# S T #

98.037

Botschaft zu den Bundesgesetzen betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs und über die verdeckte Ermittlung vom I.Juli 1998

Sehr geehrter Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen hiermit den Entwurf zu den Bundesgesetzen betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs und über die verdeckte Ermittlung mit dem Antrag auf Zustimmung.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben; 1992 P 92.3250 Gesetzliche Grundlagen für verdeckte Drogenfahndung (S10.12.92,Danioth) 1993 P 92.3416 Einschleusung von Agenten. Aufhebung der Strafmilderung (N 19.3.93, Leuba) 1993 M 93.3205 Telefonüberwachung (N 16.6.93, Geschäftsprüfungskommission NR; S 9.12.93) 1993 P 93.3347 Bekämpfung der Gewalttätigkeit und des organisierten Verbre-

chens (N 17.12.93, CVF-Fraktion) 1994 P 94.3315

Bekämpfung des organisierten Verbrechens (N 27.9.94, Kommission für Rechtsfragen NR 94.005; S 29.9.94)

1994 P 94.3316

Verwendung von «Reumütigen» im Kampf gegen das organisierte Verbrechen (N 27.9.94, Kommission für Rechtsfragen NR 94.005) Überwachung von Telekommunikationen mit Berufsgeheimnisträgern (N 1.2.95, Stucky; S 3.10.95)

1995 P 93.3477 1996 M 95.3202

1997 P 97.3468

1998-322

Wahrung von Berufsgeheimnissen bei Überwachungen des Post- und Fernmeldeverkehrs (S 3.10.95, Kommission für Rechtsfragen SR 93.3477; N 13.6.96) Überwachungen bei qualifiziertem Telefonmissbrauch (Telefonterror) (S 8.10.97, Bien)

4241

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

l. Juli 1998

4242

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Cotti Der Bundeskanzler: Couchepin

Übersicht Geheime Ermittlungsmassnahmen sind in der Strafverfolgung notwendig, insbesondere im Kampf gegen das organisierte Verbrechen. Da die betroffenen Personen nicht wie bei andern Zwangsmassnahmen unmittelbar nach dem Eingriff dagegen Beschwerde fähren können, müssen die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs und die verdeckte Ermittlung auf die Bekämpfung schwerer Straftaten beschränkt und in einem rechtsstaatlich korrekten Verfahren angeordnet werden.

Die beiden mit dieser Botschaß vorgeschlagenen Gesetze sind von mehreren parlamentarischen Vorstössen gefordert worden, insbesondere im Gefolge des Berichts «Die Telefonüberwachung im Bund» einer Arbeitsgruppe der Geschäftsprüßtngskommission des Nationalrates im Jahre 1992. Sie schaffen zudem eine für Bund und Kantone vereinheitlichte Regelung, soweit diese verfassungsrechtlich dem Bund zusteht. Dies betrifft den ganzen Bereich der Überwachung des Post- und Femmeldeverkehrs (gestützt auf Art. 36 Abs. l BV) und die verdeckte Ermittlung zur Bekämpfung des Drogenhandels (gestützt auf Art. 69bls BV). Dagegen ist der Einsatz technischer Überwachungsgeräte sowie die verdeckte Ermittlung bei Straftaten, die von den Kantonen verfolgt werden, von den Gesetzen nicht erfasst. Die beiden Gesetzesentwürfe sind in einer Botschaft zusammengefasst, weil für die in ihrer Art ähnlich wirkenden geheimen Ermittlungsmassnahmen sinnvollerweise auch ähnliche Voraussetzungen und verfahrensrechtliche Sicherungen gelten sollen.

Die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs soll wie bisher von der richterlichen Behörde, die ein Strafverfahren leitet, angeordnet werden können, und sie muss einer ßr den ganzen Kanton zuständigen Behörde zur Genehmigung unterbreitet werden, beziehungsweise im Bund dem Präsidenten der Anklagekammer des Bundesgerichts oder dem Präsidenten des Militärkassationsgerichts. Die Voraussetzungen werden gegenüber dem geltenden Recht strenger. Bei den meisten Vergehen soll künftig keine Überwachung mehr angeordnet werden können. Die Genehmigungsbehörde soll nicht nur die Rechtmässigkeit, sondern auch die Verhältnismässigkeit des Eingriffs überprüfen und bei der Überwachung von Drittpersonen, insbe~ sondere wenn diese zur Wahrung des Berufsgeheimnisses verpflichtet sind, für geeignete Schutzmassnahmen sorgen. Besonders geregelt wird auch die
sogenannte Teilnehmeridentifikation und die Auskunftserteilung über Verkehrs- und Rechnungsdaten. Seit der Liberalisierung des Fernmeldeverkehrs wird mit dem Vollzug der Überwachungen nicht mehr nur die Post oder die Swisscom betraut, sondern ist als «Drehscheibe» ein Dienst für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs dafür zuständig.

Die verdeckte Ermittlung ist ein Instrument der Polizei, das den Strafuntersuchungsbehörden für schwierige Verfahren zur Verfügung steht. Sie dient insbesondere der Aufklärung von verbotenen zweiseitigen Geschäften, in denen die verdeckte Ermittlerin oder der verdeckte Ermittler den Straßätem als interessierte Kunden entgegentreten. Für den Einsatz kommen in der Regel nur ausgebildete Polizeibeamtinnen und -beamte in Frage, nur in Ausnahmefällen andere Personen. Der Entwurf unterscheidet zwischen einer ersten Phase der Einsetzung und Vorbereitung

4243

und der zweiten Phase des Einsatzes in einem konkreten Strafverfahren, Verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler können mit richterlicher Genehmigung mit einer andern Identität ausgestattet werden und werden durch geeignete Massnahmen geschützt, wenn sie im Strafverfahren als Zeugen mit den beschuldigten Personen konfrontiert werden. Sie dürfen die Zielpersonen nur angehen, um deren vorhandenen Tatentschluss zu konkretisieren; sie dürfen sie jedoch nicht zu anderen oder schwereren Straftaten als den geplanten provozieren.

Die beiden Gesetze föhren grundsätzlich zu keinem personellen und finanziellen Mehraufwand bei Bund und Kantonen, doch ist festzuhalten, dass beide Ermittlungshandlungen kostspielig sind. Ursache für die in den letzten Jahren gestiegenen Kosten ist nicht gesetzliche Regelung, sondern die gestiegene mit diesen Instrumenten zu bekämpfende Kriminalität, insbesondere der illegale Drogenhandel.

4244

Botschaft I II

Allgemeiner Teil Notwendigkeit von geheimen Ermittlungsmassnahmen

Geheime Ermittlungsmassnahmen wie Telefonüberwachung oder auch verdeckte Ermittlung sind wirksame Instrumente im Kampf gegen das organisierte Verbrechen. Mit den traditionellen Ermittlungsinstrumenten ist die Fahndung und Beweisführung in vielen Fällen bei Straftaten schwierig, bei denen es keine unmittelbaren Opfer und Geschädigten gibt, sondern verbotene Geschäfte getätigt werden, z.B.

beim Handel mit Betäubungsmitteln, Kriegsmaterial oder radioaktiven Substanzen, beim verbotenen Technologietransfer oder bei Hehlerei. Diese Straftaten können im Vorbereitungsstadium nur erfasst werden, wenn der Informationsaustausch zwischen Tatbeteiligten überwacht wird (Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs) oder eine beteiligte Person mit den Strafverfolgungsorganen zusammenarbeitet (Einsatz der verdeckten Ermittlung). Die geheime Informationsbeschaffung erlaubt anschliessend den polizeilichen Zugriff während oder kurz nach der Tat oder ergibt Beweismaterial.

Bereits in ihrem Bericht «Die Telefonüberwachung im Bund» hat die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (vgl. BB11993 I 1109 ff.) festgehalten, dass die Bedeutung der Telefonüberwachungen in der Praxis in erster Linie im Bereich der Fahndung und nicht als Beweismittel im Prozess liegt. Der Einsatz von Telefonüberwachungen blieb dabei auch grundsätzlich unbestritten. Weiter wurde im Bericht bestätigt, dass die zuständigen Behörden von Bund und Kantonen diese Ermittlungsmassnahme nur in geringer Zahl einsetzen und dabei den gesetzlichen Rahmen wahren.

Werden verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler bei der Bekämpfung von illegalen zweiseitigen Geschäften eingesetzt, ist dies z.B. bei der Bekämpfung des Drogenhandels deshalb erfolgversprechend, weil die Strafbarkeit schon sehr früh einsetzt und schon beim Anbieten der Drogen beginnt. Die Anbahnung und Abwicklung eines Scheinkaufes kann den Beweis für die vollendete Straftat erbringen.

In der politischen Diskussion wird der Einsatz .von verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern vor allem im Kampf gegen das organisierte Verbrechen gefordert. Diese Einsatzmöglichkeit der verdeckten Ermittlung darf jedoch nicht überschätzt werden.

Der risikoreiche und kostspielige Einsatz kann nicht häufig und systematisch erfolgen, sondern nur in günstigen Situationen. Der Einsatz könnte z. B. dort sehr
erfolg'versprechend sein, wo sich eine kriminelle Organisation direkt an der legalen Wirtschaft beteiligt (Banken, Handelsunternehmen usw.), das heisst in den Firmen, wo das organisierte Verbrechen sein Geld anlegt und Dienstleistungen beansprucht. Eine systematische verdeckte Ermittlung wäre in diesen Bereichen jedoch höchst problematisch und grundsätzlich abzulehnen, weil die Polizei kein Recht bekommen soll, mit geheimen Methoden die rechtma'ssigen Geschäfte von Unternehmen auszuforschen, die auch von Straftätern benutzt werden könnten. In solchen Unternehmen sind die üblichen Ermittlungsmethoden des Strafprozessrechts einzusetzen; verdeckte Ermittlung käme allenfalls in Frage, wenn wichtige Straftäter persönlich im Unternehmen tätig sind.

Zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens sind in nächster Zeit andere Formen zu prüfen. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist kürzlich mit dem Artikel 260lcr 4245

Ziffer 2 des Strafgesetzbuches (StGB; SR 311.0) gemacht worden, der die Milderung der Strafe nach freiem Ermessen erlaubt, wenn sich die Täterin oder «der Täter bemüht, die weitere verbrecherische Tätigkeit der Organisation zu verhindern».

Massnahmen wie plea bargaining (Absprachen zwischen untersuchenden oder urteilenden Behörden und Täterin oder Täter, auf welche Taten das Verfahren begrenzt wird) und eine Kronzeugenregelung werden im Rahmen der Vereinheitlichung des Strafprozessrechts geprüft; dies sind jedoch Instrumente, die bisher dem schweizerischen Strafprozess fremd sind und deshalb nicht rasch verwirklicht werden können.

12

Heutige Rechtslage

121 121.1

Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs Einleitung

Die Überwachung des Post- und Femmeldeverkehrs ist im Jahre 1979, gestützt auf eine parlamentarische Initiative von Nationalrat Gerwig vom 27. Juni 19731, neu geregelt worden (Bundesgesetz vom 23. März 1979 über den Schutz der persönlichen Geheimsphäre, AS 1979 1170 ff.). Bis Ende 1997 befanden sich die gemeinsamen Bestimmungen über die Eingriffe in das Post- und Fernmeldegeheimnis zusätzlich zu Artikel I79oedel und 400>>« StGB im Postverkehrsgesetz vom 2. Oktober 1924 (PVG, SR 783.0, Art. 5 und 6) und im Fernmeldegesetz vorn 21. Juni 1991 (FMG, SR 784.10, Art. 15-18). Sie werden ergänzt durch die nähere Verfahrensregelung in 28 Strafprozessordnungen2 und im Verantwortlichkeitsgesetz (VG, SR 170.32)*, Im Femmeldegesetz vom 30. April 1997 (AS 1997 2187) ist nur noch eine rudimentäre Regelung vorhanden (Art. 44), im Postgesetz vom 30. April 1997 (AS 1997 2452) ist die Überwachung des Postverkehrs nicht erwähnt. Das Post- und Femmeldegeheimnis (Art. 36 Abs. 4 BV) ist jedoch neuerdings durch Artikel 321wr StGB geschützt.

121.2

Bund

Auf Bundesebene sind dazu ausführliche Verfahrensbestimmungen in Artikel 66 ff.

BStP sowie Artikel 70 ff. MStP erlassen worden. Im wesentlichen gilt die gleiche Regelung für die Überwachung des Post- und Femmeldeverkehrs. Die Voraussetzungen dafür sind kumulativ:

Die heute geltende Regelung weicht in einigen wichtigen Punkten von den ursprünglichen Anträgen der Initiative Gerwig ab: Die Initiative sah nicht eine Generalklausel, sondern einen abschliessenden Deliktskatalog vor. Die Abhörmassnahme wäre der betroffenen Person in jedem Fall nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens mitzuteilen gewesen. Die Anklagekammer des Bundesgerichtes hätte einer von der Vereinigten Bundesversammlung gewählten siebenköpfigen Staatsschutzkommission von allen im Interesse des Staatsschutzes angeordneten Überwachungen periodisch, mindestens aber alle sechs Monate, Mitteilung machen müssen. Diese Kommission hätte den Räten über ihre Aufsichtstätigkeit berichten sollen.

26 Kantone, Bundesstrafrechtspflege (BStP, SR 312.0), Militärstrafprozess (MStP, SR 322.1); nur das Verwaltungsstrafrechtsgesetz (VStrR, SR 313.0) kennt keine Regelung der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs.

Vgl, Artikel 14bis, der die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs von Parlamentarierinnen und Parlamentariern sowie Magistratspersonen des Bundes regelt.

4246

-

das Vorliegen eines Verbrechens oder eines Vergehens, dessen Schwere oder Eigenart den Eingriff rechtfertigt; ein Verdacht, der sich auf bestimmte Tatsachen stützt und sich gegen die zu überwachende Person als Täterin oder Täter bzw. Teilnehmerin oder Teilnehmer richtet; Subsidiarität gegenüber anderen Zwangsmassnahmen der Strafverfolgung: Entweder muss feststehen, dass die notwendigen Ermittlungen ohne die Überwachung wesentlich erschwert würden oder dass andere Untersuchungshandlungen erfolglos geblieben sind.

Sind diese Voraussetzungen bei einer verdächtigten Person erfüllt, so können auch Dritte Überwacht werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen angenommen werden muss, dass sie Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben, die für die verdächtigte Person bestimmt sind oder von ihr herrühren, Nicht abgehört werden darf der Anschluss von Personen, die das Zeugnis verweigern dürfen, ausser es bestehe begründeter Verdacht, dass die verdächtigte Person diesen Anschluss benutzt.

Die Überwachung ist ein Zwangsmittel der Strafverfolgung. Gemäss Artikel 340 StGB unterstehen insbesondere gegen die innere und äussere Sicherheit des Bundes gerichtete Delikte der Bundesgerichtsbarkeit und werden vom Bund verfolgt. Zudem kann der Bund gestützt auf Artikel 259 BStP in Materien, in denen er ein Öberaufsichtsrecht hat und die mehrere Kantone betreffen (an dieser Stelle ist in erster Linie an Betäubungsmitteldelikte zu denken), eigene Ermittlungen vornehmen. Da aber die Mehrzahl aller Delikte der kantonalen Strafverfolgung unterstehen, wird eine Überwachung in den meisten Fällen von den Kantonen angeordnet.4 Beim Bund sind für die Anordnung einer Überwachung zuständig die Eidgenössische Untersuchungsrichterin oder der Eidgenössische Untersuchungsrichter und die Bundesanwältin oder der Bundesanwalt (beziehungsweise der militärische Untersuchungsrichter). Sie konnten bis Ende 1997 die PTT-Betriebe direkt mit der Durchführung der Überwachung beauftragen, seit 1. Januar 1998 schicken sie die Anordnung dem Dienst für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs. Sie stellen innerhalb von 24 Stunden der Präsidentin oder dem Präsidenten der Anklagekammer des Bundesgerichtes (bzw. dem Präsidenten des Militärkassationsgerichts) ein Gesuch um Genehmigung der Anordnung. Die Verfügung wird für höchstens sechs Monate
bewilligt, kann jedoch auf begründetes Gesuch hin jeweils um weitere sechs Monate verlängert werden. Die Prüfung der Gesuche bezieht sich auf die Begründung sowie die Akten und beschränkt sich auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens.

Das Verfahren ist während seiner Dauer auch gegenüber der betroffenen Person geheim. Aufzeichnungen, die für die Untersuchung nicht notwendig sind, werden gesondert unter Verschluss gehalten und nach Abschluss des Verfahrens vernichtet.

Von Überwachungen, die durch die Bundesanwältin oder den Bundesanwalt angeordnet werden, erfährt die betroffene Person erst im Laufe einer anschliessenden Voruntersuchung oder nach der Einstellung der Ermittlungen. Im Anschluss an ein Bundesgerichtsurteil aus dem Jahre 1983, das den kantonalen Behörden die Mitteilung vorschreibt, hat auch die Bundesanwaltschaft eine Mitteilungspraxis begonnen.

Seit der Revision der Bundesstrafrechtspflege von 1991 besteht nun die Pflicht, den 4

So wurden beispielsweise 1991 durch die Bundesanwaltschaft 32 Telefonüberwachungen angeordnet, 574 Anordnungen erfolgten durch kantonale Behörden (vgl. dazu auch BB1199311111, f.). 1996 wurden durch die Bundesanwaltschaft 20 und die kantonalen Behörden 1020 Überwachungen angeordnet.

4247

Betroffenen innert 30 Tagen nach Abschluss des Verfahrens Grund, Art und Dauer der Überwachung mitzuteilen. Mit Genehmigung der Präsidentin oder des Präsidenten der Anklagekammer kann auf diese Mitteilung verzichtet werden, wenn wesentliche öffentliche Interessen, insbesondere die innere und äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft die Geheimhaltung erfordern. Jede Person kann bei der Eidgenössischen Untersuchungsrichterin oder beim Eidgenössischen Untersuchungsrichter bzw. bei der Bundesanwältin oder beim Bundesanwalt anfragen, ob gegen sie eine Überwachung erfolgt sei. Verweigert die Behörde die Auskunft, so kann die betroffene Person innert zehn Tagen bei der Präsidentin oder beim Präsidenten der Anklagekammer Beschwerde erheben.

Die Bundesanwältin oder der Bundesanwalt und der Oberauditor können Überwachungsmassnahmen auch anordnen, um eine strafbare Handlung, die den Eingriff rechtfertigt, zu verhindern, wenn bestimmte Umstände auf die Vorbereitung einer solchen Tat schliessen lassen.

121.3

Kantone

Zusammen mit der Neuregelung der Überwachung des Post- und Femmeldeverkehrs sowie des Einsatzes technischer Überwachungsgeräte im Jahre 1979 wurde auch ein Artikel 400bis StGB eingefügt. Dieser verpflichtete die Kantone, eine einzige richterliche Behörde zur Genehmigung der Überwachung zu bezeichnen. Die Kantone haben alle ähnliche Regelungen wie der Bund in ihren Strafprozessordnungen eingeführt. Drei Kantone kennen eine vorbehaltlose Mitteilungspflicht (Bern, Schaffhausen und Wallis), fünf Kantone gewähren der betroffenen Person auch ausserhalb von eröffneten Voruntersuchungen ein Beschwerderecht (Nidwaiden, Zug, St. Gallen, Aargau und Thurgau, wobei in diesem Kanton das Kassationsgericht zugleich Entschädigungsbegehren betroffener Personen beurteilt). Über die bundesrechtliche Regelung hinaus finden sich zum Teil einschränkende Bestimmungen über die Verwertung von sogenannten Zufallsfunden (so in den Kantonen Uri, Nidwaiden, Solothum, Schaffhausen und Appenzell Ausserrhoden). Ein Verwertungsverbot von Aufzeichnungen über Aussagen von Personen, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, kennen die Kantone Luzern, Nidwaiden, Basel-Landschaft, Appenzell Ausserrhoden, Wallis, Genf und Jura. Der Kanton St. Gallen erlaubt die Überwachung des Anschlusses von Personen mit Zeugnisverweigerungsrecht nur, wenn diese selber verdächtigt werden, nicht aber, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen angenommen werden muss, dass ihr Anschluss von einer beschuldigten Drittperson benutzt wird.

122 122.1

Verdeckte Ermittlung Einleitung

Der Einsatz von verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern wurde bisher im Bund nicht ausführlich geregelt. Lediglich das Betäubungsmittelgesetz vom 3. Oktober 1951 (BetmG; SR 812.121) enthält in Artikel 23 Absatz 2 einen strafrechtlichen Rechtfertigungsgrund für Beamtinnen und Beamte, die zu Ermittlungszwecken in Zusammenhang mit Betäubungsmitteldelikten Betäubungsmittel annehmen, ohne ihre Identität und Funktion bekanntzugeben.

4248

*·&

Auf kantonaler Ebene kennen die Kantone Bern, Basel-Landschaft und Wallis eine Regelung der verdeckten Ermittlung; im Kanton Zürich ist deren Einführung vorgesehen.

122.2

Bund

Gestützt auf die Artikel 69, 69bis und 64^'s BV wird in Artikel 23 Absatz 2 BetmG ausdrücklich als Instrument zur Erleichterung der Ermittlungstätigkeit im Betäubungsmiuelbereich (BB1 1973 I 1369; StenBull SR 7975 710; StenBull NR J974 1459) vorgesehen, dass Personen, die zu Ermittlungszwecken selber oder durch andere ein Angebot von Betäubungsmitteln annehmen oder Betäubungsmittel persönlich oder durch andere entgegennehmen, straflos bleiben, auch wenn sie ihre Identität und Funktion nicht bekanntgeben. Im Fall Lüdi hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass verdeckte Ermittlung nicht grundsätzlich unzulässig sei: Im konkreten Fall stelle der Einsatz eines V-Mannes keinen Eingriff in die Privatsphäre im Sinne von Artikel 8 Absatz l der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten "(EMRK; SR 0.101) dar, weshalb auch die Frage nicht geprüft werden musste, ob Artikel 23 Absatz 2 BetmG eine genügende gesetzliche Grundlage für die verdeckte Ermittlung darstelle (Veröffentlichungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Serie A, Nr. 238; s. auch BGE 112 la 18 ff.).

Der Einsatz von verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern gilt nach herrschender Auffassung grundsätzlich als zulässig, sofern die Eigenart der Delikte die verdeckte Ermittlung zu rechtfertigen vermag und dabei vorwiegend passiv die deliktische Aktivität untersucht wird, ohne durch eigene Einflussnahme die Tatbereitschaft zu wecken und dadurch zu strafbarem Verhalten zu verleiten (BGE 772 la 21, mit Hinweisen).

122.3

Kantone

Von den Kantonen sehen bisher einzig die Kantone Bern, Basel-Landschaft und Wallis in ihrer Strafprozessordnung den Einsatz von verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern vor.

Im Kanton Wallis können verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler nur bei schweren Fällen von Betäubungsmitteldelikten und unter der Voraussetzung, dass die Durchführung der notwendigen Untersuchungen ohne den Einsatz wesentlich erschwert würde oder wenn andere Untersuchungshandlungen zu keinem Ergebnis geführt haben, eingesetzt werden. Artikel 103A der Walliser Strafprozessordnung bestimmt weiter, dass sich verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler strikte auf ein passives Verhalten zu beschränken haben; er regelt auch das Verfahren (analog zur amtlichen Überwachung) sowie die Einvemahmemodalitäten.

Im Kanton Bern muss der Einsatz von verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern einer Untersuchungsbehörde zur Genehmigung unterbreitet werden; er ist auch auf Straftaten beschränkt, deren Schwere oder Eigenart einen solchen Eingriff rechtfertigen. Dagegen ist der Einsatz von verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern nicht nur auf Betäubungsmitteldelikte begrenzt. Den verdeckten Ermittlerinnen und Er-

4249

mittlem ist jede Einflussnahme untersagt, die beim Betroffenen einen Tatentschluss hervorruft.

In Zusammenhang mit der Neuregelung des Polizeigesetzes hat die Justiz-, Polizeiund Militärdirektion des Kantons Basel-Landschaft Mitte Februar 1995 auch eine Regelung für den Einsatz von V-Personen vorgeschlagen, deren Inhalt ähnlich derjenigen der Walliser Strafprozessordnung ist, und damit einen parlamentarischen Auftrag erfüllt. Die entsprechende Ergänzung der Strafprozessordnung (§ 100e§ lOOn) wurde vom Regierungsrat am 18. März 1997 auf den l, Juli 1997 in Kraft gesetzt.

Die Direktion der Polizei des Kantons Zürich hat aufgrund einer Motion Regine Aeppli (KR-Nr. 32/1991) einen Entwurf für die Revision der zürcherischen Strafprozessordnung erstellt, der die verdeckte Ermittlung auf eine formell gesetzliche Grundlage stellen soll, und darüber im 1994 ein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt. Im Gegensatz zur Walliser Strafprozessordnung soll im Kanton Zürich die Anordnungskompetenz für einen Einsatz von verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern nicht nur bei Strafuntersuchungsrichterinnen und -richtern, sondern auch bei Polizeioffizierinnen und -Offizieren liegen; in § 106c-§ 106g ist zudem keine richterliche Genehmigungspflicht vorgesehen. Da der Kanton Zürich aus Gründen der Rechtssicherheit die kantonale Regelung auf die neuen Bundesbestimmungen abstimmen will, wurde die Unterbreilung des Projektes an den Kantonsrat vertagt.

13

Entstehungsgeschichte der zwei Vorlagen

131

.Einleitung

Mit Bundesratsbeschluss vom 17. Februar 1993 wurde das Eidgenössische Justizund Polizeidepartement (EJPD) beauftragt, im Einvernehmen mit dem Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (EVED) eine Studiengruppe (nachfolgend: Studiengruppe EJPD) einzusetzen, die den Gesetzgebungsbedarf, wie er sich aus der Stellungnahme des Bundesrates zum Bericht Telefonüberwachung ergab, abklären und einen Vemehmlassungsentwurf erarbeiten sollte, der auf den Ergebnissen der Beratung in den Räten beruht. Am Anfang war vorgesehen, Telefonüberwachung und verdeckte Ermittlung in derselben Vorlage zu regeln, Die Parlamentsberatung zum Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit, namentlich der Vorschlag, Telefonüberwachungen im präventiven Bereich zuzulassen, hat zwischenzeitlich zu einer Trennung der beiden Vorlagen und zur Sistierung der Arbeiten im Bereich Telefonüberwachung geführt, bis diese Frage geklärt wurde.

132 132.1

Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs Auslöser und Auftrag

Ausgelöst wurden die Gesetzgebungsarbeiten durch die GPK des Nationalrates, welche am 24. Mai 1993 eine Motion zur Telefonüberwachung (93.3205) eingereicht hat: Der Bundesrat wurde eingeladen, das StGB sowie weitere Bundesgesetze mit einer gesonderten Vorlage ausserhalb des Legislaturprogrammes so zu revidieren, dass den Schlussfolgerungen im Bericht Telefonüberwachung Rechnung getragen wird.

4250

Am 6. Oktober 1993 hat Nationalrat Stucky eine Motion zur Überwachung von Telekommunikation mit Berufsgeheimnisträgern (93.3477) eingereicht und verlangt, durch technische und administrative Massnahmen die Überwachung und Aufzeichnung von Telefongesprächen zwischen Beschuldigten oder Verdächtigten und Berufsgeheimnisträgern auszuschli essen.

Am 3. Oktober 1995 hat der Ständerat mit Stichentscheid seines Präsidenten die Motion Stucky im Sinne des Bundesrates nur als Postulat überwiesen, gleichzeitig aber die Motion seiner Kommission für Rechtsfragen vom 29. Mai 1995 «Wahrung von Berufsgeheimnissen bei Überwachungen des Post- und Femmeldeverkehrs (95.3202)» überwiesen. Der Bundesrat wurde beauftragt, ausserhalb des Legislaturprogramms die Bestimmungen über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs durch Strafverfolgungsbehörden des Bundes und der Kantone so zu revidieren, dass mit jeder Anordnung der Überwachung eines Trägers von Berufsgeheimnissen geeignete Schutzmassnahmen getroffen werden müssen, damit den mit der Untersuchung betrauten Personen keine Berufsgeheimnisse der überwachten Personen zur Kenntnis gelangen können, ausgenommen wenn unter dem Deckmantel des Berufsgeheimnisses Straftaten begangen werden.

Die Studiengruppe EJPD erarbeitete bis 1995 einen Vernehmlassungsentwurf, der die einschränkenden Vorgaben der Motion Telefonüberwachung berücksichtigte.

Als der Ständerat im Entwurf des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BB11994 II 1127) die Anordnung von Telefonüberwachungen im präventiven Bereich beschloss, sistierte das EJPD die Vorlage und die Vernehmlassung verzögerte sich bis in den Sommer 1997.

132.2

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Der Bundesrat schickte den Vorentwurf am 2. Juni 1997 bei den Kantonen, politischen Parteien und interessierten Organisationen in die Vernehmlassung.

Von den insgesamt 111 Adressaten haben 61 ihre Stellungnahme abgegeben, darunter das Bundesgericht und 25 Kantone. Die Absicht, die Regelung der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs zur Verfolgung und Verhinderung von Straftaten für Bund und Kantone einheitlich zu regeln, ist auf breite Zustimmung gestossen. Ebenso ist der Regelungsbedarf bejaht worden, insbesondere auch im Hinblick auf die Liberalisierung des Post- und Fernmeldeverkehrs.

Die konkrete Ausgestaltung des Gesetzes hat dagegen erhebliche Kontroversen hervorgerufen, die sich in drei grundsätzlichen Haltungen zur Telefonüberwachung äussert: Die grossie Gruppe, v.a. Kantone und Organisationen der Strafverfolgung, aber auch CVF, kritisiert, dass der Entwurf die Strafverfolgung unbegründeterweise erschwert und verlangt ein Gesetz, das die Hürden auf dem heutigen Niveau belassi oder teilweise sogar niedriger anselzen soll als das geltende Recht. Eine mittlere Gruppe erachtet die Güterabwägung zwischen Persönlichkeitsschutz und Strafverfolgung als richtig (darunter 7 Kantone, die FDP und SVP). Eine kleine Gruppe (SP, Demokratische Juristen DJS, Anwaltsverband) lehnt den Entwurf als polizeilastig ab; er schaffe exzessive Überwachungsmöglichkeiten.

Einen Schwerpunkt der Stellungnahmen bilden die Beurteilungen der Voraussetzungen für eine Überwachung: Einem restriktiven Deliktskatalog stimmen nur Vereinzelte zu, eine Mehrheit möchte wie bisher bei allen Verbrechen und Vergehen die Überwachung anordnen können oder doch auf eine grössere Zahl von Vergehen

4251

ausdehnen, als dies der Vorentwurf tut. Die Verschärfung der weiteren Voraussetzungen für eine Überwachung wird vor allem von Kantonen und aus dem Kreis der Strafverfolgungsbehörden bekämpft. Auf erhebliche Kritik stossen auch die Beschränkungen der Verwendung der Erkenntnisse bei Zufallsfunden, die besondere Genehmigung bei Direktschaltungen und die Schutzmassnahmen zugunsten von Personen, wenn diese zur Wahrung des Berufsgeheimnisses verpflichtet sind.

Einen weiteren Streitpunkt bildet die nachträgliche Mitteilung der Überwachung und die Beschwerdemöglichkeit. Einige Vernehmlassungen möchten von der Mitteilung absehen oder doch die Beschwerde ausschliessen; zahlreiche erachten den Zeitpunkt der Mitteilung als verfrüht, wenn er 30 Tage nach Einstellung der Überwachung erfolgt.

Die nähere Auseinandersetzung mit den Stellungnahmen findet sich in der Kommentierung der betreffenden Artikel.

133

Verdeckte Ermittlung

133.1

Auslöser

Neben der Motion «Telefonüberwachung» der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates haben zahlreiche parlamentarische Vorstösse, die den Bundesrat beauftragt haben, im Bereich der verdeckten Ermittlung zu legiferieren, diesen Entwurf direkt oder indirekt beeinflusst: Am 17. Juni 1992 hat-Ständerat Danioth eine Motion «Gesetzliche Grundlagen für verdeckte Drogenfahndung (92.3250)» eingereicht, mit welcher der Bundesrat insbesondere beauftragt werden sollte, eine Vorlage zu einer gesetzlichen Grundlage für den Einsatz der verdeckten Fahndung bei Drogenhandel und organisiertem Verbrechen dem Parlament zu unterbreiten und die Anpassung der eidgenössischen und kantonalen Verfahrensvorschriften in die Wege zu leiten, damit der legitime Schutz der mit dieser Aufgabe betrauten Polizeiorgane in Einklang gebracht werden kann mit dem Anspruch des Angeklagten auf einen fairen Prozess.

Am 7. Oktober 1992 hat Nationalrat Leuba eine Motion «Einschleusung von Agenten. Aufhebung der Strafmilderung (92.3416)» eingereicht, die den Bundesrat auffordert, das Schweizerische Strafgesetzbuch so zu ändern, dass die Einschleusung von Sicherheitsbeamten, die sich auf ein passives Verhalten beschränken, in eine kriminelle Organisation keine Strafmilderung für deren Mitglieder zur Folge hat.

Mit einem Postulat vom 18. Juni 1993 «Bekämpfung der Gewalttätigkeit und des organisierten Verbrechens (93.3347)» hat die CVP-Fraktion den Bundesrat insbesondere gebeten, Vorgaben für den Einsatz von verdeckten Ermittlern (VLeuten) zu erarbeiten. t Am 15. August 1994 hat die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates eine Motion «Bekämpfung des organisierten Verbrechens» (94.3315) eingereicht, die den Bundesrat ersucht, den eidgenössischen Räten möglichst rasch Gesetzesvorschläge zu folgenden Punkten vorzulegen: Die Zentralstelle gegen das organisierte Verbrechen soll selbst und in Zusammenarbeit mit den zuständigen kantonalen Stellen direkte Ermittlungen durchführen können; 4252

Sie soll V-Männer in die Kreise des organisierten Verbrechens einschleusen können und die Beweismittel, die die V-Männer sammeln, in den Ermittlungs- und Gerichtsverfahren verwenden können, wobei die Identität der V-Männer zu schützen ist.

