäss unverändert, die Formel: «in der Absicht, allfällige volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen eines Dahinfallens der Preiskontrollmassnahmen zu vermeiden». Damit deuten wir an, dass zur Vermeidung der erwähnten mutmasslichen Folgen die Massnahmen weitergeführt werden sollen.

Artikel l Absatz l Dieser Absatz stimmt fast wörtlich mit Artikel l, Absatz l, Satz l des geltenden Verfassungzusatzes überein. Ein Unterschied ergibt sich lediglich durch die Einführung des Wortes «nichtlandwirtschaftliche» vor «Pachtzinse». Durch diese Ergänzung wird zweierlei zum Ausdruck gebracht. Zunächst einmal zeigt sie, dass der neue Verfassungszusatz keine Grundlage für die Kontrolle der landwirtschaftlichen Pachtzinse sein soll. Dieser Umstand gestattet es jedoch nicht, auf das Wort «Pachtzinse» einfach zu verzichten. Es ist vielmehr zweckmässig, schon im Verfassungszusatz ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass der Bund

490 auch Vorschriften über nichtlandwirtschaftliche Pachtzinse erlassen kann.

Damit wird nicht etwa die Basis für eine neue Art des Interventionsimus geschaffen, sondern nur klargestellt, dass die Mietzinskontrolle zunächst im bisherigen Umfang weitergeführt werden kann. Das geltende Eecht kennt eine Kontrolle der nichtlandwirtschaftlichen Pachtzinse insofern, als die letzteren den Mietzinsen ausdrücklich gleichgestellt werden (Art. l, Abs. 2 der Verordnung vom 28. Dezember 1956 über*die Mietzinskontrolle und die Beschränkung des Kündigungsrechts). Obwohl noch andere Fälle nichtlandwirtschaftlicher Pachtzinse vorkommen können, beschränkt sich die Kontrolle auf Tatbestände, die dadurch charakterisiert sind, dass gleichzeitig ein wirtschaftliches Unternehmen (z.B. gastgewerbliche Betriebe) zur Nutzung und eine Liegenschaft oder ein Teil einer solchen zum Gebrauch überlassen wird. Die Mietzinskontrolle wäre insbesondere in bezug auf Mietobjekte, die zur gewerblichen Nutzung überlassen werden, unvollständig ohne den Einbezug der Kontrolle von nichtlandwirtschaftlichen Pachtzinsen.

Absatz 2 Die Bedeutung dieses Absatzes liegt vor allem darin, dass Volk und Stände der Bundesversammlung und dem Bundesrat durch die Annahme des Verfassungszusatzes im Gegensatz zum geltenden Eecht ein ausdrückliches Mandat zur Durchführung des Abbaues der Mietzinskontrolle erteilen werden. Immerhin ist beim Abbau schrittweise vorzugehen, um die sich daraus ergebenden Mietzinserhöhungen zeitüch verteilen zu können. In Anbetracht der Ungewissen Entwicklang wird dabei allenfalls auch auf ins Gewicht fallende gesamtwirtschaftliche Auswirkungen Eücksicht genommen werden müssen. Diese Erwägung hat uns veranlasst, der Verpflichtung zum schrittweisen Abbau den Vorbehalt beizufügen: «soweit dies ohne gesamtwirtschaftliche Störungen möglich ist». Auch nach der Annahme des neuen Verfassungszusatzes müssen also die Gründe, die gegebenenfalls gegen eine ins Auge gefasste Abbaumassnahme sprechen, sorgfältig gewürdigt und abgewogen werden. Der Vorbehalt der Vermeidung «gesamtwirtschaftlicher Störungen» bezieht sich dabei allerdings weder auf nachteilige Auswirkungen des Abbaues im Einzelfall oder für einzelne Bevölkerungs- oder Wirtschaftskreise, noch auf eine mit dem Abbau notwendigerweise verbundene, tragbare Steigerung des Indexes
der Konsumentenpreise.

