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Jahresbericht des Bundesrates über die Tätigkeiten der Schweiz im Europarat 1997 vom 14. Januar 1998

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen den Bericht des Bundesrates über die Tätigkeiten der Schweiz im Europarat 1997 und beantragen Ihnen, davon Kenntnis zu nehmen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

14. Januar 1998

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Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Cotti Der Bundeskanzler: Couchepin

1998-48

Übersicht Das herausragende Ereignis des Jahres stellte das Zweite Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der 40 Mitgliedstaaten des Europarates dar, an dem eine Abschlusserklärung und ein 19 Punkte umfassender Aktionsplan verabschiedet wurden.

Die 100. und die 101. Session des Ministerkomitees waren hauptsächlich Albanien und Bosnien-Herzogewina sowie der Umsetzung des von den Staatsund Regierungschefs beschlossenen Aktionsprogramms gewidmet.

Der Europarat führte seine Unterstützungsprogramme zur Entwicklung und Konsolidierung der demokratischen Sicherheit in den neuen Demokratien Mittel- und Osteuropas weiter. Die Annäherung an die europäischen Normen machte Fortschritte, doch gibt es weiterhin einige Problemländer.

Bei den Menschenrechten standen die Vorbereitungen für die Erstellung des neuen einzigen und ständigen Gerichtshofes im Vordergrund. Er wird im Herbst 1998 seine Tätigkeit aufnehmen. Im Berichtszeitraum fällte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fünf die Schweiz betreffende Urteile.

In vier Fällen stellte der Gerichtshof eine Verletzung der EMRKfest. In drei weiteren Fällen wurde vom Ministerkomitee eine teilweise Verletzung der Konvention durch die Schweiz festgestellt.

Das Ministerkomitee verabschiedete mehr als 20 Empfehlungen (vgl. Anhang), welche u.a. die privaten Hochschulen, den Denkmal- und Umweltschutz, die Jugend- und Familienpolitik, den Datenschutz, den Strafvollzug, die Korruptionsbekämpfung, die öffentlichen Dienstleistungen der Gemeindeverwaltungen, das Gesundheitswesen und die Medienpolitik betreffen.

Vier neue europäische Übereinkommen wurden zur Unterzeichnung aufgelegt: das Europäische Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin, das gemeinsame Übereinkommen des Europarates und der UNESCO über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich, die europäische Staatsangehörigkeitskonvention sowie das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen.

Erneut wurden zahlreiche Fachministerkonferenzen durchgeführt: Die 25.

Europäische Familienministerkonferenz (Wien, Juni) widmete sich dem Thema «Heranwachsen: eine Herausforderung für die Familie»; die 21. Europäische Justizministerkonferenz (Prag, Juni) befasste sich mit den «Verbindungen zwischen Korruption und organisierter Kriminalität»; die 11. Europäische
Konferenz der für die Raumordnung verantwortlichen Minister (Limassol, Oktober) behandelte das Thema «Die nachhaltige Entwicklung des europäischen Raumes und der Schutz der Wasservorkommen»; die 4. Europäische Ministerkonferenz zur Gleichstellung von Frau und Mann (Istanbul, November) überprüfte Massnahmen zur Realisierung der tatsächlichen Gleichstellung von Frau und Mann; die 5. Europäische Ministerkonferenz über die Medien (Thessaloniki, Dezember) hatte schliesslich «Die Informationsgesellschaft: eine Herausforderung für Europa» zum Thema.

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Bericht I II

Wichtigste Entwicklungen im Jahre 1997 Das Zweite Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs

Das herausragende Ereignis des Jahres 1997 stellte das Zweite Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der 40 Mitgliedstaaten des Europarates dar, welches am 10. und 11. Oktober auf Einladung des französischen Präsidenten in Strassburg abgehalten wurde. Nach dem ersten, dem Prozess der Öffnung nach Osten gewidmeten Gipfel von Wien im Jahre 1993 brachte diese Begegnung symbolisch den nun vollzogenen Zusammenschluss Gesamteuropas auf der Grundlage gemeinsamer demokratischer Werte zum Ausdruck. Die Frage nach der Rolle des Europarates im institutionellen Gefüge Europas wurde zwar nicht beantwortet, dennoch konnten eine Reihe wichtiger Massnahmen verabschiedet werden, welche den Aktivitäten des Europarates mittelfristig neue Impulse verleihen. Dies gilt besonders für die demokratische Sicherheit, die Menschenrechte sowie den sozialen Zusammenhalt.

Die Staats- und Regierungschefs verabschiedeten eine Abschlusserklärung und einen 19 Punkte umfassenden Aktionsplan, der u.a. folgende Massnahmen vorsieht: sofortige Verwirklichung des neuen Ständigen Gerichtshofs für Menschenrechte; Ernennung eines Kommissars für Menschenrechte; Verstärkung des Kampfes gegen Rassismus und Intoleranz sowie des Schutzes der nationalen Minderheiten; Verabschiedung eines Verbots des Klonens menschlicher Lebewesen; Massnahmen zur Bekämpfung der Korruption und des organisierten Verbrechens sowie zur Verbesserung des Schutzes der Kinder.

Nach Auffassung der Schweiz sollte sich der Europarat in Zukunft noch mehr um die Integration der neuen Mitglieder bemühen, gleichzeitig jedoch darauf achten, dass der hohe Menschenrechtsstandard erhalten bleibt und noch vertieft wird.

Dem neuen Ständigen Menschenrechtsgerichtshof als zentraler Institution des Europarates wird in Zukunft noch grössere Bedeutung zukommen. Es ist deshalb unerlässlich, dass er mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet wird, damit er die durch die Erweiterung entstandenen zusätzlichen Aufgaben erfüllen kann.

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100. und 101. Session des Ministerkomitees

Auf der Tagesordnung der von der finnischen Aussenministerin Tarja Halonen präsidierten 100. Session des Ministerkomitees stand u.a. der Meinungsaustausch über die Zielsetzung des Zweiten Europaratsgipfels. Die Aussenminister bekräftigten ferner ihren Willen, die von ihren Ländern eingegangenen Verpflichtungen strikte einzuhalten, und gaben der Hoffnung Ausdruck, dass der hierfür vorgesehene Kontrollmechanismus (Monitoring) zu konkreten Ergebnissen führen wird.

In bezug auf die Krise in Albanien bestätigten sie die Disponibilität des Europarates, einen aktiven Beitrag zur Wiederherstellung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu leisten. Die Minister waren sich einig, dass der Europarat die Bemühungen der Internationalen Gemeinschaft zugunsten der Förderung der Menschenrechte und der Demokratie in Bosnien-Herzegowina weiterführen und verstärken sollte.

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An der 101. Session, die unter der Präsidentschaft des französischen Ministerdelegierten für europäische Angelegenheiten stand, überprüften die Aussenminister die Modalitäten der Umsetzung des Aktionsplanes des Zweiten Gipfeltreffens. Sie beschlossen, einen Rat der Weisen einzusetzen, der innert Jahresfrist über die wegen der neuen gesamteuropäischen Dimension des Europarates notwendig gewordene Strukturreform Bericht erstatten soll. Sie verabschiedeten ferner im Sinne des Aktionsplanes ein Zusatzprotokoll zum Europäischen Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin (Konvention von Oviedo), welches das Klonen menschlicher Lebewesen verbietet, und stimmten einer Empfehlung mit Leitlinien auf dem Gebiet der Korruptionsbekämpfung zu, die bei der Ausarbeitung der nationalen Gesetzgebung anzuwenden sind.

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Andere wichtige Tätigkeiten

Der politische Dialog mit den Beitrittskandidaten wurde weitergeführt. Im April fand in Strassburg eine Sondersitzung mit den Aussenministern Armeniens, Aserbaidschans und Georgiens statt. Die genannten drei Länder traten gleichzeitig der Europäischen Kulturkonvention bei. Besonders eng war der politische Dialog mit Bosnien-Herzegowina. Der Sondergaststatus von Belarus wurde von der Parlamentarischen Versammlung wegen der innenpolitischen Entwicklung sistiert.

Der Europarat und die Europäische Union halten in der Regel zweimal jährlich sogenannte Vierertreffen ab. Das 9. Treffen fand im April in Luxemburg, das 10.

im Herbst in Brüssel statt. Zur Diskussion standen u.a. die Förderung der Demokratisierung und die Unabhängigkeit der Medien im ehemaligen Jugoslawien, die Koordination der Aktionen im Krisenfall (Albanien, Bosnien, Belarus), die Zusammenarbeit bei den Programmen zugunsten der Länder Mittel- und Osteuropas sowie die zukünftige Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) und dem Europäischen Observatorium gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.

