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Militärische Beförderungen

Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 20. November 1997

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1997-665

Bericht l

Ausgangslage

Anfangs 1996 wurde der Fall des Obersten Friedrich Nyffenegger in der Öffentlichkeit bekannt. Das Vorkommnis löste bekanntlich ein starkes Echo in den Medien aus und bewegte die Bevölkerung zeitweise heftig. Unter anderem stellte sich die Frage, ob die militärische Karriere des Friedrich Nyffenegger korrekt verlaufen war oder ob die Umstände, die es Nyffenegger ermöglichten, in der Armee einen hohen Offiziersgrad zu erlangen, zu beanstanden seien. Im gleichen Zeitraum fanden verschiedene andere Offiziere der Schweizer Armee das Interesse der Öffentlichkeit, da sie (aus unterschiedlichen Gründen) in zivile oder militärische Strafverfahren involviert waren, weshalb ihre Eignung als militärische Führungspersonen in Frage gestellt wurde.

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) nahm angesichts dieser in zeitlicher Hinsicht massiert bekanntgewordenen Fälle die im Nachgang zum Fall Nyffenegger eingeleiteten Untersuchungen zum Anlass, das Beförderungswesen und die Beförderungspraxis der Armee (d.h. militärische Beförderungen in der Gradhierarchie der Armee) näher zu betrachten. Die entsprechenden Arbeiten übertrug die GPK ihren Sektionen Behörden und Mitteleinsatz.

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Abklärungen

Die Sektionen Behörden/Mitteleinsatz befragten in ihren Sitzungen vom 3. Mai, 14. und 30. August 1996 sowie vom 18. Februar 1997 verschiedene Vertreter des Eidgenössischen Militärdepartementes (EMD) zum Beförderungswesen in der Armee. Mit dem Thema befasste sich die Kommission zudem an ihren Sitzungen vom 26. Juni 1996 und vom 3./4. Juli 1997. Das EMD bediente die Kommission auf Anfrage hin mit verschiedenen schriftlichen Dokumenten und den einschlägigen Rechtsgrundlagen. Insbesondere zog die GPK-N eine Reihe von Personaldossiers von Kaderangehörigen der Armee bei. Unter diesen befanden sich auch die Dossiers von Oberst Friedrich Nyffenegger sowie jener Offiziere, deren Strafverfahren zu dieser Zeit in der Öffentlichkeit bekanntgeworden waren. Die Kommission nahm schliesslich Kenntnis vom Bericht zur Administrativuntersuchung im EMD in Sachen Oberst Nyffenegger etc., welcher René Bacher im August 1996 im Auftrag des Chefs des EMD, Bundesrat Adolf Ogi, erstattete. Der Bericht befasst sich u.a. auch mit dem Beförderungswesen in der Armee.

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Eingrenzung des Themas

Die Kommission musste sich, um sich ein aussagekräftiges Bild vom Beförderungswesen der Armee machen zu können, relativ breit über die Strukturen und die Abläufe des Beförderungswesens der Armee informieren. Das Wesen der militärischen Beförderungen ist für Aussenstehende nicht ohne weiteres durchschaubar. Dazu kommt, dass durch die Einführung der Armee 95 sowie durch die Reorganisation des EMD auch im Beförderungswesen verschiedene Neuerungen einge-

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führt wurden bzw. diskutiert werden. Dadurch entstand auch Klärungsbedarf hinsichtlich der Frage, inwieweit eventuelle Mängel bloss früheren Beförderungsusanzen entsprachen bzw. inwieweit aktuell noch Schwachstellen bestehen könnten, die durch die bereits vom EMD eingeleiteten Massnahmen nicht abgedeckt sind.