Man wird nur dann von «gesamtwirtschaftlichen Störungen» sprechen können, wenn die Auswirkungen des Abbaues ein für die gesamte Wirtschaft erhebliches nachteiliges Ausmass erreichen, wie beispielsweise bei einer ins Gewicht fallenden Beeinträchtigung unseres gesamten Exportgeschäftes. Ohne den Abbau nach bisherigem System mittels aufeinanderfolgender genereller Bewilligungen von Mietzinserhöhungen und örtlicher regionaler oder kategorienweiser Freigaben der Mietzinse auszuschliessen, weist der Text ausdrücklich auf die Möglichkeit hin, die Mietzinskontrolle durch eine Mietzinsüberwachung, wie sie im Abschnitt IV, Ziffer 4 hiervon geschildert wurde, zu ersetzen, die grundsätzlich die freie Mietzinsbildung wieder einführt, aber im Interesse der Mieter und aus gesamtwirt-

491 schaftlichen Gründen ein unkontrolliertes und unangemessenes Ansteigen der Mietzinse verhindert. Damit bleiben beide Möglichkeiten des Abbaues gewahrt.

In bezug auf die Aussgestaltung der Mietzinsüberwachung wird der künftige Bundesbeschluss über die Durchführung der Preiskontrolle, gestützt auf Artikel l, Absatz 2 des Verfassungszusatzes in der vorgeschlagenen Fassung, das vorgesehene Einspracherecht des Mieters oder andere Massnahmen zur Verhinderung übersetzter Mietzinsforderungen sowie den notwendigen Schutz gegen ungerechtfertigte Kündigungen, letzteres gemäss Absatz l von Artikel l, vorsehen können. Dagegen wird es nicht möglich sein die seit 1947 erstellten Neubauten der Mietzinsüberwachung zu unterstellen, weil dies im Wiederspruch zu dem im Verfassungszusatz ausdrücklich erteilten Auftrag zum Abbau der Mietzinskontrolle stehen würde. Andererseits wäre eine Ausdehnung beziehungsweise Wiedereinführung des Kündigungsschutzes für alle nicht aus der Kontrolle entlassenen Liegenschaften an sich möglich.

Absatz 8 Dieser Absatz stimmt sinngemäss mit Artikel l, Absatz l, Satz 2 des geltenden Verfassungszusatzes überein. Die Bestimmung dürfte bei streng juristischer Betrachtung eigentlich überflüssig sein, da der Bundesgesetzgeber auch ohne ausdrückliche verfassungsmässige Ermächtigung als befugt gilt, seine Kompetenzen an die Kantone zu delegieren (vgl. Meiner/Giacometti, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, S.123/124). Jedoch erscheint der ausdrückliche Hinweis auf die Möglichkeit der Übertragung von Zuständigkeiten an die Kantone als zweckmässig. Selbstverständlich kann auf Grund dieser Bestimmung der Bundesgesetzgeber die Kantone zum Erlass ergänzenden kantonalen Hechts nicht nur ermächtigen, sondern auch verpflichten. In letzterer Hinsicht denken wir etwa an die Eventualität, dass eine bundesrechtliche Umschreibung einer freizugebenden Kategorie von Mietobjekten (z.B. teure Wohnungen) nicht in so eindeutiger Weise möglich oder tunlich ist, dass die betreffende Vorschrift · ohne weiteres angewandt werden kann. In solchen Fällen kann es sich als zweckmässig erweisen, die notwendige Präzisierung dem kantonalen Eecht in der Meinung zu überlassen, dass dabei den jeweiligen örtlichen Verhältnissen Kechnung getragen werden soll.