Die Zusammenarbeit mit der OSZE wurde verstärkt. Das vierte hochrangige Treffen zwischen den beiden Organisationen fand im Februar in Oslo statt. Gemeinsam wurde ein Aufruf zur Unterstützung der Menschenrechtskommission von Bosnien-Herzegowina erlassen. Der Europarat und die OSZE veranstalteten ferner eine gemeinsame Sitzung mit Expertinnen und Experten aus den Hauptstädten sowie den Ständigen Delegierten von Strassburg und Wien, welche der Evaluierung der Kontrollmechanismen der beiden Organisationen gewidmet war.

Im Rahmen des vom Ministerkomitee durchgeführten Monitoring wurden Themen wie die Meinungs- und Informationsfreiheit sowie das Funktionieren und der Schutz der demokratischen Institutionen behandelt. Die Delegierten zogen Bilanz über den ersten Zweijahreszyklus und einigten sich für 1998 auf zwei neue Themen: das Funktionieren des Justizwesens und die lokale Demokratie.

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Der demokratische Zusammenhalt Menschenrechte

Auch das Jahr 1997 wurde durch die Arbeiten im Hinblick auf die grundlegende Reform des Kontrollmechanismus der Europäischen Menschenrechtskonvention 589

(EMRK) geprägt. Mit dem Protokoll Nr. 11 zur EMRK (STE 155)', das am 1. November 1998 in Kraft tritt, wird ein einziger und ständiger Gerichtshof für Menschenrechte geschaffen. Verschiedene Fragen, die für die reibungslose Umstellung und die Funktionsfähigkeit des neuen Gerichtshofs entscheidend sind, bedürfen noch der Klärung. So befasste sich etwa der Expertenausschuss für die Verbesserung der zum Schütze der Menschenrechte eingerichteten Verfahren (DH-PR) mit dem Entwurf einer Arbeitsgruppe für die Verfahrensordnung des neuen Gerichtshofs.

Am Gipfeltreffen in Strassburg wurde beschlossen, das Amt eines Kommissars für Menschenrechte zu schaffen. Unter Beachtung der Zuständigkeiten des neuen einzigen Gerichtshofs wird er die Aufgabe haben, die Achtung der Menschenrechte in den Mitgliedstaaten zu fördern. Das Ministerkomitee wurde beauftragt, ein diesbezügliches Mandat auszuarbeiten.

Der Lenkungsausschuss für Menschenrechte (CDDH) bildete eine Arbeitsgruppe, in der ein Recht auf Existenzsicherung erörtert wird. Anlass zu diesen Arbeiten gab ein Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts, in dem ein solcher Anspruch als ungeschriebenes Grundrecht anerkannt wurde. Der Ausschuss nahm von den Stellungnahmen der Europäischen Kommission und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Entwurf eines Zusatzprotokolls zur EMRK Kenntnis, mit dem Personen im Freiheitsentzug gewisse zusätzliche Rechte gewährleistet werden sollen. Dieser Entwurf wird 1998 Gegenstand eines breiter angelegten Meinungsaustauschs bilden, zu dem auch der Europäische Ausschuss zur Verhütung der Folter (CPT) sowie Nichtregierungsorganisationen eingeladen werden.

Der Lenkungsausschuss entschied ferner, die Arbeiten an einem Zusatzprotokoll zur EMRK fortzusetzen, das - über Artikel 14 EMRK hinaus - die Grundlage für eine allgemeine Gleichberechtigungs- oder Nichtdiskriminierungsbestimmung schaffen soll. Noch ungelöst sind namentlich Fragen im Bereich der Drittwirkung dieses auf europäischer Ebene teilweise neu zu verankernden Grundrechts sowie dessen Verbindung zur jeweiligen nationalen Rechtsordnung. Ein solches Instrument hätte unter anderem zum Ziel, Fortschritte in den Bereichen der Gleichberechtigung von Frau und Mann sowie der Bekämpfung des Rassismus zu verwirklichen.

Das Europäische Übereinkommen zum Schutz der
Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin (Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin, STE 164) wurde am 4. April 1997 zur Unterzeichnung aufgelegt. Ein vom Lenkungsausschuss für Bioethik (CDBI) ausgearbeitetes Zusatzprotokoll, das ein generelles Verbot des Klonens von menschlichen Lebewesen vorsieht, wurde vom Ministerkomitee an der 101. Session verabschiedet. Die Unterzeichnung ist am 12. Januar 1998 in Paris anlässlich der dritten Konferenz der nationalen Ethikausschüsse erfolgt. Ferner wurden die Arbeiten für weitere Zusatzprotokolle vorangetrieben. Dabei geht es um die Forschung am Menschen, um die Organtransplantation, um den Schutz des Embryos und des Fötus sowie um die Genetik.

Im Bereich des Schutzes von nationalen Minderheiten steht das Inkrafttreten des Rahmenübereinkommens zum Schutz der nationalen Minderheiten (STE 157) am 1

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STE (série des traités européens) = Serie der europäischen Übereinkommen. Das Statut des Europarats sowie praktisch alle Europäischen Übereinkommen sind auf dem Internet zugänglich: http://www.coe.fr

1. Februar 1998 bevor. Einem Ad-hoc-Fachausschuss gelang es, die Arbeiten über die Umsetzung der im Rahmenübereinkommen vorgesehenen Durchführungsmassnahmen und insbesondere über die Zusammensetzung und die Verfahrensregeln des Beratenden Ausschusses abzuschliessen. Die Staats- und Regierungschefs beschlossen, die normativen Errungenschaften des Europarates im Bereich des Minderheitenschutzes durch praktische Initiativen zu ergänzen, wie vertrauensbildende Massnahmen und verstärkte Zusammenarbeit, an denen sich Regierungen und Zivilgesellschaft gleichermassen beteiligen. Der Bundesrat hat das genannte Rahmenübereinkommen unterzeichnet und hat den eidgenössischen Räten im November 1997 eine Botschaft unterbreitet, in der die Ratifizierung vorgeschlagen wird. Die Ratifikation der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen (STE 148) durch die Schweiz erfolgte Ende Dezember 1997, nachdem die Räte der Ratifikation zugestimmt haben. Die Schweiz ist das siebte Mitgliedland dieser Charta, die damit in Kraft treten kann.

Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) setzte ihre länderweise Prüfung der Massnahmen zur Bekämpfung des Rassismus fort und veröffentlichte einen ersten Band der Berichte. Die ECRI vertritt den Europarat weiterhin in den Verhandlungen mit der Europäischen Kommission über ein Kooperationsabkommen zwischen dem Europäischen Observatorium gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und dem Europarat.

Der Bundesrat erarbeitete zusammen mit den Kantonen einen Zwischenbericht zum Bericht des CPT. Der Ausschuss hatte im Februar 1996 der Schweiz ihren zweiten periodischen Besuch abgestattet und dem Bundesrat in der Folge eine Reihe von Empfehlungen, Kommentaren und Fragen unterbreitet. Die Antwort des Bundesrates vom 2. Juni 1997 orientiert den CPT über die Aufnahme und Umsetzung dieser Kommentare und Empfehlungen. Der Bundesrat stimmte der Veröffentlichung sowohl des CPT-Berichts als auch der Antwort des Bundesrates zu.

Ende 1997 wurde dem CPT ausserdem ein zusätzlicher Bericht über die Folgearbeiten eingereicht. Zu erwähnen ist ferner, dass das schweizerische Mitglied des Ausschusses, Gisela Perren-Klingler, im Mai 1997 für weitere vier Jahre wiedergewählt worden ist.

Im Bereich der Sozialcharta, welche die Schweiz noch nicht ratifiziert hat, verzögert
sich das Inkrafttreten eines Zusatzprotokolls zur Sozialcharta vom 9. November 1995, das ein System der Kollektivbeschwerde vorsieht (STE 158). Auch die revidierte Sozialcharta vom 3. Mai 1996 (STE 163) ist noch nicht in Kraft getreten. Sie bezweckt eine verstärkte Verankerung sozialer und wirtschaftlicher Grundrechte, führt verschiedene durch die tatsächliche Entwicklung während der letzten 25 Jahre gebotene Änderungen ein und umfasst eine Reihe neuer Rechte.

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Die Schweiz vor den Organen der Europäischen Menschenrechtskonvention

Im Berichtszeitraum fällte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fünf die Schweiz betreffende Urteile. Es sind dies die Urteile Nideröst-Huber; BalmerSchafroth et ai; A.P., M.P. und T.P.; E.L., R.L. und J.O.-L; sowie R.M.D. In vier Fällen stellte der Gerichtshof eine Verletzung der EMRK fest.