133.2

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Als Eckpunkte für den durch die Studiengruppe EJPD erarbeitenden Vorentwurf zu einem Bundesgesetz über die verdeckte Ermittlung legte der Vorsteher EJPD die folgenden Grundsätze fest: Die Regelung soll mit Wirkung für Bund und Kantone durch eine Revision des BetmG (SR 812.121) in Anschluss an dessen Artikel 23 Absatz 2 erfolgen; für Delikte, die der Bundesstrafgerichtsbarkeit unterstehen, soll eine analoge Regelung im Bundesstrafprozess getroffen werden.

Verdeckte Ermittlung ist grundsätzlich zulässig, sofern die Eigenart der Delikte diese zu rechtfertigen vermag und dabei vorwiegend passiv die deliktische Aktivität untersucht wird, ohne dass durch eigene Einflussnahme die Tatbereitschaft geweckt und zu strafbarem Verhalten verleitet wird.

Der Einsatz von verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern bedarf einer richterlichen Genehmigung.

Verdeckt ermittelnde Polizeibeamtinnen und -beamte dürfen sich rollenadäquat verhalten, aber keine strafbaren Handlungen begehen; ausgenommen sind Schein- oder Probekäufe von Betäubungsmitteln.

Als polizeitaktische Massnahme sollen Anordnung und Durchführung einer Observation im Kompetenzbereich der Polizei bleiben.

Am 7. Juli 1995 schickte der Bundesrat den Vorentwurf zu einem Bundesgesetz Über die verdeckte Ermittlung mit einem erläuternden Bericht an 69 Adressatinnen und Adressaten zur Vernehmlassung. Von den 48 Antworten, darunter sämtliche Kantone und alle Regierungsparteien, wurde grossmehrheitlich ein Gesetz über die verdeckte Ermittlung begrüsst. Mit Ausnahme von SP und Anwalts- und Juristenverbänden (SAV, ODAGE sowie DJS), die den Vorentwurf gesamthaft ablehnten und auch dessen Verfassungsmässigkeit bezweifelten, war die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung generell unbestritten.

Für die Hälfte der Antwortenden, die ein Gesetz über die verdeckte Ermittlung begrüssten, war die vorgeschlagene Regelung der verdeckten Ermittlung gerade richtig. Die Mehrheit der andern Hälfte hielt dafür, der Vorentwurf stufe bei der Güterabwägung den Schutz der Grundrechte von Straftätern gegenüber den Interessen der Strafverfolgung zu hoch ein und benachteilige eine wirksame Bekämpfung des organisierten Verbrechens und des unerlaubten Betäubungsmittelverkehrs. Dieselbe Ansicht äusserte sich in zahlreichen Antworten, die verlangten, dass die Zusammenarbeit mit
Informantinnen und Informanten in Zukunft möglich bleiben müsse und explizit gesetzlich zu regeln sei. Zudem sollten nicht nur Polizeibeamtinnen und -beamte für die verdeckte Ermittlung eingesetzt werden dürfen, sondern auch geeignete Dritte (z.B. Kunstsachverständige).

Die vorgeschlagenen Rechte der verdeckten Ermittlerinnen und Ermittler und die Regelung der Vertraulichkeitszusage fanden zwei Drittel der Antwortenden gerade richtig; diejenigen, für die diese Bestimmungen zu wenig weit gehen, wiesen darauf hin, dass die meisten Polizeibeamtinnen und -beamten sich nur für einen Einsatz als

4253

verdeckte Ermittlerin bzw. Ermittler bereit erklären würden, wenn ihnen vorgängig und in jedem Fall eine Vertraulichkeitszusage erteilt werde.

Die grosse Mehrheit der Antwortenden stufte die vorgeschlagene Regelung der Gegenüberstellung von beschuldigter Person mit verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern als gerade richtig ein. Einige fanden, der Schutz von verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern vor Enttarnung sei zu wenig ausgebaut, oder es fehlten konkrete Massnahmen zum Schutz der für eine verdeckte Ermittlung eingesetzten Personen, beziehungsweise deren Angehörigen oder Dritten, Für die Mehrheit der Antwortenden war klar, dass die verdeckte Ermittlung auch im Bundesstrafprozess geregelt werden soll. Vereinzelt wurde bedauert, dass die verdeckte Ermittlung nicht in einem Gesetz gesamtschweizerisch einheitlich geregelt werde. In diesem Zusammenhang wurde auch befürchtet, dass es zu einer unterschiedlichen Handhabung bzw. Regelung des Instrumentes der verdeckten Ermittlung durch die Kantone kommen könnte. Schliesslich wurde festgestellt, dass kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf zur Regelung der Observation bestehe. Diese sei ein Instrument der Polizei, das nicht den Charakter einer Zwangsmassnahme habe.

Der Entwurf verzichtet deshalb auf eine Regelung, obgleich in den letzten Jahren neue kantonale Prozessordnungen die Observation regeln (s. z.B. Art. 213 der Strafprozessordnung des Kantons Bern).

14

Zusammenfassung der Vorlagen in einer Botschaft

Sowohl bei der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs als auch bei der verdeckten Ermittlung handelt es sich um prozessuale Zwangsmassnahmen, die ohne Wissen der betroffenen Person durchgeführt werden. Zumindest das Verfahren wurde deshalb zum Beispiel im Kanton Waliis analog geregelt. Auch die GPK des Nationalrates hat in ihrer Motion zur Telefonüberwachung gefordert, es sei zu prüfen, ob für den Einsatz von verdeckten Ermittlern «die gleichen Regeln zu gelten haben wie für die Telefonüberwachung». Da beide Entwürfe die Voraussetzungen sowie die Verfahrens- und Vollzugsbestimmungen soweit als möglich gleich ausgestalten, haben wir uns entschlossen, diese in einer Botschaft zusammenzufassen.

2 21 211

Besonderer Teil Entwurf zu einem Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs Grundzüge der Gesetzesvorlage

211.1

Übersicht

Das vorgeschlagene Gesetz bildet einen ersten Baustein zur Vereinheitlichung der Strafprozessordnungen des Bundes und der Kantone, die von zahlreichen parlamentarischen Vorstössen und Standesinitiativen gefordert wird. Die Regelung der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs betrifft indessen nicht nur Strafprozessrecht, sondern wird auch vom materiellen Strafrecht mitbestimmt. Der Eingriff in die persönliche Geheimsphäre, der mit der Überwachung vorgenommen wird, ist grundsätzlich strafbar, und es muss ein Rechtfertigungsgmnd geschaffen werden, der den Eingriff durch die Strafverfolgungsorgane als nicht strafbar erklärt. Der Bundesgesetzgeber muss auch die Voraussetzungen für die Rechtma'ssigkeit des Eingriffs 4254

umschreiben. Er hat mit dem Bundesgesetz über den Schutz der persönlichen Geheimsphäre5 im Jahre 1979 die in Ziffer 121 erwähnten Leitplanken (s. auch Art. 179octies StGB) gesetzt.

Neben diesen Leitplanken haben die bis Ende 1997 geltenden Bundesgesetze über den Post- und Fernmeldeverkehr organisatorische Bestimmungen enthalten, die mit der vom 1. Januar 1998 an geltenden Gesetzgebung nur noch für den Fernmeldebereich rudimentär weitergeführt werden. Mit der neuen Post- und Femmeldegesetzgebung ist ein Artikel 32l1« StGB geschaffen worden, der die Verletzung des Postund Fernmeldegeheimnisses mit Strafe bedroht.

Diese neue Rechtslage und die Liberalisierung, die zudem den bisher von den PTTBetrieben betreuten Markt mit zusätzlichen Anbieterinnen bevölkern wird, rechtfertigen eine klare und einheitliche Gesetzgebung auf Bundesebene. Diesem Anliegen haben in der Vernehmlassung 18 Kantone ausdrücklich zugestimmt.

211.2

Geltungsbereich

Das neue Gesetz soll Überwachungen des Post- und Fernmeldeverkehrs zur Verfolgung oder Verhinderung von Straftaten durch Behörden des Bundes und der Kantone regeln. Nicht mehr geregelt werden soll hingegen der im Vorentwurf vorgesehene Einsatz von technischen Überwachungsgeräten.

Unter den Post- und Fernmeldeverkehr fallen alle Dienstleistungen und Fernmeldeübertragungen, die in den Geltungsbereich des Postgesetzes vom 30. April 1997 (PG; SR 783.0) und des Femmeldegesetzes vom 30. April 1997 (FMG; SR 784.1 ff) fallen. Es werden dabei neben der Schweizerischen Post und der Swisscom auch die weiteren Anbieterinnen erfasst, soweit sie einem der beiden Gesetze unterstehen.

MUSS im Arbeitsbereich von Anbieterinnen, die ähnliche Dienstleistungen anbieten, aber nicht einem der beiden Gesetze unterstehen0, eine strafrechtliche Ermittlung vorgenommen werden, so richten sich die Auskunftspflichten und die Möglichkeit des Zugriffs auf Gegenstände oder Fernmeldeübertragungen nach dem anwendbaren Strafprozessrecht.

Sachlich gehören zu-den femmeldetechnisehen Übertragungen (Art. 3 Bst. c FMG) nicht nur das Telefon, sondern auch alle neueren bestehenden Fernmeldedienste wie Fax, Pager, Mobiltelefone, Datenverkehr über Leitungen usw., aber auch künftige neue solche Dienstleistungsangebote. Vom Fernmeldegesetz nicht erfasst ist dagegen das Verbreiten von Radio- und Fernsehprogrammen, die selbstverständlich im Rahmen urheberrechtlicher Vorschriften weiterhin von jedermann aufgezeichnet werden können (s. Art. 2 FMG).

In letzter Zeit wurde insbesondere in Zusammenhang mit Kinderpornografie die Frage aufgeworfen, ob auch Internet-Provider Fernmeldedienste anbieten und demzufolge ebenfalls unter den Geltungsbereich dieses Gesetzes fallen. Zudem ist es heute über Internet möglich, kostengünstiger ins Ausland zu telefonieren. Das FMG definiert Fernmeldedienst als fernmeldetechnische Übertragung von Informationen 5

6

AS 1979 1170; dieses Gesetz war ein reiner Mantelerlass, der neben dem StGB auch den BStP und MStP sowie die Post- und Femmeldegesetzgebung und das GVG ergänzte. Es wurde aufgrund einer parlamentarischen Initiative von Nationalrat Andreas Gerwig ausgearbeitet.

Z.B. die Banken im Zahlungsverkehr, nicht meldepflichtige Fernmeldedienste (Art. 4 Abs. 3 FMG) sowie alle nicht konzessionspflichtigen Anbieterinnen von Postdiensten.

4255

für Dritte (Art. 3 Bst. b FMG). Darunter ist elektrisches, magnetisches, optisches oder anderes elektromagnetisches Senden oder Empfangen von für Menschen, andere Lebewesen oder Maschinen bestimmte Zeichen, Signale, Schriftzeichen, Bilder, Laute und Darstellungen jeder anderen Art über Leitungen oder Funk zu verstehen (Art. 3 Bst. a und c FMG). Demzufolge bieten auch Internet-Provider einen Fernmeldedienst an. Da diese in der Regel die für die Übertragung benutzten Fernmeldeanlagen nicht selbständig betreiben, sondern dafür insbesondere die Leitungen Dritter benutzen, sind sie meldepflichtige Anbieterinnen von Fernmeldedienstleistungen (Art. 4 Abs. 2 FMG) und unterstehen gemäss Artikel l Absatz 2 ebenfalls dem Geltungsbereich dieses Gesetzes. Somit kann mit einer Überwachungsanordnung nach diesem Gesetz die Herausgabe sowohl des Datenverkehrs als auch der beim Provider gespeicherten Randdaten verlangt werden.

In der Vernehmlassung wurde verlangt, dass auch bei firmeneigenen Fernmeldenetzen und bei Hauszentralen Überwachungen angeordnet werden können. Deren Eigentümer voll dem Gesetz zu unterstellen, wäre kaum möglich und auch nicht opportun. Die Eigentümer würden bei kleinen Hauszentralen häufig zu den zu Überwachenden Personen gehören oder wären mit diesen eng verbunden. Sie müssten zudem ihre Anlagen technisch so ausrüsten, dass ohne Zeitverzug und ohne Erkennbarkeit für die überwachten Benutzer eine Überwachung geschaltet werden kann.

Das würde nicht nur die Anlagen verteuern, sondern zudem die Möglichkeit für privates illegales Eindringen in die persönliche Geheimsphäre schaffen. Die Eigentümer dieser Netze und Zentralen sollen deshalb nur verpflichtet werden, eine Überwachung zu dulden. Praktisch bedeutet dies, dass der Dienst für die Überwachung des Fernmeldeverkehrs (s. dazu den Kommentar zu Art. 2) mit eigenem oder beauftragtem Personal in der betroffenen Zentrale die Überwachung einschaltet.

Die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs ist grundsätzlich ein Instrument in der Hand der Strafverfolgungsbehörden. Es dient der Fahndung nach Personen und der Beweissicherung. Gibt es konkrete Hinweise auf bevorstehende schwere Straftaten, zum Beispiel Mord- oder Entführungsdrohungen, soll die Überwachung wie bisher auch zur Verhinderung von Straftaten möglich sein. Als neue Einsatzmöglichkeit
haben sich Auslieferungsfälle gezeigt, in denen der ersuchende Staat die Fahndung mittels Femmeldeüberwachung verlangt. Falls gegen die Person in der Schweiz kein Strafverfahren lief, konnte bisher solchen Ersuchen nicht entsprochen werden. Für die Ermittlung gegen kriminelle Organisationen sollen jedoch nicht nur bei Auslieferungen, sondern auch in andern Rechtshilfefällen Überwachungen angeordnet werden können.

Im Verwaltungsstrafrecht sind nicht selten für die Beweisführung Auskünfte über den Zahlungsverkehr der beschuldigten Personen einzuholen. Die Banken sind gegenüber den Verwalturigsstrafbehörden zur Auskunft verpflichtet, und es wäre stossend, wenn sich die Beschuldigten durch eine Abwicklung von Zahlungen über ein Festkonto der Verfolgung entziehen könnten. Der Geltungsbereich erfasst deshalb für die Überwachung des Postverkehrs auch die schwersten Straftaten des Verwaltungsstrafrechts. Zur Vorbereitung von Beschlagnahmungen bei weiteren Straftaten sollen Strafverfolgungsorgane Auskünfte über Postkonti und den Zahlungsverkehr verlangen können, damit für die Post und Banken gleiches Recht gilt; weitere Auskünfte über den Postverkehr dürfen auf diese Weise nicht eingeholt werden.

Der Verzicht auf eine Regelung des Einsatzes technischer Überwachungsgeräte erfolgt aus rechtlichen und praktischen Gründen. In der Vernehmlassung haben einige Stellungnahmen, darunter das Bundesgericht, die Verfassungsmässigkeit dieses Ein4256

bezugs in den Geltungsbereich des Gesetzes bezweifelt, weil sich dafür der Bund nicht auf die Gesetzgebungskompetenz über den Post- und Fernmeldeverkehr abstützen könne. Da der Einsatz technischer Überwachungsgeräte zumeist von der Polizei durchgeführt wird, entstünden zudem Kollisionen mit der kantonalen Polizeigesetzgebung. Um diese Schwierigkeiten zu umgehen, verzichten wir auf den Einbezug der technischen Überwachungsgeräte. Für den Bund lassen wir es bei der heutigen Regelung bewenden, die für den Einsatz von technischen Überwachungsgeräten die Bestimmungen über die Telefonüberwachung sinngemäss anwendbar erklären (Art. 72 BStP). .

211.3

Regelungskonzept

Da in der Vernehmlassung das Regelungskonzept, das von den in Ziffer 132.1 erwähnten parlamentarischen Vorstössen geprägt wurde, auf erheblichen Widerstand gestossen ist, schlägt der Entwurf des Bundesrates folgende Grundzüge vor: Auf den von der Motion der GPK vorgeschlagenen Deliktskatalog wird verzichtet. Die Überwachung soll jedoch beschränkt werden auf die Verfolgung und Verhinderung von Verbrechen sowie von abschliessend aufgezählten Vergehen. Dem Anliegen, dass bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens auch weitere Vergehenstatbestände mit einer Überwachung verfolgt werden können, wird dadurch Rechnung getragen, dass sich die Überwachung auf den Tatbestand der Zugehörigkeit zu einer kriminellen Organisation abstützen lässt (Art. 260ter StGB), der ein Verbrechen ist.

Die restriktivere Umschreibung der übrigen Voraussetzungen der Überwachung wird vorgenommen und insbesondere damit verstärkt, dass die Genehmigungsbehörde verpflichtet wird, auch die Verhältnismässigkeit der Massnahme zu überprüfen.

Der Schutz von Drittpersonen wird verbessert, insbesondere auch der Schutz von Personen, wenn diese zur Wahrung des Berufsgeheimnisses verpflichtet sind.

Die angeordneten Überwachungen werden unter Vermittlung eines Dienstes, · der in der allgemeinen Bundesverwaltung (UVEK) angesiedelt ist, vollzogen.

Der Dienst kann auch mit weiteren Aufgaben betraut werden und erteilt den Strafverfolgungsbehörden und der Polizei Auskünfte über Fernmeldeanschlüsse, die nicht in öffentlichen Verzeichnissen aufgeführt sind.

212 212.1 212.11

Erläuterung der einzelnen Bestimmungen 1. Abschnitt: Geltungsbereich und Organisation Artikel l Geltungsbereich

Das Gesetz regelt die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs für Zwecke der Strafverfolgung. Es bezieht sich nicht auf andere Formen der Überwachung, die direkt mit dem Artikel 24 FMG erfasst werden: Angaben über missbräuchlich hergestellte Verbindungen, zum Beispiel telefonische Belästigungen, erhält die Kundin oder der Kunde gestützt auf Artikel 45 FMG; die Frequenzüberwachung durch das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) wird gestützt auf Artikel 26 FMG durchgeführt.

4257

Als Erweiterung des geltenden Rechts sehen wir vor, dass auch in Rechtshilfeverfahren die Überwachung angeordnet werden kann. Ein Bedarf besteht insbesondere in Auslieferungsfällen, in denen das Bundesamt für Polizeiwesen den Aufenthaltsort einer international gesuchten Person ermitteln kann. Es sind jedoch auch andere Rechtshilfefälle denkbar, zum Beispiel wenn ausländische Mobiltelefone für ein ausländisches Strafverfahren in der Schweiz überwacht werden müssen.

In der Vernehmlassung wurde gefordert, die Telefonüberwachung auch zum Vollzug von Strafen und Massnahmen einzusetzen, insbesondere zur Fahndung nach entwichenen Straftätern. Dieser Vorschlag ist nicht übernommen worden. Gelingt Untersuchungshäftlingen die Flucht, so ist die Überwachung möglich, weil noch die Straftat verfolgt wird; erfolgt die Flucht aus dem Strafvollzug, kann die Überwachung bei gefährlichen Personen allenfalls zur Verhinderung einer Straftat angeordnet werden. Besteht diese Gefahr nicht, ist auch der Überwachungsgrund nicht einzusehen.

Weiter wurde angeregt, die Überwachung zur Überprüfung der Zuverlässigkeit von Drittpersonen vorzusehen, die als verdeckte Ermittler eingesetzt werden. Auch auf diese Überwachungsmöglichkeit sollte verzichtet werden, weil in einem fortgeschrittenen Stadium der Ermittlungen die Überwachung gegen seine kriminellen Zielpersonen angeordnet werden kann. Falls schon die Anfangsphase des Einstiegs in das möglicherweise kriminelle Umfeld überwacht würde, würde ein völlig neuer Überwachungsgrund geschaffen, denn zu diesem Zeitpunkt, wären keine Voraussetzungen der Überwachung gegeben, insbesondere kein konkreter Tatverdacht.

Eine Gruppe von Vernehmlassungen forderte, auf den Einbezug der Post, oder zumindest des Zahlungsverkehrs der Post zu verzichten, weil dafür die ordentlichen strafprozessualen Massnahmen ausreichten. Diese Einschränkung des Geltungsbereichs ist nicht übernommen worden, weil die Angestellten aller Anbieterinnen von Post- und Fernmeldediensten bei Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses einer einzigen Strafnorm unterstehen, dem neuen Artikel 321tcr StGB, und zudem Artikel 179oclies StGB auch einen einheitlichen Rechtfertigungsgrund für Eingriffe in das Post- und Fernmeldegeheimnis vorsieht. Diese Rechtslage indiziert, dass auch die strafprozessualen Eingriffe in das
Post- und Fernmeldegeheimnis einheitlich geregelt werden, weil sonst plötzlich Fehler vorkommen könnten, indem zum Beispiel nach kantonalem Recht die Polizei Briefe oder Pakete vorläufig beschlagnahmen könnte, es aber nach Artikel 179oclies StGB dafür zusätzlich eine richterliche Genehmigung braucht. Mit dieser Gleichbehandlung des Post- und Fernmeldebereichs muss indessen in Kauf genommen werden, dass für die gleichartige Überwachung des Zahlungsverkehrs in Post und Banken eine unterschiedliche Regelung gilt. Die Erschwerung der Informationsbeschaffung durch die Strafverfolgungsbehörde liegt indessen nur darin, dass die Behörde nicht wie bei andern Auskunftsbegehren in eigener Kompetenz handeln kann, sondern eine Genehmigung einholen muss. Für den Zahlungsverkehr wird die Angleichung an die Banken verstärkt durch die Möglichkeit, in Verwaltungsstrafsachen oder zur Vorbereitung von Beschlagnahmungen Auskünfte einzuholen (Art. 3 Abs. l Bst. I und m), sowie durch den Hinweis darauf, dass auch in Zivilverfahren Informationen aus dem Postbereich beschafft werden können (Art. l Abs.5; z.B. Auskünfte über Kontenstand oder Zahlungen in Scheidungsverfahren oder im Betreibungs- oder Konkursverfahren); für diese Einschränkungen des Postgeheimnisses schafft jedoch nicht das vorliegende Gesetz die Grundlage, sondern diese muss sich aus dem massgebenden Prozessrecht ergeben.

4258

*

t

·

Für die Umschreibung des Begriffs des Post- und Fernmeldeverkehrs siehe oben Ziffer 211.2. Nach Artikel 321«' StGB fallen jedoch nicht nur die übertragenen Informationen unter das Post- und Fernmeldegeheimnis, sondern auch die «Angaben über den Post-, Zahlungs- und Femmeldeverkehr der Kundschaft». Diese im bisherigen Recht «dienstliche Aufzeichnungen» genannten Informationen (Art. 40 der Verordnung vom 25. März 1992 über Fernmeldedienste FDV, AS 7992 848), in der Fachsprache auch als «Randdaten» und im neuen Fernmelderecht als «Verkehrs- und Rechnungsdaten» bezeichnet (Art. 50 FDV vom 6. Oktober 1997, AS 7997 2833), umfassen die Bezeichnung der Anschlüsse, zwischen denen eine Verbindung hergestellt wird sowie den Zeitpunkt, die Dauer und den Preis der Verbindung, bei mobilen Anlagen auch den Ort, von welchem aus die Verbindungsaufnahme stattgefunden hat. Diese Angaben sind zu unterscheiden von den «Adressierungselementen» (Art. 3 Bst. f FMG), die eine für den Betrieb zugelassene Fernmeldeanlage identifizieren, unabhängig davon, ob sie wirklich in Betrieb ist. Diese Adressierungselemente unterstehen nicht dem Femmeldegeheimnis und können in einer erweiterten Form bekanntgegeben werden (s. Art. 21 FMG zu den Verzeichnissen, Art. 29 FMG zu den Auskunftspflichten, Art. 12 des vorliegenden Entwurfs über die Auskunft an Strafverfolgungs- und Polizeibehörden). Die Randdaten sind für die Strafverfolgung deshalb von zunehmender Bedeutung, weil sie auch Informationen über den in der Vergangenheit geführten Femmeldeverkehr erlauben. Die Anbieterinnen müssen die Randdaten während sechs Monaten für die Rechnungsstellung aufbewahren (Art. 49 FDV vom 6. Oktober 1997, AS 7997 2833), und für die Dauer dieser Aufbewahrungspflicht können die zuständigen Behörden eine sogenannte rückwirkende Teilnehmeridentifikation anordnen. Diese muss jedoch in der Form einer Überwachung des Fernmeldeverkehrs erfolgen und von der zuständigen Genehmigungsinstanz des Bundes oder des Kantons genehmigt werden. Der Eingriff ist zwar bei der Teilnehmeridentifikation kleiner als wenn auch die übertragenen Informationen überwacht werden, aber sie ist gleichwohl ein erheblicher Eingriff in die persönliche Geheimsphäre, wenn mit ihr bis zu sechs Monate zurück alle hergestellten Verbindungen bekanntgegeben werden.

Im Postbereich haben vor
allem die Angaben über den Zahlungsverkehr eine grössere Bedeutung, währenddem über den Brief-, Paket- und Personenverkehr keine systematische Erfassung solcher Angaben vorgesehen ist; soweit dies jedoch der Fall ist, zum Beispiel bei Einschreibesendungen oder Angaben über Abonnemente, kann natürlich auch eine Teilnehmeridentifikation angeordnet werden.

Bezüglich den firmeneigenen Fernmeldenetzen und Hauszentralen (s. oben in Ziff.

211.2) ist noch festzuhalten, dass die teilweise Unterstellung unter das Gesetz in den meisten Fällen nicht einen zusätzlichen Eingriff darstellt, sondern dem Verhältnismassigen Einsatz des Zwangsmittels dient. Wird zum Beispiel ein Mitarbeiter einer Firma eines Vermögensdelikts verdächtigt, kann über die Hauszentraie gezielt sein interner Anschluss überwacht werden. Müsste dagegen die Überwachung erst im Netz einer konzessionierten Anbieterin erfolgen, würden alle Übertragungen der ganzen Hauszentrale erfasst und könnte trotz dieses erheblichen Mehraufwandes die interne Kommunikation mit möglichen Komplizen nicht überwacht werden.

212.12

Artikel 2

Organisation

Bis Ende 1997 leiteten die zuständigen Behörden ihre Anordnungen einer Überwachung an die Generaldirektion der PTT-Betriebe; diese betrieben mit einer Sektion 4259

Besondere Aufgaben Telecom mehrere Überwachungszentralen. Mit der Neuregelung des Post- und Femmeldewesens kann diese Aufgabenzuweisung nicht wettergeführt werden. Der Bund betreibt deshalb seit dem 1. Januar 1998 einen Dienst, welcher den Koordinationsbedarf zwischen den Behörden, die eine Überwachungsmassnahme anordnen, und den Anbieterinnen von Post- und Fernmeldedienslleistungen deckt7.

Der Dienst erfüllt seine Aufgaben als Dienstleistung zugunsten der Justiz selbständig und untersteht der Aufsicht des zuständigen Departements. Die Aufsicht bezieht sich auf die administrativen Fragen und die Qualität der Aufgabenerfüllung, nicht jedoch auf die Rechtmässigkeit und Notwendigkeit der Überwachungsmassnahmen.

Mit der Verordnung vom 1. Dezember 1997 (AS 1997 3022) Über den Dienst für die Überwachung des Fernmeldeverkehrs ist der Dienst im Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) eingegliedert worden.

Die bestehenden technischen Einrichtungen der PTT für die Telefonüberwachung und insbesondere das heute vorhandene Know-how sind übernommen worden, denn die bisher von den PTT gewählte organisatorische Aufgabenteilung hat sich bewährt und ist den Strafverfolgungsbehörden zudem auch bekannt. Der Entwurf verzichtet jedoch darauf, hier die mögliche organisatorische Gliederung des Dienstes zu regeln, da der Bundesrat gestützt auf das Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz (s. Art. 43 Abs. 2 RVOG; SR 172.010, AS 1997 2022} die Kompetenz hat, die organisatorische Ausgestaltung der Bundesverwaltung zu regeln.

212.2.

212.21

2. Abschnitt: Verfahren der Überwachung Artikel 3 Voraussetzungen

Der geltende Artikel 179°=''« Absatz 2 StGB bestimmt, dass eine Überwachungsmassnahme genehmigt werden kann «zur Verfolgung oder Verhinderung eines Verbrechens oder eines Vergehens, dessen Schwere oder Eigenart den Eingriff rechtfertigt». Im geltenden Recht des Bundes verlangt Artikel 66 Absatz l Buchstaben b und c BStP als weitere, kumulativ zu erfüllende Voraussetzungen bestimmte Tatsachen, die die zu überwachende Person als Täterin oder Teilnehmerin verdächtig machen, sowie die Subsidiarität der Überwachungsmassnahme, das heisst es wird geprüft, ob andere Untersuchungshandlungen erfolglos geblieben sind oder die notwendigen Ermittlungen ohne die Überwachung wesentlich erschwert würden.

Die Motion der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates8 verlangte als einen ihrer Eckpunkte, dass die Voraussetzungen der Telefonüberwachung verschärft würden. Dieses Anliegen ist in der Vernehmlassung auf breite Ablehnung gestossen.

Mehrere Kantone, die CVF und die Organisationen der Strafverfolgungsbehörden haben verlangt, dass die heute geltenden Voraussetzungen beibehalten werden oder zumindest bei bestimmten Vergehen weiterhin die Überwachung möglich bleiben solle. Ein .restriktiver Deliktskatalog, wie ihn die Arbeitsgruppe Telefonüberwa-

7 8

Zu den Aufgaben des Dienstes vgl. ausführlich hinten die Erläuterungen zu Art. 9 und Art. 11.

Vom 24. Mai 1993, siehe auch den Bericht «Die Telefonüberwachung im Bund», BEI 1993 11109, und die Stellungnahme des Bundesrates, BB1199311136.

4260

-t

^^ ^A ^^

chung der GPK N forderte?, wurde nur von der SPS, den Demokratischen Juristinnen und Juristen und dem Anwaltsverband untersützt. Angesichts dieser überwältigenden Ablehnung der Anliegen der Motion hat sich der Bundesrat entschlossen, folgende Regelung vorzuschlagen: Wie bisher soll bei allen Verbrechen eine Überwachung möglich sein, wenn die weiteren Voraussetzungen dazu erfüllt sind10. Daneben soll die Anordnung möglich sein bei einem abschliessend aufgezählten Katalog von Vergehen, die als überwachungswürdig eingestuft werden. Darunter finden sich zahlreiche, die nach dem Vorentwurf als «Vergehen, welches in schweren Fällen oder bei Vorliegen besonderer Merkmale als Verbrechen bestraft» werden11, eine Überwachung zugelassen hätten. Dazu werden einige weitere Vergehen angeführt, die von zahlreichen Vernehmlassungen gefordert wurden, insbesondere auch aus dem Nebenstrafrecht. Neben der objektiven Schwere der Vergehen, die für die Aufnahme in den Katalog massgebend ist, wird auch berücksichtigt, ob die Post- und Fernmeldedienste bei der Vorbereitung oder Begehung eine wesentliche Rolle spielen können. Aus diesem Grund sind beispielsweise Artikel 180 (Drohung) und 181 (Nötigung) StGB und die entsprechenden Artikel 149 und 150 des Militärstrafgesetzes aufgenommen worden, weil diese Delikte sehr häufig mit Briefen oder Telefonaten begangen werden. Dasselbe gilt für Artikel 143bis StGB (Unbefugtes Eindringen in Datenverarbeitungssysteme), das zumeist über Femmeldeleitungen erfolgt. Ein am 2. März 1998 vom Ständerat überwiesenes Postulat Bien (97.3468) verlangt, dass die Überwachung bei der Übertretung «Missbrauch des Telefons» nach Artikel 179sePties StGB, die mit der Revision 1991 des Fernmeldegesetzes aus der Liste der überwachbaren Straftaten gestrichen wurde, wieder aufgenommen werde, weil die Identifikation des Störers in gravierenden Fällen nicht immer nach dem Fernmelderecht vorgenommen werden kann (s. Art. 45 FMG und Art. 32 Est. e FDV). Nachdem dies auch von einigen Vernehmlassungen gefordert worden ist, wird die Überwachungsmöglichkeit in Absatz l Buchstabe k wiederum eingeführt. Es wird aber gleichzeitig präzisiert, dass sie nur zulässig ist, wenn die Identifikation der Anschlüsse nicht ausreicht, um die sie benutzenden Personen zu identifizieren. Dies ist z.B. der Fall, wenn Natel D zur
Belästigung der angerufenen Personen verwendet wird und dabei im gleichen Gerät innert kurzer Zeit mehrere SIM-Karten eingesetzt werden.

Auf die Generalklausel der Bekämpfung des organisierten Verbrechens (Forderung der Motion der GPK und einiger Vernehmlassungen) kann deshalb verzichtet werden, weil die Zugehörigkeit zu einer kriminellen Organisation nach Artikel 260wr StGB als Verbrechen geahndet wird.

9

10

H

Er hätte nach einer Vorstudie der Arbeitsgruppe 15 Verbrechen und eine Generaltdausel zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens umfasst; der in die Vernehmlassung geschickte Vorentwurf sah die Überwachung vor bei allen Verbrechen und bei denjenigen Vergehen, die bei Vorliegen bestimmter Merkmale auch als Verbrechen bestraft werden.

Art. 9 StGB definiert das Verbrechen als Straftat, die mit der Höchststrafe Zuchthaus bedroht ist; nach den Vorarbeiten zur Revision des allgemeinen Teils des StGB soll die Kategorie «mit einer Höchststrafe von mehr als drei Jahren Freiheitsentzug» umschrieben werden, weil ein Systemwechsel auf eine Einheitsstrafe stattfindet.

Weggelassen davon werden Art.142 StGB (Unrechtmässige Entziehung von Energie), Art. 144 StGB (Sachbeschädigung), Art. 158 StGB (Ungetreue Geschäftsbesorgung), Art. 243 StGB (Münzverringerung), Art. 244 StGB (Einführen, Erwerben, Lagern falschen Geldes), Art. 266bls StGB (Gegen die Sicherheit der Schweiz gerichtete ausländische Unternehmungen und Bestrebungen), Art. 271 StGB (Verbotene Handlungen für einen fremden Staat) und Art. 311 StGB (Meuterei von Gefangenen).

4261

Wird in einem Rechtshilfeverfahren eine Überwachung durchgeführt, so ist in der Anordnung nicht anzugeben, welche Strafbestimmung des ausländischen Rechts massgebend ist, sondern welcher Straftat die verdächtigte Person beschuldigt würde, wenn es ein schweizerisches Strafverfahren wäre. Da der neue Artikel 18a des Rechtshflfegesetzes verlangt, dass die Voraussetzungen nach dem vorliegenden Gesetz erfüllt sein müssen, muss ohnehin geprüft werden, ob die zu verfolgende Tat in der Schweiz eine Straftat ist, bei der eine Überwachung angeordnet werden kann.