Zur Konkretisierung und Veranschaulichung des Beförderungswesens kam die Kommission insbesondere nicht darum herum, verschiedene Personaldossiers im einzelnen zu analysieren. Der GPK-N ging es aber nicht darum, Einzelfall-Kritik 'zu üben oder die Beförderung bestimmter Personen zu kontrollieren und zu bewerten. Diese Arbeit hat zum Teil bereits die Administrativuntersuchung Bacher geleistet. Vielmehr diente die Dossierüberprüfung der GPK-N dazu, grundsätzliche Abläufe und Strukturen des Beförderungswesens erkennen und daraus zukunftsorientierte Schlüsse ziehen zu können. Die Arbeit der GPK-N hat zum Ziel, das militärische Beförderungswesen der Armee als System zu betrachten und auf allfällige Schwachstellen aufmerksam zu machen.

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Zur Funktionsweise des Beförderungswesens der Schweizer Armee Das Beförderungsverfahren und seine rechtlichen Grundlagen

Rechtliche Grundlage der militärischen Beförderungen bilden das Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung (Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung, Militärgesetz, MG, SR 570.70) und die Verordnung vom 24. August 1994 über die Beförderungen und Mutationen in der Armee (VBMA; SR 512.51). Grundsätzlich sind Beförderungen und Ernennungen nach zwei Kriterien vorzunehmen: Einerseits muss in der Armee ein entsprechender Bedarf bestehen, andererseits muss sich die zu befördernde Person für den vorgesehenen Grad bzw. die zu versehende Funktion eignen (Art. 103 Abs. l MG). Die Zuständigkeit für Beförderungen und Ernennungen ist zweigeteilt: Neben dem EMD sind es auch die Kantone, welche solche Entscheide fällen und die Kommandanten und Offiziere ihrer Truppen befördern und ernennen können (Art. 103 Abs. 2 MG).

Das Verfahren für die Beförderungen und Ernennungen wird in seinen Einzelheiten in der VBMA geregelt. Ausgangspunkt und damit zentrale Basis einer Beförderung ist die Erteilung des Vorschlages. Soll eine Person militärisch befördert werden, so muss sie dafür (in der Regel in einem Dienst) vorgeschlagen werden.

Ein Vorschlag darf wiederum nur dann erteilt werden, wenn für die Verwendung der Person (Anwärterin oder Anwärter) im neuen Grad bzw. in der neuen Funktion ein Bedarf besteht und sich die Person dafür auch eignet (Art. 10 VBMA). Die Zuständigkeit für die Erteilung der Vorschläge variiert. Sie ist vom angestrebten Grad, von der Art des Dienstes und unter Umständen von der Einteilung der Anwärterin bzw. des Anwärters abhängig. (Art. 12, 13 und Anhang la VBMA). Gemeinsam ist den vorschlagenden Stellen (die grundsätzlich der Truppe angehören), dass sie den Anwärterinnen oder Anwärtern in der Regel direkt übergeordnet sind.

Die Verwaltung hat keinen inhaltlichen Einfluss auf die Erteilung eines Vorschlages. Sie kann nur die formalen Bedingungen überprüfen.

Die Vorschläge werden aufgrund der Qualifikationen der Anwärterinnen und Anwärter erteilt. Eine Qualifikation ist die militärische Beurteilung von Dienstlei-

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stenden in ihrer Funktion (Art. 3 Abs. l VBMA). Sie soll Auskunft geben über die Persönlichkeit, die Leistungen und die Fähigkeiten einer Person sowie - falls eine Beförderung ins Auge gefasst wird - über die Eignung für den neuen Grad. In Schulen werden grundsätzlich alle Personen qualifiziert, in Kursen in der Regel nur die Kader.

Der erteilte Vorschlag ist anschliessend von einer bestimmten Stelle (sie variiert wiederum) zu genehmigen bzw. zu streichen, falls der Beförderung etwas entgegensteht (Art. 14, 16, 34 und Anhang la VBMA). Die Personen, welche die Vorschläge genehmigen und unterzeichnen, tragen letztlich die Verantwortung für die Richtigkeit des Vorschlages. Sie sind den Personen, welche zuvor den Vorschlag erteilt haben, übergeordnet. Beispiel: Ein Oberleutnant will Hauptmann werden.