Artikel 2 Durch diese Bestimmung soll klar festgestellt werden,
dass die PAK Milch selbsttragend zu sein hat und dass der Abbau anzustreben ist. Schon der. derzeitige Verfassungszusatz wurde zur Ermöglichung eines schrittweisen Abbaus erlassen. Deshalb wurde auch von einer Erhöhung der von der Kasse gewährten Zuschüsse konsequent Umgang genommen. Unter den im Artikel genannten Zuschüssen aus Bundesmitteln sind solche Zuwendungen des Bundes an die PAK Milch zu verstehen, die nicht aus den zweckgebundenen Einnahmen herrühren, die in Artikel 11, Absatz 8 des Bundesbeschlusses vom 28. September 1956 über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle aufgezählt sind.

492 Diese Bestimmung lautet wie folgt : Zur Finanzierung der Preisausgleichskasse dienen in Abweichung von Artikel 26 des Landwirtschaftsgesetzes und, soweit nötig, während der Gültigkeitsdauer dieses Beschlusses die Erträgnisse der Abgaben auf Konsummilch (Krisenabgabe) und Konsumrahm und des Zollzuschlages auf Butter. Die Preisausgleichskasse ist womöglich selbsttragend zu gestalten.

In diesem Zusammenhang ist auf Artikel 19 des gleichen Bundesbeschlusses zu verweisen, der auch für eine künftige Eegelung als Wegleitung zu betrachten ist : Soweit die in Artikel 26, Absatz l, Buchstabe b des Landwirtschaftsgesetzes vorgesehenen Massnahmen wegen der Abzweigung der Erträgnisse aus den Abgaben auf Konsummilch und Konsumrahm sowie der Belastung der eingeführten Butter durch den Zollzuschlag zugunsten der Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte eine Beschränkung erfahren müssten, sind für sie jährlich höchstens Zuschüsse im Umfange der abgezweigten Erträgnisse und der Einnahmen aus dem Zollzuschlag auf Butter zur Verfügung zu stellen. Diese Zuschüsse sind aus dem Ertrag der Preiszuschläge auf Futtermitteln zu decken, soweit dieser nicht für die in der Landwirtschaftsgesetzgebung umschriebenen Zwecke benötigt wird. Beicht der Ertrag dazu nicht aus, so sind die Zuschüsse aus allgemeinen Bundesmitteln zu bestreiten.

Im Einklang damit steht Artikel l, Absatz 2 des Bundesbeschlusses vom 19. Juni 1959 über zusätzliche wirtschaftliche und finanzielle Massnahmen auf dem Gebiete der Milchwirtschaft, der mit seinem Inkrafttreten den erwähnten Artikel 19 ersetzen wird.

Die «bisher erbrachten Leistungen» sind die am 31.Dezember 1960, am Tage vor dem Inkrafttreten des neuen Verfassungszusatzes, bestehenden örtlichen oder regionalen Ansätze der einzelnen Zuschussarten wie Spannenzulagen an Molkereien und Milchhandel, Extrakosten für Aushilfs- und Fernmilch, Fuhrlohnzuschüsse und Frachtzuschläge auf Konsummilch aus dem normalen Einzugsgebiet. Die Weiterführung «im Eahmen» der bisher erbrachten Leistungen besagt, dass die Erweiterung der Zuschussarten und die Erhöhung der Ansätze grundsätzlich ausgeschlossen sein soll. Kostenverteuerungen werden daher im allgemeinen nur durch eine Erhöhung der Konsummilchpreise gedeckt werden können.

Artikel 3 Dieser Artikel stimmt wörtlich mit Artikel 2 des geltenden
Verfassungszusatzes überein. Verschiedentlich wurde die Frage aufgeworfen, ob diese Bestimmungen neben denjenigen von Artikel 18, Buchstabe a und b des Bundesgesetzes vom 30. September 1955 über die wirtschaftliche Kriegsvorsorge überhaupt einem Bedürfnis entsprechen. Die letzteren lauten wie folgt: Ist die Zufuhr von lebenswichtigen Gütern ernstlich gestört oder besteht unmittelbare Kriegsgefahr, so kann der Bundesrat für befristete Zeit : a. Vorschriften über die Produktion, Verarbeitung, Verwendung sowie über Abgabe und Bezug.bestimmter Güter erlassen; b. für diese Güter, soweit sie für das Inland bestimmt sind, Höohstpreisvorschriften aufstellen und preisausgleichende Massnahmen treffen.