Mit der Angabe der schweizerischen Strafnorm wird es zudem der Genehmigungsbehörde ermöglicht, ohne genaue Kenntnis des Rechtshilfedossiers zu entscheiden.

Im Verwaltungsstrafverfahren werden die verfolgenden Behörden ermächtigt, Überwachungen des Postverkehrs anzuordnen, wenn es um die Verfolgung der schwersten Straftaten geht (Bst. 1). Überwachungen des Femmeldeverkehrs sollen wie bisher nicht möglich sein. Sehen Strafnormen die Beschlagnahme oder Einziehung von Vermögenswerten vor, sollen alle Behörden nach Artikel 5 Auskünfte über Postkonti und den Zahlungsverkehr einholen können, um die Beschlagnahme vorzubereiten (Bst. m). Im Verwaltungsstrafverfahren des Bundes ist der untersuchende Beamte zuständig, der auch zur Beschlagnahme ermächtigt ist. (Art. 46 VStrR). Die Genehmigungsbehörde wird dabei prüfen, ob für das in der Anordnung genannte Delikt eine Beschlagnahme möglich ist.

Zur Voraussetzung, dass ein Verbrechen oder ein Vergehen, das in Absatz l ausgeführt ist, vorliegen muss, kommen kumulativ drei weitere Voraussetzungen, damit eine Überwachung angeordnet werden kann. Der Wortlaut von Absatz 2 übernimmt im wesentlichen die geltende Gesetzgebung in Bund und Kantonen sowie die bisherige Gerichtspraxis.

Absatz 2 Buchstabe a verlangt neu, dass anstelle des blossen Tatverdachtes ein konkreter Tatverdacht gegen die zu überwachende Person vorliegen muss, sie sei Täterin oder Teilnehmerin einer in Absatz l genannten strafbaren Handlung, beziehungsweise bereite eine solche vor. Dabei liegt es im Ermessen der Genehmigungsbehörde, zu entscheiden, ob der dringende Tatverdacht durch die von der anordnenden Behörde vorgelegten Tatsachen ausreichend begründet wird oder nicht.

Absatz 2 Buchstabe b fordert, dass nur bei schweren Straftaten eine
Überwachung angeordnet wird. Zahlreiche als Verbrechen qualifizierte Straftaten sind in den meisten begangenen Fällen Kleinkriminalität, zum Beispiel Diebstähle. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit fordert jedoch, dass die einschneidende Zwangsmassnahme der Überwachung des Post- und Femmeldeverkehrs, die auch zahlreiche unbeteiligte und unbescholtene Personen erfasst, nur bei Straftaten angeordnet wird, denen die hohe Strafdrohung angemessen ist. «Schwen> muss jedoch nicht unbedingt bedeuten, dass diese Einstufung mit der Bedeutung desselben Begriffs für bestimmte Straftaten identisch ist: Die Gerichtspraxis zum verbotenen Drogenhandel spricht zum Beispiel bei einem Umsatz von mehr als 18 g reinem Kokain oder 12 g reinem Heroin von einem «schweren Fall» (Art. 19 Ziff. 2 BetmG). Die Überwachung wird dagegen kaum schon eingesetzt werden, wenn eine solche Menge Betäubungsmittel erwartet wird, sondern wird erst dann eingesetzt, wenn wesentlich grössere Mengen erfasst werden können. Im bisherigen Recht wird auch «die besondere Eigenart» der Straftat aufgeführt, die eine Überwachung rechtfertigen kann; sie «liegt zum Beispiel in der Verwendung des Telefons als Mittel der strafbaren Handlung oder in der organisierten Begehungsform der Tat»12. Im Vorentwurf wurde diese Umschreibung 12

So die Begründung in BEI 19761 572.

4262

M ·3»

»

^^ ^A ^^

erweitert, doch wurde die ergänzte Bestimmung missverstanden, weshalb auf dieses Merkmal verzichtet werden soll. Die anvisierten Elemente können auch bei Buchstabe c subsumiert werden, wenn begründet werden muss, weshalb andere Ermittlungen wenig erfolgversprechend sind, zum Beispiel weil die massgebenden Aussagen über die Straftat am Telefon gemacht werden könnten.

Überwachungsmassnahmen sollen, um verhältnismässig zu sein, nur eingesetzt werden, wenn dabei auch eine Aussicht auf Erfolg besteht. Gerade in jenen Fällen, in denen eine strafbare Handlung von mehreren Personen begangen wird, besteht eine grössere Chance, dass die Beteiligten auch über ein Delikt sprechen. In denjenigen Fällen, in denen der Verdacht besteht, die strafbare Handlung werde bandenmässig begangen, ist deshalb eine Überwachung auch möglich, wenn nicht jede einzelne Straftat eine solche rechtfertigen würde (s. auch Art. 7 Abs. 4).

Als letzte der kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen nennt Absatz 2 Buckstabe c die Subsidiarität der Überwachungsmassnahme: Entweder müssen andere Untersuchungshandlungen erfolglos geblieben sein oder die Ermittlungen würden ohne die Überwachung aussichtslos oder unverhältnismässig erschwert. Es wird jedoch keine absolute Subsidiarität gefordert13, sondern nur, dass erfolgversprechende andere Untersuchungshandlungen nicht zur Verfügung stehen. Sofern eine Überwachung angeordnet werden soll, weil sonst die notwendigen Ermittlungen wesentlich erschwert würden, muss Not in Verzug sein, d.h. ohne die Überwachung wäre der Ermittlungserfolg in hohem Masse gefährdet. Zu beachten ist weiterhin, dass die beiden Halbsätze von Buchstabe c nicht nur zeitlich verstanden werden dürfen. Insgesamt soll sichergestellt werden, dass zum Beispiel eine Telefonübenvachung als Ultima ratio nur dann durchgeführt wird, wenn im Zeitpunkt der Anordnung auch Aussicht besteht, eine Straftat aufklären oder die Fahndung nach möglichen Täterinnen und Tätern erfolgreich abschliessen zu können.

Grundsätzlich ist bei Fernmeldeüberwachungen der Anschluss der verdächtigten Person zu überwachen und nur in begründeten Ausnahmefällen der Anschluss von Drittpersonen. Nach Artikel 3 Absatz 3 kann die Überwachung einer Drittperson angeordnet werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen angenommen werden muss, dass über den Post- oder
Femmeldedienst für eine beschuldigte Person bestimmte oder von ihr herrührende Sendungen oder Mitteilungen entgegengenommen oder weitergegeben werden oder dass diese die Postadresse oder den Fernmeldeanschluss der Drittperson benützt.

Zum Begriff der Drittperson: Eine Femmeldeüberwachung betrifft immer einen bestimmten Anschluss und somit dessen Inhaberin oder Inhaber. Die Anordnung nennt diese deshalb als zu überwachende Person und sie geniesst deshalb auch den Rechtsschutz nach Artikel 8. Ist eine juristische Person Inhaberin und muss eine in ihren Diensten stehende verdächtigte Person überwacht werden, so muss die Massnahme immer als Überwachung einer Drittperson angeordnet werden. Dasselbe gilt, wenn in einem Haushalt eine andere Person als die Inhaberin oder der Inhaber des Anschlusses verdächtigt wird und deshalb zum Beispiel der Telefonanschluss der Eltern überwacht werden muss, weil gegen ein bei ihnen lebendes Kind wegen unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln ermittelt wird. Daneben gilt natürlich auch als Drittperson, wer einen Tatverdächtigen vorübergehend beherbergt, ihn ihren An-

13

So hält auch die GPK des Nationalrates im Bericht Telefonübenvachung fest, dass eine - andere Untersuchungshandlung, die Observation, in der Praxis in aller Regel gleichzeitig eine Telefonüberwachung zwingend erfordert (vgl. dazu BBI1993 11124 f.).

4263

schluss benutzen lässt oder von ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit Mitteilungen erhält. ' Gegen Drittpersonen soll die Güterabwägung so erfolgen, dass die Überwachung restriktiver eingesetzt wird als bei Tatverdächtigen. So soll beispielsweise eine Überwachung von Drittanschlüssen erst bewilligt werden, wenn die Überwachung mutmasslicher Täteranschlüsse erfolglos geblieben ist oder keine Erfolgsaussichten verspricht, zum Beispiel weil die tatverdächtige Person geflüchtet ist und deshalb ihren Telefonanschluss nicht braucht. Dasselbe gilt, wenn zu befürchten ist, dass sich die tatverdächtige Person bei einer angehörigen oder bekannten Person, die nicht Berufsgeheimnisträgerin ist, mit hoher Wahrscheinlichkeit melden und über die Straftat unterhalten wird. Ist die Kontaktperson selber auch verdächtigt, dann soll sie nicht als Drittperson, sondern als Beschuldigte überwacht werden.

Eine Öffentliche Fernmeldestelle14 kann überwacht werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen angenommen werden muss, dass die verdächtigte Person diese selbst benutzt oder benutzen lässt, um Mitteilungen entgegenzunehmen oder weiterzugeben (Art. 3 Abs. 4). Da bei der Überwachung einer öffentlichen Fernmeldestelle aber in die Persönlichkeitsrechte einer unbestimmten Zahl von Benutzerinnen und Benutzern eingegriffen wird, sind die anordnenden Behörden aufgrund von Artikel 3 Absatz 8 verpflichtet, geeignete Vorkehren zu treffen, die verhindern, dass die mit den Ermittlungen befassten Personen von Aufzeichnungen Kenntnis nehmen können, die nicht mit dem Gegenstand der Ermittlungen in Zusammenhang stehen.

Eine gleiche Regelung wie für öffentliche Fernmeldestellen wird für andere Femmeldeanlagen getroffen, die keiner bestimmten Person zugeordnet werden können.

Wenn ein überwachter Täter einen solchen Anschluss anruft und mit einem Mittäter kommuniziert, wie es vor allem unter Drogenhändlern üblich ist, dann kann dieser auch überwacht werden. Stammt die Information über den betreffenden Anschluss aus andern Ermittlungshandlungen als der laufenden Überwachung, zum Beispiel aus einer Durchsuchung oder einer rückwirkenden Teilnehmeridentifikation, ist vorerst nicht klar, ob der Anschluss eines Mittäters oder einer Drittperson überwacht wird. Deshalb ist es sinnvoll, dass nur der Anschluss selber in der Anordnung genannt ist; wird
die Person auch durch die Überwachung nicht identifiziert, hat dies natürlich Auswirkungen auf die Mitteilung der Überwachung (Art. 8 Abs. 2), die nicht erfolgen kann.

Aufgrund dieser Verpflichtung erübrigt es sich, generelle Präzisierungen und Eingrenzungen bezüglich öffentlicher Femmeldestellen zu machen. Geeignete Vorkehren könnten in diesen Fällen zum Beispiel darin bestehen, dass nur Gespräche in einer bestimmten Sprache oder zu bestimmten Zeiten aufgezeichnet werden.15 Oft wird eine Telefonkabine auch gleichzeitig beobachtet, womit sofort entschieden werden kann, ob eine verdächtigte Person sich anschickt zu telefonieren und deshalb das Gespräch aufzuzeichnen ist.

Die Frage der Schutzvorkehrungen stellt sich noch verstärkt in Zusammenhang mit der Überwachung einer Person, die nach dem anwendbaren Verfahrensrecht als Berufsgeheimnisträgerin zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist. Artikel 3 Absatz 5 be14

15

Als öffentliche Femmeldestellen gelten öffentliche Sprechstellen (z.B. Telefonkabinen oder Telefone in Restaurants) sowie weitere Einrichtungen, die öffentlich zugänglich den Gebrauch anderer Femmeldcdienste ermöglichen (z.B. PubHfox).

Zudem kann die zuständige Genehmigungsbehörde gemäss Art. 6 Abs. 3 zusätzliche Schutzvorkehrungen treffen, wenn sie die Vorkehrungen der anordnenden Behörde als ungenügend erachtet.

4264

·£

^ JA ^^

stimmt, dass eine Überwachung nur angeordnet werden kann, wenn die Person selber dringend verdächtig ist oder wenn aufgrund bestimmter Tatsachen angenommen werden muss, dass eine beschuldigte Person ihren Femmeldeanschluss benützt. Dieser Fall liegt insbesondere dann vor, wenn die tatverdächtigte Person als Familienangehörige oder Angestellte berechtigt ist, den Femmeldeanschluss zu benützen.

Wenn, wie es die Motion Stucky forderte, ein gesetzliches Verbot der Überwachung von Berufsgeheimnisträgern als Drittperson erlassen würde, könnten Straftäter an einer sehr hohen Zahl von Anschlüssen mit Komplizen kommunizieren, ohne dass sie eine Überwachung fürchten müssten16.

Beispiel: Wenn eine Arztgehilfin des Drogenhandels verdächtigt wird, muss sie möglicherweise nicht nur zuhause, sondern auch an ihrem Arbeitsplatz überwacht werden. Auf diesem Anschluss werden vom Arzt auch die Berufsgeheimnisse mit Patienten oder Kollegen besprochen. Es ist sogar möglich, dass ausserhalb der Arbeitszeit zwischen dem Arzt und der Gehilfin Rückfragen zu Tatsachen, die das ärztliche Geheimnis betreffen, über den Privatanschluss der Gehilfin erfolgen. Für beide Anschlüsse kann deshalb zum Beispiel als Schutzmassnahme angeordnet werden, dass der anordnenden Behörde keine aufgezeichneten Gespräche ausgeliefert werden, an denen der Arzt teilnimmt.

Die Überwachung ist jedoch ausgeschlossen, wenn zum Beispiel nur vermutet wird, die verdächtige Person werde ihrer Anwältin telefonieren; für diesen Fall überwiegt das Interesse am Schutz des Berufsgeheimnisses. Benutzen des Anschlusses bedeutet, dass ihn die verdächtigte Person selber benutzt; das Entgegennehmen von Mitteilungen der verdächtigten Person, das bei andern Drittpersonen einen Überwachungsgrund darstellen kann, wird bei den Berufsgeheimnisträgerinnen und -trägem explizit ausgeschlossen. Die anordnenden Behörden sind auch hier aufgrund von 'Absatz 8 verpflichtet, geeignete Vorkehren zu treffen, die verhindern, dass die mit den Ermittlungen befassten Personen von Aufzeichnungen Kenntnis nehmen können, die mit dem Berufsgeheimnis oder nicht mit dem Gegenstand der Ermittlungen in Zusammenhang stehen. Die anordnende Behörde muss der Genehmigungsbehörde berichten, welche Schutzvorkehren sie trifft; die Genehmigungsbehörde ist zudem gemäss Artikel 6 Absatz 3 berechtigt,
zusätzliche Schutzvorkehrungen zu treffen.

Diese Schutzvorkehren können nicht generell-abstrakt für alle Fälle gleich umschrieben werden, sondern müssen dem Einzelfall angepasst und auch den Bedürfnissen der Strafverfolgungsbehörden gerecht werden. Diese Massnahmen können beispielsweise darin bestehen, dass der Dienst angewiesen wird, nur Aussagen mit möglicher Beziehung zum Delikt, die nicht mit dem Berufsgeheimnis in Zusammenhang stehen, zu Papier zu bringen und auszuliefern. Können jedoch keine Aussonderungskriterien angegeben werden, die eine polizeilich oder juristisch nicht geschulte Person anwenden kann, wäre es zum Beispiel möglich, die aufgezeichneten Informationen auch durch eine der Untersuchungsbehörde angehörende Person zu triagieren, die sich nicht mit dem entsprechenden Fall befasst. Diese Person muss dafür sorgen, dass Berufsgeheimnisse, die durch die Überwachung erkennbar erfasst werden und dem Zeugnisverweigerungsrecht unterliegen, sofort aus den Verfahrensakten ausgesondert werden (Art. 7 Abs. 3). So würde beispielsweise innerhalb der Bundesanwaltschaft eine Person mit der Triage betraut, die Gespräche von Berufs16

Wir schätzen, dass es in der Schweiz etwa 200000 Berufsgeheimnisträgerinnen und -träger mit Zeugnisverweigerungsrecht gibt, die zumeist mehrere Fernmeldeanschlüsse abonniert haben.

4265

geheimnisträgerinnen und -trägem auf die rechtmässige Verwendung im Verfahren beurteilt, selber aber nicht an der Führung der betreffenden Strafverfahren beteiligt ist. Wenn die mit der Triage betraute Person nicht selber Richterfunktionen ausübt, z.B. in Fällen, in denen nichtgeläufige Fremdsprachen erfasst werden müssen, soll sie ihre Aufgabe unter der Kontrolle einer richterlichen Behörde erfüllen.

Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am 25. März 1998 eine Beschwerde gegen die Schweiz gutgeheissen, mit welcher die Überwachung des Fernmeldeverkehrs eines Anwalts gerügt worden ist. Die Überwachung war 1989 erfolgt, um einen unbekannten Beamten zu ermitteln, der möglicherweise in Verletzung des Amtsgeheimnisses dem Anwalt ein Dokument aus einem Rechtshilfeverfahren zur Weiterleitung ins Ausland übergeben hatte. Der Gerichtshof kommt im Urteil 13/1997/797/1000 zum Schluss, dass zwar eine Rechtsgrundlage für den schweren Eingriff in die persönliche Geheimsphäre bestehe, dass diese aber zu wenig klar und der Eingriff zu wenig vorhersehbar sei. Er beanstandet auch, dass die Triage durch einen Angestellten der PTT und nicht unter der Kontrolle eines Magistraten erfolgte.

Der vorliegende Gesetzesentwurf entspricht den Anforderungen, die der Gerichtshof stellt: Ein Anwalt kann als Berufsgeheimnisträger nur überwacht werden, wenn er selber verdächtigt wird oder wenn die verdächtigte Person seinen Anschluss benützt.

Das bedeutet, dass in allen diesen Fällen die verdächtige Person Zielperson der Überwachung ist und in der Triage nur ihre Gespräche für das Verfahren ausgeschieden werden. Der Anwalt wäre nur deshalb in der Anordnung aufgeführt, weil er als Inhaber des Anschlusses miterfasst wird. Die Triage könnte, sobald die Stimmen der Personen identifiziert sind, die den Anschluss benützen, alle Gespräche unverdächtigter Personen ausscheiden. Auch die Anforderung, dass eine Magistratsperson die Triage leitet, könnte nach Absatz 8 erfüllt werden. Wir schreiben dies zwar nicht ausdrücklich vor, doch wäre dies bei der Überwachung eines Anwalts sicher sachlich angebracht; wird dagegen eine öffentliche Fernmeldestelle überwacht, um die Gespräche von Drogenhändlern in einer wenig bekannten Fremdsprache festzustellen, dann wird nicht eine Magistratsperson eingesetzt, sondern eine Person, welche
diese Sprache beherrscht. In anders gelagerten Fällen muss die Triage beispielsweise einem Spezialisten der Polizei übertragen werden, der jedoch im übrigen nicht mit dem Verfahren befasst sein darf.

Diese Filterfunktion zwischen den Abhörvorgängen und der Untersuchungsleitung wird einerseits wichtig, da der Trend heute Richtung Direktschaltungen geht. Andererseits sehen verschiedene kantonale Strafprozessordnungen das Unmittelbarkeitsprinzip vor. Um dem Anspruch auf Abspielen der Originalbänder vor Gericht genügen zu können, verlangen die zuständigen Strafuntersuchungsbehörden oft die integrale Herausgabe der Bänder, die sie dann auch selber auswerten.

Für Direktschaltungen sah der Vorentwurf als Voraussetzung eine besondere Genehmigung vor. Diese würde erteilt, wenn das unmittelbare Mithören des Femmeldeverkehrs für die Ermittlungen erforderlich ist, insbesondere bei zeitlicher Dringlichkeit. So muss beispielsweise in Zusammenhang mit unerlaubtem Betäubungsmittelhandel sofort reagiert werden, um die verdächtigen Personen verhaften zu können.

Die Vemehmlassung ergab, dass beim Bund und bei vielen Kantonen heute als Regel Direktschaltungen angeordnet werden und auch geeignete Aufzeichnungsvorrichtungen vorhanden sind. Die Direktschaltung dient also kaum je dem direkten Mithören, sondern nur der unmittelbaren Zuleitung, und sie ist auch viel sicherer, als wenn die Bänder oder Transkriptionen mit der Post oder per Kurier überbracht wer4266

^^ I^P

^^ |fe ^^

den. Es ist deshalb kaum zu rechtfertigen, dass für die Direktschaltung eine besondere Genehmigung erforderlich sein soll. Die Anordnung muss sich jedoch über die Direktschaltung aussprechen, damit die Genehmigungsbehörde allenfalls Schutzmassnahmen anordnen kann (Art. 6 Abs. 3).

Bei einer Überwachung einer öffentlichen Fernmeldestelle sollen Direktschaltungen nur in Ausnahmefallen angeordnet werden. Dies kann jedoch nicht ganz ausgeschlossen werden, wenn zum Beispiel bei einer observierten öffentlichen Femmeldestelle mittels direktem Mithören sofort entschieden werden muss, ob ein Gespräch für die Strafuntersuchungsbehörden relevant ist oder nicht oder ob sogar ein Zugriff auf die telefonierende Person notwendig ist.

Zudem kann es vorkommen, dass ein Kanton wegen personellen Engpässen über Wochenenden oder Feiertage eine Direktschaltung zu sich oder zu den Zentralstellendiensten des Bundesamtes für Polizeiwesen verlangt, damit die'Arbeit der StrafVerfolgungsbehörden am ersten Werktag unverzüglich weitergeführt werden kann.

Aufgrund neuer Entwicklungen im Fernmeldewesen werden sich in Zukunft bei der Überwachung bestimmter Teilnehmerinnen und Teilnehmer technische Sonderfälle ergeben. Moderne Vermittlungssysteme ermöglichen es, jederzeit Anrufe an eine bestimmte Nummer auf einen andern Anschluss umzuleiten oder von einem andern Anschluss aus auf Rechnung der eigenen Nummer Informationen zu übertragen («Follow me», «One numbeD>). In solchen Fällen muss die Überwachung bei den persönlichen Telefonnummern und nicht bei den benützten Anschlüssen ansetzen.

Durch deren häufigen Wechsel (eine Anschlussänderung lässt sich in wenigen Sekunden bewerkstelligen) könnte faktisch die Überwachung verunmöglicht oder zumindest erschwert werden. Für einen solchen Wechsel soll künftig nicht eine neue Anordnung getroffen und der Genehmigungsbehörde unterbreitet werden müssen.

Artikel 13 Absatz l berücksichtigt diese Besonderheit der persönlichen Telefonnummer, indem er die Anbieterinnen verpflichtet, den Fernmeldeverkehr «der überwachten Person» zuzuleiten. Die Anbieterinnen müssen deshalb durch technische Vorkehren sicherstellen, dass die Überwachung nur den Fernmeldeverkehr der in der Anordnung aufgeführten Nummer erfasst und nicht auch den übrigen Verkehr des Anschlusses, auf den die Umleitung erfolgt. Müsste
dieser Fernmeldeverkehr auch überwacht werden, wäre die Überwachung besonders anzuordnen.

In der Vernehmlassung wurde von Strafverfolgungsbehörden darauf hingewiesen, dass in letzter Zeit in Banden von Straftätem rasch und systematisch Mobiltelefone ausgetauscht oder SIM-Karten ausgewechselt würden und deshalb die Überwachung mit einer Anordnung in jedem Einzelfall fast immer zu spät komme. Dieser Tatsache soll mit Absatz 6 Rechnung getragen werden, indem in diesen Fällen eine auf unbestimmte Adressen oder Fernmeldeanschlüsse lautende Anordnung getroffen und genehmigt werden kann. Es sind in diesen Fällen, die vor allem bei der Bekämpfung des Drogenhandels auftreten, bestimmte Fernmeldeanschlüsse zu überwachen, die von unbekannten Personen benutzt werden, die jedoch einem Kreis von Verdächtigen angehören. Um Fehler zu verhindern, muss jeder Wechsel der Überwachung auf eine andere Nummer dem Dienst als Überwachungsanordnung mit reduziertem Inhalt mitgeteilt werden. In der Vernehmlassung wurde angeregt, noch weitergehende «Rahmenbewilligungen» zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs vorzusehen. Wir schlagen jedoch vor, um die Genehmigungspflichten nicht auszuhöhlen, diese Sonderregel auf den Femmeldeverkehr zu beschränken.

4267

Der Entwurf verzichtet auf einen Vorbehalt zugunsten der Mitglieder des Nationalund des Ständerates und der von der Bundesversammlung gewählten Behördenmitglieder und Magistratspersonen, da ohnehin Artikel 14bîs VG gilt.

212.22

Artikel 4 Auskünfte über den Post- und Fernmeldeverkehr

In vielen Strafverfahren haben die Informationen über die am Post- und Fernmeldeverkehr beteiligten Personen, die Art und Dauer der Verbindung sowie den Standort der Fernmeldeanlage eine fast ebenso grosse Bedeutung wie die Kenntnis der übermittelten Gegenstände oder Nachrichten. Die darüber geführten Verkehrs- und Rechnungsdaten (s, zum Begriff oben zu Art. 1) werden als Belege für den stattgefundenen Verkehr und im Fernmeldebereich insbesondere auch für die Rechnungsstellung verwendet. Sie werden eine gewisse Zeit aufbewahrt, und es ist deshalb möglich, den anordnenden Behörden auch Auskunft über den Post- und Fernmeldeverkehr in der Vergangenheit zu geben.

Zahlreiche Vemehmlassungen haben gezeigt, dass darüber Unklarheiten bestehen, weshalb im Entwurf ein besonderer Artikel darüber aufgenommen wird. Die Tatsache, wann" wer mit wem wie lange kommuniziert hat, untersteht dem Post- und Fernmeldegeheimnis. Auskünfte darüber können deshalb nicht in einem formlosen Verfahren erteilt werden, wie dies in der Vernehmlassung verschiedentlich gefordert wurde. Vor allem die rückwirkende Teilnehmeridentifikation ist ein nicht unerheblicher Eingriff in die persönliche Geheimsphäre, währenddem die mit einer Überwachung fortlaufende Teilnehmeridentifikation die Eingriffsintensität nicht erhöht. Es ist deshalb an der Anordnung unter den Voraussetzungen des Artikels 3 festzuhalten. Die Dauer ist auf sechs Monate festgelegt, weil dies dieselbe Dauer ist, während welcher die Anbieterinnen die Verkehrs- und Rcchnungsdaten aufbewahren müssen (Art. 50 FDV, AS 1997 2833), um bei Meinungsverschiedenheiten über die Rechnungstellung den Beweis erbringen zu können. Nach dieser Aufbewahrungsdauer gebietet der Datenschutz, dass diese Informationen über die persönliche Geheimsphäre gelöscht werden. Absatz 2 hält ausdrücklich fest, dass die rückwirkende Teilnehmeridentifikation nicht an die Maximaldauer von drei Monaten für die laufende Überwachung angerechnet wird.

Die Teilnehmeridentifikation hat vor allem im Fernmelde- und im Zahlungsverkehr eine grössere Bedeutung. Im übrigen Postverkehr, wo die Masse der Verkehrsvorgänge nicht festgehalten wird, wird sie kaum je angeordnet, möglich wäre sie allenfalls bei eingeschriebenen Sendungen.

212.23

Artikel 5 Behörden

In Artikel 5 sind die Zuständigkeiten zur Anordnung einer Überwachung geregelt.

Zur Verfolgung einer strafbaren Handlung kann nach Buchstabe a auf Stufe Bund eine Überwachung angeordnet werden durch die Bundesanwältin oder den Bundesanwalt, die eidgenössischen Untersuchungsrichterinnen und -richter und die militärischen Untersuchungsrichter. Für kantonale Strafverfahren können wie bisher «die nach kantonalem Recht zuständigen Behörden» die Überwachung anordnen.

Praktisch sind dies zumeist die Behörden, welche die Voruntersuchung führen, d.h.

4268

^L H)

je nach Organisation der Strafrechtspflege die Untersuchungsrichter, die Staatsanwälte, die Amtsstatthalter usw.

Der bisherige Artikel 16 Absatz 2 FMG (AS 7992 581) sah vor, dass zur Verhinderung eines Verbrechens oder Vergehens «der Bundesanwalt, der Oberauditor oder der zuständige kantonale Polizeidirektor eine Überwachung anordnen können». In der Vernehmlassung ist die Anordnungskompetenz der Polizeidirektoren bekämpft worden, weil diese dazu nicht geeignet seien. Da dieses Instrument von verschiedenen Kantonen gar nicht angewendet wird und heute mehrere die Änderung des geltenden Rechts fordern, erwähnt jetzt Buchstabe b ebenfalls die «nach kantonalem Recht zuständigen Behörden». Das ermöglicht es den Kantonen, in welchen die Anträge der Polizei vom zuständigen Regierungsmitglied entschieden werden, die bisherige Ordnung weiterzuführen; die änderungswilligen Kantone17 können eine Justizbehörde damit beauftragen.

Neu sollen gemäss Buchstaben c und d die zuständigen Rechtshilfebehörden die Überwachung anordnen können. Es sind dies die Direktorin oder der Direktor des Bundesamtes für Polizeiwesen (BAP) in Auslieferungsfällen, für die andere Rechtshilfe sind es die Bundesanwältin oder die zuständige kantonale Behörde, welche das Rechtshilfeersuchen erfüllt.

212.24

Artikel 6

Genehmigungsverfahren

Das Genehmigungsverfahren ist im wesentlichen der geltenden Regelung des Bundesstrafprozesses nachgebildet, ergänzt um die sich aus der Motion der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates ergebenden Präzisierungen.

Absatz Ì nennt die Genehmigungsbehörden des Bundes und übernimmt den bisherigen Auftrag an die Kantone, eine einzige für das Kantonsgebiet zuständige Genehmigungsbehörde zu bezeichnen. Es wird hier keine Änderung des geltenden Rechts angestrebt.

Die anordnende Behörde muss gemäss Absatz 2 Buchstabe a die Überwachungsanordnung spätestens 24 Stunden nach Ausfertigung der Anordnungsverfügung der Genehmigungsbehörde einreichen. Die Anordnungsverfügung muss begründet sein, und zudem sind die für die Genehmigung wesentlichen Verfahrensakten beizulegen (Abs. 2 Bst. b). Damit wird sichergestellt, dass die Genehmigungsbehörde, die nach geltendem Recht in den meisten Fällen nur eine Rechtskontrolle durchführt, neu auch die Verhältnismässigkeit der Anordnung einer Überwachungsmassnahme überprüfen kann. Die in Artikel 3 Absätze l und 2 gewählten Formulierungen räumen der Genehmigungsbehörde echte Ermessensspielräume ein. Um zum Beispiel entscheiden zu können, ob bestimmte Tatsachen den dringenden Verdacht gegen die zu überwachende Person begründen, sie sei Täterin oder Teilnehmerin einer strafbaren Handlung, braucht die-Genehmigungsbehörde die wesentlichen Verfahrensakten.

Absatz 3 regelt die Kompetenzen der Genehmigungsbehörde: Sie prüft, ob der Eingriff gerechtfertigt ist und entscheidet mit kurzer Begründung innert fünf Tagen seit der Anordnung der Überwachung. Der Bundesrat wird in der Verordnung die Aus17

Es handelt sich um die Kantone Bern, Luzern, Zug, Basel-Stadt und Thurgau, die den Polizeidirektoren als ungeeignet betrachten; zudem haben sich die Liberale Partei, die Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten, die Konferenz der Strafverfolgungsbehörden der Schweiz und die Vereinigung der Kriminalpolizeichefs so ausgesprochen.

4269

arbeitung eines differenzierten Formulars vorschreiben18, das sicherstellt, dass alle notwendigen Angaben in der Anordnung enthalten sind. Der Genehmigungsentscheid soll zukünftig nicht einfach mittels Vermerk auf dem Formular erfolgen, sondern kurz begründet werden. Wenn die Genehmigung ohne Auflagen im Sinne der Anordnungsverfügung erteilt wird, kann sie bloss summarisch sein. Eine nähere Begründung wird hingegen notwendig sein, wenn die Überwachung nur vorläufig genehmigt, eine Ergänzung der Akten oder weitere Abklärungen verlangt werden sowie wenn zusätzliche Schutzvorkehrungen zu treffen sind. Würde für alle Fälle eine ·detaillierte Begründung des Genehmigungsentscheids verlangt, müsste die Frist von fünf Tagen, innerhalb deren nicht nur der Entscheid vorzunehmen, sondern auch zu begründen ist, verlängert werden.

Bis Ende 1997 standen die PTT-Betriebe nur mit der anordnenden Behörde in Kontakt. Seit der Arbeitsaufnahme durch den Dienst am 1. Januar 1998 zeigte sich, dass Anwendungsprobleme entstehen können, insbesondere wenn die Genehmigung der Überwachung mit Auflagen erfolgt. Es wird deshalb in Artikel 6 Absatz 3 fünfter Satz festgehalten, dass die Genehmigungsbehörde verpflichtet ist, ihren Entscheid umgehend dem Dienst mitzuteilen.

Die Genehmigung wird für höchstens drei Monate erteilt, eine Verlängerung nach Ablauf dieser Dauer ist möglich. Drei Monate reichen in den meisten Fällen aus, weshalb die bisher für den Bund geltende Maximaldauer von sechs Monaten gekürzt werden kann; die rückwirkende Teilnehmeridentifikation kann dagegen bis maximal sechs Monate verlangt werden (s. Art. 4 Abs. 2).

Es soll möglich bleiben, dass eine angeordnete Überwachung bereits vor der Genehmigung vollzogen wird. Wird diese aber nicht erteilt, muss die anordnende Behörde gemäss Absatz 4 sofort sämtliche Aufzeichnungen aus den Verfahrensakten aussondern und vernichten. Damit für die überwachte Person kein Schaden19 entsteht, präzisiert der zweite Satz von Absatz 4, dass alle Erkenntnisse, die allenfalls durch die Überwachung gewonnen wurden, weder für die Ermittlung noch zu Beweiszwecken verwendet werden dürfen.

Absatz 5 bestimmt, dass die anordnende Behörde vor Ablauf der bewilligten Überwachung falls notwendig einen Verlängerungsantrag zu stellen hat, in dem sie über die bisherigen Ergebnisse des Verfahrens
berichtet und die Verlängerung begründet.