Anlass zum Urteil Nideröst-Huber vom 18. Februar 1997 bildete ein Berufungsverfahren vor Bundesgericht. Gestützt auf Artikel 56 des Bundesrechtspflegege591

setzes (OG) hatte die Vorinstanz Gegenbemerkungen verfasst. Das Bundesgericht erachtete deren Zustellung an die Parteien als unnötig, weil jene weder Tatsachen noch Begründungen enthielten, die nicht bereits im Urteil der Vorinstanz angeführt waren. Der Gerichtshof erblickte in diesem Vorgehen hingegen eine Verletzung von Artikel 6 Ziffer l EMRK. Der Anspruch auf ein faires Verfahren umfasse das Recht jeder Partei, von sämtlichen dem Gericht eingereichten Eingaben oder Vernehmlassungen Kenntnis und zu diesen Stellung nehmen zu können. Es sei unerheblich, ob die Gegenbemerkungen des Kantonsgerichts neue Tatsachen oder Begründungen enthalten hätten oder nicht.

Hintergrund des Urteils Balmer-Schafroth et al. vom 26. August 1997 bildete die Verlängerung der Betriebsbewilligung für das Kernkraftwerk Mühleberg durch den Bundesrat. Anwohnerinnen und Anwohner in der Alarmzone l dieses Werkes hatten in Strassburg geltend gemacht, der Entscheid beziehe sich auf ihre «zivilrechtlichen Ansprüche» im Sinne von Artikel 6 Ziffer l EMRK, weil er ihre Gesundheit betreffe und weil er Auswirkungen auf den Marktwert ihrer Grundstücke habe. Deshalb hätte nicht der Bundesrat, sondern ein Gericht mit voller Kognition in Sach- und Rechtsfragen entscheiden müssen. Der Gerichtshof erklärte dagegen, diese Bestimmung sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die Beschwerdeführer hätten insbesondere keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Betriebsbedingungen des Kernkraftwerks und ihrem Recht auf physische Integrität nachweisen können.

Der am 29. August 1997 entschiedene Fall A.P., M.P. und T.P. betraf die Auferlegung einer Steuerbusse gegenüber den Erben für eine vom Erblasser begangene Steuerhinterziehung. Die Erben rügten eine Verletzung der Unschuldsvermutung im Sinne von Artikel 6 Ziffer 2 EMRK. Der Gerichtshof entschied, es sei unzulässig, eine strafrechtliche Schuld des Erblassers auf die Erben zu übertragen. Die Unvererbbarkeit strafrechtlicher Verantwortlichkeit stelle nicht nur einen Grundsatz des schweizerischen Strafrechts selbst dar (Art.. 48 Ziff. 3 StGB), sondern werde auch von der Unschuldsvermutung gefordert. Ein zweites Urteil desselben Tages in dem ähnlich gelagerten Fall E.L., R.L. und J.O.-L. kam zum gleichen Ergebnis.

Im Fall K.M.D. war der Beschwerdeführer während insgesamt zwei Monaten in
sieben verschiedenen Kantonen in Untersuchungshaft gehalten und dabei neunmal verlegt worden. Der Beschwerdeführer hatte während dieser Zeit insgesamt fünf Haftentlassungsgesuche gestellt. Auf zwei dieser Gesuche waren die kantonalen Instanzen wegen zwischenzeitlicher Verlegung des Beschwerdeführers in einen anderen Kanton aber nicht mehr eingetreten, was vom Bundesgericht in einem Fall geschützt wurde. In Strassburg rügte der Beschwerdeführer, es sei ihm unmöglich' gewesen, die Rechtmässigkeit seiner Haft durch ein Gericht im Sinne von Artikel 5 Ziffer 4 EMRK überprüfen zu lassen. In seinem Urteil vom 26. September 1997 führte der Gerichtshof aus, es könne dem Beschwerdeführer nicht entgegengehalten werden, er habe nicht alle Rechtsmittel ergriffen. Die verfügbaren Rechtsmittel seien in der besonderen Lage des Beschwerdeführers, in welcher er jederzeit mit seiner Verlegung habe rechnen müssen, unwirksam geblieben. Der Gerichtshof erblickte eine Verletzung von Artikel 5 Ziffer 4 EMRK darin, dass eine kantonale Behörde auf ein Entlassungsgesuch nicht eingetreten sei, weil sie nachträglich örtlich unzuständig geworden sei.

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Gestützt auf Artikel 32 EMRK hat das Ministerkomitee in vier weiteren Fällen eine Schlussresolution verabschiedet. In drei Fällen wurde eine (teilweise) Verletzung der Konvention durch die Schweiz festgestellt.

Gegenstand des Falles M. S. et al. bildeten Verfahren vor der Kommission für ausländische Entschädigungen sowie der entsprechenden Rekurskommission. In seiner Resolution vom 13. September 1996 stellte das Ministerkomitee eine Verletzung von Artikel 6 Ziffer l EMRK insofern fest, als diese Verfahren nicht öffentlich durchgeführt worden waren.

Im Fall H.B. ging es um die Frage, ob der der Steuerhinterziehung angeklagte Beschwerdeführer auf eine öffentliche Verhandlung vor der kantonalen Steuerrekurskommission verzichtet habe, indem er es unterliess, eine öffentliche Verhandlung ausdrücklich zu verlangen. Das Ministerkomitee bejahte dies am 13. September 1996 und stellte keine Verletzung von Artikel 6 Ziffer l EMRK fest.

Hintergrund des Falles Walter Stürm I war die Weigerung, einen Brief eines Untersuchungshäftlings an eine Mitarbeiterin von Amnesty International weiterzuleiten, in dem der Untersuchungsrichter unter anderem als Schreibtischmörder bezeichnet wurde, der sich von Adolf Eichmann nur bezüglich der Zahl seiner Opfer unterscheide. In ihrer Resolution vom 29. Oktober 1997 bestätigte das Ministerkomitee eine Verletzung der Korrespondenzfreiheit nach Artikel 8 EMRK.

Im Fall Walter Stürm H schliesslich ging es um die Dauer der Untersuchungshaft und um das Beschleunigungsgebot im Strafverfahren. In der Dauer einer Untersuchungshaft von drei Jahren, zehn Monaten und neun Tagen erblickte das Ministerkomitee, wie zuvor die Kommission, eine Verletzung von Artikel 5 Ziffer 3 EMRK. Zwar seien dem Beschwerdeführer mehr als 100 Delikte vorgeworfen worden und die Angelegenheit sei komplex gewesen. Auch sei der Beschwerdeführer siebenmal ausgebrochen und habe durch sein Verhalten zur Dauer der Untersuchungshaft beigetragen. Dennoch hätten die Behörden die Untersuchung nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorangetrieben. Das gesamte Strafverfahren habe acht Jahre, zwei Monate und 17 Tage in Anspruch genommen. Selbst unter Berücksichtigung aller Umstände könne diese Verfahrensdauer nicht mehr gerechtfertigt werden. Das Ministerkomitee erklärte deshalb auch Artikel 6 Ziffer l EMRK für verletzt. Keine Verletzung aber wurde in bezug auf weitere Rügen betreffend Artikel 5 Ziffern 4 und 5 EMRK festgestellt.

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Gleichstellung von Frau und Mann

Im November 1997 fand in Istanbul die 4. Europäische Ministerkonferenz zur Gleichstellung von Frau und Mann statt. Thema der Konferenz waren Massnahmen zur Realisierung der tatsächlichen Gleichstellung von Frau und Mann in der Politik. Die Delegationen kamen überein, dass die Verwirklichung der politischen Gleichstellung nicht nur durch Massnahmen im politischen und öffentlichen Bereich, sondern gleichzeitig auch durch Massnahmen im Familien- und Erwerbsbereich erfolgen muss. Besonders hervorgehoben wurde die zentrale Rolle der Männer. Ohne eine Veränderung der Werte und des Verhaltens von Männern und ohne eine vermehrte Übernahme von unbezahlter Haus- und Familienarbeit sowie sozialer Arbeit durch Männer wird eine verstärkte Mitwirkung von Frauen in der Politik kaum möglich sein. Die verabschiedete Deklaration enthält eine Reihe von 593

Empfehlungen zum Abbau der Diskriminierung von Frauen und weist in einer ergänzenden Resolution auf die Dringlichkeit dieser Massnahmen hin.

Des weiteren fand Ende November in Tallinn (Estland) das Internationale Forum zur Gleichstellung von Frau und Mann statt. Solche Foren werden vom Europarat seit 1992 jährlich durchgeführt und dienen der Vermittlung von fachspezifischen Kenntnissen und Erfahrungen im Gleichstellungsbereich.