493 Die vergleichende Betrachtung zeigt sofort, dass Artikel 18, Buchstabe b des Kriegsvorsorgegesetzes einen bedeutend engeren sachlichen Geltungsbereich aufweist als Artikel 2 des gegenwärtig in Kraft befindlichen Verfassungszusatzes. Nach Artikel 18, Buchstabe b des Kriegsvorsorgegesetzes dürfen nämlich Höchstpreis- und Preisausgleichsvorschriften überhaupt hur für Güter ergehen, die gleichzeitig auch Gegenstand von Bestimmungen über Produktion, Verarbeitung, Verwendung, Abgabe oder Bezug sind. Auch hängt die Kompetenz zum Erlass von Höchstpreisvorschriften nach dem Kriegsvorsorgegesetz davon ab, dass die Zufuhren von lebenswichtigen Gütern ernstlich gestört sind oder eine unmittelbare Kriegsgefahr besteht.

Demgegenüber bezieht sich Artikel 3 des beigeschlossenen Entwurfes zu einem neuen Verfassungszusatz auf alle lebenswichtigen, für das Inland bestimmte Waren, die nicht durch interventionistische Massnahmen im Sinne von Artikel Slbis, Absatz 3, Buchstabe a oder b der Bundesverfassung geschützt sind und für welche der Bundesrat schon kraft der unter Abschnitt I, Ziffer 3, Buchstabe a dieser Botschaft, erwähnten stillschweigenden Zuständigkeit ermächtigt ist, Preisvorschriften zu erlassen. Solche Waren können auf Grund von Artikel 3 des vorgeschlagenen Verfassungszusatzes unter Vorbehalt der nachträglichen Genehmigung durch die Bundes Versammlung vorläufigen bundesrätlichen Höchstpreisvorschriften unterstellt werden.

IX.

Schlussfolgerungen Der Wegfall der Mietzinskontrolle und der Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte auf Ende des Jahres 1960 würde zu erheblichen Mietzinsund Preiserhöhungen führen. Diese könnten je nach Konjunkturlage entsprechende Lohnerhöhungen, und in Verbindung damit ein Ansteigen der Nahrungsmittelpreise und somit eine allgemeine Erhöhung der Preis- und Kostenlage nach sich ziehen. Das würde eine Beeinträchtigung der Konkurrenzfähigkeit unserer Wirtschaft und der Kaufkraft der Währung bedeuten, wenn der Auftrieb nicht auf mehrere Jahre verteilt wird. Zur Vermeidung derartiger voraussichtlicher Auswirkungen müssen diese kriegswirtschaftlichen Preiskontrollmassnahmen befristet weitergeführt werden. Dazu ist der Erlass eines auf 4 Jahre befristeten Verfassungszusatzes erforderlich.

Die Durchführung der Mietzinskontrolle ist jedoch mit unerfreulichen Erscheinungen, wie Verzerrungen des Preisgefüges, Einkommensverschiebungen, Ungleichheiten verbunden, die auf die Dauer unhaltbar sind. Daher sollte die Mietzinskontrolle im Laufe der neuen Frist von 4 Jahren schrittweise abgebaut werden. Die Wiederherstellung des freien Wohnungsmarktes ist durch den Übergang zur dargelegten Mietzinsüberwachung oder durch angemessene Verringerung der Differenz zwischen den Mieten der Alt- und Neubauten mittels generell bewilligter Mietzinserhöhungen, sowie andere mögliche Lockerungsmassnahmen unter Berücksichtigung der regional unterschiedlichen Verhältnisse

494

zu beschleunigen. Auch die Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte ist bis zum I.Januar 1961 selbsttragend zu gestalten und hernach schrittweise abzubauen.