Dabei wird es nicht genügen, dass die anordnenden Behörden bloss darlegen, die Überwachung sei noch nicht erfolgreich gewesen, vielmehr müssen sie glaubhaft machen, dass nur bei einer Verlängerung Aussicht besteht, die Straftat aufklären oder die Fahndung nach möglichen Täterinnen und Tätern erfolgreich abschliessen zu können. In der Vernehmlassung wurde die vorgesehene Einreichungsfrist fünf Tage vor Ablauf kritisiert. Sie ist deshalb nicht mehr aufgeführt, doch ist festzuhalten, dass der Dienst eine Überwachung von sich aus ausschaltet, bzw. die Anbieterin von Postdiensten die Überwachung einstellt, wenn bei Ablauf der maximalen Dauer keine genehmigte Verlängerung vorliegt.

18 19

Vgl. Empfehlung 4 im Bericht der GPK des Nationalrates (BB1 1993 I 1122 und 1140 f.).

Zudem ist auch diese bereits durchgeführte, aber nicht bewilligte Überwachung den betroffenen Personen mitzuteilen (Art. 8).

4270

212.25

Artikel 7

Verwendung der Informationen

Grundsätzlich dürfen nur diejenigen mit einer Überwachung gewonnenen Informationen verwendet werden, die mit dem Gegenstand der Ermittlungen in Zusammenhang stehen. Sofem Aufzeichnungen von Informationen erfolgen, die sich für das Verfahren als nicht notwendig erweisen, müssen diese gemäss Absatz l gesondert von den Verfahrensakten aufbewahrt und unmittelbar nach Abschluss des Strafverfahrens20 vernichtet werden. Die Triage der für das Verfahren nicht notwendigen Aufzeichnungen kann aber kaum je Sache des Dienstes sein, da dieser in der Praxis oft nicht in der Lage ist, eine Filterfunktion fallgerecht und gesetzeskonform wahrzunehmen, weil seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die übrigen Verfahrensakten nicht kennen. Für die Aussonderung sowie die Vernichtung der Akten ist diejenige Behörde zuständig, die im dafür massgebenden Zeitpunkt die Verfahrensherrschaft innehat. Der Dienst kann diese Triage nur vornehmen, wenn aus der Anordnung eindeutig hervorgeht, welche Gespräche benötigt werden. Artikel 7 Absatz J richtet sich deshalb an die für die Anordnung einer Überwachung zuständigen Behörden und meist nicht an den Dienst. Bestehen konkrete Schutzbedürfnisse, zum Beispiel bei Überwachung von Personen, die zur Wahrung des Berufsgeheimnisses verpflichtet sind, werden die Massnahmen nach Artikel 3 Absatz 8 getroffen und können die Erkenntnisse nur nach Absatz 4 weiter verwendet werden.

In der Regel erfolgt eine erste Aussonderung bereits bei der anordnenden Behörde.

Je nach den getroffenen Vorkehren, die verhindern, dass die mit den Ermittlungen befassten Personen von Aufzeichnungen Kenntnis nehmen können, die mit dem Berufsgeheimnis oder nicht mit dem Gegenstand der Ermittlungen in Zusammenhang stehen, wird zum Beispiel von einer Person, die nicht am Verfahren beteiligt ist, eine Abschrift des Gesprächs erstellt und die restlichen Aufzeichnungen, inkl. Originaltonband, gesondert von den Verfahrensakten aufbewahrt. ' In der Vernehmlassung ist geltend gemacht worden, es verstosse gegen die Unmittelbarkeit des Urteilsverfahrens und gegen die freie Beweiswürdigung, wenn schon im Untersuchungsstadium bestimmte Aufzeichnungen ausgesondert würden. Diese Befürchtung ist unbegründet, denn «für das Strafverfahren nicht notwendig» sind nach Absatz l insbesondere die Gespräche, die von andern als den
Zielpersonen geführt werden, zum Beispiel in einer öffentlichen Fernmeldestelle oder durch sicherlich unverdächtige Familienangehörige. Diese Personen haben einen unbedingten Anspruch darauf, dass mit der Aktenöffnung ihre persönliche Geheimsphäre nicht den Parteien geöffnet wird. Personen, mit denen die verdächtigte Person kommuniziert hat, sind dagegen weniger schutzwürdig, weil zumindest der später Angeschuldigte den Inhalt schon kennt. Soweit eine Überwachung wirklich nur den Post- und Femmeldeverkehr der verdächtigten Person betrifft, ist Absatz Ì nicht eng auszulegen, dies insbesondere auch deshalb, weil die von den Untersuchungsbehörden als nicht relevant erachteten Aufzeichnungen vom Beschuldigten als entlastend angesehen werden könnten.

Die Vernichtung der durch den Dienst ausgehändigten Aufzeichnungen, die nach einer ersten Einschätzung nicht für das Verfahren notwendig sind, kann aus diesen Gründen nicht sofort erfolgen, weil diese zur Beurteilung von Schutzbehauptungen, aber auch aufgrund des sich aus dem in einigen kantonalen Strafprozessordnungen 20

Bei Überwachungen nach Art. 18a IRSG (vgl. dazu hinten die Erläuterungen zum Rechtshilfegesetz) ist der Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtshilfeverfahrens massgebend.

4271

vorgesehenen Unmittelbarkeitsprinzip ergebenden Anspruches auf Abspielen der Originaltonbänder vor Gericht, beispielsweise in einem Appellationsverfahren, noch erforderlich sind. Zudem müssen allfällige Anträge zu Entlastungsbeweisen behandelt, beziehungsweise auch Schutzbehauptungen in einem Rechtsmittelverfahren noch widerlegt werden können. Die Vernichtung kann deshalb bis nach Abschluss des Verfahrens aufgeschoben werden. Als Abschluss eines Urteilsverfahrens gilt die Rechtskraft des Urteils. Die Einstellung des Verfahrens in der Untersuchungsphase entfaltet keine Rechtskraft, zum Beispiel wenn sie wegen Flucht des Täters in einen Staat erfolgt, aus welchem er nicht ausgeliefert wird. Das Verfahren kann später wieder aufgenommen werden, doch rechtfertigt es sich nicht, im Hinblick auf einen solchen Fall Aufzeichnungen über Drittpersonen im Dossier zu belassen, die nach menschlichem Ermessen nichts mit dem Verfahren zu tun haben. Eine solche Aufbewahrung wäre mit dem Recht auf persönliche Geheimsphäre dieser Personen nicht zu vereinbaren. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage der Aufbewahrungspflicht der Tonbänder einer Telefonüberwachung. Wie bis anhin die PTT-Betriebe soll auch der Dienst nicht zur Aufbewahrung der Bänder verpflichtet werden. Es bleibt Sache der Anordnungsbehörde, die erforderlichen Originaltonbänder herauszuverlangen und aufzubewahren. Die Löschung der Bänder durch den Dienst erfolgt damit wie bisher, in der Regel nach 14 Tagen.

Bei Überwachungen zur Verhinderung einer Straftat (Art. 5 Bst. b) gilt als Abschluss des Verfahrens die Einstellung der Überwachung, wenn kein Strafverfahren eröffnet wird. Wird während oder unmittelbar nach der Überwachung ein Verfahren eröffnet, wird dessen Abschluss massgebend.

Absatz 2 bestimmt, dass die bei einer Überwachung des Postverkehrs erfassten Sendungen wie Briefe, Post- oder Ansichtskarten, Pakete, Telegramme usw. sowie angewiesene Beträge und Guthaben sichergestellt werden können, solange dies für das Verfahren notwendig ist. Sobald es der Zweck des Verfahrens erlaubt, ist die Adressatin oder der Adressat zu informieren, zum Beispiel mittels Kopie eines Briefes.

Das Original ist möglichst rasch herauszugeben. In Frage kommt aber auch die Beschlagnahme oder die Einziehung.21 Werden durch die Überwachung erkennbar Berufsgeheimnisse
erfasst, die dem Zeugnisverweigerungsrecht unterliegen, so müssen diese Tatsachen gemäss Absatz 3 sofort aus den Verfahrensakten ausgesondert werden. Diese Aufzeichnungen werden ebenfalls nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens vernichtet. Damit sie zu Beweiszwecken verwendet werden dürfen, ist die Zustimmung der Genehmigungsbehörde erforderlich, die dabei eine Güterabwägung vornimmt zwischen dem Berufsgeheimnis, welches auch Artikel 321 StGB nicht absolut schützt, und den Interessen der Strafverfolgung.

Hingegen wurde darauf verzichtet, für Personen, die wegen der Verwandtschaft zur Zeugnisverweigerung berechtigt sind, eine Zustimmung für die Verwendung der durch eine Überwachung erfassten Informationen vorzusehen. Eine solche Vorschrift wäre auch kaum praktikabel, da gerade das Vorliegen oder Fehlen von verwandtschaftlichen Beziehungen oft nur schwer und wenn überhaupt erst nachträglich beurteilt werden kann.

Die Verwertung von Zufallsfunden ist in Absatz 4 geregelt. Werden durch die Überwachung nur andere strafbare Handlungen als die in der Anordnung aufgeführten bekannt (von der verdächtigten Person oder von Drittpersonen), dürfen die 21

Auf Stufe Bund nach Art. 65 BStP bzw. Art. 70 BStP.

4272

·*

j^h ^^

Erkenntnisse nur verwendet werden, wenn für die Verfolgung dieser Taten auch eine Überwachung hätte angeordnet werden können. Erfüllt sein müssen die Voraussetzungen gemäss Artikel 3 Absätze l und 2 Buchstabe b. Die beiden andern in Artikel 3 Absatz 2 genannten Voraussetzungen dringender Tatverdacht (Art. 3 Abs. 2 Bst. a) und Subsidiarität (Art. 3 Abs. 2 Bst. c) werden durch den Zufallsrund obsolet, da dieser den dringenden Tatverdacht begründet und weitere Untersuchungshandlungen ausgelöst werden. Keine Einschränkung der Verwendung der Informationen besteht jedoch, wenn über die überwachte Person neben der Tat, die zur Überwachung geführt hat, weitere Straftaten bekanntwerden. Diese dürfen auch dann geahndet werden, wenn sie allein keine Überwachung gerechtfertigt hätten. Bei andern Ermittlungshandlungen, zum Beispiel Hausdurchsuchungen, kommt es ebenfalls häufig vor, dass weitere Straftaten erkannt werden. Die Zielperson kann vom Privileg der Nichtverwertung von Zufallsfunden nur profitieren, wenn sie überhaupt keine Straftat begangen hat, welche die Überwachung rechtfertigen würde. Diese Verwendung weiterer «Funde» beim Verdächtigten ergibt sich auch aus der Anzeigepflicht der Polizei und der Strafverfolgungsbehörden, wenn sie im Dienst von Straftaten Kenntnis erlangen.

Ergibt sich aus der Überwachung der Tatverdacht gegen eine Person, die in der Anordnung nicht genannt worden ist, dann sollen die Voraussetzungen, dass eine Anordnung zu Recht erfolgt wäre, von der Genehmigungsbehörde Überprüft werden.

Wird die Genehmigung nicht erteilt, müssen die Aufzeichnungen umgehend vernichtet werden.

Für die Fahndung nach gesuchten Personen dürfen gemäss Artikel 7 Absatz 5 sämtliche Erkenntnisse einer Überwachung verwendet werden. Damit soll zum Beispiel ermöglicht werden, dass die Strafverfolgungsbehörden, die während einer Überwachung zufällig den momentanen Aufenthaltsort einer zur Fahndung ausgeschriebenen Person erfahren, diese auch anhalten und verhaften können. Es ist für die Strafverfolgungsbehörden nicht zumutbar, dass sie ihr wenn auch nur zufällig erlangtes Wissen, wo sich eine gesuchte Person aufhält, nicht benutzen dürfen. Dies gilt auch für Personen, die keiner strafbaren Handlung verdächtigt, sondern aufgrund von Vermisstmeldungen gesucht werden, zum Beispiel Kinder, Kranke oder geistig verwirrte Personen.

212.26

Artikel 8 Beendigung der Überwachung, Rechtsmittel

Weil die Überwachung oft auch unbescholtene Personen trifft, ist es wichtig, dass sie umgehend eingestellt wird, sobald sie ihren Zweck erfüllt hat oder aus andern Gründen nicht mehr notwendig ist, insbesondere weil andere Ermittlungsmassnahmen zum Ziel geführt haben. Dasselbe gilt, wenn die Genehmigung oder die Verlängerung verweigert wird. Auf diese Weise kann der Grundrechtseingriff möglichst klein gehalten und die Verhältnismässigkeit gewahrt werden.

Die nachträgliche Mitteilung der Überwachung ergibt sich aus den Anforderungen der Artikel 8 (Achtung des Familien- und Privatlebens) und 13 (Recht auf eine wirksame Beschwerde) der EMRK22. Sie muss dann erfolgen, wenn sie aus der Sicht des 22

Urteile des EGMR in Sachen Klass (Serie A Nr. 28) und Malone (Serie A Nr. 82); daraufhin hat das Bundesgericht gegenüber den Kantonen die Mitteilungspflicht durchgesetzt (BGE 109 la 273) und der Bundesgesetzgeber mit der OG-Revision 1991 diese eingeführt (s. dazu BB11985 II 865).

4273

Verfahrens möglich ist. Dieser Zeitpunkt war in der Vernehmlassung sehr umstritten. Die 30-Tage-Frist nach Beendigung der Überwachung wurde fast einhellig als zu früh empfunden. Da die überwachte Person in vielen Fällen irgendwann in der Untersuchung mit den Überwachungsergebnissen konfrontiert wird, erachten wir diesen Zeitpunkt als richtig. Spätester Zeitpunkt ist demnach die Aktenöffnung zur Gewährung des rechtlichen Gehörs oder die Einstellung des Verfahrens. Es ist in den verschiedenen Strafprozessordnungen nicht einheitlich geregelt, in welcher Untersuchungsphase die vollständige Dossiereinsicht gewährt werden muss. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist es spätestens der Zeitpunkt, in welchem die Kollusionsgefahr behoben ist. Auf diese Unterschiede muss das Bundesgesetz Rücksicht nehmen.

Die Mitteilung erfolgt an die Person, gegen die sich die Überwachung gerichtet hat, d.h. gegen die Person, die gegenüber der Anbieterin des Post- oder Fernmeldedienstes als Inhaberin des Briefkastens, des Postfaches, des Kontos oder des Fernmeldeanschlusses gilt. Es kann sich folglich entweder um die Zielperson der Überwachung, die verdächtigte Person oder um eine andere Person handeln. Bei Überwachung einer öffentlichen Fernmeldestelle wird die verdächtigte Person informiert. In der Vernehmlassung wurde verlangt, dass alle von der Überwachung betroffenen Personen informiert werden. Abgesehen davon, dass dies in vielen Fällen unmöglich wäre, weil die betreffenden Personen zuerst identifiziert werden müssten, ist es auch nicht nötig. Die Mehrzahl der Informationen ist nachher für das Verfahren nicht relevant und wird deshalb nach Artikel 7 Absatz l gar nicht in das Dossier integriert.

Somit ist der Eingriff in die Privatsphäre nicht erheblich. Wird die Information im Verfahren gebraucht, so erfährt die betroffene Person dann von der Überwachung, wenn sie zu den Umständen des betreffenden Post- oder Femmeldeverkehrs befragt wird.

Die Mitteilung kann mit Zustimmung der Genehmigungsbehörde bis spätestens 30 Tage nach Abschluss des Strafverfahrens23 aufgeschoben werden (Abs. 3), wenn die Mitteilung den Zweck der Ermittlungen oder eines anderen Strafverfahrens in Frage stellen würde. Es ist insbesondere an die Kollusionsgefahr zu denken oder daran, dass sich Mittäter noch auf freiem FUSS befinden. Ist der
Aufschub nicht mehr notwendig, so erfolgt die Mitteilung zweckmässigerweise durch die zu diesem Zeitpunkt verfahrensleitende (d.h. die untersuchende oder urteilende) Behörde (Abs. 5).

Bei ihrer Zustimmung hat die Genehmigungsbehörde-freies Ermessen, ob sie den Aufschub bis zu einem bestimmten Verfahrensstadium oder zeitlich befristet bewilligt. Im letzteren Fall ist eine Verlängerung möglich, wenn der Aufschubsgrund noch besteht. Der Aufschub kann zudem nur so lange andauern, als der Anspruch auf rechtliches Gehör der Geheimhaltung entgegensteht. Werden die Erkenntnisse zur Beweisführung verwendet, ist der letzte Zeitpunkt der Mitteilung dann, wenn die Parteien vor Abschluss der Untersuchung aufgefordert werden, Untersuchungs- oder Beweisanträge zu stellen.

Es ist auch möglich, dass bestimmte Gründe gebieten, dass von einer Mitteilung überhaupt abgesehen werden muss (Abs. 4), wenn die Mitteilung nicht möglich ist oder überwiegende öffentliche oder private Interessen den Verzicht fordern. Damit die Interessenabwägung richtig vorgenommen wird, soll der definitive Verzicht auf die Mitteilung auch der Genehmigungsbehörde vorgelegt werden. Das Absehen von 23

Bei Überwachungen nach Art. Ï8a IRSG (vgl. dazu hinten die Erläuterungen zum Rechtshilfegesetz) ist der Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtshilfeverfahrens massgebend.

4274

der Mitteilung darf jedoch nicht die Parteirechte der beschuldigten Person schmälern. Aus diesem Grund ist als zusätzliche Voraussetzung aufgeführt, dass die Erkenntnisse der Überwachung nicht für das Beweis verfahren benötigt werden.

Artikel 8 Absatz 6 sieht vor, dass Personen, gegen die sich die Überwachung gerichtet hat, innert 30 Tagen nach der Mitteilung Beschwerde erheben können. Mit diesem Rechtsmittel kann fehlende Rechtmässigkeit und Unverhältnismässigkeit der Überwachung gerügt werden. Mit der Erfüllung dieser Forderung der Motion GPK wird ein Rechtsmittel zur Verfügung gestellt werden, mit welchem bereits im Untersuchungsstadium die Unangemessenheit und Unrechtmässigkeit der Überwachung gerügt werden kann; dies wird aber weiterhin auch im Hauptverfahren beim urteilenden Gericht möglich sein.

Die Rechtsmittelfrist von 20 Tagen, die der Vorentwurf vorgesehen hat, ist in der Vernehmlassung kritisiert worden. Sie wird deshalb auf die übliche Frist von 30 Tagen festgesetzt, dies insbesondere im Hinblick auf die Drittpersonen, die häufig erstmals bei dieser Mitteilung Kenntnis erhalten, dass überhaupt ein Strafverfahren im Gange ist. Wären nur beschuldigte Personen zu informieren, wäre auch eine kürzere Beschwerdefrist möglich; in vielen Prozessordnungen ist für Beschwerden gegen Untersuchungshandlungen eine zehntägige Frist vorgesehen. Weil die Überwachung ohnehin abgeschlossen ist, besteht kein Grund für diese kurze Frist.

Als Beschwerdeinstanz vorgesehen ist bei Anordnung der Überwachung durch die Bundesanwältin bzw. den -anwalt sowie die eidgenössische Untersuchungsrichterin bzw. den -richter die Anklagekammer des Bundesgerichts. Mit dieser Regelung muss ein Nachteil" in Kauf genommen werden, indem der Präsident der Anklagekammer in eine Ausstandssituation kommen kann, weil er die Überwachung genehmigt hat. Dieser Nachteil muss jedoch als Übergangslösung in Kauf genommen werden; die Lösung ist mit der Neuordnung der Bundesstrafrechtspflege24 zu finden.

Da nicht in die Organisationsautonomie der Kantone eingegriffen werden soll, bestimmen diese selbst die geeignete Beschwerdeinstanz.

Wird die Beschwerde gutgeheissen, sind sämtliche bearbeiteten Daten aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes in analoger Anwendung von Artikel 6 Absatz 4 zu vernichten.

212.3 212.31

3. Abschnitt: Überwachung des Postverkehrs Artikel 9 Aufgaben des Dienstes

Der Dienst für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs nimmt die Verbindungsfunktion zwischen den anordnenden Behörden und den Anbieterinnen von Post- und Fernmeldedienstleistungen wahr. Diese Aufgabe wurde bisher von der Generaldirektion der PTT-Betriebe erfüllt. Die Zwischenschaltung des Dienstes ist vor allem für den Fernmeldeverkehr wichtig, bei dem eine Mehrzahl von Anbieterinnen auftritt. Bei einer Überwachung des Postverkehrs erledigt der Dienst in erster Linie Koordinationsaufgaben wie formelle Prüfung des Gesuchs (Abs. l Bst. a), Anweisung der Anbieterinnen eines Postdienstes, die Überwachung verfügungsgemäss durchzuführen (Abs. l Bst. b) sowie Mitteilung der Überwachungseinstellung

24

Siehe den Vorentwurf zu einem Bundesgesetz über das Bundesgericht, der im Oktober 1997 in die Vernehmlassung geschickt worden ist.

4275

(Abs. l Est. e). Er wirkt jedoch, im Unterschied zu den Überwachungen des Fernmeldeverkehrs, nicht am Vollzug der Überwachung mit.

Der Dienst prüft lediglich formell, ob in der Anordnung eine Straftat aufgeführt ist, bei welcher die Genehmigung erteilt werden kann und ob sie von einer nach dem anwendbaren Verfahrensrecht zuständigen Behörde erfolgt; die materielle Prüfung der Angemessenheit der Überwachung ist Sache der Genehmigungsbehörde. Ist eine Anordnung offensichtlich nicht rechtmässig, z.B. wenn keine überwachungsfähige Straftat vorliegt, oder ist sie in wesentlichen Punkten unvollständig, z.B, wenn eine dem Berufsgeheimnis unterstehende Person ohne Schutzmassnahmen überwacht werden soll, dann soll der Dienst an die Genehmigungsbehörde gelangen und deren Weisung einholen.

Der Dienst muss dafür sorgen, dass eine Überwachung in der angeordneten Form durchgeführt wird und beispielsweise die Schutzmassnahmen effektiv getroffen werden. Falls die Anbieterin der Postdienste eine zentrale Anlaufstelle für die Anordnungen hat, werden in den meisten Fällen keine Details des Vollzugs festgelegt werden. Sieht die Anbieterin dagegen vor, dass die Anordnungen direkt an Aussenstellen gehen, zum Beispiel eine Poststelle, dann wird sich der Dienst vergewissem müssen, dass sie richtig umgesetzt werden und auch auf die Wahrung des Postgeheimnisses aufmerksam machen.

Dass der Dienst die Einstellung der Überwachung der Genehmigungsbehörde mitteilt, hat zwei Zwecke: Zum einen vergewissert er diese, dass der Abbruch wirklich erfolgte, zum andern kämen Anordnungen zutage, für die keine Genehmigung eingeholt wurde.

Die Überwachungsanordnungen sind beim Dienst einzureichen, der diese bis ein Jahr nach Einstellung der Überwachung aufbewahrt. Der Bundesrat wird bestimmen, in welcher Form dies zu erfolgen hat. Da Überwachungen möglichst schnell begonnen werden sollen, wird die Übermittlung per Telefax die Regel sein, wobei auf das Nachreichen des Originalgesuches verzichtet werden könnte, wenn die Übermittlung von einem Anschluss aus erfolgt, der als Anschluss der zuständigen Behörde identifiziert ist.

Nach Absatz 2 kann der Dienst auch für die Beratung in technischen Fragen in Zusammenhang mit Überwachungen des Postverkehrs eingesetzt werden. Gerade die Zulassung privater Anbieterinnen eines Postdienstes kann es
mit sich bringen, dass neue Fragen bezüglich Durchführung einer Überwachung auftauchen. Damit er den anordnenden Behörden auch Auskunft erteilen kann, welche Anbieterinnen von Postdiensten überhaupt im Markt vorhanden sind, führt der Dienst ein Verzeichnis der staatlichen und konzessionierten Anbieterinnen von Postdienstleistungen. Falls das für die Aufsicht über das Postwesen zuständige Departement ein Verzeichnis führt, wird der Dienst dieses übernehmen können.

212.32

Artikel 10

Pflichten der Anbieterinnen

Artikel 10 verpflichtet die Anbieterinnen von Postdiensten, der anordnenden Behörde die Postsendungen, die angewiesenen Beträge und die Guthaben von Rechnungsinhaberinnen oder -inhabem sowie die dienstlichen Aufzeichnungen soweit herauszugeben, als es in der Anordnungsverfügung umschrieben wird. Diese Herausgabe erfolgt im Unterschied zum Ferjnmeldeverkehr direkt von den Anbieterinnen von Postdiensten an die anordnenden Behörden, ohne dass der Dienst dazwi4276

X

schengeschaltet wird. Teilnehmeridentifikationen bzw. Auskünfte über Vorgänge in der Vergangenheit sind im Postbereich vor allem für den Zahlungsverkehr von Bedeutung. Die Anbieterinnen müssen deshalb diese Informationen mindestens sechs Monate aufbewahren. Zudem geben die Anbieterinnen von Postdiensten der anordnenden Behörde auf Verlangen weitere Auskunft über den Postverkehr einer Person, beispielsweise über die Häufigkeit der Leerung eines Postfaches.

Der Hinweis auf Artikel 321«r StGB bekräftigt, dass auch der Eingriff in den Postund Fernmeldeverkehr durch die zuständigen Behörden eine Information ist, die dem Post- und Fernmeldegeheimnis untersteht.

212.4 212.41

4. Abschnitt: Überwachung des Fernmeldeverkehrs Artikel 11 Aufgaben des Dienstes

Bei der Überwachung des Fernmeldeverkehrs hat der Dienst eine viel wichtigere Funktion als bei der PostÜberwachung. Er ist nicht nur Mittler zwischen Anbieterinnen und den anordnenden Behörden, sondern muss zahlreiche, zum Teil technisch anspruchsvolle Funktionen erfüllen; die Infrastruktur des Dienstes dient fast ausschliesslich der Fernmeldeüberwachung. Es wird für den Dienst entscheidend sein, dass es ihm gelingt, den jeweiligen technischen Entwicklungen des Fernmeldewesens folgen zu können. Zusätzlich zu den auch bei einer Überwachung des Postverkehrs wahrzunehmenden Koordinationsaufgaben (Abs. l Bst a, b und h, Abs. 2 Bst. e) dient der Dienst bei einer Überwachung des Fernmeldeverkehrs auch als Drehscheibe für Entgegennahme und Weiterleitung der Auskünfte und Übermittlungen der Anbieterinnen (Abs. l Bst. c).

Analog zu Artikel 9 Absatz l Buchstabe a prüft der Dienst die Gesuche ebenfalls lediglich formell, d.h. er prüft die Zuständigkeit der anordnenden Behörde (vgl.

Art. 5) sowie die Angabe eines Überwachungsgrundes.

Bei der Überwachung des Femmeldeverkehrs wird dem Dienst nicht nur ein Weisungsrecht eingeräumt (Abs. l Bst. b), vielmehr setzt er gestützt auf Absatz l Buchstabefauch zusätzliche Schutzvorkehren um, welche ihm die Genehmigungsbehörde bei Überwachungen nach Artikel 3 Absätze 3-7 überträgt. Schon vor Ende 1997 entfiel rund 1/3 der Tätigkeit der Sektion Besondere Aufgaben Telecom auf die Auswertung der angeordneten Überwachungen; diese vorhandene Erfahrung soll denn auch in Zukunft weiter genutzt werden können.

Wie bereits ausgeführt übernimmt der Dienst bei der Überwachung des Femmeldeverkehrs nicht nur Koordinationsaufgaben, sondern dient vielmehr als Drehscheibe: Er nimmt Auskünfte und Übertragungen der Anbieterinnen entgegen, zeichnet diese auf und liefert der anordnenden Behörde die Aufzeichnungen aus. Der Begriff der Übertragung beinhaltet dabei fernmèldetechnisch übertragene Informationen gemäss Artikel 3 Buchstaben a und c FMG. Dabei kann der Dienst auch für eine technische Umwandlung der Übermittlungen besorgt sein, damit diese bei der anordnenden Behörde in einer für sie lesbaren Form eintreffen. Weiter sorgt der Dienst für die Durchführung von Direktschaltungen (Abs. l Bst. d). Der Dienst ist aufgrund von Artikel 11 Absatz l Buchstabe d nicht verpflichtet, bei
Direktschaltungen die Übermittlungen der Anbieterinnen aufzuzeichnen; vielmehr muss dies durch die anordnenden Behörden bewerkstelligt werden. Um aber am Anfang einer Überwachung sicherzustellen, dass eine Aufzeichnung nicht wegen technischen Problemen verunmöglicht wird und diese später zu Beweiszwecken oder für die Auswertung nicht 4277

mehr vorhanden sind, kann der Dienst auch die Aufzeichnung von Direktschaltungen übernehmen. Auch bei Überwachungen des Femmeldeverkehrs teilt der Dienst der Genehmigungsbehörde die Einstellung der Überwachung mit (Abs. l Bst. g).

Wenn die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stehen, kann der Dienst auf Anfrage auch folgende Aufgaben übernehmen: Aufzeichnung von Direktschaltungen (Abs. 2 Bst. a), Auswertung (Triage) der angeordneten Überwachungen (Abs. 2 Bst. b), Transskription von Übermittlungen der Anbieterinnen (Abs. 2 Bst. c)2S, Übersetzungen fremdsprachiger Texte (Abs. 2 Bst. d)26 und Beratung in technischen Fragen in Zusammenhang mit Überwachungen des Femmeldeverkehrs (Abs. 2 Bst. e).

212.42

Artikel 12

Auskünfte über Fernmeldeanschlüsse

Mit dem neuen Femmeldegesetz wird die Pflicht der Kundinnen und Kunden von Femmeldediensten, sich in Verzeichnissen eintragen zu lassen, aufgehoben. Gegenüber der Öffentlichkeit haben Kundinnen und Kunden demnach das Recht, dass ihr Name, ihre Adresse und ihre weiteren Adressierungselemente (Art. 3 Bst. f FMG) nicht bekanntgegeben werden. Da das Fernmeldegeheimnis aber nur den tatsächlich stattfindenden Verkehr schützt, können die Adressierungselemente in einem vereinfachten Verfahren abgefragt werden.

Bei einer laufenden Überwachung des Femmeldeverkehrs ist das Recht der anordnenden Behörde, die anrufende oder angerufene Person zu identifizieren, in der Anordnung enthalten. Die Strafverfolgungs- und Polizeibehörden erfahren bei ihren Ermittlungen jedoch häufig auch ausserhalb von Überwachungen, mit wem eine verdächtigte Person telefonisch Kontakt aufnehmen könnte, zum Beispiel wenn bei einer Durchsuchung eine Agenda oder Adressliste beschlagnahmt wird. Mit der Identifizierung der Anschlüsse kann das Beziehungsnetz der Person festgestellt werden. Diese Angaben sind deshalb für die weiteren Ermittlungen sehr wichtig.

In der Vernehmlassung wurde verschiedentlich gefordert, dass nicht nur die Adressierungselemente, sondern alle Randdaten im vereinfachten Verfahren erhoben werden dürften. Da diese dem Femmeldegeheimnis unterstehen, möchten wir davon absehen (s. oben zu Art. l und 4).

Absatz l nennt die Informationen, die im vereinfachten Verfahren bekanntgegeben werden dürfen. Die Anfrage über den Dienst ist deshalb vorgesehen, damit die Auskunft nur Berechtigten erteilt wird, was die Anbieterinnen nicht mit Sicherheit beurteilen könnten. Zudem ist aus einer Rufnummer nach Einführung der Nummernportabilität (Art. 28 Abs. 4 FMG) nicht mehr ersichtlich, bei welcher Anbieterin die Teilnehmerin ihren Anschluss hat. Die Auskunftsbegehren müssen die Rufnummern oder die Namen der Personen nennen, über welche die weiteren Angaben verlangt werden. Das Ausliefern aller Angaben über eine unbestimmte Anzahl Anschlüsse,

25 26

Dabei geht es darum, in Telefonabhörberichten den Gesprächsinhalt festzuhalten, sofern dies von den anordnenden Behörden gewünscht wird.

Die Generaldirektion PTT, Sektion Besondere Aufgaben Telecom, war auf Anfrage in der Lage, zusammen mit ihren regionalen Kontrollstellen Übersetzungen in den Sprachen deutsch, französisch, italienisch und englisch vorzunehmen. Zusätzlich besteht die Absicht, beim Dienst auch weitere Sprachen (z.B. türkisch, slawische Idiome) anzubieten bzw. Übersetzungspersonal der verschiedenen Polizeikommandi zu vermitteln.

4278

·#

·

zum Beispiel aller Rufnummern einer bestimmten Berufsgruppe, einer Gemeinde oder eines Kantons, kann von einer Anbieterin nicht verlangt werden.

Der Kreis der berechtigten Behörden ist etwas weiter gefasst als für die Überwachungen: Neben den anordnenden Behörden nach Artikel 5 und den Genehmigungsbehörden nach Artikel 6 Absatz l werden auch die Polizeibehörden von Bund und Kantonen erwähnt. Für ihre kriminalpolizeilichen und sicherheitspolizeilichen Aufgaben müssen sie abklären können, welche Personen zu einer Rufnummer gehören und wo sich ein fester Anschluss befindet. Neben den gerichtspolizeilichen Aufgaben sei als Beispiel die Identifizierung eines unklaren Hilferufes an die Polizei erwähnt.

In der Vemehmlassung wurde gerügt, es gehe zu weit, alle Behörden aufzuführen, die Verwaltungsstrafsachen erledigen. Da es jedoch in zahlreichen Bereichen vorkommt, dass die Hinweise auf Täter oder Zeugen nur in Rufnummern von Fernmeldeanschlüssen bestehen, muss die Identifizierung dieser Personen erlaubt werden.

Das Mittel der Überwachung wird jedoch den Verwaltungsstrafbehörden auch weiterhin nicht gegeben.

Die Einzelheiten dieser Auskunftserteilung, die zur Regelung an den Bundesrat delegiert wird, soll analog der Verordnung vom 1. Dezember 1997 über den Dienst für die Überwachung des Post- und Femmeldeverkehrs (AS 1997 3022 ) geregelt werden.