Neben der Durchführung eines Seminars zur Rolle der Männer bei der Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter stand die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und des Frauenhandels im Mittelpunkt der Arbeiten des Lenkungsausschusses für die Gleichstellung von Frau und Mann (CDEG).

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Rechtliche Zusammenarbeit

An der 21. Konferenz der Europäischen Justizminister in Prag vom 10. und l I . J u n i 1997, die den «Verbindungen zwischen Korruption und organisierter Kriminalität» gewidmet war, verabschiedeten die Europäischen Justizminister eine Entschliessung. Darin hielten sie das Ministerkomitee an, ein Rahmenübereinkommen über gemeinsame, durch das nationale Recht umzusetzende Grundsätze im Kampf gegen die Korruption sowie ein strafrechtliches Übereinkommen über die Korruption zu verabschieden, das namentlich eine Harmonisierung der Korruptionstatbestände vorsieht. Das Ministerkomitee wurde auch eingeladen, die Arbeiten an einem internationalen Instrument im Bereich des Zivilrechts voranzutreiben, das unter anderem die Wiedergutmachung von durch Korruption verursachten Verlusten vorsieht, und einen Verhaltenskodex für Beamtinnen und Beamte zu erarbeiten. Schliesslich wurde das Ministerkomitee aufgefordert, dafür besorgt zu sein, dass diese Instrumente über einen wirksamen Durchführungsmechanismus verfügen.

Die multidisziplinäre Arbeitsgruppe Korruption (GMC) behandelte neben dem zwischenstaatlichen Aktionsprogramm vor allem die von den Justizministern vorgeschlagenen dringlichen Massnahmen. Sie erarbeitete ferner die an der 101. Session des Ministerkomitees verabschiedeten Leitprinzipien zur Korruptionsbekämpfung (siehe Ziff. 12). Schliesslich fand auf Initiative der Arbeitsgruppe in Estland die 2. Europäische Konferenz der mit Korruptionsbekämpfung befassten Behörden statt, welche dem Thema Korruption im öffentlichen Beschaffungswesen gewidmet war.

Das Ministerkomitee genehmigte ein Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen und verabschiedete je eine Empfehlung über die ethischen und organisatorischen Aspekte der Pflege im Strafvollzug, über das Personal im Straf- und Massnahmenvollzug sowie betreffend die Einschüchterung von Zeugen und die Rechte der Verteidigung. Diese Texte wurden in dem von der Schweiz präsidierten Lenkungsausschuss für Strafrechtsfragen (CDPC) ausgearbeitet. Dieser genehmigte ferner das Mandat des Komitees für die Umsetzung der verabschiedeten europäischen Regeln über die in der Europäischen Gemeinschaft zu vollziehenden Sanktionen und Massnahmen und das Mandat des Komitees für die Evaluierung der Massnahmen gegen die Geld Wäscherei. Der CDPC
beschloss die Einsetzung zweier neuer Expertenausschüsse: einer für die Berufsregeln der Polizei und ein weiterer für die Partnerschaft in der Verbrechensprävention.

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Der Expertenausschuss über das Familienrecht (CJ-FA) führte seine Arbeiten über Fragen des Kindesverhältnisses weiter und schlug dem Europäischen Lenkungsausschuss für die rechtliche Zusammenarbeit (CDCJ) die Verabschiedung einer Empfehlung über die Streitschlichtung in der Familie vor. Die übrigen unter der Aufsicht des CDCJ tätigen Expertenausschüsse fuhren mit ihren Arbeiten ebenfalls fort. Die Projektgruppe über das Verwaltungsrecht (CJ-DA) beauftragte eine Arbeitsgruppe, den Vorentwurf einer Empfehlung betreffend Rekrutierung, Ausbildung, Ethik und Status von Beamtinnen und Beamten in den europäischen Staaten zu prüfen. Der Expertenausschuss über die Rechtsinformatik (CJ-IJ) prüfte Fragen bezüglich der Anwendung der Informationstechnologien im Bereich der Gefängnisverwaltung. Der Expertenausschuss über die Wirksamkeit der Justiz (CJ-EJ) wird Massnahmen zur Erhöhung der Wirksamkeit der Justiz - vor allem zur Verfahrensbeschleunigung - vorschlagen und hat die Mitgliedstaaten des Europarates zu diesem Zweck eingeladen, ein Inventar der auf diesem Gebiet erlassenen Massnahmen zu erstellen. Die Fachgruppe über behinderte und andere schutzbedürftige Erwachsene hat den Entwurf einer Empfehlung über die Grundsätze zum Rechtsschutz von behinderten Erwachsenen erarbeitet.

Im Datenschutzbereich nahm das Ministerkomitee zwei Empfehlungen an. Die eine betrifft den Schutz von medizinischen Daten, die andere den Schutz von personenbezogenen Daten, die für statistische Zwecke beschafft und bearbeitet werden.

Bei der Erarbeitung dieser beiden Texte spielte die Schweiz eine entscheidende Rolle.

Die Projektgruppe über den Datenschutz (CJ-PD) stellte einen Entwurf von Leitlinien über den Schutz des Privatlebens im Internet auf, der später dem CDCJ unterbreitet werden soll. Eine Arbeitsgruppe über die neuen Technologien beschäftigte sich mit der Erarbeitung von Empfehlungen in verschiedenen Bereichen, insbesondere auf dem Gebiet der Chipkarten und der Überwachung mit technischen Mitteln. Zudem ratifizierte die Schweiz am 2. Oktober 1997 das Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten (STE 108).

Die Europäische Staatsangehörigkeitskonvention (STE 166) wurde am 7. November 1997 den Mitgliedstaaten zur Unterzeichnung aufgelegt. Die Konvention stellt die erste
Kodifizierung des Staatsangehörigkeitsrechts auf internationaler Ebene dar. Sie stellt Grundsätze und Regeln im Bereich von Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit, von Mehrfachbürgerrecht sowie von Staatsangehörigkeit im Fall von Staatennachfolge auf. Die Schweiz hat nicht zuletzt auch aufgrund ihres Vorsitzes im Expertenausschuss zur Akzeptanz dieses Übereinkommens und zur Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten des Europarats im Bereich der Staatsangehörigkeit beigetragen.

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Flüchtlingsfragen

Der unter schweizerischem Vorsitz stehende Ad-hoc-Ausschuss für Rechtsfragen des Asyls, der Flüchtlinge und der Staatenlosen (CAHAR) verabschiedete eine Empfehlung an das Ministerkomitee, die Kriterien für die Qualifikation eines Staates als sogenannter sicherer Drittstaat aufstellt.

Auf Vorschlag der Schweiz diskutierte das CAHAR zudem die Problematik der Rückkehr abgewiesener Asylsuchender in ihren Heimatstaat.

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Medien

Das Ministerkomitee nahm drei Empfehlungen an: die erste hat das Problem der Verbreitung rassistischer, ausländerfeindlicher, antisemitischer oder intoleranter Aussagen zum Gegenstand; die zweite «über die Medien und die Förderung einer Kultur der Toleranz» behandelt ähnliche Themen und fordert die Mitgliedstaaten auf, die verschiedenen privaten und öffentlichen Unternehmen, Institute und Organisationen in diesen Bereichen stärker zu sensibilisieren; die dritte Empfehlung betrifft die Verbreitung von Gewalt in den elektronischen Medien, unter anderem im Fernsehen, und stellt entsprechende Verhaltensregeln auf. Die Schweiz war an der Ausarbeitung dieser Empfehlungen beteiligt.

Schwerpunkte der am 11. und 12. Dezember 1997 in Thessaloniki (Griechenland) abgehaltenen 5. Europäischen Ministerkonferenz über die Medien waren die politische Erklärung «Die Informationsgesellschaft: eine Herausforderung für Europa» und der «Aktionsplan zur Förderung der Meinungs- und Informationsfreiheit im Rahmen dieser Informationsgesellschaft». Weiter verabschiedeten die Minister eine Empfehlung zu den Auswirkungen der neuen Kommunikationstechnologien auf die Menschenrechte und die demokratischen Werte und eine solche zur erneuten Überprüfung des gesetzlichen Rahmens im Medienbereich.

Der ständige Ausschuss des Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen (STE 132) bestätigte den Vorsitz der Schweiz für weitere zwei Jahre. Die Revisionsarbeiten zu diesem Übereinkommen werden voraussichtlich Mitte 1998 beendet werden können. Ziel ist es, das Übereinkommen mit den Fernsehrichtlinien der Europäischen Union in Einklang zu bringen.

Die Schweiz beteiligte sich an den Expertenarbeiten über den Schutz der Rechtsinhaber im Medienbereich und an der Untersuchung der urheberrechtlichen Probleme, die sich aus den Digitaltechnologien ergeben.