Heute, 14 Jahre nach Beendigung des Krieges, drängt sich eine Trennung der ständigen von den befristeten Preiskontrollaufgaben auf. Als ständige Aufgaben des Bundes sind die. Kontrolle der geschützten Warenpreise, die Preisausgleichskasse für Eier und Eiprodukte sowie die Pachtzinskontrolle unbestritten. Sie können, gestützt auf Artikel 81 bis, Absatz 8, Buchstabe a beziehungsweise b der Bundesverfassung unbefristet im bisherigen Ausmass weitergeführt und in Erlassen der Gesetzesstufe geregelt werden. Wir werden Ihnen zu gegebener Zeit die bezüglichen Botschaften und Anträge gesondert unterbreiten.

Die Bundesverfassung enthält dagegen keine Bestimmungen, die als Grundlage für die Weiterführung der Mietzinskontrolle, des Mieterschutzes (Beschränkung des Kündigungsrechts) und der Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte sowie für den Erlass von Preisvorschriften für lebenswichtige, für das Inland bestimmte Waren, als befristete Preiskontrollaufgaben des Bundes, dienen könnten. Ihre Weiterführung muss durch entsprechende Bestimmungen in einem Verfassungszusatz ermöglicht werden.

Gestützt auf die obigen Darlegungen beantragen wir Ihnen die Annahme des beiliegenden Entwurfes zu einem Bundesbeschluss (Verfassungszusatz) über die Weiterführung befristeter Preiskontrollmassnahmen.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, das Postulat des Ständerates Nr. 7087 sowie das Postulat des Nationalrates Nr. 7288, denen mit dieser Botschaft Folge gegeben wurde, abzuschreiben.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 25. August 1959.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates.

Der B u n d e s p r ä s i d e n t : P. Chaudet Der Bundeskanzler: Ch. Oser

49ò (Entwurf)

Bundesbeschluss über

die Weiterführung befristeter Preiskontrollmassnahmen

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Artikel 85, Ziffer 14; 118 und 121, Absatz l der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 25. August 1959, in der Absicht, allfällige volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen eines Dahinfallens der Preiskontrollmassnahmen zu vermeiden, beschliesst: L

Die Bundesverfassung vom 29.Mai 1874 erhält folgenden Zusatz: Art. l 1

Der Bund kann Vorschriften erlassen über Miet- und nichtlandwirtschaftliche Pachtzinse sowie zum Schütze der Mieter.

2 Die Mietzinskoritrolle ist schrittweise abzubauen, soweit dies ohne gesamtwirtschaftliche Störungen möglich ist. Sie kann durch eine Mietzinsüberwachung ersetzt werden, die grundsätzlich die freie Mietzinsbildung ermöglicht, jedoch Gewähr bietet, dass die Mietzinse nicht unangemessen ansteigen.

3 Der Bund kann seine Befugnisse den Kantonen übertragen.

Art. 2 Die Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte kann weitergeführt werden, jedoch ohne Zuschüsse aus allgemeinen Bundesmitteln und höchstens im Eahmen der bisher erbrachten Leistungen, deren Abbau anzustreben ist.

Art. 8 Beantragt der Bundesrat der Bundesversammlung, Höchstpreisvorschriften für lebenswichtige, für das Innland bestimmte Waren zu erlassen, so ist er befugt, diese Vorschriften mit sofortiger Wirkung selbst in Kraft zu setzen.

1

496 2

Diese Vorschriften fallen dahin, wenn sie nicht in der auf ihr Inkrafttreten folgenden Session von der Bundesversammlung durch einen dem Referendum unterstellten Bundesbeschluss genehmigt werden.

II.

1 2

Der Bundesbeschluss gilt vom 1.Januar 1961 bis 31.Dezember 1964.

Er ist der Abstimmung des Volkes und der Stände zu unterbreiten.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Weiterführung der Preiskontrolle (Vom 25. August 1959)

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03.09.1959

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