212.43

Artikel 13

Pflichten der Anbieterinnen

Anders als bei der Überwachung des Postverkehrs geben die Anbieterinnen von Femmeldediensten nicht direkt der anordnenden Behörde, sondern dem Dienst Auskunft über den Fernmeldeverkehr von Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Dabei versteht sich von selbst, dass der Dienst nur Auskünfte verlangen kann, wenn und soweit dies in einer Überwachungsanordnung festgehalten ist. Zudem stellen die Anbieterinnen dem Dienst nach Anordnung einer Überwachung die Übermittlungen zur Verfügung. Der Dienst erfüllt dabei eine Drehscheibenfunktion. Im Unterschied zur Praxis nach dem Fernmeldegesetz 1991, bei der den PTT-Betrieben die anordnende Behörde und die zu verfolgenden Straftaten bekanntgegeben wurden, werden diese Angaben nur dem Dienst bekanntgegeben, aber nicht mehr an die Anbieterin weitergeleitet. Diese soll künftig nicht mehr erfahren, ob die Überwachten Personen verdächtigt sind oder als Drittpersonen überwacht werden und welche Straftaten verfolgt werden.

Damit die in Artikel 4 geregelten Teilnehmeridentifikationen auch rückwirkend möglich sind, wird eine Aufbewahrungsfrist für Verkehrs- und Rechnungsdaten von sechs Monaten verlangt.

Absatz 3 enthält die Verpflichtung, die verlangten Übermittlungen, d.h. den Inhalt der stattfindenden Kommunikation, soweit möglich in Echtzeit beizubringen. Für die Verkehrs- und Rechnungsdaten ist dies nicht immer möglich. Wenn die anordnende Behörde beispielsweise wissen möchte, welchem Anschluss die überwachte Person gerade einen Fax schickt, kann diese Auskunft in der Regel nicht in Echtzeit, sondern nur zeitverzögert erteilt werden.

Private bieten heute Verschlüsselungsgeräte im-In- und Ausland zum Kauf an, mit denen eine Übermittlung auch mehrfach verschlüsselt werden kann. In all diesen Fällen gibt es keine Möglichkeit, die Kommunikation zu entschlüsseln, wenn nicht 4279

der vollständige Schlüssel sowie der benützte Algorithmus bekannt ist. Deshalb kann es auch nicht Pflicht der Anbieterinnen sein, nur unverschlüsselte Übermittlungen zu liefern. Im Natel-D-Netz wird ein international genormtes Verschlüsselungsverfahren zwischen dem Endgerät und dem Sender eingesetzt. Deshalb bestimmt Absatz 3, dass Anbieterinnen von ihnen angebrachte Verschlüsselungen vor der Übermittlung entfernen müssen.

Die Anbieterinnen müssen die Mitteilung der in Artikel 12 Absatz l genannten Daten gewährleisten, sei dies durch Einrichtung einer Auskunftsstelle oder indem sie diese Daten dem Dienst durch ein Abrufverfahren zugänglich machen. Der in der Vernehmlassung mehrfach verlangte Zugriff von Polizei- und Strafverfolgungsbehörden auf die Informationssysteme der Anbieterinnen ginge jedoch zu weit; der Direktzugriff durch den Dienst mit einer Abfragemaske, die nur die Angaben nach Artikel 12 Absatz l freigibt, sollte dagegen angestrebt werden.

Nach Absatz 5 bestimmt der Bundesrat die Einzelheiten bezüglich Inhalt und Präsentationserfordernissen der Auskünfte und Übermittlungen von Anbieterinnen von Fernmeldedienstleistungen und die zeitliche Verfügbarkeit. Bis Ende 1997 hat sich für die Telecom PTT noch keine Notwendigkeit eines Auskunftsdienstes rund um die Uhr ergeben, der mehr umfasst als die Nr. 111, Wenn sich in Zukunft aber immer mehr Kundinnen oder Kunden nicht in zu veröffentlichende Verzeichnisse eintragen, kann erforderlich werden, dass die Mitteilung rund um die Uhr und kostenlos zu erfolgen hat. Der Bundesrat wird der künftigen Entwicklung Rechnung tragen.

212.5

5. Abschnitt: Gebühren und Entschädigungen

Artikel 14 Artikel 14 übernimmt die Regelung, wie sie kürzlich mit Artikel 44 FMG getroffen worden ist. Die Anbieterin muss bereit sein, auf Verlangen des Dienstes die Übertragungen zur Verfügung zu stellen; das bedeutet, dass sie die technischen Vorbereitungen der Überwachung getroffen haben muss. Absatz l präzisiert, dass die Kosten dafür zulasten der Anbieterin gehen. Die Dienstleistung, die für die konkrete Überwachung erbracht wird, soll dagegen angemessen abgegolten werden. Die Entschädigung wird geleistet für das Auf- und Abschalten der Überwachung, für die Dauer, während der zum Beispiel die dienstlichen Aufzeichnungen nachgeliefert werden müssen, und andere konkrete Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Überwachung. Ist eine der neuen Anbieterinnen betroffen, wird möglicherweise auch die Swisscom einen Teil der Entschädigung erhalten, weil sie eine Mietleitung zur Verfügung stellen muss.

Für den Dienst muss der Bundesrat ebenfalls in Anwendung von Artikel 4 des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1974 über Massnahmen zur Verbesserung des Bundeshaushaltes (SR 611.010) Gebühren erheben, welche die Kosten der Dienstleistungen grundsätzlich decken.

212.6 212.61

6. Abschnitt: Schlussbestimmungen Artikel 15 Vollzug

Der Bundesrat wird die organisatorischen Bestimmungen erlassen, die neben den delegierten Bereichen (Art. 12 Abs. 3,13 Abs. 5 und 14 Abs. 2) notwendig sind. Es 4280

"*

wird in Aussicht genommen, für die Anordnungen ein Formular vorzuschreiben, das die Vollständigkeit der Verfügungen möglichst sicherstellt.

212.62

Artikel 16 Übergangsbestimmung

Laufende Überwachungen sollen nach dem geltenden Recht beendet werden können. Praktisch betrifft dies die zulässige Dauer der Überwachung, die Anforderungen an die Verlängerung, die Massnahmen zum Schutze bestimmter Personen und die Mitteilungsmodalitäten nach Beendigung der Überwachung. Werden bei Inkrafttreten des Gesetzes Überwachungen wegen Straftaten laufen, die nach neuem Recht die Überwachung nicht mehr zulassen, fallen sie am Ende der bewilligten Dauer dahin. Verlängerungen dürfen nur genehmigt werden, wenn die Voraussetzungen des neuen Rechts erfüllt sind.

212.63

Artikel 17

Referendum und Inkrafttreten

Bei neuen Bundesgesetzen, die bisherige kantonale Regelungen ersetzen, muss das Inkrafttreten häufig hinausgeschoben werden, bis die Kantone ihre Gesetzgebung angepasst haben. Die Durchsicht der kantonalen Prozessordnungen hat ergeben, dass dies nicht notwendig ist. Die vorhandene Organisation der anordnenden und genehmigenden Behörden wird nicht geändert, sondern es werden nur materiell etwas strengere Anforderungen an die Überwachung gestellt und neue Schutzmassnahmen eingeführt. Wenn die kantonalen Behörden ohne Aufhebung des entsprechenden kantonalen Rechts die restriktivere Praxis nach neuem Bundesrecht übernehmen, entsteht kein Widerspruch zum bisherigen kantonalen Recht. Es genügt deshalb, dass die kantonalen Bestimmungen über die Überwachung bei einer sich bietenden Gelegenheit aufgehoben werden. Eine Verzögerung des Inkrafttretens des Bundesgesetzes kann damit vermieden werden.

212.7 212.71

Anhang: Änderungen bisherigen Rechts Änderung des Strafgesetzbuches

Artikel 179°cli(:s StGB wurde 1979 mit den neuen Bestimmungen über den Schutz der persönlichen Geheimsphäre als Rechtfertigungsgrund in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Er stellt klar, dass ein von der zuständigen Behörde angeordneter Eingriff in die persönliche Geheimsphäre nicht strafbar ist. Indem er nur diejenigen Personen einbezieht, die eine Überwachung anordnen oder Überwachungsgeräte einsetzen, ist die Bestimmung insofern unklar, ob sie auch diejenigen Personen umfasst, welche die Überwachung praktisch durchführen. Dies soll neu ausdrücklich erwähnt werden. Diese Präzisierung war solange entbehrlich, als in den Gesetzen über den Post- und Fernmeldeverkehr die Pflichten der PTT im einzelnen geregelt waren. Seit dem 1. Januar 1998 fehlen solche Bestimmungen im Postbereich völlig und sind in Artikel 44 FMG nur rudimentär geregelt. An die Stelle der Regeln über das Post- und Fernmeldegeheimnis und seine Ausnahmen ist Artikel 321ter StGB, getreten, der dessen Verletzung unter Strafe stellt.

Der geltende Artikel I79octies Absatz 2 StGB wird durch das neue Gesetz überflüssig. Es ist jedoch angezeigt, ihn durch einen Verweis auf das Gesetz zu ersetzen.

4281

Artikel 400bis StGB enthält eine Übergangsbestimmung, die 1979 mit dem Bundesgesetz über den Schutz der persönlichen Geheimsphäre erlassen wurde. Weil sie als Minimalanforderungen an das kantonale Prozessrecht eine gewisse Bedeutung hat, wurde sie nicht aufgehoben. Mit dem neuen Gesetz wird sie jedoch obsolet.

212.72

Änderung des Bundesstrafprozesses.

Im Bundesstrafprozess (BStP, SR 372.0) können grundsätzlich die Bestimmungen der Artikel 66-66q«'ni"i« aufgehoben werden. Sie werden ebenfalls durch einen blossen Verweis ersetzt. Die in Artikel 72 genannte Kompetenz des Bundesanwalts zum Einsatz technischer Überwachungsgeräte ist beizubehalten. Die bisher bestehende Lücke, dass der Einsatz dieser Geräte für den eidgenössischen Untersuchungsrichter nicht vorgesehen ist, wird bei dieser Gelegenheit gefüllt. Die analogen Änderungen werden im Militärstrafprozess vorgenommen.

212.73

Änderung des Rechtshilfegesetzes

Im Bereich der Rechtshilfe hat sich gezeigt, dass bei Fahndungen nach international ausgeschriebenen Personen eine Überwachung des Fernmeldeverkehrs von vermuteten Kontaktpersonen in der Schweiz dienlich wäre. Mit einem Artikel 18a des Rechtshilfegesetzes (IRSG, SR 357.7) soll dies ermöglicht werden. Weil in Zukunft nicht auszuschliessen ist, dass auch bei anderer Rechtshilfe ein Bedarf besteht, sieht Absatz 2 auch für diesen Fall die Überwachungsmöglichkeit vor. Dass die Voraussetzungen für die Rechtshilfe gegenüber dem ersuchenden Staat und die Voraussetzungen für eine Anordnung kumulativ erfüllt sein müssen, ist selbstverständlich, wird aber durch den Verweis in Absatz 3 ausdrücklich festgehalten.

212.74

Änderung des Fernmeldegesetzes

Artikel 44 FMG wird ebenfalls durch das vorliegende Gesetz konkretisiert und kann deshalb durch einen Verweis ersetzt werden. Materiell wird dabei die wenig klare Bestimmung, wonach das UVEK für die Entschädigung «die zu berücksichtigenden Kostenfaktoren und deren Gewichtung» festzulegen hat (Art. 44 Abs. 3 FMG), durch die Kompetenz des Bundesrates ersetzt, die Entschädigungs- und Gebührenordnung zu erlassen.

22 221 221.1

Entwurf zu einem Bundesgesetz über die verdeckte Ermittlung Grundzüge der Gesetzesvorlage Übersicht

Der Bundesrat hat beschlossen, anstelle einer Revision des Bundesstrafprozesses und des Betäubungsmittelgesetzes - wie er es mit dem Vernehmlassungsvorentwurf noch vorsah - den Räten ein eigenständiges Bundesgesetz über die verdeckte Er-

4282

mittlung zu unterbreiten. Er kann damit die Wiederholung zahlreicher gleicher Bestimmungen vermeiden.

Verdeckte Ermittlungen stellen zweifellos einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit bzw. in die Privatsphäre dar und bedürfen deshalb einer gesetzlichen Grundlage. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat indessen offengelassen, wie ausführlich die gesetzliche Grundlage sein müsse, um den Anforderungen von Artikel 8 EMRK zu genügen. Wir erachten es als sinnvoll, dafür ein formelles Gesetz vorzusehen sowie eine detaillierte Verfahrensregelung und die genaue Bezeichnung der zur Anordnung befugten Instanzen vorzunehmen.

221.2

Begriffe ·

Zu Beginn der Arbeiten zur Regelung der verdeckten Ermittlung hat sich die Studiengruppe EJPD mit diesem Begriff befasst. Dieser wird in der Diskussion immer wieder verschieden gebraucht, was zu Verständnis- und Abgrenzungsschwierigkeiten führt. Gleichwohl soll auf eine Legaldefinition'verzichtet werden, weil der Rahmen durch die gesetzlichen Bestimmungen ausreichend genau festgelegt wird.

Verdeckte Ermittlung ist das Knüpfen von Kontakten zu verdächtigten Personen, die darauf abzielen, die Begehung einer strafbaren Handlung festzustellen und zu beweisen, wobei vorwiegend passiv die deliktische Aktivität untersucht wird. Verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler dürfen sich rollenadäquat verhalten, nicht aber durch eigene Einflussnahme die Tatbereitschaft wecken oder zu strafbarem Verhalten verleiten. Eine Führungsperson, die dem Polizeikommando angehört, welches die verdeckte Ermittlung angeordnet hat, dient als Verbindung zwischen der verdeckten Ermittlerin oder dem verdeckten Ermittler und der zuständigen Strafverfolgungsbehörde. Während eines Einsatzes leitet die Führungsperson die verdeckte Ermittlung durch laufende Weisungen. Nicht unter den Begriff der verdeckten Ermittlung nach diesem Entwurf fällt dagegen die Mitwirkung von Privatpersonen, die Strafuntersuchungsbehörden mit Informationen beliefern, selbst dann nicht, wenn diese sogenannten Informantinnen und Informanten (z.T. auch V-Leute genannt) für ihre freiwillige Tätigkeit entschädigt werden. In der Literatur und der Praxis ist die Terminologie sehr uneinheitlich. Für das vorliegende Gesetz ist das Element des Arbeitsverhältnisses in einem Polizeikorps massgebend. In der Regel ist es eine Person mit Polizeiausbildung (Art. 2 Abs. 2 Bst. a, wobei der Begriff der Beamtin und des Beamten bewusst gewählt wird, um die Dauer des Arbeitsverhältnisses zu betonen; dies bedeutet jedoch nicht, dass die Wahl auf eine Amtsdauer erfolgen muss). In Ausnahmefallen können es nicht polizeilich geschulte Personen sein, die jedoch in einem arbeitsvertraglichen Verhältnis stehen, um die feste Bindung an die Führungsperson und das Polizeikommando zu sichern (Art. 2 Abs. 2 Bst. b).

Observation umfasst grundsätzlich das gezielte Beobachten von Vorgängen an öffentlichen und allgemein zugänglichen Orten. Sie erfordert einen grossen Personaleinsatz, damit die
Observationsgruppe jederzeit in der Lage ist, spontanen Ortsveränderungen der überwachten Personen zu folgen. Bei einer Observation werden oft Bild- und Tonaufzeichnungen von Vorgängen an öffentlichen und allgemein zugänglichen Orten gemacht. Müssen Personen und deren Tätigkeiten in privaten Räumen beobachtet und dabei technische Überwachungsgeräte eingesetzt werden, so gelangen im Bundesstrafprozess sinngemäss die gleichen Vorschriften für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (s. Ziff. 21) zur Anwendung

· 4283

(Art. 72 BStP). In diesem Fall ist eine richterliche Genehmigung erforderlich, damit die Personen, die solche Überwachungsmassnahmen anordnen oder durchführen, nicht nach den Artikeln 179bîs ff. StGB strafbar sind, weil sie fremde nichtöffentliche Gespräche abhören (Art. 179W< StGB) oder Tatsachen aus dem Geheim- und Privatbereich eines andern auf einen Bild- oder Tonträger aufnehmen (Art. 179ler undl793 ualer StGB).

Sowohl bei einer Observation als auch bei einer verdeckten Ermittlung geht es darum, Beweise für eine strafbare Handlung zu erlangen, wobei diese Tätigkeit für die verdächtigten Personen nicht erkennbar sein soll. Während bei einer Observation nur von aussen gezielt beobachtet wird, erfolgt bei einer verdeckten Ermittlung das Einschleusen von dafür eingesetzten Polizeibeamtinnen und -beamten in einen bestimmten Personenkreis. Der Einsatz von verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern wird unter Umständen mit Observationen, Telefonüberwachungen oder anderen Ermittlungsmassnahmen verknüpft.

Davon zu unterscheiden ist der Einsatz von Fahnderinnen und Fahndern in Zivilkleidung. Auch diese können Personen und Vorgänge beobachten, ohne vorerst ihre Funktion bekanntzugeben. Sie benötigen jedoch keine Legende und beanspruchen keine Zeugenschutzmassnahmen und stehen unter der normalen dienstlichen Aufsicht.

221.3

Geltungsbereich

Der Bund hat eine Kompetenz zur Regelung der verdeckten Ermittlung, wenn ein Rechtfertigungsgrund für die Teilnahme an einer strafbaren Handlung geschaffen werden muss. Die daraus resultierende Straflösigkeit bestimmter Taten kann er an bestimmte Voraussetzungen knüpfen, zum Beispiel eine vorgängige richterliche Genehmigung. In Materien, in denen der Bund über eine umfassende Gesetzgebungskompetenz verfügt, kann er auch Bestimmungen erlassen, die Auswirkungen auf Rechtsgebiete entfalten, für welche die Kantone zuständig sind. Beispielsweise hat der Bund im Betäubungsmittelbereich schon heute verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern Schein- oder Probekäufe von Betäubungsmitteln erlaubt. Artikel 23 Absatz 2 des BetmG erklärt diese Tätigkeit für straflos, wenn sie zu Ermittlungszwekken erfolgt. Die Rechtsetzungskompetenzen im Bereich des Strafrechts (Art. 64b's BV) und über die Heil- und Lebensmittel (Art. 69bis BV) erlauben es dem Bund, den erforderlichen Rechtfertigungsgrund für die Vorbereitung und Durchführung von Scheingeschäften mit Betäubungsmitteln zu schaffen und heute zu präzisieren.

Wir verzichten auf die Schaffung eines allgemeinen strafrechtlichen Rechtfertigungsgrundes, der verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern über die Scheingeschäfte mit Betäubungsmitteln hinaus insbesondere auch im Kampf gegen das organisierte Verbrechen ermöglicht hätte, an strafbaren Handlungen teilzunehmen. Es besteht die Befürchtung, dies könnte die Gewaltbereitschaft fördern (kriminelle Organisationen würden als sogenannte Keuschheitsprobe die Begehung eines Deliktes fordern, welches von diesem Rechtfertigungsgrund nicht mehr gedeckt ist).

Die gesamtschweizerische Regelung der verdeckten Ermittlung nur für die Anbahnung und Abwicklung eines Scheinkaufes im Betäubungsmittelbereich schliesst den Einsatz von verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern in anderen Gebieten nicht aus.

Diese Regelung kann aber nicht der Bund treffen, sondern sie muss in das massgebende Prozessrecht aufgenommen werden (darauf weist Art. l Abs. 3 hin), wobei 4284

die gesetzgebenden Organe der Kantone den verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern aber nicht erlauben dürfen, strafbare Handlungen zu begehen. Der Bund soll jedoch eine wichtige Hilfestellung bieten: Herstellung und Benutzung «gefälschter, echten* Ausweispapiere soll - nachrichterlicherGenehmigung - straflos sein, damit verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler ihre Legende (veränderte Identität der verdeckten Ermittlerinnen und Ermittler) aufbauen und aufrechterhalten können.

In Strafverfahren des Bundes sieht der Entwurf den Einsatz von verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern für die Aufdeckung von Straftaten vor, für deren Verfolgung der Bund zuständig ist.

221.4

Regelungskonzept

Die vorgeschlagene Regelung der verdeckten Ermittlung unterscheidet zwei klar abgegrenzte Phasen: die Vorbereitungsphase und den Einsatz im Rahmen eines Strafverfahrens. Der Einsatz einer verdeckten Ermittlerin oder eines verdeckten Ermittlers lässt sich nicht improvisieren, sondern er ist das Ergebnis einer gründlichen Vorbereitung, einerseits für die Auswahl, Ausbildung und Legendierung (mit oder ohne Urkunden) der geeigneten Personen, andererseits für die Schaffung der ersten Kontakte im Umfeld der Zielpersonen oder mit diesen selber. In der Vorbereitungsphase geht es darum, dass die verdeckte Ermittlerin oder der verdeckte Ermittler sich in einen Kreis einzuführen versucht, in dem eine oder mehrere Personen verdächtigt werden, so schwere Straftaten zu begehen oder vorzubereiten, dass der Anfangsverdacht eine baldige Eröffnung eines Strafverfahrens voraussehen lässt. Es wird in dieser Phase eine verdeckte Ermittlung als mögliches Mittel erachtet, ist jedoch eventuell noch nicht über den konkreten Einsatz im Verfahren entschieden. Dieser Einsatz wird von der zuständigen Strafuntersuchungsbehörde angeordnet, weil aufgrund der Schwere oder der Besonderheit der zu ermittelnden Straftat die Untersuchung ohne verdeckte Ermittlung aussichtslos oder unverhältnismässig erschwert wäre.

Der erste Abschnitt des Gesetzesentwurfs legt den Geltungsbereich fest. Der zweite Abschnitt enthält die Bestimmungen, die für die ganze Dauer der verdeckten Ermittlung gelten, unabhängig davon, ob die verdeckte Ermittlerin oder der verdeckte Ermittler schon in einem bestimmten Strafverfahren eingesetzt ist oder noch nicht.

Sie regeln deren Rechte und Pflichten und insbesondere die Vorbereitungsphase, während der die Aufgabe der verdeckten Ermittlerin oder des Ermittlers darin besteht, sich in das Umfeld der zu überwachenden Personen einzuschleusen, ohne erkannt zu werden. Das erfordert wenn nötig die Ausstattung mit einer Legende, einer andern Identität, und die Zusicherung der Vertraulichkeit der wahren Identität. Der dritte Abschnitt regelt den Einsatz der verdeckten Ermittlerin oder des verdeckten Ermittlers in einem Strafverfahren, sei es zur Bekämpfung des unerlaubten Betäubungsmittelverkehrs oder zur Aufklärung einer Straftat, die der Bundesgerichtsbarkeit untersteht. Dieser Abschnitt enthält insbesondere die
Bestimmungen, dass die verdeckte Ermittlung richterlich genehmigt werden muss, dass Betäubungsmitteldelikte straflos sind und wie Zufallsfunde verwendet werden dürfen. Der vierte Abschnitt legt den Ablauf des Strafverfahrens fest, wenn die verdeckte Ermittlung zur Anklageerhebung gegenüber Zielpersonen geführt hat. Die Schlussbestimmungen des fünften Abschnittes enthalten insbesondere die Änderungen des Strafgesetzbuches (SR 311.0) und des Betäubungsmittelgesetzes (SR 8Ì2.121), die durch den Erlass des Gesetzes notwendig werden.

4285

Verdeckte Ermittlung ist grundsätzlich zulässig, sofern die Eigenart der Delikte diese zu rechtfertigen vermag und dabei vorwiegend passiv die deliktische Aktivität untersucht wird, ohne dass durch eigene Einflussnahme die Tatbereitschaft geweckt und zu strafbarem Verhalten verleitet wird. Ein solcher Einsatz soll dann einer richterlichen Genehmigung bedürfen, wenn er im Rahmen eines Strafverfahrens abgewickelt wird. Während der Vorbereitungsphase und solange die verdeckte Ermittlung nicht im Rahmen eines Strafverfahrens durchgeführt wird, ist die richterliche Genehmigung nur notwendig, wenn Urkunden hergestellt oder geändert werden müssen, um eine Legende zu bilden oder zu erhalten, sowie in Fällen, in denen nicht dem Polizeikorps angehörende Personen als verdeckte Ermittlerinnen oder Ermittler eingesetzt werden sollen.

Der Entwurf verzichtet darauf, verdeckt ermittelnden Polizeibeamtinnen und -beamten mit Ausnahme der Bekämpfung des Beta'ubungsmittelhandels eine Beteiligung an strafbaren Handlungen zu erlauben, bzw. mit dem Gebrauch einer Legende eine solche zu begehen. Der Verzicht auf eine Strafloserklärung für andere Delikte wird wie folgt begründet: Kriminelle Organisationen verlangen von ihren Angehörigen häufig die Begehung bestimmter Straftaten, bevor neue Personen in einen engeren Kreis der Organisation aufgenommen werden. Diese sogenannte Keuschheitsprobe wird einerseits so angesetzt, dass die Tauglichkeit und Verlässlichkeit der Neuen getestet wird, andererseits soll sie die Infiltration der Organisation verhindern, beziehungsweise die Straftäterinnen und Straftäter an sie binden. Wären zum Beispiel verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler für Vermögensdelikte straflos, dann würde als Keuschheitsprobe regelmässig ein Gewaltdelikt verlangt. Aus diesem Grund wurde auch in Deutschland bei der Regelung der verdeckten Ermittlung kein Rechtfertigungsgrund vorgesehen, um die Gewaltbereitschaft nicht unnötig zu erhöhen (§ l lOa ff. der deutschen Strafprozessordnung).

Die generelle Erlaubnis, dass Beamtinnen und Beamte Straftaten begehen oder sich daran beteiligen, wäre rechtsstaatlich problematisch, vor allem dann, wenn Rechtsgüter in einer Weise verletzt werden, die nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden kann (wird ein Probekauf von Rauschgift getätigt, wird dieses wie beschlagnahmte
Drogen vernichtet, und daraus entsteht kein Schaden für die Rechtsordnung).

Damit wird nicht ausgeschlossen, dass Rechtfertigungs- oder Schuldausschliessungsgründe zur Anwendung kommen können (z.B. Art. 32-34 StGB).

222 222.1 222.11

Erläuterung der einzelnen Bestimmungen zum Entwurf zu einem Bundesgesetz über die verdeckte Ermittlung 1. Abschnitt: Geltungsbereich Artikel l

Dieses Gesetz gilt in erster Linie für die verdeckte Ermittlung zur Bekämpfung des unerlaubten Betäubungsmittelverkehrs. Für diesen Teil des Geltungsbereichs gilt es für jedes entsprechende Strafverfahren, unabhängig davon, ob dieses vom Bund oder von einem Kanton geführt wird.

In Strafverfahren des Bundes gilt es zusätzlich zur Aufdeckung eines der Bundesgerichtsbarkeit unterstehenden Verbrechens, dessen Schwere die verdeckte Ermittlung rechtfertigt. Der Entscheid darüber, ob in einem konkreten Fall die Schwere des 4286

**

^^ ^B

Verbrechens eine Überwachung rechtfertigt, soll einer richterlichen Behörde überlassen werden. Die im Vorentwurf ebenfalls enthaltene Voraussetzung der «Eigenart des Verbrechens» hat sich als zu unscharfes und schwer handhabbares Kriterium erwiesen. Sie wird deshalb präzisiert: Die verdeckte Ermittlung soll dann möglich sein, wenn die strafbaren Handlungen gewerbs-, bandenmässig, mehrfach oder von einer kriminellen Organisation begangen werden.

Unter den der Bundesgerichtsbarkeit unterstehenden Verbrechen wird eine verdeckte Ermittlung vor allem in schweren Fällen des verbotenen Nachrichtendienstes (Art. 272-274 StGB) und bei Straftaten nach Artikel 33 des Kriegsmaterialgesetzes vom 13. Dezember 1996 (Referendumsvorlage BB1 1996 V 978) und nach dem Atomgesetz vom 23. Dezember 1959 (AtG, SR 752.0) in Betracht gezogen werden können.

In Ziffer 221.3 sind die Gründe aufgeführt, die eine Erweiterung des Geltungsbereichs auf die Verfolgung anderer Straftaten ausschliessen, die der kantonalen Strafgerichtsbarkeit unterstehen.

222.2 222.21

2. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Artikel 2 Voraussetzungen

Der zweite Abschnitt regelt die Ernennung der verdeckten Ermittlerinnen und Ermittler sowie die Vorbereitungsphase, während der sie die für die künftigen Aufgaben notwendige Ausbildung erhalten und sich möglichst ohne Zeitdruck in den Kreis der zu beobachtenden Zielpersonen einführen können. Nach erfolgter Integration sowie zwischen den Einsätzen in konkreten Strafverfahren befindet sich die Ermittlerin oder der Ermittler in einer Wartephase: Sie steht dem Polizeikommando, das sie eingesetzt hat, zur Verfügung. Die Unterscheidung dieser Intégrations- und Wartephase von der Phase des Einsatzes in einem konkreten Strafverfahren ist die wichtigste Neuerung, die gegenüber dem Vernehmlassungsentwurf vorgenommen wird. Sie erlaubt, die rein polizeilich geführten Aufgaben von den gerichtspolizeilichen Aufgaben in einem bestimmten Strafverfahren besser zu unterscheiden. Es wird auch sichergestellt, dass die Genehmigung des Einsatzes in einem Verfahren erst dann eingeholt wird, wenn die verdeckte Ermittlung ausreichend vorbereitet ist. Mit dieser Aufteilung in zwei Phasen wird jedoch auch nicht ausgeschlossen, dass die Ernennung erst nach Eröffnung eines Strafverfahrens erfolgt. Ist dies notwendig, muss das Polizeikommando dafür sorgen, dass gleichwohl eine ausreichende Ausbildung und Sicherung vor vermeidbaren Risiken erfolgt.

Diese Bestimmung erlaubt der Kommandantin-oder dem Kommandanten eines Polizeikorps mit gerichtspolizeilichen Aufgaben, eine Person mit deren Zustimmung zur verdeckten Ermittlerin oder zum verdeckten Ermittler zu ernennen, wenn strafbare Handlungen nach Artikel l abzuklären sind. Die Zustimmung wird deshalb gefordert, weil die Besonderheiten des Auftrages und die Unannehmlichkeiten, die für das Privatleben entstehen können, nahelegen, dass diese Funktion nur Personen verliehen wird, welche freiwillig die Risiken auf sich nehmen, aber auch die Freiheiten schätzen, die mit der verdeckten Ermittlung verbunden sind. Es ist Aufgabe der Kommandantin oder des Kommandanten eines Polizeikorps, die geeigneten Personen für die verdeckte Ermittlung zu bezeichnen. Falls sich auf Bundesebene ein Bedarf zeigt, wäre es Aufgabe des Direktors des Bundesamtes für Polizeiwesen und

4287

des Chefs der Bundespolizei, die für die verdeckte Ermittlung vorgesehene Polizeibeamtin oder den Polizeibeamten zu besümmen.

Der Entwurf sieht vor, dass ausser Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamten auch Personen, welche vorübergehend für eine polizeiliche Aufgabe angestellt werden, als verdeckte Ermittlerinnen oder Ermittler ernannt werden können. Diese Möglichkeit war im Vernehmlassungsentwurf nicht ausdrücklich vorgesehen, aber auch nicht zwingend ausgeschlossen. Nachdem mehrere Vernehmlassungen diese Möglichkeit gefordert haben, auf solche Personen zurückzugreifen, klären wir die Situation durch Aufnahme des Absatzes 2 Buckstabe b.

Diese Personen ohne Polizeiausbildung können für die verdeckte Ermittlung dann in Betracht gezogen werden, wenn besondere Kenntnisse erforderlich sind, insbesondere wissenschaftliche Kenntnisse auf hohem Niveau, zum Beispiel wenn Hehlerei mit Kunstwerken oder schwere Verbrechen bei Kriegsmaterialhandel oder Technologietransfer bekämpft werden müssen. Keine verdeckte Ermittlung in diesem Sinne wäre es jedoch, wenn eine einer kriminellen Organisation angehörende Person sich an die Polizei wendet und als reuiger Täter zur Aufdeckung ihrer Strukturen beitragen will; in einem solchen Fall kommt Artikel 260Ier Ziffer 2 StGB zur Anwendung. Verdeckte Ermittlung läge auch dann nicht vor, wenn sich ein Mitarbeiter einer Unternehmung, zum Beispiel einer Bank, bereit erklärt, ohne Wissen der Arbeitgeberin der Polizei Hinweise auf strafbare Geldtransaktionen zu geben; ein solcher Informant erfüllt die notwendige Voraussetzung nicht, dass er als verdeckter Ermittler unter der alleinigen Führung der Polizei steht. Diese Führungs- und Weisungsbefugnis muss auf Dauer angelegt sein, vornehmlich als Arbeitsvertrag. Ein Auftragsverhältnis genügt nicht, weil es jederzeit von beiden Seiten aufgelöst werden könnte; hingegen kann die Person vorübergehend eine amtliche Funktion ausüben, sie muss jedoch in einem ordentlichen Dienstverhältnis dafür angestellt werden.

Jede Person, die als verdeckte Ermittlerin oder Ermittler ernannt wird, muss umfassend ausgebildet werden. Ausserdem muss unter Umständen für die Erfüllung des Auftrages unter aufwendigem Ressourceneinsatz eine Legende aufgebaut werden.

Auch aus diesem Grund kommen für diese Tätigkeit in erster Linie Polizeibeamtinnen und
-beamte in Frage. Doch ist das Absolvieren einer schweizerischen Polizeirekrutenschule keine unabdingbare Voraussetzung. Zulässig sein soll auch die Ernennung von ausländischen Polizeibeamtinnen oder -beamten. Diese müssen jedoch unter schweizerischer Führung stehen, beziehungsweise muss ihre ausländische Führungsperson in die schweizerische Verfahrensleitung eingegliedert werden.

222.22

Artikel 3

Legende und Vertraulichkeitszusage

Nach dieser Bestimmung kann das ernennende Polizeikommando verdeckte Ermittlerinnen oder Ermittler mit einer Legende ausstatten, die ihre wahre Identität verändert. Es kann ihnen mit einer Vertraulichkeitszusage auch zusichern, dass es in einem Gerichtsverfahren ihre wahre Identität nicht preisgeben wird. Diese Vertraulichkeitszusage kann nur auf Antrag durch die Genehmigungsbehörde widerrufen werden, wenn verdeckte Ermittlerinnen oder Ermittler bei ihrem Einsatz schwere Straftaten begangen haben.

In der Praxis erfolgen Einsätze von verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern regelmâ'ssig mit Vertraulichkeitszusage und Legende, deren Bereitstellung nur mit grossem logistischen und entsprechend hohem finanziellen Aufwand erfolgen kann.