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Gemeinden und Regionen, grenzüberschreitende Zusammenarbeit

Die Schweiz unterzeichnete am 28. Februar 1997 das Zusatzprotokoll zum Europäischen Rahmenübereinkommen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Gemeinden und Regionen oder Behörden (STE 159). Das parlamentarische Genehmigungsverfahren wurde eingeleitet.

Der Dialog zwischen Bund und Kantonen im Hinblick auf einen Beitritt zur Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung (STE 122) wurde fortgeführt.

Der 4. Kongress der Gemeinden und Regionen Europas (KGRE) verabschiedete im Juni 1997 den Entwurf einer Europäischen Charta der regionalen Selbstverwaltung, der dem Ministerkomitee zur Weiterbehandlung unterbreitet wurde.

Das Ministerkomitee beschloss ferner eine Empfehlung über die lokalen öffentlichen Dienste und die Rechte ihrer Benutzerinnen und Benutzer, die wichtige Leitlinien für die lokalen Gebietskörperschaften enthält.

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Der soziale Zusammenhalt und die Lebensqualität Bevölkerung

Entsprechend dem 1996 von der Ministerkonferenz für Migrationsfragen geäusserten Wunsch begannen der Europäische Lenkungsausschuss für Migrätionsfragen (CDMG) und der Ausschuss für Rechtsfragen des Asyls, der Flüchtlinge und der Staatenlosen (CAHAR) eine neue Migrationspolitik festzulegen, die auf einer globalen Betrachtungsweise der Migrationsbewegungen im Grossraum Europa basiert. Ausserdem beschloss der CDMG, Grundsätze und Richtlinien zu erarbeiten, welche die Sicherheit des Aufenthalts von Langzeiteinwanderern garantieren sollen.

Der für die sozialen Aspekte der Migration zuständige Ausschuss befasste sich mit den neuesten Entwicklungen der nationalen Gesetzgebungen in bezug auf den rechtlichen Status der Wanderarbeitnehmer. Dabei untersuchten die Expertinnen und Experten insbesondere die Integrationsmassnahmen für die Neuankommenden sowie die Rolle der öffentlichen Arbeitsvermittlung bei der Förderung der Chancengleichheit der eingewanderten Arbeitskräfte.

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Raumplanung

Im Mai 1997 wurde in Helsinki ein Vorbereitungsseminar für die 11. Europäische Konferenz der für die Raumordnung verantwortlichen Minister (CEMAT) durchgeführt. Thema des Seminars waren die Strategien für eine nachhaltige Entwicklung der Länder Nordeuropas. Die Teilnehmer konnten feststellen, dass die Ostseestaaten trotz ihrer unterschiedlichen Grundvoraussetzungen äusserst dynamische und beispielhafte Strukturen für die Zusammenarbeit aufgebaut haben.

Auf Einladung des zyprischen Innenministers fand diese 11. Tagung der CEMAT am 16. und 17. Oktober 1997 in Limassol (Zypern) statt. Hauptthema war «Die nachhaltige Entwicklung des europäischen Raums und der Schutz der Wasservorkommen». Besonders nachdrücklich unterstrichen die Raumplanungsminister, wie wichtig die nachhaltige Entwicklung für Europa sei; sie hoben auch die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit zwischen den Staaten hervor. Während der Ministertagung stellte der luxemburgische Minister für Raumordnung der CEMAT den ersten Entwurf des Europäischen Raumentwicklungskonzepts offiziell vor. Dieses Konzept wurde von den 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausgearbeitet und von allen Mitgliedern des Europarats in seiner Bedeutung gewürdigt.

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Soziale Fragen

Die Schlusserklärung des Zweiten Gipfeltreffens weist darauf hin, dass der soziale Zusammenhalt eines der Haupterfordernisse im erweiterten Europa ist und als eine wesentliche Ergänzung zur Förderung der Menschenrechte und der Menschenwürde weiterverfolgt werden muss.

Was die regelmässigen Aktivitäten des Europarats im Bereich der sozialen Sicherheit anbelangt, so wurden sie in den verschiedenen ständigen und Ad-hocAusschüssen weitergeführt. Die Schweiz hat seit 1995 den Vorsitz im Europäi597

sehen Lenkungsausschuss für soziale Sicherheit (CDSS) inné, der die Aktivitäten des Europarates im Bereich der sozialen Sicherheit bestimmt und leitet.

Die Vorbereitungen zur 7. Konferenz der Europäischen Minister für soziale Sicherheit wurden fortgesetzt. Diese Konferenz wird 1998 in Malta stattfinden und «Die soziale Sicherheit am Beginn des 21. Jahrhunderts» zum Thema haben.

Die 25. Europäische Familienministerkonferenz (Wien, Juni) war dem Thema «Heranwachsen: eine Herausforderung für die Familie» gewidmet. Diskutiert wurden unter anderem die den Eltern für die Jugendlichen zur Verfügung stehende Zeit, die Jugendarbeitslosigkeit sowie die den Heranwachsenden drohenden Gefahren wie Alkohol, Tabak und pseudo-religiose Sekten. Dabei wurde die Bedeutung des Miteinbezugs der Heranwachsenden und ihrer Familien bei der Erarbeitung von Entscheidungen besonders hervorgehoben. Die schweizerische Delegation stand unter der Leitung der Genfer Staatsrätin Martine Brunschwig Graf.

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Gesundheit

Das Ministerkomitee verabschiedete 1997 Empfehlungen über die Sicherstellung und Förderung der Gesundheit von Ein-Eltern-Familien, über Xenotransplantation, über Transplantationen der Leber von lebenden verwandten Spendern sowie über die Entwicklung und Anwendung von Qualitätsförderungssystemen in der Gesundheitsversorgung. Der Lenkungsausschuss für das Gesundheitswesen (CDSP) befasste sich mit der Verwendung von Ergebnissen medizinischer Untersuchungen im Zusammenhang mit Anstellungen und dem Abschluss von Versicherungen, mit Kriterien für Interventionen in der Präventivmedizin und der Gesundheitsförderung und mit der Verwaltung von Wartelisten. Die Reihe mit Berichten und praktischen Empfehlungen zur Gesundheitsversorgung von Personen, die in Institutionen leben, wurde mit Chronischkranken und Betagten fortgesetzt. Das Handbuch über die Herstellung, Verwendung und Qualitätssicherung im Zusammenhang mit Blutbestandteilen, das weit über Europa hinaus Verwendung findet, wurde auf den neuesten wissenschaftlichen Stand gebracht. Der CDSP setzte sich ferner mit Fragen der Knochenmarktransplantation auseinander, die zunehmend an Bedeutung gewinnt. Sicherheit und strikte Qualitätskontrolle sind auch bei Organtransplationen äusserst wichtig.

Die vom Gesundheitsausschuss des Teilabkommens (CD-P-SP) vorgelegten Empfehlungen über die Entwicklung der Funktion von Apothekern und der entsprechenden Anpassung ihrer Ausbildung sowie über die Verwendung von lonenaustauschharzen zur Behandlung von Lebensmitteln wurden vom Ministerkomitee gutgeheissen. Die beiden Ausschüsse über Pestizide bzw. Lebensmittelkontrolle wurden aufgehoben und stattdessen ein neuer Ausschuss eingesetzt, der sich hauptsächlich mit Ernährung und Gesundheit befassen wird. Der CD-P-SP behandelte ferner Probleme aus den Bereichen Kosmetika und pharmazeutische Fragen.

Im Dezember 1996 fand in Prag ein internationaler Kongress statt, an dem über die Pharmakopöe im 21. Jahrhundert diskutiert wurde'. Neben Vertretern von Gesundheits- und Kontrollbehörden sowie der Industrie aus allen Mitgliedstaaten der Europäischen Pharmakopöe nahmen auch Vertreter von Behörden und Privatsektor aus den USA und Japan teil. Am Kongress wurde die dritte vollständige Neuauflage der Europäischen Pharmakopöe vorgestellt, die am 1. Januar 1997 in den 24 Mitgliedstaaten in Kraft getreten ist.

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Die «Pompidou-Gruppe», die sich mit der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Drogenmissbrauchs und des illegalen Drogenhandels in Europa befasst, hielt ihre 3. paneuropäische Ministerkonferenz in Tromsö (Norwegen) ab. Bundesrätin Ruth Dreifuss wurde zur Vizepräsidentin der Konferenz gewählt. Die versammelten Minister hiessen das Arbeitsprogramm der Gruppe für die kommenden drei Jahre gut und verabschiedeten eine politische Erklärung, mit der sie unter anderem bekräftigen, ihre gemeinsamen Anstrengungen im Drogenbereich fortsetzen zu wollen.

