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Bundesrathsbeschluß über

den Rekurs von B. Sutter in Appenzell betreffend den Ausschank von gebrannten Wassern.

(Vom 8. April 1892.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s rat h

hat nach Einsicht eines Berichtes seines Justiz- und Polizeidepartements und der Akten, woraus sich ergibt: Mit Eingabe vom 20. Januar 1892 besehwert sich R. S u t t e r , Restaurateur zum Sternen in Appenzell, beim Bundesrath über die innerrhodische Verordnung vorn 9. April 1888 betreffend den Kleinhandel mit gebrannten Wassern und verlangt im Speziellen, daß Artikel 5 dieser Verordnung, welcher von den bestehenden Wirthschaften eine besondere Patenttaxe für den Ausschank von gebrannten Wassern verlangt, aufgehoben werde.

Rekurrent erblickt in der angefochtenen Verordnung nicht bloß eine falsche Auslegung und Anwendung von Artikel 8 des Alkoholgesetzes, sondern gleichzeitig eine verfassungswidrige Doppelbesteuerung und einen Widerspruch mit dem Bundesversammlungsbeschluss (Abweisung) betreffend den Rekurs Meßmer und Genossen in Liestal vom 11. Juni 1888 (vgl. Bundesbl. 1888 III, 504); in Erwägung: Das Alkoholgesetz hat nicht bloß einen fiskalischen Charakter ; es verfolgt auch den ethischen Zweck, dem übermäßigen Schnapsgenuß entgegenzutreten. Als ein Mittel zu diesem Zwecke wurde u. A. die Bestimmung betrachtet, daß der Ausschank zum Genuß an Ort und Stelle an eine der Größe und dem Werthe des Umsatzes entsprechende Verkaufssteuer zu knüpfen sei. Eine solche Bestimmung war um so mehr geboten, als zur Zeit des Erlasses des Bundesgesetzes betreffend gebrannte Wasser es Kantone gab, in welchen das Wirthen und der Ausschank von geistigen Getränken aller Art noch ein freies, an keine kantonale Steuer gebundenes Gewerbe war.

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Weder der Wortlaut noch der Sinn und Geist von Artikel 8 des Alkoholgesetzes sprechen dagegen, daß die kompetenten kantonalen Behörden auch den bestehenden Wirthschaften eine besondere Verkaufssteuer für gebrannte Wasser auferlegen können.

In welcher Weise sie dieses thun, steht bis zum Erlaß eines Bundesgesetzes den Kantonen frei, vorausgesetzt, daß diese kantonalen Vorschriften den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit selbst nicht beeinträchtigen.

Ebensowenig finden die Ausführungen des Petenten durch die Praxis, wie sie in den übrigen Kantonen geübt wird, oder durch bisherige Rekursentscheide der Bundesversammlung eine Unterstützung, und insbesondere wird die Entscheidung im Rekursfalle Meßmer vom Petenten, offenbar verleitet durch ein unrichtiges Zeitungsreferat, durchaus falsch ausgelegt.

Der Rekurs Meßmer war gegen einen Beschluß des basellandschaftlichen Landrathes gerichtet, durch welchen der Kleinhandel mit gebrannten Wassern nur den patentirten Wirthen gestattet wurde. Mit der Frage aber, ob die Wirthe für den Ausschank von Branntwein mit e i n e r b e s o n d e r n T a x e , außer der Wirthschaftspatentgebühr, belastet werden dürfen, hatte der Rekurs Meßmer nichts zu thun. Seither ist denn auch im Kanton Baselland, durch Gesetz vom 18. März 1889, für den Kleinverkauf von Branntwein ein besonderes staatliches Patent mit einer besondern Gebühr eingeführt worden.

Ob in diesem Verhältniß eine unzuläßige Doppelbesteuerung liege, hat nicht der Bundesrath, sondern eventuell das Bundesgericht zu entscheiden, beschlossen: Der Rekurs des R. Sutter wird theils wegen, sachlicher Unbegründetheit, theils wegen Inkompetenz des Bundesrathes abgewiesen.

B e r n , den 8. April 1892.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Hauser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bundesrathsbeschluß über den Rekurs von B. Sutter in Appenzell betreffend den Ausschank von gebrannten Wassern. (Vom 8. April 1892.)

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27.04.1892

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