4288

**

·

^^ ^P

Festzuhalten bleibt, dass eine Legende schon zu Beginn eines Einsatzes und nicht erst in Zusammenhang mit einem Scheingeschäft erforderlich ist. Zudem gilt die Vertraulichkeitszusage als «Lebensversicherung» für verdeckt ermittelnde Polizeibeamtinnen und -beamte, welche sich zu einem Einsatz meist nur bereit erklären, wenn ihnen die Vertraulichkeit zugesichert wurde. Eine erteilte Vertraulichkeitszusage hat insbesondere zur Folge, dass die Identität von verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern auch nach Abschluss ihres Einsatzes geheimgehalten wird und die Preisgabe der Personalien im Gerichtsverfahren sowie deren Aufnahme in die Verfahrensakten unterbleibt (Art. 20 Abs. 1). Die Vertraulichkeitszusage kann auch dazu führen, dass bei einer notwendigen Gegenüberstellung von beschuldigter Person mit verdeckt ermittelnden Polizeibeamtinnen und -beamten eine räumlich getrennte Einvernahme der verdeckten Ermittlerinnen und Ermittler erfolgen kann, diese ihr Aussehen und ihre Stimme verändern dürfen oder vor Gericht die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird (Art. 20 Abs. 2 und 4).

Der Widerruf einer Vertraulichkeitszusage ist für die betroffene Person von grosser Tragweite und erfordert möglicherweise beachtliche Abklärungen. Ein solcher Widerruf kann nicht schon erfolgen, wenn die verdeckte Ermittlerin oder der verdeckte Ermittler gewöhnliche Fehler begeht oder die Weisungen seiner Vorgesetzten nicht beachtet. Er kann nur Platz greifen, wenn gravierende Straftaten vorkommen. In einem solchen Fall wird das anschliessende Strafverfahren gegen die verdeckte Ermittlerin oder den verdeckten Ermittler in ihrer richtigen Identität und nicht als Legendenträgerin geführt. Diese hohe Hürde für den Widerruf der Vertraulichkeitszusage bedeutet nicht, dass weniger schwere Fehler sanktionslos bleiben. Andere als die in Artikel 12 genannten Straftaten bleiben zu ahnden, wenn nicht ein anderer Rechtfertigungsgrund nach dem StGB vorliegt. Die Verurteilung, zum Beispiel zu einer Verkehrsbusse, erfolgt jedoch in diesen Fällen gegen die legendentragende Person. Es ist in diesen Fällen von der Genehmigungsbehörde zu entscheiden, ob das Strafverfahren unter der richtigen oder der falschen Identität geführt wird. Die verdeckte Ermittlerin oder der verdeckte Ermittler können zudem bei fehlerhaftem Verhalten vom ganzen Einsatz
zurückgezogen oder in einem laufenden Verfahren nicht mehr eingesetzt werden. Ebenfalls möglich wäre eine disziplinarische Massnahme, obwohl es kaum realistisch sein dürfte, während des Einsatzes ein Disziplinarverfahren durchzuführen.

Bei einem Einsatz zugunsten mehrerer kantonaler Verfahren stellt sich die Frage, ob eine Vertraulichkeitszusage ihre Gültigkeit behalte. Für Einsätze im Betäubungsmittelbereich, die nach den vorgeschlagenen Bestimmungen durchgeführt werden, kommt einer Genehmigung jedenfalls gesamtschweizerische Geltung zu. In allen Fällen ausserhalb des Betäubungsmittelbereichs ist zu berücksichtigen, dass alle Kantone dem Konkordat über die Rechtshilfe und die interkantonale Zusammenarbeit in Strafsachen beigetreten sind. Bei einem Einsatz von verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern handelt es sich um eine Strafverfolgungshandlung, die der einsatzleitende Kanton auch in anderen Konkordats-Kantonen nach seinem eigenen Verfahrensrecht durchführen darf; die erteilte Vertraulichkeitszusage behält demnach ihre Gültigkeit. Artikel 3 Ziffer 2 des Konkordates bestimmt, dass bei Verfahrenshandlungen in einem andern Kanton vorgängig die zuständige Behörde dieses Kantons ausser in dringenden Fällen zu benachrichtigen ist; diese Situation dürfte bei einer Verfolgung von Drogenhändlerinnen und -händlern bisweilen vorliegen.

Zudem sind bei grossangelegten Aktionen im Betäubungsmittelbereich sowieso meist- jeweils mehrere Kantone involviert und demzufolge auch vorgängig über einen Einsatz orientiert. In diesen Fällen wird auch die Zentralstelle für die Bekämp4289

fung des unerlaubten Betäubungsmittelverkehrs koordinierend mitwirken. Gestützt auf Artikel 259 BStP kann.sie auch eigene Ermittlungen anordnen, wobei diese gerichtspolizeilichen Funktionen des Bundes ebenfalls durch Beamtinnen und Beamte der Polizei der Kantone ausgeübt werden können (Art. 17 Abs. 2 BStP).

222.23

Artikel 4

Richterliche Genehmigung

Wird ein Polizeibeamter als verdeckter Ermittler eingesetzt, so muss gemäss Artikel 4 Buchstabe a nur dann eine richterliche Genehmigung eingeholt werden, wenn zum Aufbau oder zum Aufrechterhalten einer Legende Urkunden hergestellt oder verändert werden müssen. In erster Linie handelt es sich dabei um «gefälschte, echte» Ausweispapiere. Oft wird aber auch eine Herstellung weiterer Urkunden, zum Beispiel Kreditkarten, notwendig sein.

Der Vorentwurf verlangte auch für die Vertraulichkeitszusage eine richterliche Genehmigung. Wir verzichten nun auf dieses Erfordernis, weil diese Zusage vor allem eine Verpflichtung des Polizeikommandanten gegenüber der einzusetzenden Person schafft und nur zwischen diesen beiden Personen und im betreffenden Polizeikorps gilt. Die richterliche Genehmigung soll erst anlässlich des Einsatzes in einem Strafverfahren eingeholt werden, mît welcher bestätigt wird, dass die notwendigen Schutzmassnahmen nach Artikel 20 im bevorstehenden Strafverfahren getroffen werden. Die Genehmigungsinstanz hat juristisch gesehen ein freies Ermessen, praktisch kann sie jedoch nicht einerseits den Einsatz im betreffenden Strafverfahren bewilligen (Art. 13 Abs. 1), aber andererseits die Schutzmassnahmen, insbesondere die Vertraulichkeitszusage, während und nach Abschluss des Verfahrens verweigern, weil dann die Polizei die verdeckte Ermittlung in diesem Verfahren nicht mehr zur Verfugung stellt.

Ausnahmsweise muss schon die Ernennung richterlich genehmigt werden, wenn nämlich eine Person ohne Polizeiausbildung vorübergehend für die verdeckte Ermittlung eingesetzt werden soll (Art. 2 Bst. b). In diesem Fall bleibt die Genehmigung erforderlich, damit sich die Genehmigungsbehörde anhand des Dossiers vergewissern kann, dass die vorgesehene Person für den Einsatz geeignet ist. Der Richter wird ebenfalls kontrollieren, ob sich der Einsatz im Rahmen eines ordnungsgemässen Arbeitsvertrages abspielt.

222.24

Artikel 5

Genehmigungsverfahren

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates hat in ihrer Motion nicht nur gefordert, dass die verdeckte Ermittlung gesetzlich geregelt werde, sondern sie verlangte auch eine Prüfung, ob die Voraussetzungen sowie die Verfahrens- und Vollzugsbestimmungen analog zur Überwachung des Post- und Femmeldeverkehrs geregelt werden könnten. Die beiden Entwürfe gestalten deshalb die Verfahrensregeln für beide geheimen Ermittlungen soweit als möglich gleich aus.

Absatz l Buchstabe a nennt die für die Genehmigung zuständige Bundesbehörde.

Die Entscheide des Direktors BAP oder des Chefs der Bundespolizei, die die Herstellung oder Veränderung von Urkunden zum Aufbau oder zur Aufrechterhaltung einer Legende anordnen, müssen der Präsidentin oder dem Präsidenten der Anklagekammer des Bundesgerichts zur Genehmigung unterbreitet werden. Dasselbe gilt für 4290

den Einsatz von nicht polizeilich geschulten Personen. Der Entwurf lässt den Kantonen dagegen die Freiheit, eine ihrer Gerichtsorganisation angepasste Lösung zu wählen oder die heutige Regelung für die Überwachung des Post- und Femmeldeverkehrs anwendbar zu erklären. Diese Lösung wäre die einfachste (s. z.B. die vom Kanton Wallis getroffene Lösung).

Der Entscheid der Kommandantin oder des Kommandanten muss begründet und mit den wesentlichen Akten ergänzt werden. Es wird sich dabei um das Personaldossier und im Falle von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b auch um den Anstellungsvertrag der Kandidatin oder des Kandidaten handeln; die Begründung muss aufzeigen, weshalb im konkreten Fall eine andere Identität aufgebaut werden muss. Anhand dieser Dokumente kann die Genehmigungsbehörde den Entscheid auch nach seiner Angèmessenheit überprüfen; damit wird die Genehmigung nicht zur Formalität einer Unterschrift oder eines Stempels degradiert, sondern beruht auf einer ausreichenden Prüfung des Antrags im konkreten Einzelfall. Wird die Genehmigung vorbehaltlos erteilt, erübrigt sich eine ausführliche Begründung. Umgekehrt muss die Genehmigung ausreichend begründet werden, wenn sie nur vorläufig oder mit Vorbehalten erteilt wird oder wenn die Genehmigungsbehörde eine Ergänzung des Dossiers oder weitere Erklärungen verlangt.

222.25

Artikel 6

Rechte und Pflichten

Gegenüber dem Vemehmlassungsentwurf ist Artikel 6 um den Auftrag an das Polizeikommando ergänzt worden, dass es der verdeckten Ermittlerin oder dem verdeckten Ermittler und deren Angehörigen den bestmöglichen Schutz gewähren muss. Dieser Grundsatz bekräftigt den Willen des Gesetzgebers, dass die betroffenen Personen nicht einem unnötigen Risiko ausgesetzt werden. Er wird auch ein Richtmass bilden, wenn die Notwendigkeit von kostspieligen Schutzmassnahmen beurteilt werden muss.

Die loyale und weisungsgemässe Aufgabenerfüllung ist eine grundlegende Pflicht aller Bediensteten der Polizei. Sie wird in Absatz 2 vor allem mit Blick auf die Personen wiederholt, die nur vorübergehend eine Polizeifunktion übernehmen. Die Anforderungen an die regelmässige Berichterstattung und die Aufbewahrung der schriftlichen Weisungen und Berichte halten weitere einzuhaltende Grundregeln fest. Selbstverständlich wird jedes Polizeikommando einlässlichere Regeln erlassen und diese für jeden Einsatz mit besonderen Weisungen ergänzen. Das Ziel des Absatzes ist jedoch, durch die Schriftlichkeit von Weisungen und Berichten zu erreichen, dass über den Einsatz von der Führungsperson ein vollständiges Dossier geführt werden kann. Dieses Dossier wird jedoch aus polizeitaktischen Gründen gesondert von Veffahrensakten geführt, soweit nicht einzelne Akten für die Beweisführung benötigt werden.

Absatz 3 hält den wichtigen Grundsatz fest, dass die verdeckte Ermittlerin oder der verdeckte Ermittler nicht Dritte zu Straftaten provozieren darf. Dieses Verbot ist deshalb von grosser Bedeutung, weil jede Einwirkung auf die Person, die sie zum Begehen einer Straftat veranlasst, sich nachteilig auf das spätere gerichtliche Verfahren auswirken wird. Die Ermittlerin oder der Ermittler, welche diese Grundregel verletzt, gefährdet damit das Ergebnis ihres Einsatzes. Dessen Abbruch ist die konsequente Antwort auf ein solches Verhalten (Art. 9 Abs. l Bst. c). Im Unterschied zu Artikel 16, der diese Pflicht bezüglich der Schein- und Probekäufe von Betäu-

4291

bungsmitteln konkretisiert, sind in Artikel 6 alle Straftaten gemeint, die von der Zielgruppe der Ermittlung begangen werden könnten.

Die Handlungen, die bei der Nichtbefolgung von Weisungen der Führungsperson vorgenommen werden, sind in erster Linie disziplinarrechtlich zu beurteilen. Bahnt zum Beispiel ein verdeckter Ermittler ein wesentlich grösseres Scheingeschäft an, als es ihm zugestanden wurde, oder beachtet er seine Berichtspflichten nicht, sind disziplinarische Massnahmen zu ergreifen. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass auch eine Strafverfolgung notwendig werden kann.

Absatz 4 sieht vor, dass die personalrechtlichen Sonderregeln für die verdeckte Ermittlung erlassen werden, insbesondere darüber, wie die besonderen Aufwendungen entschädigt werden. Es betrifft vor allem die Ausgaben, die durch das rollenadäquate Verhalten in der Zielgruppe entstehen, in der sich die Ermittlerin oder der Ermittler bewegen muss. Es kann sich um Spesenabrechnungen (Hotel- und Restaurantkosten, Fahrtkosten), um die Miete einer Wohnung oder den Kauf eines Automobils oder von Kleidern handeln. Jede Ausgabe muss indessen aufgrund einer GÜterabwägung vorgenommen werden und wenn möglich vom leitenden Polizeikommando genehmigt werden.

222.26

Artikel 7

Führung und Instruktion

Die Ausbildung und die Führung der verdeckten Ermittlerin oder des verdeckten Ermittlers ist eine reine Polizeiaufgabe. Sogar wenn ein Untersuchungsrichter für den Entscheid über die Durchführung einer verdeckten Ermittlung in einem konkreten Strafverfahren zuständig ist, bedeutet dies nicht, dass er direkt mit der verdeckten Ermittlerin oder dem verdeckten Ermittler verkehrt, um deren Erkenntnisse vor Ort zu erfahren, oder dass er direkt Weisungen über die Fortsetzung des Einsatzes erteilt. Die Ermittlerin oder der Ermittler muss von einer Polizeibeamtin oder einem Polizeibeamten geführt werden, die vom Polizeikommando als Führungsperson bezeichnet worden ist. Aus Gründen der Sicherheit und der Polizeitaktik wird der direkte Kontakt zu Ermittlerin oder Ermittler ausschliesslich von der Führungsperson wahrgenommen. Diese Massnahme ist unerlässlich für die Geheimhaltung der Ermittlungen, denn wiederholte Kontakte zwischen den offenen und verdeckten Ermittlern würden ein Risiko der Enttarnung schaffen. Die Führungsperson hat insbesondere die folgenden Aufgaben: - . Sie leitet und betreut die verdeckte Ermittlerin oder den verdeckten Ermittler während des ganzen Einsatzes und beurteilt laufend'die Risikosituation.

Sie legt die Zusammenkünfte fest und gewährleistet deren Sicherheit.

Sie übernimmt die gewonnenen Erkenntnisse aus der verdeckten Ermittlung.

Sie hält allfällige mündliche Berichte schriftlich fest und führt das Dossier.

Sie informiert die andern mit den Ermittlungen betrauten Personen und stellt die Koordination sicher.

Sie übermittelt die Anweisungen und Instruktionen der verfahrensleitenden Behörden.

Gleichermassen entscheidend für den Erfolg einer verdeckten Ermittlung sind einerseits die dem Einsatz vorausgehende Instruktion über den Auftrag, die Befugnisse und den Umgang mit der Legende und andererseits die regelmässige Berichterstattung, die rasche Übermittlung von Weisungen und die übrige Betreuung während des Einsatzes.

4292

222.27

Artikel 8 Verwendung der Erkenntnisse

Ergeben sich aus den Berichten der verdeckten Ermittlerin oder des verdeckten Ermittlers konkrete Hinweise auf ein Verbrechen oder ein Vergehen, muss die Führungsperson diese Informationen dem Polizeikommando überweisen. Artikel 8 bestimmt, dass dieses Anzeige an die zuständige Strafverfolgungsbehörde erstatten muss. Im Unterschied zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, bei der Zufallsfunde (Entdeckung von Straftaten, die nicht in der Anordnung aufgeführt sind) nur verwendet werden dürfen, wenn auch zu ihrer Verfolgung eine Überwachung angeordnet werden könnte, sehen wir eine solche Einschränkung für die Erkenntnisse aus der verdeckten Ermittlung nicht vor. In dieser Phase ist die verdeckte Ermittlung qualitativ noch sehr nahe beim Einsatz von Fahndern in Zivil oder bei einer Observation, bei denen die eingesetzten Polizeibeamtinnen und -beamten nach den meisten Polizeigesetzgebungen umfassend verpflichtet sind, während des Dienstes festgestellte Straftaten anzuzeigen (s. auch Art. 18). Unterschiedliche Verpflichtungen für offene und verdeckte Ermittlungen Hessen sich für diese Phase kaum begründen.

222.28

Artikel 9 Beendigung des Einsatzes

Diese Bestimmung regelt die allgemeinen Umstände, die zur Beendigung des Auftrags zur verdeckten Ermittlung führen können. Sie unterscheidet sich von Artikel 15, in dem die Gründe festgelegt werden, die zum Beenden der verdeckten Ermittlung in einem konkreten Verfahren führen. Im ersten Fall (Art. 9) wird die verdeckte Ermittlerin oder der verdeckte Ermittler vollständig von seiner Funktion entbunden, im zweiten Fall (Art. 15) wird nur der Einsatz zugunsten eines bestimmten Strafverfahrens beendet, aber die eingesetzte Person steht dem Polizeikommando weiterhin für künftige Einsätze zur Verfügung. Nach Artikel 9 sind es drei hauptsächliche Gründe, die das zuständige Polizeikommando zur Beendigung des Einsatzes in der verdeckten Ermittlung führen: Es ist kein Einsatz in einem Strafverfahren absehbar.

Die Risiken des Einsatzes und dessen Aufwand stehen in einem Missverhältnis zum erwarteten Ergebnis.

Die verdeckte Ermittlerin oder der verdeckte Ermittler missachtet Weisungen der Führungsperson, informiert diese wissentlich falsch oder verletzt in anderer Weise ihre Pflichten.

Der erste Grund ist die Schlussfolgerung aus einer Lagebeurteilung, die eine Gefahrenminderung in einem bestimmten Gebiet feststellt. Es gibt auch für die verdeckte Ermittlung eine bestimmte Spezialisierung, die sich vor allem aus dem Milieu ergibt, in das die verdeckte Ermittlerin oder der verdeckte Ermittler eingeschleust wurde.

Eine Person, die vor allem gegen verbotenen Waffenhandel ermittelt hat, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von einem Tag auf den andern für die Bekämpfung des Drogenhandels eingesetzt werden. Der zweite Grund ist das Ergebnis einer Risikobeurteilung des konkreten Einsatzes. Er ermöglicht es dem Polizeikommando auch dann, wenn eine verfahrensleitende Behörde den Einsatz gerne fortsetzen würde, die verdeckte Ermittlung wegen der konkreten Gefahrdung abzubrechen; dies ist eine Folge des Umstandes, dass die direkte Verantwortung für den Einsatz bei der Polizei bleibt. Beim dritten Grund, der Missachtung von Weisungen durch die verdeckte Ermittlerin oder den verdeckten Ermittler, gefährdet diese Person durch ihr 4293

Verhalten den Erfolg des Einsatzes und macht diesen gefährlich. Alle drei Gründe verpflichten das Polizeikommando zum Abbruch des Einsatzes; damit wird jedoch keineswegs ausgeschlossen, dass der Einsatz aus andern Gründen beendet werden kann, zum Beispiel wenn die ermittelnde Person den Anforderungen nicht gewachsen ist oder krank wird.

In den Absätzen 2 und 3 wird in groben Zügen festgelegt, wie die Beendigung des Einsatzes erfolgen muss, um die Sicherheit der Ermittlerin oder des Ermittlers bestmöglichst zu gewährleisten. Ob sie oder er durch ihr Verhalten den Abbruch verschuldet haben oder nicht, soll keinen Einfluss auf die zu treffenden Schutzmassnahmen haben: Die Beendigung erfolgt nach den Weisungen der Führungsperson.

Sie muss so angeordnet werden, dass weder die Ermittlerin oder der Ermittler noch in die Ermittlungen einbezogene Personen einer vermeidbaren Gefahr ausgesetzt werden. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass die Ermittlerin oder der Ermittler ungeachtet des Abbruchs des Einsatzes eine gewisse Zeit am Einsatzort verbleiben.

Aus diesen Gründen werden die Urkunden, welche die Legende begründet haben, unter Umständen nicht sofort zurückgezogen; sie sind jedoch sicherzustellen, sobald die Legende nicht mehr benötigt wird.

Absatz 3 erlaubt, dass wenn nötig nicht nur der Ermittlerin oder dem Ermittler Hilfe zukommt, sondern auch Drittpersonen, die durch die Beendigung des Einsatzes in Schwierigkeiten geraten. Als Drittperson, die in die Ermittlungen einbezogen ist, kommt jemand in Frage, der nicht als verdeckte Ermittlerin oder Ermittler bezeichnet worden ist, aber im Einverständnis mit der Führungsperson indirekt an den Ermittlungen teilnimmt, zum Beispiel als Arbeitskollege oder als Bekanntschaft aus der Zielgruppe. Umgekehrt kann nicht einer Person Hilfe gewährt werden, deren «Teilnahme» an der Ermittlung nie in der Berichterstattung durch die Ermittlerin oder den Ermittler erwähnt worden ist; wie ebensowenig einer Person, die selber Straftaten begangen hat, und mit ihrer «Mitarbeit» bei der verdeckten Ermittlung eine Befreiung von Strafe erreichen will. Für solche Drittpersonen gilt Artikel 260|er Ziffer 2 StGB, der eine Strafmilderung durch den Richter, nicht jedoch einen Verzicht auf Einleitung der Strafverfolgung durch die Polizei vorsieht. Die Hilfe nach Absatz 3 kann eine
materielle, soziale oder psychologische Unterstützung sein; sie bewegt sich im Rahmen der Kompetenzen, die das zuständige Polizeikommando nach seinem massgebenden Recht hat.

222.3 222.31

3. Abschnitt: Einsatz in Strafverfahren Artikel 10 Anordnende Behörden

Die Artikel 10-16 behandeln den Einsatz der verdeckten Ermittlerin oder des verdeckten Ermittlers im Rahmen eines Strafverfahrens, d.h. in der zweiten, aktiven Phase. .

Als reine Kompetenznorm bezeichnet Artikel 10 die Behörden, die den Einsatz einer verdeckten Ermittlerin oder eines verdeckten Ermittlers im Rahmen eines Strafverfahrens anordnen können. Wird eine schwere Straftat gegen das Bctäubungsmittelgesetz verfolgt, ist dafür in erster Linie die kantonale Strafuntersuchungsbehörde zuständig (z.B. der Untersuchungsrichter oder der Staatsanwalt). Auf Bundesebene ist es der Bundesanwalt, wenn er nach Artikel 259 BStP Ermittlungen angeordnet hat.

Überdies können der Bundesanwalt und die eidgenössischen Untersuchungsrichter

4294



die verdeckte Ermittlung anordnen, wenn sie ein der Bundesgerichtsbarkeit unterstehendes Verbrechen verfolgen.

Die verdeckte Ermittlung in einem Strafverfahren setzt das Einvernehmen mit dem Polizeikommando voraus, das die verdeckte Ermittlerin oder den verdeckten Ermittler eingesetzt hat und während des Einsatzes führt. In der Vernehmlassung verlangten einige Stellungnahmen, dass der Einsatz in einem Strafverfahren ausschliesslich vom Polizeikommando angeordnet werden könne, weil nur es wisse, welche einsetzbaren Personen im Moment zur Verfügung stehen. Dieser Forderung wird mit dem einvernehmlichen Entscheid Rechnung getragen, denn eine Anordnung durch einen Untersuchungsrichter nützt nichts, wenn keine geeigneten Ermittlerinnen oder Ermittler zur Verfügung stehen. Die Strafuntersuchungsbehörde soll jedoch mit ihrer Anordnung in die Verantwortung eingebunden werden und insbesondere die Genehmigung nach Artikel 13 einholen.

222.32

Artikel 11

Voraussetzungen

Die Motion Telefonüberwachung der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (s. oben Ziff. 132} verlangte auch die Prüfung, ob für die verdeckte Ermittlung die gleichen Voraussetzungen wie für die Telefonüberwachung gelten sollen. Diesem Anliegen wird mit Artikel 11 in Verbindung mit Artikel l Rechnung getragen.

Absatz I verlangt die Subsidiarität der verdeckten Ermittlung: Sie kann nur angeordnet werden, wenn andere Ermittlungsmassnahmen aussichtslos oder unverhältnismässig erschwert wären.

Absatz 2 nennt die zwei weiteren Voraussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssen, damit bei der Bekämpfung des verbotenen Drogenhandels die verdeckte Ermittlung angeordnet werden kann: Es müssen vorerst einmal bestimmte Tatsachen den konkreten Verdacht begründen, dass eine strafbare Handlung im Sinne von Artikel 19 Absatz 2 BetmG vorliegt und dass diese Straftat einen Bezug zum organisierten Verbrechen hat oder besonders schwer wiegt. Das Bundesgericht hat in einer ausführlichen Praxis den Begriff des schweren Falles umschrieben27. Bei der praktischen Polizeiarbeit wird die verdeckte Ermittlung zumeist erst eingesetzt, um Scheingeschäfte im Kilobereich einzuleiten; wir verzichten gleichwohl darauf, im Gesetz eine bestimmte Mindestmenge vorzuschreiben.

Absatz 3 stellt fest, unter welchen Voraussetzungen verdeckte Ermittlerinnen oder Ermittler, die nach kantonalem oder ausländischem Recht ernannt worden sind, in einem Strafverfahren eingesetzt werden können. Sie müssen Angehörige eines kantonalen oder ausländischen Polizeikorps sein oder vorübergehend von diesem mit polizeilichen Funktionen betraut sein, und sie müssen Straftaten verfolgen, gegen die nach diesem Gesetz verdeckt ermittelt werden kann. Auch während ihres Einsatzes in einem Strafverfahren des Bundes oder eines Kantons werden sie weiterhin von der Führungsperson geleitet, welche die ernennende Polizeibehörde eingesetzt hat. Sie müssen die Instruktionen der verfahrensleitenden Behörde befolgen; diese werden jedoch von der Führungsperson weitergeleitet, wie wenn die Ermittlerin oder der Ermittler vom eigenen Polizeikommando eingesetzt wäre. Das bedeutet, dass die 27

Siehe z.B. BGE122 IV 362 f., 119 IV 180 ff. mit vielen Verweisen. Nach dieser Praxis liegt beim Heroin die Grenze des schweren Falles bei 12 g reinem Stoff, beim Kokain bei 18 g.

4295

Führungsperson mit der schweizerischen Strafverfolgungsbehörde zusammenarbeitet und die Koordination mit der Ermittlerin oder dem Ermittler sicherstellt. Der Einsatz ausländischer verdeckter Ermittlerinnen oder Ermittler ist nur im Rahmen eines Strafverfahrens zulässig, damit sichergestellt wird, dass ausländische Beamtinnen und Beamte unter der Kontrolle einer schweizerischen Behörde eingesetzt sind und nicht verbotene Amtshandlungen vornehmen (Art. 271 StGB).

Absatz 3 nennt nicht nur die nach ausländischem Recht ernannten Ermittlerinnen und Ermittler, sondern auch die nach kantonalem Recht ernannten, weil die Kantone "nicht verpflichtet sind, die Voraussetzungen nach diesem Gesetzesentwurf zu übernehmen. Sie können zum Beispiel auf die richterliche Genehmigung des Einsatzes verzichten. Die Genehmigung des Einsatzes einer solchen Ermittlerin oder eines solchen Ermittlers garantiert, dass bei allen verdeckten Ermittlungen gestützt auf dieses Gesetz auch dessen Voraussetzungen für den Einsatz erfüllt sind.

222.33

Artikel 12 Straflösigkeit von Betäubungsmitteldelikten

Die Beweisführung bei Straftaten des verbotenen Drogenhandels ist am einfachsten, wenn die Täterschaft bei der Übergabe in flagranti angehalten werden kann. Deshalb ist die Anbahnung eines Scheingeschäfts die Haupttätigkeit von verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern, die zur Bekämpfung des Drogenhandels eingesetzt werden.

Das szenengerechte Verhalten kann es mit sich bringen, das die Ermittlerin oder der Ermittler in die Lage versetzt wird, eine Straftat nach den Artikeln 19 sowie 20-22 BetmG zu begehen. So kann es notwendig sein, dass bei der Vorbereitung des Scheingeschäfts ein Kaufangebot an Betäubungsmitteln im Rahmen eines Probekaufs angenommen werden muss, um die Qualität der vom Drogenhändler angebotenen Ware zu prüfen. Weil sie sich nicht als Konsumenten in die Drogenszene einschleusen müssen, sollen verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler jedoch nicht die Delikte der Artikel \9a-\9c BetmG straflos begehen können.

Artikel 12 sieht die Straflösigkeit vor, soweit sich die Aktivitäten der Ermittlerin oder des Ermittlers im Rahmen des erteilten Auftrages bewegt. Er kommt deshalb dann zur Anwendung, wenn die Instruktionen der Führungsperson eingehalten werden. Damit wird nicht verlangt, dass jeder einzelne Verstoss gegen das Betäubungsmittelgesetz vorgängig bewilligt werden muss, aber es schaltet die Straflösigkeit aus, wenn die Führungsperson die Ermittlerin oder den Ermittler in klarer Weise angewiesen hat, in der betreffenden Phase des Strafverfahrens keine solchen Straftaten zu begehen.

Wird die verdeckte Ermittlung in einem Bereich eingesetzt, der nicht mit dem Drogenhandel zusammenhängt (z.B. bei der Spionageabwehr, bei der Bekämpfung des Handels mit Kriegsmaterial oder bei Verbrechen nach dem Atomgesetz), soll die Ermittlerin oder der Ermittler keine Straftaten begehen können. Wir haben auf die Schaffung eines Rechtfertigungsgrundes für diese Straftaten aus folgenden Gründen verzichtet: Werden Scheingeschäfte in den genannten Bereichen angebahnt, fehlt bei den in Frage kommenden Straftaten mindestens ein Tatbestandsmerkmal, weil die Ermittlerin oder der Ermittler das Kriegsmaterial nicht weitergeben oder vermitteln wollen. Im Unterschied zum Umgang mit Drogen, bei dem die Strafbarkeit sehr früh beginnt, erfordern die in Artikel l Absatz 2 des Entwurfs genannten verbotenen zweiseitigen Geschäfte keinen Rechtfertigungsgrund.

4296

·£

·

222.34

Artikel 13

Richterliche Genehmigung

Wenn die Schutzmassnahmen nach Artikel 20 im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens getroffen werden, betrifft dies auch die Verfahrensleitung im gerichtlichen Verfahren und die Verteidigungsrechte. Es ist deshalb notwendig, dass die Vertraulichkeitszusage bestätigt wird, die das Polizeikommando der verdeckten Ermittlerin oder dem verdeckten Ermittler erteilt hat. Zuerst einmal erfolgt dies durch die Untersuchungsbehörde, welche die verdeckte Ermittlung beanspruchen will, und anschliessend durch die Genehmigungsbehörde. Erst mit dieser Bestätigung hat die Ermittlerin oder der Ermittler die Gewissheit, dass sie als Zeugen auftreten können, ohne dass ihre wahre Identität offengelegt wird, und dass sie im gerichtlichen Verfahren die notwendigen Schutzmassnahmen geniessen können. Mit dieser Vorkehr, dass ein Richter die Vertraulichkeitszusage vor Beginn des Einsatzes zugunsten eines Strafverfahrens genehmigt, können die Fälle verringert werden, in denen die Verteidigung sich in der Hauptverhandlung der Gewährung von Schutzmassnahmen zu widersetzen versucht.

222.35

Artikel 14

Genehmigungsverfahren

Wie schon zu Artikel 5 erwähnt, ist das Genehmigungsverfahren jenem nachgebildet, das bei der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs gilt. Im Unterschied zu Artikel 5 sind jedoch in Artikel 14 auch Fristen aufgeführt, die für das Einreichen der Anordnung und deren Genehmigung gelten. Wie auch bei der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs kann der Einsatz nach der Anordnung sofort beginnen.

Wenn der Gesetzgeber dies jedoch erlaubt, ist ebenfalls das Vorgehen festzulegen, falls die Genehmigung von der zuständigen Behörde nicht erteilt wird. In diesem Fall muss die anordnende Behörde alle Aufzeichnungen aus der verdeckten Ermittlung sofort aus dem Dossier aussondern (Abs. 3). Die mit der verdeckten Ermittlung gewonnenen Erkenntnisse dürfen weder für andere Verfahren noch zum Nachteil des Verdächtigen verwendet werden.

222.36

Artikel 15

Beendigung des Einsatzes

Diese Bestimmung trägt verschiedenen Bemerkungen aus der Vernehmlassung Rechnung: Die Missachtung von Weisungen oder die Fehlinformation der Untersuchungsbehörden solle nur einen fakultativen Grund für den Abbruch der verdeckten Ermittlung bilden, weil es Fälle geben könne, in denen die sofortige Beendigung nicht ohne Gefährdung der Ermittlerin oder des Ermittlers durchgeführt werden könne. Diesem Wunsch kann gefolgt werden, denn die Anweisungen über die Beendigung in Artikel 9 Absätze 2 und 3 räumen dem zuständigen Polizeikommando einen ausreichenden Handlungsspielraum ein, damit die Ermittlerin oder der Ermittler nicht einer vermeidbaren Gefahr ausgesetzt wird. Es ist denn auch nicht erforderlich, dass die Ermittlerin oder der Ermittler unverzüglich zurückgerufen wird, sondern es genügt, dass gegenüber den verdächtigen Personen keine weiteren Ermittlungshandlungen vorgenommen werden. Entscheidend ist, dass keine nach Abbruch der verdeckten Ermittlung gewonnenen Erkenntnisse mehr in das Verfahrensdossier einfliessen.

4297

Dass der Einsatz beendet wird, wenn dessen Voraussetzungen entfallen, ist selbstverständlich. Die anordnende Behörde hat dabei einen erheblichen Ermessensspielraum. Die Beendigung des Einsatzes nach Artikel 15 bedeutet noch nicht, dass die verdeckte Ermittlerin oder der verdeckte Ermittler ihrer Funktion enthoben werden.

Nur wenn der Abbruch wegen Pflichtverletzungen erfolgt, muss das zuständige Polizeikommando prüfen, ob der Einsatz aufgrund von Artikel 9 Absatz l Buchstabe c definitiv abgebrochen werden muss.