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Tierschutz

Unter schweizerischem Vorsitz setzten Expertinnen und Experten die Überarbeitung des Europäischen Übereinkommens über den Schutz von Tieren bei internationalen Transporten (STE 65) fort. Sie beschlossen ausserdem, die vom Ministerkomitee erlassenen Empfehlungen parallel dazu zu überarbeiten.

Der ständige Ausschuss des Übereinkommens zum Schutz von landwirtschaftlichen Tierhaltungen (STE 87) verabschiedete die für die Staaten verbindlichen Empfehlungen betreffend die Haltung von Straussenvögel. Sie traten am 22. Oktober 1997 in Kraft.

Anlässlich der 3. multilateralen Konsultation zum Europäischen Übereinkommen zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Wirbeltiere (STE 123) beschlossen die Expertinnen und Experten, dem Ministerkomitee ein Protokoll zu einer Änderung des Übereinkommens zu unterbreiten.

Darin wird ein vereinfachtes Verfahren für die Änderung der technischen Anhänge zum Übereinkommen und die Einführung eines internen Reglements für das Abhalten von multilateralen Konsultationen vorgesehen. Weiter verabschiedeten die Expertinnen und Experten eine Resolution über die Einrichtungen für Labortiere und die Betreuung von Labortieren sowie eine Resolution über den Erwerb und den Transport von Labortieren.

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Umwelt- und Naturschutz

Zur Umsetzung der paneuropäischen Strategie verabschiedete das Bureau (BUDBP) des Ausschusses für die Tätigkeiten des Europarates auf dem Gebiet der biologischen und landschaftlichen Vielfalt (CO-DBP) im November 1996 ein Programm mit folgenden Schwerpunkten: Erstellung eines paneuropäischen ökologischen Netzwerks; Integration der Erwägungen betreffend die biologische und landschaftliche Vielfalt in die sektoriellen Politiken; Sensibilisierung der Entscheidungsträger und der Öffentlichkeit; Ökosysteme der Küstengewässer und Meere; Aktionen zugunsten gefährdeter Arten.

Die Integration des Natur- und Landschaftsschutzes in die sektoriellen Aktivitäten hat für die Schweiz Vorrang. Das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft führte zu diesem Thema zusammen mit verschiedenen anderen Ämtern und Nichtregierungsorganisationen vom 22.-26. Oktober 1997 in Basel einen internationalen Kongress durch, an dem sich mehr als 30 Länder beteiligten. Besonders angesprochen wurden die Bereiche Tourismus, Verkehr, Land- und Forstwirtschaft. Unter anderem wurden Formen der Zusammenarbeit und Konfliktlösung 599

zwischen Nutzern, Behörden, Wirtschafts- und Schutzorganisationen diskutiert und der Dialog zwischen den Sektoren und zwischen Ost und West gefördert. Die konkreten Vorschläge und Postulate wurden in einer Deklaration verabschiedet, die sich an die für 1998 vorgesehene paneuropäische Ministerkonferenz «Umwelt für Europa» in Aarhus (Dänemark) und an die Ministerkonferenz zur Biodiversitätskonvention (COPIV) in Bratislava richtet.

Die Schweiz ist einer der elf Staaten, die im Exekutivbureau der paneuropäischen Strategie (STRA-BU) vertreten sind, und führt dort den Vorsitz. Sie gewährte dem CO-DBP einen finanziellen Beitrag von 31 000 Franken zur Veröffentlichung einer Broschüre über die europäischen ökologischen Netzwerke.

Die Zahl der Vertragsstaaten des Europäischen Übereinkommens über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume (Berner Konvention, SIE 104) erhöhte sich mit dem Beitritt Sloweniens auf 35. Das Übereinkommen leistet auf dem Gebiet des Schutzes der gefährdeten Tierarten einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der paneuropäischen Strategie der biologischen und landschaftlichen Vielfalt. Eine Expertengruppe überprüfte mit finanzieller und technischer Unterstützung der Schweiz Aktionspläne zum Schutz gefährdeter Vogelarten und Säugetiere. In bezug auf das paneuropäische ökologische Netzwerk beabsichtigt die Berner Konvention die Errichtung eines gesamteuropäischen Netzwerkes geschützter Flächen (genannt «Netzwerk Smaragd») nach dem Netzwerk-Vorbild «Natura 2000» der Europäischen Union. In Verbindung mit dem paneuropäischen ökologischen Netzwerk beteiligte sich die Schweiz aktiv an diesen Bemühungen. Sie unterbreitete ferner dem Sekretariat den Vierjahresbericht (1993-1996) über den nationalen Vollzug der Berner Konvention.

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Sozialentwicklungsfonds

Die Anzahl Mitglieder erhöhte sich mit dem Beitritt Kroatiens auf 26 . Im Verlauf der ersten zehn Monate des laufenden Jahres genehmigte der Fonds 21 Vorhaben in der Höhe von 1,8 Milliarden ECU; davon wurden acht Projekte als Globalanleihen gewährt. Diese Projekte entfallen auf neun Mitgliedstaaten und das Nichtmitglied Bosnien-Herzegowina. Die wichtigsten Interventionsbereiche betreffen die Umwelt, den Wohnungsbau, das Gesundheitswesen und die Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen.

Die Auszahlungen beliefen sich auf rund 500 Millionen ECU. Davon profitierten acht verschiedene Länder, unter ihnen Bosnien-Herzegowina als einziges Nichtmitglied. Die Überweisungen betrafen vor allem die Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen, die Rehabilitation nach Naturkatastrophen und den sozialen Wohnungsbau.

Am 18. März 1997 traten die neuen Statuten des Fonds in Kraft. Von den wichtigsten Änderungen seien hier erwähnt: die Bezeichnung «Sozialentwicklungsfonds des Europarates» wurde bestätigt und muss in Zukunft für alle Transaktionen des Fonds verwendet werden; die europäischen internationalen Organisationen können dem Fonds beitreten und Assoziierungsabkommen abschliessen; die Interventionsmittel des Fonds wurden vervollständigt, wobei ausdrücklich Treuhandkonten und Vorzugszinsen vorgesehen werden; die Rollen des Direktions- und Verwaltungsrates wurden präzisiert.

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Zur Stärkung der spezifischen Aufgabe des Fonds genehmigten seine Organe einen Entwicklungsplan, der unter Beibehaltung der finanziellen Grundlagen drei Prioritätsebenen vorsieht: vermehrte Konzentration der Tätigkeiten des Fonds auf die Gebiete erster Dringlichkeit, Verbesserung der geographischen Verteilung des Portefeuilles der Anleihen und Ausweitung der Aktivitäten in den mittel- und osteuropäischen Ländern.

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Nord-Süd-Dialog

Die Schweiz gehört zu den aktivsten Trägern des Europäischen Zentrums für weltweite Interdependenz und Solidarität (Nord-Süd-Zentrum), das 1989 in Lissabon als Teilabkommen des Europarates gegründet wurde. Sie war im Exekutivrat bemüht, das Zentrum kritisch-konstruktiv in seinen Aktionen zu begleiten und eine Verzettelung seiner beschränkten Mittel zu verhindern.

Die Schweiz legte 1997 das Schwergewicht auf den Aktionsbereich «Globales Lernen/Entwicklungsbezogene Bildung» und leistete einen Sonderbeitrag an das Projekt «Dialog Europa-Afrika: Veränderung durch globales Lernen». Dieses Vorhaben wird sich im Mai 1998 im Rahmen der Lehrmittelmesse «Worlddidac» in Basel an ein europäisches pädagogisches Publikum richten. Das Zentrum bereitet diesen Anlass gemeinsam mit der Schweizerischen Stiftung «Bildung und Entwicklung» vor, in deren Leitungsausschuss der Bund vertreten ist.

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Der kulturelle Zusammenhalt und der Pluralismus der Kulturen Kultur

Die Zahl der Vertragsparteien der Europäischen Kulturkonvention (STE 18) stieg mit dem Beitritt Armeniens, Aserbaidschans und Georgiens auf 47. Die durch die gesamteuropäische Erweiterung entstandenen Probleme finanzieller, personeller und administrativer Art sind nach wie vor ungelöst.

Der Kulturausschuss (CC-Cult) unterstrich an seiner Sitzung vom April 1997 die Notwendigkeit, im Hinblick auf die für 1998 in Stockholm vorgesehene Weltkonferenz der UNESCO eine gemeinsame Position zu erarbeiten. Die Kulturpolitik Bulgariens wurde im Rahmen des hierfür vorgesehenen Verfahrens überprüft.