Die anordnende Behörde teilt die Beendigung des Einsatzes, auch des erfolgreichen, der Genehmigungsbehörde mit, damit diese den Überblick über die verdeckten Ermittlungen in ihrem Zuständigkeitsbereich behält.

222.37

Artikel 16

Rechte und Pflichten

Artikel 16 ergänzt die Rechte und Pflichten nach Artikel 6 um diejenigen, die während des Einsatzes in einem Verfahren gelten. Er umschreibt die zulässigen Einwirkungen der verdeckten Ermittlerin oder des verdeckten Ermittlers auf die verdächtigen Personen. Sie muss sich auf die Konkretisierung eines bereits vorhandenen Tatentschlusses begrenzen. Das bedeutet nicht, dass sich die Ermittlerin ausschliesslich passiv verhalten muss. Sie kann zum Beispiel einen Probekauf tätigen, einen Vorschuss auf die vereinbarte Lieferung anzahlen oder mit Vorzeigen einer bestimmten Geldsumme ihre Zahlungsfähigkeit beweisen. Das rollenadäquate Verhalten der Ermittlerin oder des Ermittlers wird ebenfalls durch Absatz l erfasst; wesentlich ist indessen, dass die Zielperson ihren Tatentschluss bereits gefasst hat und nicht von der Ermittlerin oder dem Ermittler provoziert wird. Als unzulässige Provokation gilt auch, wenn die Zielperson dazu angestiftet wird, ein Geschäft über eine wesentlich grössere Drogenmenge abzuschliessen als sie zuerst beabsichtigte.

Der Entwurf regelt nicht, welche Konsequenzen das Überschreiten der zulässigen Einwirkung hat. Der Vorentwurf sah vor, dass in einem solchen Fall die erzielten Erkenntnisse nicht als Beweismittel gegen den Beschuldigten verwendet werden dürften, sondern nur zu seiner Entlastung. Dieses Beweisverwertungsverbot wurde in der Vernehmlassung kritisiert, weil im schweizerischen Recht der Grundsatz der «Fruit of thè poisonous tree» unbekannt sei. Wenn im jetzigen Entwurf diese Frage offen gelassen wird, muss nach dem massgebenden Prozessrecht entschieden werden, ob ein solches Beweismittel zulässig ist und welche Auswirkungen es auf die Schuld- und Strafzumessung hat.

222.38

Artikel 17

Vorzeigegeld

Damit die verdeckte Ermittlerin oder der verdeckte Ermittler eine entsprechende Summe für den Abschluss eines Scheingeschäfts vorzeigen können, müssen die dafür notwendigen Mittel zur Verfugung stehen. Schon heute stellt die Nationalbank den Kantonen erhebliche Geldbeträge zur Verfügung, doch die Verantwortlichkeit bei einem anfälligen Verlust war nie geklärt. Diese Frage wurde deshalb bei verschiedenen Gelegenheiten von der eidgenössischen Finanzkontrolle aufgeworfen.

Mit dem vorliegenden Entwurf wird dafür eine klare gesetzliche Grundlage geschaffen, nach welcher der Bund dem zuständigen Polizeikommando Geldbeträge für solche Einsätze zur Verfügung stellen kann. Absatz l ermächtigt die Nationalbank, dem

4298

-$

^^ ^B ^^

Polizeikommando, das den Einsatz leitet, auf Antrag für den Abschluss eines Scheingeschäfts eine Geldsumme in der notwendigen Höhe und Form zur Verfügung zu stellen. Die Kantone sollen sich dabei nicht direkt an die Nationalbank wenden, sondern ihren Antrag an das Bundesamt für Polizeiwesen richten. Das Ersuchen soll eine kurze Beschreibung des Falles enthalten, aus der dessen Bedeutung ersichtlich ist.

Ausreichende Instruktion der verdeckten Ermittlerin oder der verdeckten Ermittlers sind die besten Mittel, um die Risiken eines Missbrauchs oder unnötigen Verlustes zu vermindern. Absatz 2 schreibt deshalb dem Polizeikommando vor, die notwendigen Sicherheitsvorkehren zu treffen. Die Regelung der Verantwortlichkeit im Falle eines Verlusts wird aus dem Verantwortlichkeitsgesetz des Bundes übernommen.

Sie berücksichtigt, dass ein gewisses Risiko bei einer solchen Operation nicht völlig ausgeschlossen werden kann und deshalb wird die Verantwortlichkeit für Verlust bei leichter Fahrlässigkeit nicht vorgesehen; sie greift erst bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz. Das Rückgriffsrecht der haftenden Gemeinwesen auf die persönlich verantwortlichen Personen richtet sich nach dem massgebenden Verantwortlichkeitsrecht. Gehen Vorzeigegelder verloren, ohne dass jemanden ein Verschulden trifft, ist die Rechtslage vergleichbar mit dem Fall, in welchem das Lösegeld für eine Entführung so präpariert wird, dass es später für den Zahlungsverkehr nicht verwendet werden kann.

222.39

Artikel 18

Zufallsfunde

Artikel 18 regelt in einer sehr allgemeinen Art die Verwendung von Zufallsfunden.

Entdecken verdeckte Ermittlerinnen oder Ermittler während ihres Einsatzes andere Straftaten als die im Auftrag genannten, informieren sie darüber ihre Führungspersonen, die ihrerseits die Feststellungen dem Polizeikommando melden. Damit wird die für alle Mitarbeiter der Polizei geltende Pflicht in Erinnerung gerufen, wonach sie anlässlich ihrer beruflichen Tätigkeit erkannte Straftaten anzuzeigen haben. Es ist anschliessend Sache des Polizeikommandos, die zuständigen Strafverfolgungsbehörden zu informieren, sei es durch eine Anzeige oder durch eine Meldung im Rahmen eines laufenden Strafverfahrens. Es stellt auch Antrag, ob diese Informationen zurückgehalten werden sollen, damit die Ermittlerin oder der Ermittler nicht durch das Vorgehen anderer Untersuchungsorgane in Gefahr gebracht wird. Im Unterschied zum Vorentwurf wird bewusst auf eine nähere Umschreibung der Voraussetzungen und auf eine Genehmigung der Verwertung von Zufallsfunden verzichtet.

Eine Genehmigungspflicht könnte einen hohen Arbeitsaufwand für die Genehmigungsbehörde bedeuten, weil beispielsweise bei der Bekämpfung des Drogenhandels während der Vorbereitung eines Scheingeschäfts zahlreiche andere strafbare Handlungen erkannt werden, die nicht zu seinem konkreten Auftrag gehören; es gibt keine Gründe, die gegen die Auswertung dieser Erkenntnisse sprechen. Es kann sich dabei durchaus nicht nur um Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz handeln, sondern auch um strafbare Handlungen des Strafgesetzbuches.

4299

222.4

4. Abschnitt: Gerichtsverfahren

222.41

Artikel 19

Mitteilung

In seiner heutigen Praxis verlangt das Bundesgericht, dass der beschuldigten Person bekanntgegeben wird, dass mit ihr im Rahmen einer verdeckten Ermittlung ein Scheingeschäft geschlossen wurde, denn dies kann unter Umständen dazu führen, dass ein Strafmilderungsgrund geltend gemacht wird. Absatz l statuiert deshalb eine Pflicht zur Mitteilung an die beschuldigte Person, dass gegen sie verdeckt ermittelt worden ist, damit sie ihre Rechte wahren und allenfalls auch Beweisanträge stellen kann.

Absatz 2 sieht zwei Ausnahmen von der Mitteilungspflicht vor, die jedoch von der Genehmigungsbehörde bewilligt werden müssen. Dies ist einmal möglich, wenn das Verfahren eingestellt wird, zum andern kann auf die Mitteilung verzichtet werden, wenn sonst schwere Nachteile für ein anderes Strafverfahren oder für die Ermittlerin oder den Ermittler sowie- für Drittpersonen befürchtet werden müssten.

222.42

Artikel 20 Schutzmassnahmen

Wie schon im Kommentar zu Artikel 3 erwähnt, sind Beamtinnen und Beamte der Polizei im allgemeinen nur bereit, bei der verdeckten Ermittlung eingesetzt zu werden, wenn ihnen zum voraus eine Vertraulichkeitszusage erteilt wird. Absatz l legt fest, dass in diesen Fällen die wahre Identität auch nach Beendigung des Einsatzes geheimgehalten wird und deshalb auch nicht in die Verfahrensakten aufgenommen werden darf.

Die ausreichende Gewährung der Parteirechte nach Artikel 6 Ziffer 3 Buchstabe d EMRK führt dazu, dass sich eine Konfrontation zwischen der beschuldigten Person und der Ermittlerin oder dem Ermittler in vielen Fällen nicht vermeiden lässt. Dies kann vor Gericht oder während der Voruntersuchung notwendig sein, weshalb Absatz 2 die verfahrensleitende Behörde verpflichtet, die sich aus der VertrauUchkeitszusage ergebenden Schutzmassnahmen zu treffen, zum Beispiel das Aussehen oder die Stimme zu verändern oder die beiden Personen in getrennten Räumen zu plazieren. Ist eine solche Einvernahme in getrennten Räumen nötig, muss die Übertragung von Bild und Ton mit geeigneten Mitteln erfolgen.

Falls eine getrennte Einvernahme notwendig ist, muss eine Polizeioffizìerin oder ein Polizeioffizier, deren Personalien bekannt sein müssen, bestätigen, dass die einvernommene Person die verdeckte Ermittlerin oder der verdeckte Ermittler ist und darlegen, dass ihre nachfolgenden Aussagen glaubwürdig sind. In der Praxis wird es sich um eine vorgesetzte Person oder um die Führungsperson handeln.

Für die Einvernahme der verdeckten Ermittlerin oder des verdeckten Ermittlers vor Gericht sieht der Entwurf vor, dass sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgen kann, wenn befürchtet werden muss, dass an den Verhandlungen teilnehmende Personen trotz der Schutzmassnahmen die wahre Identität der Ermittlerin oder des Ermittlers erkennen könnten (s. dazu BGE1211310 E. 2).

4300

"Jfc

·

·

222.5 222.51

5. Abschnitt: Schlussbestimmungen Artikel 21 Änderungen bisherigen Rechts

In praktisch allen Fällen der verdeckten Ermittlung müssen die Beamtinnnen oder Beamten mit einer Legende ausgestattet werden, die auch einer Überprüfung, zum Beispiel durch eine kriminelle Organisation, standhalten muss. Zu diesem Zweck müssen «gefälschte echte» Ausweispapiere hergestellt werden, was die Tatbestandselemente der Fälschung von Ausweisen erfüllt. Diese Papiere werden anschliessend eingesetzt, was ebenfalls strafbar ist.

Artikel 317bis StGB soll den Rechtfertigungsgrund schaffen, damit das Herstellen und Verwenden der für die Legende notwendigen Papiere straflos sind; dieser Rechtfertigungsgrund gilt auch dann, wenn ein Kanton gestützt auf sein eigenes Prozessrecht verdeckt ermitteln lässt. Da es Aufgabe einer richterlichen Behörde ist, über das Vorliegen eines strafrechtlichen Rechtfertigungsgrundes zu entscheiden, wird hier die Notwendigkeit einer Genehmigung wiederholt.

Nach Absatz 2 sind nicht nur diejenigen Beamtinnen und Beamten straflos, die für die Herstellung amtlicher Urkunden zuständig sind, zum Beispiel in einem Passbüro, sondern die Bestimmung gilt auch für die verdeckte Ermittlerin und den Ermittler selber, wenn sie für das Aufrechterhalten ihrer Legende Urkunden herstellen, etwa wenn sie eine Kreditkarte bestellen oder einen Mietvertrag unter ihrer falschen Identität abschliessen.

Es genügt, wenn die Artikel 251 StGB (Urkundenfälschung), 252 StGB (Fälschung von Ausweisen) und 317 StGB (Urkundenfälschung im Amt) erwähnt werden. Die Ergänzung mit den Artikeln 253 StGB (Erschleichung einer falschen Beurkundung) und 255 StGB (Urkunden des Auslandes) ist nicht notwendig.

Artikel 23 Absatz 2 BetmG war bisher die einzige Bestimmung des Bundesrechts, die sich mit einem Rechtfertigungsgrund auf die verdeckte Ermittlung bezog: Der Beamte, der zu Ermittlungszwecken ein Angebot von Betäubungsmitteln annimmt, ist straflos, auch wenn er seine Identität und Funktion nicht bekanntgibt. Der Vernehmlassungsentwurf wollte diese Bestimmung streichen und nur noch für die verdeckte Ermittlung die Straffreiheit zubilligen. Mehrere Vernehmlassungen haben gegen die Streichung opponiert, weil auch andere Fahnder in Zivil, die nicht als verdeckte Ermittler eingesetzt sind, diese Möglichkeit behalten sollten, zu Ermittlungszwecken ihnen angebotene Drogen anzunehmen. Die Argumente sind überzeugend,
weshalb die Bestimmung beibehalten, aber auch präzisiert wird, dass die betreffenden Beamten mit dem Auftrag zur Bekämpfung des Drogenhandels betraut sein müssen. Angehörige der Polizei mit andern Aufträgen sollen nicht Drogenhandel treiben dürfen; tun sie es doch, kann sogar die Strafverschärfung nach Artikel 23 Absatz l BetmG zur Anwendung kommen.

222.52

Artikel 22

Übergangsbestimmungen

Die Übergangsbestimmungen regeln einerseits die Fortführung laufender verdeckter Ermittlungen und andererseits die Bezeichnung der zuständigen kantonalen Behörden. Haben vor Inkrafttreten des Gesetzes verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler eine Vertraulichkeitszusage und die Zusicherung von Schutzmassnahmen erhalten, so 4301

sollen diese weiter gelten, aber es muss nachträglich die richterliche Genehmigung eingeholt werden, falls die versprochenen Schutzmassnahmen für das urteilende Gericht verbindlich werden sollen. Es scheint angemessen zu sein, diese nachträgliche Genehmigung zu verlangen.

Wird eine laufende verdeckte Ermittlung schon in einem Verfahren eingesetzt, soll sie mit nachträglicher richterlicher Genehmigung nach dem bisherigen Verfahrensrecht weitergeführt werden. Diese Bestimmung ist vor allem für verdeckte Ermittlungen wichtig, die von kantonalen Behörden zur Bekämpfung des Drogenhandels angeordnet wurden.

Absatz 3 regelt die Zuständigkeiten bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens kantonaler Bestimmungen, die nach einer allfälligen Überprüfung des kantonalen Organisationsrechts erlassen werden. Da Voraussetzungen und Verfahren der verdeckten Ermittlung weitgehend analog zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs geregelt sind, verweisen wir auf diese Zuständigkeiten, die in allen Kantonen festgelegt sind. Das schliesst nicht aus, dass zum Beispiel ein Kanton für das Polizeikommando weitergehende Befugnisse vorsieht als dieser Gesetzesentwurf.

3 31

Finanzielle und personelle Auswirkungen Allgemeines

Grundsätzlich sind die finanziellen und personellen Auswirkungen der Gesetzesentwürfe geringfügig. Um den in Zusammenhang mit der Liberalisierung des Post- und Fernmeldewesens entstehenden Koordinationsbedarf zu decken, hat der Bundesrat mit der Verordnung vom 1. Dezember 1997 (AS 1997 3022) einen vom Bund betriebenen Dienst für die Überwachung des Post- und Femmeldeverkehrs geschaffen.

Diesem wurden per 1. Januar 1998 im wesentlichen diejenigen Aufgaben zugewiesen, die bisher von den PTT-Betrieben wahrgenommen wurden. Da dieser Dienst nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Femmeldeverkehrs keine zusätzlichen Aufgaben zu erfüllen hat, ist mit denselben Kosten zu rechnen, wie sie heute anfallen. Lediglich in Zusammenhang mit der Genehmigung von Überwachungen des Post- und Fernmeldeverkehrs könnte aufgrund der verschärften Verfahrensbestimmungen eine gewisse administrative Mehrbelastung entstehen.

Auch verdeckte Ermittlungen sind mit hohen Kosten verbunden, die von den einsetzenden Behörden getragen und wenn möglich den entsprechenden Strafverfahren belastet werden. Finanzielle und personelle Auswirkungen ergeben sich demzufolge erst, wenn diese Einsätze bedeutend zunehmen würden. Eine Zunahme erfolgt aber nicht wegen der neuen gesetzlichen Regelung, sondern hätte ihre Ursache zum Beispiel im Ansteigen der Kriminalität und der damit verbundenen Kosten der Bekämpfung oder einem politischen Entscheid, den unerlaubten Betäubungsmittelhandel verstärkt zu bekämpfen.

32

Auf den Bund

Die Kosten der Telecom PTT zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs betrugen im Jahre 1995 zirka 9 Millionen Franken. Darin enthalten sind Personalkosten, Abschreibungen und Zinskosten. Auf der Einnahmenseite standen zirka 4,5 Millionen 4302

"?t

i-

^fc

Franken gegenüber. Die übrigen rund 4-5 Millionen Franken pro Jahr wurden bis Ende 1997 der allgemeinen PTT-Rechnung belastet. Ab 1998 wird die Aufgabe durch den vom Bund betriebenen Dienst für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs erfüllt. Dessen Aufwendungen sind über kostendeckende Gebühren zu finanzieren. Die Kostendeckung ist nach der massgebenden Verordnung nach einer Übergangsfrist von drei Jahren zu erreichen. Die finanzielle Mehrbelastung des Bundes beschränkt sich auf diese Übergangszeit.

Wie bereits erwähnt, sind verdeckte Ermittlungen mit hohen Kosten verbunden.

Trotzdem hat der Entwurf zu einem Bundesgesetz über die verdeckte Ermittlung praktisch keine finanziellen und personellen Auswirkungen. Verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler werden in der Regel aus dem Personalbestand der Polizei rekrutiert, weshalb dieser nicht erhöht wird. Schwierig abzuschätzen sind die Kosten, die sich aus dem rollenadäquaten Verhalten während des Einsatzes ergeben. Solche Spesenausgaben für Ermittlungen sind aber bereits in den Budgets des BAP und der Bundespolizei enthalten.

33

Auf die Kantone

Die Kosten für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, die den Strafverfolgungsbehörden belastet werden, werden etwas steigen, weil der Bundesrat die Erhebung von kostendeckenden Gebühren beschlossen hat. Ursache ist aber nicht das neue Gesetz, sondern vielmehr die Liberalisierung des Post- und Fernmeldewesens.

Auch für die Kantone dürfte der Entwurf zu einem Bundesgesetz über die verdeckte Ermittlung praktisch keine finanziellen und personellen Auswirkungen haben.

4

Legislaturplanung

Die vorliegenden Gesetze sind im Bericht über die Legislaturplanung 1995-1999 als Teil des Richtliniengeschäfts 40 aufgeführt (BB11996II 332).

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Überwachungen des Post- und Femmeldeverkehrs sowie verdeckte Ermittlungen stellen zweifellos einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit bzw. in die Privatsphäre dar und bedürfen deshalb einer gesetzlichen Grundlage. Artikel 8 EMRK verlangt dafür ein formelles Gesetz, detaillierte Verfahrensregelung und genaue Bezeichnung der zur Anordnung befugten Instanzen. Die vorliegenden Entwürfe werden diesen Anforderungen an die gesetzliche Grundlage gerecht.

6

Rechtliche Grundlagen

61

Verfassungsmässigkeit

Dem Bund steht aufgrund von Artikel 36 Absatz l BV eine umfassende und ausschliessliche Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Post- und Fernmeldewe-

4303

sens zu. Diese ist ein Gesetzgebungsauftrag, der den Bund verpflichtet, die Materie des Post- und Fernmeldewesens zu regeln (vgl, M. Lendi in: Kommentar BV, Artikel 36 Rz. 2). Das mit Artikel 36 Absatz 4 BV geschützte Post- und Fernmeldegeheimnis hält die gesetzgebenden Organe dazu an, die Geheimhaltung straf- und zivilrechtlich sicherzustellen und ermächtigt den Bund auch, Kompetenz- und Verfahrensvorschriften hinsichtlich der Durchführung von Übenvachungsmassnahmen zu erlassen (vgl. M. Lendi in: Kommentar BV, Artikel 36 Rz. 29). Da der Bund eine umfassende Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Post- und Fernmeldewesens hat, ist der Bund nicht nur zuständig, sondern sogar verpflichtet, Einschränkungen des Post- und Femmeldegeheimnisses auf Gesetzesstufe zu regeln. Die Bundeskompetenz für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs ist deshalb schon aufgrund von Artikel 36 BV zweifelsfrei gegeben.

Artikel 64bis Absatz 2 BV weist die Gesetzgebung über das Strafverfahren den Kantonen zu. Der Bund hat jedoch den Erlass strafprozessualer Bestimmungen für sich in Anspruch genommen, wenn und soweit dies zur Durchsetzung des materiellen Bundesstrafrechts notwendig ist (B. Knapp, in Kommentar BV, Art. 64bis, Rz. 51). Im StGB 1937 fanden sich noch kaum solche Ansätze für dieses sogenannte formelle Strafrecht. Die parlamentarische Initiative Gerwig beanspruchte erstmals weitergehend diese Kompetenz, später folgte das IRSG. In neuester Zeit wurden mit dem Opferhilfegesetz vom 4. Oktober 1991 (OHG; SR 312.5) und mit dem Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG; SR 235.1) solche Bestimmungen erlassen. Angesichts von Artikel 179-179wlies StGB kann das Vorliegen der Voraussetzungen für formelles Strafrecht bejaht werden. Es ist im Ermessen der'gesetzgebenden Organe des Bundes, ob sie für die Verwirklichung der Artikel I79bis-179scî[ics StGB eine relativ knappe Regelung (bisherige Art. 16 FMG und Art. 179octics StGB) oder eine abschliessende Regelung erlassen wollen.

Der Einsatz technischer Überwachungsgeräte wird vom Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs nicht mehr erfasst. Grundsätzlich wäre auch hier die Gesetzgebungskompetenz des Bundes gegeben, soweit der Gesetzgeber es als nötig erachtet, den Rechtfertigungsgrund von Artikel 179oclics StGB an zusätzliche Voraussetzungen
zu knüpfen. Da es sich beim Einsatz technischer Überwachungsgeräte aber nicht um Fernmelderecht handelt, wurde auf eine Ausdehnung der Regelung verzichtet.

Zusammenfassend ist es gestützt auf die Kompetenzordnung von Bund und Kantonen somit zulässig, dass eine Neuregelung ihre Wirkung nicht nur für die Bundesbehörden entfaltet, sondern auch für kantonale Instanzen direkt anwendbar ist.

Bezüglich Regelung der verdeckten Ermittlung hat der Bund aus Artikel 64bis BV eine alleinige Kompetenz, soweit er Rechtfertigungsgründe zur Teilnahme an einer strafbaren Handlung schaffen muss. Für den Betäubungsmittelbereich stützt sich das Gesetz zudem auf die Artikel 69 und 69bis BV; schon heute treten Polizeibeamte zum Teil als verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler - als Schein- oder Probekaufwillige von Betäubungsmitteln auf. Artikel 23 Absatz 2 des BetmG erklärt diese Tätigkeit für straflos, wenn sie zu Ermittlungszwecken erfolgt und schafft damit den erforderlichen Rechtfertigungsgrund.

Dem in der Vemehmlassung geäusserten Wunsch, die verdeckte Ermittlung solle für Bund und Kantone einheitlich geregelt werden, entsprechen wir nicht, weil dies einer sehr extensiven und neuen Auslegung der Bundeskompetenzen gleichkäme: Der Bund kann vom Grundsatz, dass die Kantone für die Regelung des Strafprozesses zuständig sind, dann abweichen, wenn eine gesamtschweizerische Regelung als 4304

«notwendig für die Verwirklichung des Bundesstrafrechts» bezeichnet werden kann.

Dies beanspracht er für die verdeckte Ermittlung, soweit er für die Anrufung eines Rechtfertigungsgrundes zusätzliche Voraussetzungen festlegt. Die umfassende Regelung der verdeckten Ermittlung für kantonale Verfahren würde jedoch viel weitergehendes sogenanntes formelles Strafrecht schaffen, als dies bisher praktiziert wurde (z.B. im Jahre 1979 mit Art. 400bis StGB oder 1991 mît den Art. 5-10 des Opferhilfegesetzes).

Die Praxis nimmt zudem an, der Bund habe gestützt auf Artikel 114 BV die Kompetenz, auf die Prozessordnungen der Kantone «in dem Masse einzuwirken, als es zur Sicherstellung seiner eigenen richtigen Rechtsprechung als nötig erscheint» (K. Eichenberger, Bundesrechtliche Legiferierung im Bereich des Zivilprozessrechts nach geltendem Verfassungsrecht; ZSR 1969 II 496 ff., zur Analogie für das Strafprozessrecht: W. Haller, Kommentar zu Art. 114 BV Rz. 13). Diese Kompetenz könnte allenfalls angerufen werden, um eine Vereinheitlichung der Zeugenschutzmassnahmen (Art. 20 des Entwurfs BVE) herbeizuführen, weil diese zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung durch das Bundesgericht einen gewissen Standard haben müssen.

Gesamthaft scheinen uns die Gründe zu überwiegen, diese weitgehende Ausdehnung der Bundeskompetenzen für die Straftaten, die der kantonalen Gerichtsbarkeit unterstehen, nicht vorzunehmen. Eine Vereinheitlichung wird deshalb erst mit einer gesamtschweizerisch vereinheitlichten Strafprozessordnung erfolgen.

62

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Der Entwurf des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs ermächtigt den Bundesrat, bezüglich Aufgaben des Dienstes, Auskünfte über Fernmeldeanschlüsse, Pflichten der Anbieterinnen von Post- und Fernmeldediensten sowie Gebühren und Entschädigungen die notwendigen Vollzugsvorschriften zu erlassen. Dabei wird es in erster Linie darum gehen, die Bestimmungen der Verordnung vom 1. Dezember 1997 (AS 7997 3022) über die Schaffung eines Dienstes für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs sowie der darauf basierenden Gebührenverordnung des UVEK zu übernehmen und die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes gemachten Erfahrungen einfliessen zu lassen.

Demgegenüber sieht der Entwurf des Bundesgesetzes über die verdeckte Ermittlung keine Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen vor. Das Verfahren bei der Ernennung und beim Einsatz von verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern ist vollständig auf Gesetzesstufe geregelt. Die vorgeschlagene Regelung entbindet aber die Kantone nicht davor, die verdeckte Ermittlung in ihren Strafprozessgesetzen zu regeln, wenn sie dieses Fahndungsmittel auch ausserhalb der Bekämpfung von Betäubungsmitteldelikten einsetzen wollen. Die Kantone dürfen den verdeckten' Ermittlerinnen und Ermittlern aber nicht erlauben, strafbare Handlungen zu begehen.

9803

4305

Bundesgesetz

n

Entwurf

betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF)

vom Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Artikel 36 und 64bis der Bundesverfassung, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 1. Juli 19981,

beschliesst:

1. Abschnitt: Geltungsbereich und Organisation Art l Geltungsbereich 1 Dieses Gesetz gilt für die Überwachung des Post- und Femmeldeverkehrs, die angeordnet und durchgeführt wird: a. im Rahmen eines Strafverfahrens des Bundes oder eines Kantons; b. zur Verhinderung einer strafbaren Handlung; c. zum Vollzug eines Rechtshilfeersuchens nach dem Rechtshilfegesetz2.

2 Es gilt für alle staatlichen, konzessionierten oder meldepflichtigen Anbieterinnen von Post- und Femmeldedienstleistungen.

3

Die Bestimmungen über das Verfahren der Überwachung sowie über die Überwachung des Postverkehrs (2. und 3. Abschnitt) gelten auch für den Zahlungsverkehr, der dem Postgesetz vom 30. April 19973 untersteht.

4

Eigentümer von firmeneigenen Fernmeldenetzen und Hauszentralen müssen die Überwachung dulden.

5

Das Gesetz findet keine Anwendungen auf Auskunftsbegehren über den Postverkehr im Rahmen von Zivilverfahren.

Art. 2

Organisation

1

Der Bund betreibt einen Dienst für die Überwachung des Post- und Femmeldeverkehrs (Dienst).

2

Der Dienst erfüllt seine Aufgaben selbständig. Er ist weisungsungebunden und dem zuständigen Departement nur administrativ unterstellt.

1 2

3

BBI1998 4241 SR 351.1 SR 783.0

4306

Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs. BG 3

Der Dienst arbeitet im Rahmen seiner Aufgaben mit den im Post- und Fernmeldewesen zuständigen Konzessions- und Aufsichtsbehörden zusammen.

2. Abschnitt: Verfahren der Überwachung Art. 3 Voraussetzungen 1 Eine Überwachung kann zur Verfolgung oder Verhinderung der folgenden strafbaren Handlungen angeordnet werden: a. Verbrechen; b. Vergehen nach den Artikeln 135, 143bis, 144bis, 148, 161, 180, 181, 197, 237, 261bis, 272-274, 285, 288, 301, 305,305bis.305terr u n d 3 1 0 d e s c.

d.

Vergehen nach den Artikeln 86a, 149 und 150 des Militärstrafgesetzes 5; Vergehen nach Artikel 33 des Kriegsmaterialgesetzes vom 13. Dezember 19966; e. Vergehen nach Artikel 14 des Güterkontrollgesetzes vom 13. Dezember 19967; f. Vergehen nach den Artikeln 34 und 34a des Atomgesetzes vom 23. Dezember 19598; g. Vergehen nach Artikel 19 des Betäubungsmittelgesetzes vom 3. Oktober 195l 9; h. Vergehen nach Artikel 60 Absatz l Buchstaben g-i des Umweltschutzgesetzes vom 7. Oktober 198310; i.

Vergehen nach Artikel 70 Absatz l Buchstaben a und b des Gewässerschutzgesetzes vom 24. Januar 1991 11; k. Übertretungen nach Artikel l79septies StGB, wenn die anrufenden Personen mit einer Identifizierung des Anschlusses nicht festgestellt werden können; 1. Vergehen nach den Artikeln 14-17 des Verwaltungsstrafrechts12 sowie nach Artikel 186 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 199013 über die direkte Bundessteuer und Artikel 59 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 199014 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden; es kann bei diesen Tatbeständen nur die Überwachung des Postverkehrs angeordnet werden; m. andere Vergehen oder Übertretungen; in diesen Fällen können Auskünfte über Postkonten und den Zahlungsverkehr eingeholt werden, soweit dies zur Vorbereitung einer Beschlagnahme oder in deren Zusammenhang notwendig ist.

4 5

6 7 8 9

10 11 12

13 14

SR 311.0 SR 321.0 SR 514.51; AS 1998 ... (BBl1996 V 978) SR 946.202 SR 732.0 SR 812.121 SR 814.01 SR 814.20 SR 313.0 SR 642.11 SR 642.14 4307

Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs. BG

2

Für die Anordnung einer Überwachung müssen zudem die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein: a. Bestimmte Tatsachen begründen den konkreten Verdacht, die zu überwachende Person habe eine in Absatz l genannte strafbare Handlung begangen, sei daran beteiligt gewesen oder bereite sie vor.

b. Die Schwere der strafbaren Handlung rechtfertigt die Überwachung.

c. Andere Untersuchungshandlungen sind erfolglos geblieben, oder die Ermittlungen wären ohne die Überwachung aussichtslos oder unverhältnismässig erschwert.

3 Die Überwachung einer Drittperson kann angeordnet werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die verdächtigte Person die Postadresse oder den Femmeldeanschluss der Drittperson benutzt oder benutzen lässt, um Sendungen oder Mitteilungen entgegenzunehmen oder weiterzugeben.

4 Die Überwachung einer öffentlichen Fernmeldestelle oder eines Anschlusses, der keiner bekannten Person zugeordnet werden kann, kann angeordnet werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen angenommen werden kann, dass die verdächtigte Person diesen Anschluss benutzt oder benutzen lässt, um Mitteilungen entgegenzunehmen oder weiterzugeben.

5 Die Überwachung einer Person, die nach dem anwendbaren Strafverfahrensrecht als Trägerin eines Berufsgeheimnisses zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist, kann nur angeordnet werden, wenn sie dringend verdächtigt ist oder wenn aufgrund bestimmter Tatsachen angenommen werden kann, dass die verdächtigte Person ihre Postadresse oder ihren Femmeldeanschluss benützt.

6 Ergeben die Ermittlungen, dass eine verdächtigte Person in rascher Folge den Femmeldeanschluss wechselt, kann die Genehmigungsbehörde ausnahmsweise erlauben, dass alle identifizierten Anschlüsse, welche die verdächtigte Person benutzt, ohne Genehmigung im Einzelfall überwacht werden können. Jeder Wechsel muss dem Dienst durch eine Überwachungsanordnung mitgeteilt werden. Nach Abschluss der Überwachung erstattet die anordnende Behörde der Genehmigungsbehörde Bericht zur Genehmigung.

7 Wenn es für die Ermittlungen erforderlich ist, kann zur unmittelbaren Überwachung des Femmeldeverkehrs eine Direktschaltung angeordnet werden.

8 Bei Überwachungen nach den Absätzen 3-6 trifft die anordnende Behörde geeignete Vorkehren, damit die mit den Ermittlungen befassten Personen nicht von Aufzeichnungen Kenntnis nehmen
können, die mit dem Gegenstand der Ermittlungen nicht in Zusammenhang stehen. Werden Berufsgeheimnisse erfasst, muss die Triage von einer Person vorgenommen werden, die nicht an Weisungen der Verfahrensleitung gebunden ist, jedoch unter der Kontrolle einer richterlichen Behörde steht.

Art 4 Auskünfte über den Post- und Fernmeldeverkehr 1 Mit einer Überwachungsanordnung nach Artikel 3 kann auch Auskunft verlangt werden:

4308

"*

Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs. BG

a.

darüber, wann und mit welchen Personen oder Anschlüssen die überwachte Person über den Post- oder Fernmeldeverkehr Verbindungen hat (Teilnehmeridentifikation); b. über Verkehrs- und Rechnungsdaten.

2 Die Auskünfte nach Absatz l können unabhängig von der Überwachungsdauer nach Artikel 6 Absatz 3 auch sechs Monate rückwirkend angeordnet werden.