Der Direktionsausschuss des Unterstützungsfonds «Eurimages» befasste sich neben der Förderung der filmischen und audiovisuellen Produktion mit einer grundlegenden Evaluierung des Teilabkommens, welche durch die Verdoppelung, ja baldige Verdreifachung der Mitgliederzahl dringend geworden ist. Bis diese Evaluierung abgeschlossen ist, sollen keine Neumitglieder mehr aufgenommen werden.

Der Zweite Europaratsgipfel gab der Schweiz Gelegenheit, auf die grosse Bedeutung der europäischen kulturellen Zusammenarbeit hinzuweisen. Diese vermittelt wichtige Werte wie etwa die Achtung der kulturellen Vielfalt, die kulturelle Demokratie, die lokale und regionale Dimension der kulturellen Identität, das gemeinsame kulturelle Erbe, die ständige Weiterbildung oder die Idee der persönlichen und sozialen Entfaltung des Individuums. Diese Werte geben den Menschen-

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rechten, der pluralistischen Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit einen vertieften Sinn, da sie über das Verhältnis zwischen Bürger und Staat hinaus auch die gesellschaftlichen und zwischenmenschlichen Beziehungen berücksichtigen.

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Denkmalpflege

Vorrang für die Schweiz haben die Ausbildung von Fachkräften und die anhaltende Entwicklung. Was die Ausbildung betrifft, so ist besonders die Europäische Stiftung zur Förderung der handwerklichen Tätigkeiten im Denkmalschutz in Venedig von Bedeutung. Wegen der Haushaltskürzungen war es jedoch nicht möglich, einer genügenden Zahl von Handwerkern den Besuch der Fachkurse zu ermöglichen. Grössere diesbezügliche Anstrengungen wären erwünscht.

Überlegungen zur nachhaltigen Entwicklung, welche die bedeutende Rolle der Denkmalpflege als einen wichtigen Faktor der Städtesanierung, des Umweltschutzes und als wirtschaftliche und gesellschaftliche Investition hervorheben, sind für die Schweiz von grossem Interesse. Das diesbezügliche internationale Engagement der Schweiz ermöglicht es ihr, sich auch auf der nationalen Ebene für diese Ziele einzusetzen, und zwar auf dem Umweg über die Kredite, die der Bund den Kantonen für den Heimatschutz zur Verfügung stellt.

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Bildungs- und Hochschulwesen

Das gemeinsame Übereinkommen des Europarates und der UNESCO über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der Europäischen Region (STE 165) wurde unter Schweizer Beteiligung bereinigt und anschliessend vom 8.-11. April in Lissabon zur Unterzeichnung aufgelegt. Der Beitritt der Schweiz wird vorbereitet.

Im Bereich Erziehung beteiligten sich schweizerische Expertinnen und Experten sowohl an den zwischenstaatlichen Programmen des Europarates als auch an den Arbeiten des Europäischen Zentrums für lebende Sprachen in Graz. Drei Punkte waren von besonderer Bedeutung.

Einmal die 19. Session der ständigen Konferenz der europäischen Erziehungsminister, die Ende Juni in Kristiansand (Norwegen) durchgeführt wurde und dem Thema «Erziehung 2000: Tendenzen, Annäherungen und Prioritäten für eine gesamteuropäische Zusammenarbeit» gewidmet war. Die Konferenz verabschiedete drei Texte, die in der Schweiz grosse Verbreitung gefunden haben: eine Botschaft im Hinblick auf das Strassburger Gipfeltreffen sowie zwei Empfehlungen. Die erste betrifft «Tendenzen und Annäherungen (Konvergenzen) des Erziehungswesens in Europa», die zweite «Die fundamentalen Werte und Ziele sowie die zukünftige Rolle der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Erziehung im Rahmen des Europarats». Die schweizerische Delegation wurde vom Präsidenten der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), Peter Schmid, geleitet.

Im Mai fand weiter die Schlusskonferenz des Projekts «Das Erlernen von Sprachen und die europäischen Bürgerinnen und Bürger» statt. Während des gesamten Projektverlaufs und der Konferenz selbst leisteten die schweizerischen Expertinnen und Experten sowohl für «den gemeinsamen europäischen Bezugsrahmen für das Erlernen und Unterrichten der Sprachen und die Bewertung der Kompetenzen» 602

als auch beim «Europäischen Portfolio der Sprachen» einen wichtigen Beitrag.

Diese beiden neuartigen Instrumente gehen auf Entscheidungen zurück, die während des Symposiums von Rüschlikon 1991 getroffen worden sind.

Schliesslich beteiligte sich die Schweiz wie im Vorjahr am Ausbildungsprogramm für Lehrerinnen und Lehrer in Bosnien-Herzegowina, erstmals auch in der «Republika Srpska». Dank der finanziellen Unterstützung der Kantone und des EDA konnten acht Ausbildende aus der Schweiz für etwa 500 bosnischherzegowinische Lehrerinnen und Lehrer zweiwöchentliche Kurse durchführen.

Kursthemen waren: Menschenrechte, Demokratie, Toleranz, interkulturelles Zusammenleben sowie die Lösung von Konflikten in der Klasse.

In den Sitzungen des Lenkungsausschusses für das höhere Bildungswesen und die Forschung (CC-HER) beteiligte sich die Schweiz besonders an den Aktivitäten in folgenden Bereichen: Hochschulzusammenarbeit zwischen Ost- und Westeuropa, Unterstützung der Studierenden aus Ex-Jugoslawien, Reformen der Hochschulgesetzgebung. Der CC-HER begann ferner ein neues Programm zum Forschungsauftrag der Universitäten und ein weiteres zur Rolle der Sozialwissenschaften, das vom Schweizer Professor Luc Weber geleitet wird.

Die Schweiz unterstützte das Programm zur Reform der Hochschulgesetzgebung (LRP) erneut mit Publikationsbeiträgen, der Mitwirkung von Expertinnen und Experten in Fachveranstaltungen sowie mit einem Beitrag von 100 000 französischen Francs. Sie beteiligte sich ferner an der Ausarbeitung der Empfehlungen, die aus dem Projekt «Zugang zum höheren Bildungswesen» hervorgingen. Zudem gewährte sie wiederum der interuniversitären Zusammenarbeit im Rahmen des Europarates finanzielle Unterstützung. Schliesslich ist die Schweiz nach wie vor im Ausschuss für das Programm zur Förderung von Nachdiplomstudien in Europa vertreten.

Für die Schweiz als Nichtmitglied der Europäischen Union bietet die Mitarbeit im Europarat eine der wenigen Möglichkeiten der Mitsprache und Mitgestaltung im Bereich des höheren Bildungswesens in Europa. Diese Mitarbeit ist deshalb von grosser Bedeutung.

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Jugend

Mit starker schweizerischer Beteiligung fand im Oktober im europäischen Jugendzentrum von Budapest eine Konferenz über die Beteiligung der Jugendlichen am politischen Leben statt, die zusammen mit dem Kongress der Gemeinden und Regionen Europas durchgeführt wurde.

Das Europäische Übereinkommen über den Freiwilligendienst soll an der nächsten Jugendministerkonferenz zur Unterzeichnung aufgelegt werden. Es stellt einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Mobilität der Jugendlichen dar.

Mit dem Abschluss eines Partnerschaftsvertrages mit der Europäischen Agentur für Information und Beratung der Jugend (ERYICA) wurde ein wichtiger Schritt auf dem Weg der europäischen Vernetzung der nationalen Informationssysteme getan.

Der Lenkungsausschuss Jugend (CDEJ) befasste sich vor allem mit der Vorbereitung der 5. Europäischen Jugendministerkonferenz, die im April 1998 in Bukarest stattfinden wird. Die Schweiz setzte sich dafür ein, dass die zukünftige Entwick603

lung des Bereichs Jugend im zwischenstaatlichen Programm des Europarats und die Zusammenarbeit mit der Europäischen Union während der Konferenz Schwerpunkte bilden.

Der bis Mitte 1997 unter schweizerischem Vorsitz stehende Direktionsrat für die Europäischen Jugendzentren und den Europäischen Jugendfonds hob besonders die strukturellen und politischen Probleme hervor, die zur Zeit keine optimale Geschäftsführung zulassen. Negativ wirkt sich vor allem das Missverhältnis zwischen den beschlossenen Aufgaben und den zur Verfügung stehenden Mitteln aus.

Dazu kommt, dass im Bereich Jugend die Prioritäten der verschiedenen Organe des Europarates voneinander abweichen und die Koordination mangelhaft ist.