Art. 5 Anordnende Behörden Eine Überwachung kann angeordnet werden: a. zur Verfolgung einer strafbaren Handlung; 1. durch die Bundesanwältin oder den Bundesanwalt, 2. durch die eidgenössischen Untersuchungsrichterinnen oder Untersuchungsrichter, 3. durch die militärischen Untersuchungsrichter, sowie 4. durch die nach kantonalem Recht zuständigen Behörden; b. zur Verhinderung einer strafbaren Handlung: 1. durch die Bundesanwältin oder den Bundesanwalt, 2. durch den Oberauditor, sowie 3. durch die nach kantonalem Recht zuständigen Behörden; c. in Auslieferungsfällen: durch die Direktorin oder den Direktor des Bundesamtes für Polizeiwesen; d. in andern Rechtshilfefällen: durch die Behörde des Bundes oder des Kantons, welche das Ersuchen erfüllt; e. in Verwaltungsstrafsachen: durch die untersuchende Behörde.

Art. 6

'

Genehmigungsverfahren

1

Die Überwachungsanordnung muss folgenden Behörden zur Genehmigung unterbreitet werden: a.

von den zivilen Behörden des Bundes: der Präsidentin oder dem Präsidenten . der Anklagekammer des Bundesgerichts; b. vom Oberauditor und den militärischen Untersuchungsrichtern; dem Präsidenten des Militärkassationsgerichts; c. von den kantonalen Behörden: der vom Kanton bezeichneten richterlichen Behörde.

2

Die anordnende Behörde reicht innert 24 Stunden der Genehmigungsbehörde ein: a. die Überwachungsanordnung; b. die Begründung und die für die Genehmigung wesentlichen StrafVerfahrensakten.

3 Die Genehmigungsbehörde prüft, ob der Eingriff gerechtfertigt ist. Sie entscheidet mit kurzer Begründung innert fünf Tagen seit der Anordnung der Überwachung. Sie kann die Überwachung vorläufig genehmigen, eine Ergänzung der Akten oder weitere Abklärungen verlangen sowie zusätzliche Schutzvorkehrungen treffen. Die Genehmigung wird für höchstens drei Monate erteilt und kann mit Auflagen

4309

Überwachung des Post- und Femmeldeverkehrs. BG

verbunden werden. Die Genehmigungsbehörde teilt ihren Entscheid umgehend dem Dienst mit.

4

Wird die Genehmigung einer Überwachung verweigert, so muss die anordnende Behörde sämtliche Aufzeichnungen sofort aus den Strafverfahrensakten aussondern und vernichten. Durch die Überwachung gewonnene Erkenntnisse dürfen weder für die Ermittlung noch zu Beweiszwecken verwendet werden.

5

Ist eine Verlängerung der Überwachung notwendig, stellt die anordnende Behörde vor Ablauf der bewilligten Überwachung einen Verlängerungsantrag, in dem sie über die bisherigen Ergebnisse der Ermittlungen berichtet und die Verlängerung begründet.

Art. 7 Verwendung der Informationen 1 Aufzeichnungen, die für das Strafverfahren nicht notwendig sind, müssen gesondert von den Verfahrensakten aufbewahrt und unmittelbar nach Abschluss des Verfahrens vernichtet werden.

2

Bei einer Überwachung des Postverkehrs können Postsendungen, angewiesene Beträge und Guthaben solange sichergestellt werden, als dies für die Ermittlungen notwendig ist. Sobald es der Zweck des Strafverfahrens erlaubt, sind sie der Adressatin oder dem Adressaten herauszugeben.

3 Werden durch die Überwachung Berufsgeheimnisse erkannt, die von einem Zeugnisverweigerungsrecht erfasst werden, so müssen Aufzeichnungen über diese Tatsachen sofort aus den Strafverfahrensakten ausgesondert werden. Sie dürfen nur mit Zustimmung der Genehmigungsbehörde zu Beweiszwecken verwendet werden.

4

Werden durch die Überwachung andere strafbare Handlungen als die in der Überwachungsanordnung aufgeführten bekannt, so können sie verwendet werden, wenn sie eine strafbare Handlung betreffen, welche die Voraussetzungen nach Artikel 3 Absatz l und Absatz 2 Buchstabe b erfüllt, oder wenn die verdächtigte Person neben einer solchen Straftat weitere Vergehen begangen hat. Betreffen die Erkenntnisse die Straftat einer Person, die in der Anprdnung keiner Straftat verdächtigt worden ist, so dürfen die Erkenntnisse nur mit Zustimmung der Genehmigungsbehörde verwendet werden. Stimmt die Genehmigungsbehörde nicht zu, weil die Voraussetzungen für eine Überwachung nicht gegeben sind, so müssen die betreffenden Aufzeichnungen umgehend vernichtet werden.

5

Für die Fahndung nach gesuchten Personen dürfen sämtliche Erkenntnisse einer Überwachung verwendet werden.

Art. 8 Beendigung der Überwachung, Rechtsmittel 1 Die anordnende Behörde ordnet sofort die Beendigung der Überwachung an, wenn die Überwachung für die weiteren Ermittlungen nicht mehr notwendig ist oder wenn die Genehmigung oder die Verlängerung verweigert wird.

2

Die anordnende Behörde teilt spätestens mit der Aktenöffnung oder der Einstellung des Verfahrens Grund, Art und Dauer der Überwachung den Personen mit, gegen die sich die Überwachung gerichtet hat.

4310

Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs. BG

3

Mit Zustimmung der Genehmigungsbehörde kann die Mitteilung bis spätestens zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens aufgeschoben werden, wenn die Mitteilung den Zweck der Ermittlungen oder eines anderen Strafverfahrens in Frage Stellen würde.

4 Mit Zustimmung der Genehmigungsbehörde kann von der Mitteilung abgesehen werden, wenn die Erkenntnisse nicht zu Beweiszwecken benötigt werden und: a. dies wegen überwiegender öffentlicher Interessen, insbesondere für die innere oder äussere Sicherheit oder zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens erforderlich ist; b- die Mitteilung Dritte einer ernsthaften Gefahr aussetzen würde; oder c. die Person nicht erreichbar ist.

5 Leitet im Zeitpunkt der Mitteilung eine andere als die anordnende Behörde das Verfahren, so macht sie die Mitteilung.

6 Die Person, gegen die sich die Überwachung gerichtet hat, kann innert 30 Tagen nach der Mitteilung Beschwerde wegen fehlender Rechtmässigkeit und Verhältnismässigkeit der Überwachung erheben: a. gegen Überwachungsanordnungen der zivilen Behörden des Bundes; bei der Anklagekammer des Bundesgerichts; b. gegen Überwachungsanordnungen des Oberauditors und der militärischen Untersuchungsrichter: beim Militärkassationsgericht; c. gegen Überwachungsanordnungen von kantonalen Behörden: bei der nach kantonalem Recht zuständigen Behörde.

3. Abschnitt: Überwachung des Postverkehrs Art. 9 Aufgaben des Dienstes 1 Bei einer Überwachung des Postverkehrs hat der Dienst folgende Aufgaben: a. Er prüft, ob die Überwachung eine Straftat nach Artikel 3 Absatz l betrifft und von einer zuständigen Behörde angeordnet wurde; bei klar unrichtigen oder unbegründeten Anordnungen nimmt er mit der Genehmigungsbehörde Kontakt auf, bevor die Anbieterin eines Postdienstes Sendungen oder Informationen an die anordnende Behörde weiterleitet.

b. Er weist die Anbieterin eines Postdienstes an, wie die Überwachung durchzuführen ist.

c. Er teilt der Genehmigungsbehörde unverzüglich die Einstellung der Überwachung mit.

d. Er bewahrt die Überwachungsanordnung nach Einstellung der Überwachung während eines Jahres auf.

e. Er führt eine Statistik über die Überwachungen.

f. Er verfolgt die technischen Entwicklungen des Postwesens.

2 Auf Anfrage der anordnenden Behörden kann der Dienst auch für die Beratung in technischen Fragen in Zusammenhang mit Überwachungen des Postverkehrs eingesetzt werden. Er führt ein Verzeichnis der Anbieterinnen von Postdiensten.

3 Der Bundesrat regelt die Einzelheiten.

4311

Überwachung des Post- und Femmeldeverkehrs. BG

Art. 10

Pflichten der Anbieterinnen

1

Die Anbieterinnen von Postdiensten sind verpflichtet, der anordnenden Behörde die Postsendungen, die angewiesenen Beträge und die Guthaben von Rechnungsinhaberinnen oder -inhabern sowie die weiteren Verkehrs- und Rechnungsdaten soweit herauszugeben, als es in der Überwachungsanordnung umschrieben wird. Sie erteilen der anordnenden Behörde auf Verlangen weitere Auskunft über den Postverkehr einer Person.

2 Sie sind verpflichtet, für die Teilnehmeridentifikation vorhandene Daten sowie die Verkehrs- und Rechnungsdaten während mindestens sechs Monaten aufzubewahren.

3 Die Tatsache der Überwachung und alle sie betreffenden Informationen unterliegen gegenüber Dritten dem Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 321ler StGB).

4. Abschnitt: Überwachung des Fernmeldeverkehrs Art. 11 Aufgaben des Dienstes 1 Bei einer Überwachung des Fernmeldeverkehrs hat der Dienst folgende Aufgaben: a. Er prüft, ob die Überwachung eine Straftat nach Artikel 3 Absatz l betrifft und von einer zuständigen Behörde angeordnet wurde; bei klar unrichtigen oder unbegründeten Anordnungen nimmt er mit der Genehmigungsbehörde Kontakt auf, bevor er Informationen an die anordnende Behörde weiterleitet.

b. Er weist die Anbieterinnen von Femmeldediensten an, die für die Überwachung notwendigen Massnahmen zu treffen.

c. Er nimmt von den Anbieterinnen den umgeleiteten Fernmeldeverkehr der überwachten Person entgegen, zeichnet diesen auf und liefert der anordnenden Behörde die Aufzeichnungen aus.

d. Er sorgt für die Durchführung von Direktschaltungen; diese werden vom Dienst nicht aufgezeichnet.

e. Er nimmt von den Anbieterinnen Teilnehmeridentifikationen sowie Verkehrsund Rechnungsdaten entgegen und leitet diese an die anordnende Behörde weiter.

f. Er setzt zusätzliche Schutzvorkehren um, welche ihm die Genehmigungsbehörden bei Überwachungen nach den Artikeln 3 Absatz 8 und 6 Absatz 3 übertragen.

g. Er teilt der Genehmigungsbehörde unverzüglich die Einstellung der Überwachung mit.

h. Er bewahrt die Überwachungsanordnung nach Einstellung der Überwachung während eines Jahres auf.

i. Er führt eine Statistik Über die Überwachungen.

k. Er verfolgt die technischen Entwicklungen des Fernmeldewesens.

2 Auf Ersuchen kann der Dienst auch folgende Aufgaben erfüllen: a. Er zeichnet Direktschaltungen auf.

b. Er transkribiert den aufgezeichneten Femmeldeverkehr.

c. Er übersetzt fremdsprachige Texte.

d. Er wertet den aufgezeichneten Fernmeldeverkehr aus (Triage).

4312

*3î

Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs. BG

e.

Er berät Behörden und Anbieterinnen von Femmeldediensten in technischen Fragen in Zusammenhang mit Überwachungen des Fernmeldeverkehrs.

3 Der Bundesrat regelt die Einzelheiten.

Art. 12 Auskünfte über Fernmeldeanschlüsse 1 Die Anbieterinnen von Femmeldediensten liefern dem Dienst folgende Daten über bestimmte Femmeldeanschlüsse: a. Name, Adresse und, sofern vorhanden, Beruf der Teilnehmerin oder des Teilnehmers; b. Adressierungselemente nach Artikel 3 Buchstabe f des Fernmeldegesetzes vom 30. April 199715; c. Art der Anschlüsse.

2 Auf Gesuch hin erteilt der Dienst ausschliesslich den folgenden Behörden Auskünfte über die in Absatz l genannten Daten: a. den eidgenössischen und kantonalen Behörden, welche eine Überwachung des Fernmeldeverkehrs anordnen oder genehmigen dürfen, zur Bestimmung der zu überwachenden Anschlüsse und Personen; b. dem Bundesamt für Polizeiwesen, der Bundespolizei und den kantonalen und städtischen Polizeikommandos für die Erfüllung von Polizeiaufgaben; c. den zuständigen Behörden des Bundes und der Kantone zur Erledigung von Verwaltungsstrafsachen.

3 Der Bundesrat regelt die Form der Gesuche und deren Aufbewahrung.

Art. 13

Pflichten der Anbieterinnen

1

Die Anbieterinnen von Fernmeldediensten sind verpflichtet, dem Dienst auf Verlangen den Fernmeldeverkehr der überwachten Person sowie die Teilnehmeridentifikation und Verkehrs- und Rechnungsdaten zuzuleiten. Ebenso haben sie die zur Vornahme der Überwachung notwendigen Informationen zu erteilen.

2 Sie sind verpflichtet, die für die Teilnehmeridentifikation notwendigen Daten sowie die Verkehrs- und Rechnungsdaten während sechs Monaten aufzubewahren.

3

Sie liefern die verlangten Teilnehmeridentifikationen sowie Verkehrs- und Rechnungsdaten so rasch als möglich und den Fernmeldeverkehr der überwachten Person soweit möglich in Echtzeit. Von ihnen angebrachte Verschlüsselungen müssen sie entfernen.

4

Sie gewährleisten die Mitteilung der in Artikel 12 Absatz I genannten Daten.

Diese Daten können dem Dienst auch durch ein Abrufverfahren zugänglich gemacht werden.

5

Der Bundesrat bestimmt die Einzelheiten. Wenn erforderlich kann er vorsehen, dass die Mitteilung kostenlos und rund um die Uhr zu erfolgen hat.

6

Die Tatsache der Überwachung und alle sie betreffenden Informationen unterliegen gegenüber Dritten dem Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 321ter StGB).

15

SR 784.10 4313

Überwachung des Post- und Femmeldeverkehrs. BG 7

Die Eigentümer von firmeneigenen Netzen und Hauszentralen müssen den vom Dienst beauftragten Personen Zutritt gewähren und die notwendigen Auskünfte erteilen.

5. Abschnitt; Gebühren und Entschädigungen Art. 14 1 Die für eine Überwachung notwendigen Einrichtungen gehen zu Lasten der Anbieterinnen von Post- und Femmeldediensten. Diese erhalten von der anordnenden Behörde für Aufwendungen im Einzelfall eine angemessene Entschädigung.

2 Der Bundesrat regelt die Entschädigungen und setzt die Gebühren für die Dienstleistungen des Dienstes fest.

6. Abschnitt: Schlussbestimmungen Art 15 Vollzug Der Bundesrat erlässt die Vollzugsvorschriften.

Art. 16 Übergangsbestimmung Eine Überwachung, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes richterlich genehmigt worden ist, kann nach dem dafür angewendeten Verfahrensrecht abgeschlossen werden. Eine Verlängerung kann nur angeordnet werden, wenn die Anforderungen dieses Gesetzes erfüllt sind.

Art 17 Referendum und Inkrafttreten 1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

9803

4314

Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs. BG

Anhang

Änderung bisherigen Rechts 1. Das Strafgesetzbuch16 wird wie folgt geändert:

Amtliche Überlosigkeit,Straf

Art. 179octies 1 Wer in Ausübung ausdrücklicher, gesetzlicher Befugnis die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs einer Person anordnet oder durchführt oder technische Überwachungsgeräte (Art. 179bis ff.) einsetzt, ist nicht strafbar, wenn unverzüglich die Genehmigung des zuständigen Richters eingeholt wird.

2 Die Voraussetzungen der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs und das Verfahren richten sich nach dem Bundesgesetz vom ...17 betreffend die Überwachung des Post- und Femmeldeverk e h r s · ' An. 400bis Aufgehoben

2. Die Bundesstrafrechtspflege18 wird wie folgt geändert:

Art. 66 1

Für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs gilt das Bundesgesetz vom... 19 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs.

2

Der Untersuchungsrichter und vor Einleitung der Voruntersuchung der Bundesanwalt können den Einsatz technischer Überwachungsgeräte (Art. 179bis ff. StGB) anordnen. Für die Voraussetzungen und das Verfahren gilt das Bundesgesetz vom... betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs sinngemäss.

Art. 66bis-66quinquies Aufgehoben Art. 72 Aufgehoben

16

SR 311.0

17

SR ...; AS...(BBlI 19984306) SR 312.0 SR ... ; AS ... (BEI 1998 4306)

18 19

4315

Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs. BG

3. Der Militärstrafprozess20 wird wie folgt geändert: Art, 70 Voraussetzungen Für die21 Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs gilt das Bundesgesetz vom ... betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs. Für den Einsatz technischer Überwachungsgeräte (Art. 179bisff. StGB) gilt dieses Gesetz sinngemäss.

Art. 71-73 Aufgehoben

4. Das Rechtshilfegesetz22 wird wie folgt geändert: Art, 18a (neu) Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs 1 Das Bundesamt kann auf ausdrückliches Ersuchen eines anderen Staates zur Ermittlung des Aufenthaltes des Verfolgten eine Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs anordnen.

2 Zur Leistung anderer Rechtshilfe kann die mit dem Ersuchen befasste Behörde des Bundes oder des Kantons die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs anordnen.

3 Die Voraussetzungen der Überwachung und das Verfahren richten sich nach dein Bundesgesetz vom ...23 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs.

5. Das Femmeldegesetz-vom 30. April 199724 wird wie folgt geändert: Art. 44 Überwachung des Fernmeldeverkehrs Für die Überwachung des Femmeldeverkehrs gilt das Bundesgesetz vom ,..25 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs.

9803

20 21 22 23 24 25

4316

SR 322.1 SR ... ; AS ... (BB11998 4306) SR 351.1 SR ... ; AS ... (BB11998 4306) SR 784.10 SR ... ; AS ... (BB11998 4306)

Bundesgesetz über die verdeckte Ermittlung

Entwurf

(BVE) vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Artikel 64bis und 69bis der Bundesverfassung, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 1. Juli 19981 beschliesst;

1. Abschnitt: Geltungsbereich Art. l 1 Dieses Gesetz gilt für die verdeckte Ermittlung zur Bekämpfung des unerlaubten Betäubungsmittelverkehrs in Strafverfahren des Bundes und der Kantone.

2 In Strafverfahren des Bundes gilt es zusätzlich für die Aufdeckung von Verbrechen, die der Bundesgerichtsbarkeit unterstehenden und deren Schwere die verdeckte Ermittlung rechtfertigt, so namentlich, wenn der Verdacht besteht, dass die strafbaren Handlungen gewerbs-, bandenmässig, mehrfach oder von einer kriminellen Organisation begangen werden.

3 In andern als in Absatz l vorgesehenen kantonalen Strafverfahren können die Kantone nach ihrem eigenen Recht verdeckte Ermittlungen durchführen.

2. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Art. 2 Voraussetzungen 1 Die Kommandantin oder der Kommandant eines Polizeikorps mit gerichtspolizeilichen Aufgaben kann eine Person mit deren Zustimmung zur verdeckten Ermittlerin oder zum verdeckten Ermittler ernennen, wenn strafbare Handlungen nach Artikel l abzuklären sind.

2 Als verdeckte Ermittlerinnen oder Ermittler können ernannt werden: a. Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamte; sowie b. Personen, welche vorübergehend für eine polizeiliche Aufgabe angestellt werden, auch wenn sie nicht über eine polizeiliche Ausbildung verfügen.

1

BB11998 4241 4317

Verdeckte Ermittlung. BG

Art 3 Legende und Vertraulichkeitszusage 1 Das Polizeikommando kann verdeckte Ermittlerinnen oder Ermittler mit einer Legende ausstatten, die ihre wahre Identität verändert.

2 Es kann verdeckten Ermittlerinnen oder Ermittlern mit einer Vertraulichkeitszusage zusichern, dass auch in einem Gerichtsverfahren ihre wahre Identität nicht preisgegeben wird.

3 Haben verdeckte Ermittlerinnen oder Ermittler bei ihrem Einsatz schwere Straftaten begangen, so entscheidet die Genehmigungsbehörde auf Antrag einer Behörde, unter welcher Identität das Strafverfahren durchgeführt und ob die Vertraulichkeitszusage widerrufen wird.

Art. 4 Richterliche Genehmigung Für die Ernennung von verdeckten Ermittlerinnen oder Ermittlern ist eine richterliche Genehmigung notwendig, wenn: a. zum Aufbau oder zur Aufrechterhaltung einer Legende Urkunden hergestellt oder verändert werden sollen; oder b. Personen nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b ernannt werden.

Art. 5 Genehmigungsverfahren 1 Die begründete Ernennungsverfügung und die für die Genehmigung wesentlichen Akten müssen folgenden Behörden unterbreitet werden: a. von Behörden des Bundes: der Präsidentin oder dem Präsidenten der Anklagekammer des Bundesgerichts; b. von den kantonalen Behörden: der vom Kanton bezeichneten richterlichen Genehmigungsbehörde.

2 Die Genehmigungsbehörde entscheidet mit kurzer Begründung. Sie kann die Ernennung zur verdeckten Ermittlerin oder zum verdeckten Ermittler vorläufig oder unter Auflagen genehmigen, eine Ergänzung der Akten oder weitere Abklärungen verlangen.

Art. 6 Rechte und Pflichten 1 Verdeckte Ermittlerinnen oder Ermittler haben Anspruch darauf, dass ihnen der bestmögliche Schutz gewährt wird, um Gefahren für Leib und Leben abzuwenden.

2 Sie müssen ihren Einsatz im Rahmen der Instruktionen pflichtgemäss durchführen und regelmässig über ihre Tätigkeit und ihre Feststellungen berichten. Instruktion und Berichterstattung werden aktenmässig festgehalten. Diese Akten werden getrennt von Verfahrensakten geführt.

3 Verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler dürfen niemanden zu einer strafbaren Handlung provozieren.

4 Der Bundesrat und die zuständige kantonale Behörde erlassen die besonderen dienstrechtlichen Bestimmungen über die verdeckte Ermittlung, insbesondere Über die Entschädigung des entstehenden Mehraufwandes.

4318

Verdeckte Ermittlung. BG

Art. 7 Führung und Instruktion 1 Jede verdeckte Ermittlerin oder jeder verdeckte Ermittler wird von einer Person geführt, die vom Polizeikommando bestimmt wird (Führungsperson). Die Verbindung zur verdeckten Ermittlerin oder zum verdeckten Ermittler erfolgt auch während des Einsatzes in einem Strafverfahren über die Führungsperson.

2 Die Führungsperson instruiert die verdeckte Ermittlerin oder den verdeckten Ermittler genau über ihren Auftrag, ihre Befugnisse und den Umgang mit der Legende. Sie hat die Weisungsbefugnisse einer dienstlichen Vorgesetzten.

\

Art. 8 Verwendung der Erkenntnisse 1 Ergeben sich aus den Berichten der verdeckten Ermittlerin oder des verdeckten Ermittlers Erkenntnisse auf ein Verbrechen oder Vergehen, so erstattet das Polizeikommando Anzeige an die zuständige Strafverfolgungsbehörde. Die Anzeige kann mit dem Antrag verbunden werden, vorerst auf erkennbare Ermittlungshandlungen zu verzichten, um nicht eine Gefahr für die verdeckte Ermittlung zu schaffen.

2 Wenn Erkenntnisse nach Absatz l für die Beweisführung notwendig sind, wird ein polizeilicher Amtsbericht in die Verfahrensakten integriert.

Art. 9

Beendigung des Einsatzes

1

Das zuständige Polizeikommando beendet den Einsatz, wenn: a. innert nützlicher Frist kein Einsatz in einem Strafverfahren absehbar ist; b. die Risiken oder der Aufwand des Einsatzes in einem Missverhältnis zum zu erwartenden Ergebnis stehen; oder c. die verdeckte Ermittlerin oder der verdeckte Ermittler die Instruktionen nicht befolgt, die Führungsperson wissentlich falsch informiert oder in anderer Art ihre Pflichten nicht erfüllt.

2 Die Beendigung erfolgt nach Weisungen der Führungsperson. Sie muss so erfolgen, dass weder die verdeckte Ermittlerin oder der verdeckte Ermittler noch weitere in die Ermittlung einbezogene Drittpersonen einer abwendbaren Gefahr ausgesetzt werden. Sobald die Legende nicht mehr notwendig ist, werden die sie stützenden Ausweisschriften vom Polizeikommando sichergestellt.

3 MUSS eine verdeckte Ermittlerin, ein verdeckter Ermittler oder eine in die Ermittlung einbezogene Drittperson von den Aufgaben entbunden werden, sorgt das Polizeikommando wenn nötig für eine geeignete Nachbetreuung.

3. Abschnitt: Einsatz in Strafverfahren Art. 10 Anordnende Behörden Im Einvernehmen mit dem Polizeikommando können den Einsatz von verdeckten Ermittlerinnen oder Ermittlern in einem Strafverfahren anordnen: a. die Bundesanwältin oder der Bundesanwalt und die eidgenössischen Untersuchungsrichterinnen oder Untersuchungsrichter; sowie b. die zuständigen kantonalen Strafuntersuchungsbehörden.

4319

Verdeckte Ermittlung. BG

Art. 11 Voraussetzungen 1 Verdeckte Ermittlerinnen oder Ermittler können zur Aufdeckung einer strafbaren Handlung im Sinne von Artikel l eingesetzt werden, wenn die Strafuntersuchung ohne verdeckte Ermittlung aussichtslos oder unverhältnismässig erschwert wäre.

2 Der Einsatz zur Bekämpfung des unerlaubten Betäubungsmittelverkehrs ist nur zulässig, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht auf eine strafbare Handlung nach Artikel 19 Ziffer 2 des Betäubungsmittelgesetzes vom 3. Oktober 195l2 begründen, die Bezüge zum organisierten Verbrechen aufweist oder auf andere Weise besonders schwer wiegt.

3 In einem Strafverfahren des Bundes oder eines Kantons können zur Verfolgung einer strafbaren Handlung im Sinne von Artikel l auch verdeckte Ermittlerinnen oder Ermittler eingesetzt werden, die nach kantonalem oder ausländischem Recht ernannt wurden und die Anforderungen nach Artikel 2 erfüllen.

Art. 12

Straflösigkeit von Betäubungsmitteldelikten

Verdeckte Ermittlerinnen oder Ermittler sind nicht nach den Artikeln 19 sowie 20-22 des Betäubungsmittelgesetzes vom 3. Oktober 195l3 strafbar, wenn sich der Einsatz nach Massgabe dieses Gesetzes abwickelt.

Art. 13 Richterliche Genehmigung 1 Für den Einsatz von verdeckten Ermittlerinnen oder Ermittler in einem Strafverfahren ist eine Genehmigung durch eine Behörde nach Artikel 5 Absatz l notwendig.

2 In der Genehmigung wird die für das betreffende Strafverfahren geltende Zusicherung von Schutzmassnahmen nach Artikel 20 Absatz l festgehalten.

Art 14 Genehmigungsverfahren 1 Die anordnende Behörde reicht innert 24 Stunden nach Anordnung des Einsatzes der Genehmigungsbehörde ein: a. die Anordnungsverfügung; b. die Begründung und die für die Genehmigung wesentlichen Verfahrensakten.

2 Die Genehmigungsbehörde entscheidet mit kurzer Begründung innert fünf Tagen seit der Anordnung. Sie kann die verdeckte Ermittlung vorläufig oder unter Auflagen genehmigen oder eine Ergänzung der Akten oder weitere Abklärungen verlangen.

3 Wird der Einsatz nicht genehmigt, muss die anordnende Behörde den Einsatz beenden und die betreffenden Aufzeichnungen sofort aus den Verfahrensakten aussondern. Allenfalls dadurch gewonnene Erkenntnisse dürfen weder für weitere Ermittlungen noch zum Nachteil einer beschuldigten Person verwendet werden.

2

SR 812.121

3

SR 812.121

4320

·*

Verdeckte Ermittlung. BG

Art. 15 Beendigung des Einsatzes 1 Die anordnende Behörde verfügt die Beendigung des Einsatzes, wenn dessen Voraussetzungen entfallen. Sie kann den Einsatz abbrechen, wenn verdeckte Ermittlerinnen oder Ermittler in schwerwiegender Weise von Instruktionen abweichen oder die Ermittlungsbehörden wissentlich falsch informieren. Für das Verfahren gilt Artikel 9 Absätze 2 und 3.

2 Die anordnende Behörde teilt die Beendigung des Einsatzes oder dessen ordnungsgemässen Abschluss der Genehmigungsbehörde unverzüglich mit.

Art. 16 Rechte und Pflichten 1 Das Mass der zulässigen Einwirkung der verdeckten Ermittlerinnen oder Ermittler beschränkt sich auf die Konkretisierung eines bereits vorhandenen Tatentschlusses.

Wenn erforderlich dürfen verdeckte Ermittlerinnen oder Ermittler zur Anbahnung des Hauptgeschäfts insbesondere Probekäufe tätigen und mit geeigneten Mitteln ihre Zahlungsfähigkeit dokumentieren.

2 Verdeckte Ermittlerinnen oder Ermittler haben sich jeder Einfiussnahme zu enthalten, die bei Betroffenen den Tatentschluss hervorruft oder diese zur Begehung von schwerwiegenderen Straftaten bestimmt, als ursprünglich geplant.

Art. 17 Vorzeigegeld 1 Auf Antrag des für den Einsatz zuständigen Polizeikommandos kann der Bund über die Nationalbank die für Scheingeschäfte benötigten Geldbeträge in der gewünschten Menge und Art zur Verfügung stellen.

2 Die Kantone richten den Antrag mit einer kurzen Falldarstellung an die Zentralstellendienste des Bundesamtes für Polizeiwesen. Das Polizeikommando trifft die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen.

3 Bei Verlust, der durch vorsätzliches oder grobfahrlässiges Verhalten entstanden ist, haftet das verantwortliche Gemeinwesen.

Art 18 Zufallsfunde Erkennen verdeckte Ermittlerinnen oder Ermittler im Rahmen ihrer ordnungsgemässen Auftragserfüllung andere strafbare Handlungen als die in der Anordnung aufgeführten, so meldet die Führungsperson dies dem zuständigen Polizeikommando, das die Informationen an die zuständige Strafverfolgungsbehörde weiterleitet.

Diese Anzeige kann mit dem Antrag verbunden werden, vorerst auf erkennbare Ermittlungshandlungen zu verzichten, um nicht eine Gefahr für die verdeckte Ermittlung zu schaffen.

4321

Verdeckte Ermittlung. BG

4. Abschnitt: Gerichtsverfahren Art. 19

Mitteilung

1

Spätestens mit der Anklageerhebung ist der beschuldigten Person mitzuteilen, dass gegen sie verdeckt ermittelt wurde.

2

Die Mitteilung kann jedoch mit Zustimmung der Genehmigungsbehörde unterbleiben: a. bei Einstellung des Verfahrens; b. wenn schwere Nachteile zu befürchten wären für: 1. ein laufendes oder voraussehbares Strafverfahren, 2. eine verdeckte Ermittlerin oder einen verdeckten Ermittler, 3. Drittpersonen.

Art. 20 Schützmassnahmen 1 Die Identität der verdeckten Ermittlerinnen oder Ermittler, denen nach Artikel 13 Absatz 2 Schützmassnahmen zugesichert wurden, wird auch nach Abschluss ihres Einsatzes geheimgehalten. In diesem Fall unterbleibt die Preisgabe ihrer Personalien im Verfahren und deren Aufnahme in die Verfahrensakten.

2 Ist eine Gegenüberstellung der beschuldigten Person mit verdeckten Ermittlerinnen oder Ermittlern notwendig, trifft die verfahrensleitende Behörde in Würdigung der Zusicherung die notwendigen Schützmassnahmen, namentlich: a. Veränderung von Aussehen und Stimme der verdeckten Ermittlerinnen oder Ermittler;

b.

räumlich getrennte Einvernahme der verdeckten Ermittlerinnen oder Ermittler.

3

In diesen Fällen bezeugt eine Polizeioffizierin oder ein Polizeioffizier, deren Identität bekannt ist: a. dass die verdeckte Ermittlerin oder der verdeckte Ermittler mit der einvernommenen Person identisch ist; b. die für deren Glaubwürdigkeit wesentlichen Tatsachen.

4 Falls die Geheimhaltung der Identität der verdeckten Ermittlerin oder des verdeckten Ermittlers nicht mit andern Mitteln möglich ist, kann die Einvernahme vor Gericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgen.

5

Für Drittpersonen, die an der verdeckten Ermittlung mitgewirkt haben, können die gleichen Schützmassnahmen getroffen werden.

4322

**

Verdeckte Ermittlung. BG

5. Abschnitt: Schlussbestimmungen Art. 21

Änderung bisherigen Rechts

1. Das Strafgesetzbuch4 wird wie folgt geändert: Art. 317bis (neu)

Nicht strafbare Handiungen

!

Polizeibeamte sind nicht nach den Artikeln 251, 252 und 317 straf^ar, wenn sie mit richterlicher Genehmigung im Rahmen einer verdeckten Ermittlung zum Aufbau oder zur Aufrechterhaltung ihrer Legende Urkunden herstellen, verändern oder gebrauchen.

2 Beamte, die mit richterlicher Genehmigung für eine verdeckte Ermittlung Urkunden herstellen oder verändern, sind nicht nach den Artikeln 251,252 und 317 strafbar.

2. Das Betäubungsmittelgesetz vom 3. Oktober 195l5 wird wie folgt geändert: Art. 23 Abs. 2 2 Der Beamte, der mit der Bekämpfung des unerlaubten Betäubungsmittelverkehrs beauftragt ist und zu Ermittlungszwecken selber ein Angebot von Betäubungsmitteln annimmt, bleibt straflos, auch wenn er seine Identität und Funktion nicht bekanntgibt.

Art. 22 Übergangsbestimmungen 1 Richterlich genehmigte Zusicherungen von Schutzmassnahmen behalten ihre Gültigkeit.

2 Eine richterlich genehmigte verdeckte Ermittlung innerhalb eines laufenden Ermittlungsverfahrens kann nach dem dafür angewendeten Verfahrensrecht abgeschlossen werden.

3 Solange ein Kanton die Behörden noch nicht bezeichnet hat, welche die verdeckte Ermittlung anordnen und genehmigen, gelten die Zuständigkeiten für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs sinngemäss.

Art. 23 Referendum und Inkrafttreten 1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

9803

4 5

SR 311.0 SR 812.121

4323

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft zu den Bundesgesetzen betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs und über die verdeckte Ermittlung vom 1.Juli 1998

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1998

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

35

Cahier Numero Geschäftsnummer

98.037

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

08.09.1998

Date Data Seite

4241-4323

Page Pagina Ref. No

10 054 762

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.