Die im vergangenen Jahr aufgetretenen Haushaltsprobleme führten im Ministerkomitee zu einer Grundsatzdiskussion über Aufgaben, Natur und Ziele der Tätigkeiten des Europarates im Jugendbereich. In diesem Zusammenhang veröffentlichte der Generalsekretär im September eine Studie externer Expertinnen und Experten mit verschiedenen Erneuerungsvorschlägen.

Unter dem Gesichtspunkt der Jugendpolitik in der Schweiz stellen die Aufrechterhaltung und Verstärkung der Strukturen und der Funktionsfähigkeit des Europarates vorrangige Ziele dar. Diese Organisation bietet für unser Land nämlich die einzige Möglichkeit, sich an der europäischen jugendpolitischen Zusammenarbeit zu beteiligen.

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Sport

Der Europarat führte wiederum verschiedene Seminare und Expertentagungen durch, um den neuen Mitgliedstaaten bei der Reform ihrer Sporteinrichtungen zu helfen. Die Schweiz war an diesen Aktionen beteiligt. Im Rahmen der vom Europarat durchgeführten Überprüfung der eingegangenen Verpflichtungen wird die Schweiz ihre Sportpolitik unter dem Aspekt der Europäischen Sport-Charta einer wissenschaftlichen Analyse unterziehen. Ziel der Charta ist es, durch grösstmögliche Zusammenarbeit zwischen den staatlichen und nichtstaatlichen Instanzen dafür Sorge zu tragen, dass der Sport auf breiter Basis von allen ausgeübt werden kann.

Die Abschlusserklärung des Zweiten Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs unterstrich die besondere Bedeutung des Sports als Mittel zur Förderung der gesellschaftlichen Integration, insbesondere bei der Jugend.

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Zusammenarbeit mit den Staaten Mittel- und Osteuropas

Seit Beginn der neunziger Jahre hat sich der Empfängerkreis der Hilfsprogramme des Europarates zur Entwicklung und Konsolidierung der demokratischen Sicherheit in Mittel- und Osteuropa erheblich ausgeweitet.

Heute kommen sowohl die Beitrittskandidaten als auch die neuen Mitglieder des Europarates in den Genuss dieser Programme, die für das Jahr 1997 mit 64 455 000 französischen Francs budgetiert wurden. Gegenüber dem Vorjahr stellt dies eine beträchtliche Steigerung dar. Die Russische Föderation, die Ukraine und Bosnien-Herzegowina figurieren weiterhin unter den wichtigsten Zielländern.

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Zahlreiche Programme werden mit der Europäischen Union gemeinsam durchgeführt.

Die Hilfsprogramme wurden von der Schweiz über ihren Beitrag an den ordentlichen Haushalt der Organisation (2,63%) und ihre freiwilligen Beiträge unterstützt.

Bei den letzteren gewährte die Schweiz einerseits erneut einen finanziellen Beitrag in der Höhe von 600 000 französischen Francs an ein Projekt der Schule für politische Studien in Moskau zur Förderung der föderalen Strukturen in Russland und andererseits einen ausserordentlichen Beitrag in der Höhe von 400 000 französischen Francs zugunsten der Menschenrechtskammer in Bosnien-Herzegowina.

Das Departement für auswärtige Angelegenheiten führte in Bern Informationsseminare für ukrainische und russische Beamte über die zwischenstaatliche Tätigkeit des Europarates durch. Diese Seminare vermittelten den Besuchern einen Überblick über die Ziele, Strukturen und Programme der Organisation.

Das Netz der Informations- und Dokumentationszentren des Europarates in Mittel- und Osteuropa wurde weiter ausgebaut und umfasst heute praktisch alle Mitgliedländer in dieser Region.

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Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarates an die Regierungen -

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Recommandation sur la reconnaissance et l'évaluation des établissements privés d'enseignement supérieur R (97) 1 Recommandation relative à l'entretien continu du patrimoine culturel contre la détérioration physique due à la pollution et à d'autres facteurs similaires R(97)2 Recommandation sur la participation des jeunes et l'avenir de la société civile R (97) 3 Recommandation sur les moyens d'assurer et de promouvoir la santé de la famille monoparentale R (97) 4 Recommandation relative à la protection des données médicales R (97) 5 Recommandation visant à améliorer l'application pratique de l'Accord européen sur la transmission dès demandes d'assistance judiciaire R (97) 6 Recommandation sur les services publics locaux et les droits de leurs usagers R (97)7 Recommandation relative à la réadaptation par le sport des personnes handicapées en Bosnie-Herzégovine R (97) 8 Recommandation relative à une politique de développement d'un tourisme durable et respectueux de l'environnement dans les zones côtières R (97) 9 Recommandation relative aux dettes des missions diplomatiques, des missions permanentes et des missions diplomatiques «doublement accréditées», ainsi qu'à celles de leurs membres R (97) 10 Recommandation relative au plan modèle révisé de classement des documents concernant la pratique des Etats en matière de droit international public R(97) 11 Recommandation sur le personnel chargé de l'application des sanctions et mesures R (97) 12 Recommandation sur l'intimidation des témoins et les droits de la défense R (97) 13 Recommandation relative à l'établissement d'institutions nationales indépendantes pour la promotion et la protection des droits de l'homme R (97) 14 Recommandation sur la xénotransplantation R (97) 15 Recommandation sur la transplantation du foie prélevé sur des donneurs vivants apparentés R (97) 16 Recommandation sur le développement et la mise en oeuvre des systèmes d'amélioration de la qualité dans les soins de santé R (97) 17 Recommandation concernant la protection des données à caractère personnel collectées et traitées à des fins statistiques R (97) 18 Recommandation sur la représentation de la violence dans les média électroniques R (97) 19 Recommandation sur le «discours de haine» R (97) 20

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Recommandation sur les média et la promotion d'une culture de tolérance R (97) 21 Recommandation énonçant des lignes directrices sur l'application de la notion de pays tiers sûr R (97) 22

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Dienststellen, die Informationen über einzelne Tätigkeitsgebiete geben können Wichtigste Entwicklungen, EDA, Politische Abteilung I, Sektion Europarat Kooperation mit den mittel- und osteuropäischen Staaten EJPD, Bundesamt für Justiz, Sektion MenMenschenrechte, Europäische Menschenrechtskonvention schenrechte und Europarat; EDA, Direktion für Völkerrecht, Abteilung Völkerrecht, Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht EJPD, Bundesamt für Justiz, Sektion MenRechtliche Zusammenarbeit schenrechte und Europarat; Bundesamt für Justiz, Abteilung für internationale Angelegenheiten; BK, Eidgenössischer Datenschutzbeauftragter Gleichstellung von Frau und EDI, Eidgenössisches Büro für die GleichstelMann lung von Frau und Mann Flüchtlingsfragen EDA, Politische Abteilung IV, Sektion humanitäre und internationale Flüchtlingspolitik EJPD, Eidgenössisches Institut für Geistiges Medien Eigentum, Urheberrecht; UVEK, Bundesamt für Kommunikation, Internationales Gemeinden und Regionen EDA, Politische Abteilung I, Sektion Europarat; Direktion für Völkerrecht, Sektion Landesgrenzen und Nachbarrecht Bevölkerung EDI, Bundesamt für Statistik, Abteilung Bevölkerung und Beschäftigung Raumplanung EJPD, Bundesamt für Raumplanung, Abteilung Recht und Dienste EDI, Bundesamt für Sozialversicherung, AbSoziale Fragen teilung internationale Angelegenheiten und Zentralstelle für Familienfragen; EJPD, Bundesamt für Ausländerfragen, Sektion Internationale Angelegenheiten und Integration; EVD, Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit, Dienst für internationale Angelegenheiten EDI, Bundesamt für Gesundheit, Internationales Gesundheit EVD, Bundesamt für Veterinärwesen, Dienst Tierschutz allgemeine Tierschutzfragen Umwelt- und Naturschutz UVEK, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft EDA, Politische Abteilung I, Sektion Europarat; Sozialentwicklungsfonds EFD, Eidgenössische Finanzverwaltung, Ausgabenpolitik 608

Nord-Süd-Dialog

EDA, Direktion für Entwicklung und Zuammenarbeit, Abteilung Politik, Planung und Multilaterales

Kultur

EDA, Politische Abteilung V, Sektion Kultur und UNESCO; EDI, Bundesamt für Kultur, Direktionsstab EDI, Bundesamt für Kultur, Sektion Heimatschutz und Denkmalpflege EDI, Bundesamt für Bildung und Wissenschaft; Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) EDI, Bundesamt für Kultur, Kulturförderung VBS, Eidgenössische Sportschule Magglingen

Denkmalschutz Bildung und Hochschulwesen

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Jahresbericht des Bundesrates über die Tätigkeiten der Schweiz im Europarat 1997 vom 14. Januar 1998

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1998

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24.02.1998

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