Er wird in den Kursen vom Kompaniekommandanten qualifiziert. Der Kompaniekommandant erteilt dann auch den Vorschlag. Der Vorschlag muss vom Bataillonskommandanten genehmigt (oder gestrichen) werden.

Vor der eigentlichen Beförderung ist schliesslich noch ein Fähigkeitszeugnis beizubringen, welches bestätigt, dass die zu befördernde Person alle Bedingungen erfüllt. Ausgestellt wird dieses Zeugnis von einer vorgesetzten Stelle, nach angestrebtem Grad, Dienst und weiteren Kriterien (Art. 23, 33, 43 und Anhang la VBMA). Grundlage für die Ausstellung des Fähigkeitszeugnisses bilden u.a. die Qualifikationen aus den Ausbildungsdiensten, welche der Anwärter im Hinblick auf seinen neuen Grad absolviert.

Niemand hat ein Recht auf Beförderung: Auf eine Beförderung besteht kein Anspruch (Art. 22 Abs. l VBMA). Die Verordnung wiederholt und führt aus, dass eine Beförderung («in der Regel») nur zulässig ist, wenn ein Bedarf ausgewiesen und wenn die zu befördernde Person fähig ist, sich eignet und die entsprechenden Einzelbedingungen erfüllt. Seit dem 1. Januar 1997 verlangt die Verordnung zudem ausdrücklich, dass der Anwärter oder die Anwärterin einen guten Leumund haben und als Person die Anforderungen an das Kommando oder die Funktion erfüllen muss (Art. 22 Abs. lbi' Est. c VBMA).

Beförderungen zu Gefreiten und Unteroffizieren werden von den gleichen Stellen vorgenommen, die auch die Fähigkeitszeugnisse ausstellen. Eine besondere Regel gilt für Adjutantunteroffiziere und Stabsadjutanten (Art. 35 VBMA). Die
Zuständigkeit zu Beförderungen von Offizieren hängt u.a. wiederum vom angestrebten Grad ab (Art. 45 und Anhang la VMBA).

Eine rechtswidrige Beförderung oder Ernennung kann durch das EMD oder vom Bundesrat für ungültig erklärt werden (Art. 103 Abs. 4 MG; Art. 31 VBMA).

Möglich ist zudem eine Enthebung vom Kommando oder von einer Funktion, wenn die Leistungen einer Person zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht ausreichen (Art. 66 ff. VBMA). Ein Enthebungsverfahren kann zum Ausschluss von der Militärdienstleistung führen. Pro Jahr werden 150-200 Angehörige der Armee (ganz überwiegend Soldaten) ausgeschlossen. Nicht darin eingeschlossen sind Ausschlüsse aus medizinischen Gründen.

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Militärische Beförderungen von Angehörigen des Instruktionskorps

Instruktoren und Instruktorinnen werden einerseits beruflich als Lehrpersonal in der Armee eingesetzt. Gleichzeitig leisten sie als Angehörige der Armee auch ihren Dienst bei den (Miliz-)Truppen. Instruktoren treten sowohl in ihrer beruflichen Funktion als militärische Lehrkräfte als auch bei ihren Truppendienstleistungen mit dem Grad auf, den sie in der Milizarmee erworben haben. Für Armeebefördehmgen und damit für Gradaufstiege müssen die Angehörigen des Instruktionskorps die gleichen Bedingungen erfüllen wie andere Personen (Art. 21 Abs. l VBMA). Gewisse Erleichterungen werden dem Instruktionspersonal insofern gewährt, als bestimmte Ausbildungsdienste nicht geleistet werden müssen. Grundsätzlich ist es rechtlich (mit wenigen Ausnahmen) die Truppe, welche über den gradmässigen Aufstieg eines Instruktors entscheidet.

Bis zur Einführung der Armee 95 verhielt es sich so, dass die beamtenrechtliche Beförderung eines Instruktors von seiner milizmässigen Karriere abhängig war.

Innerhalb des Instruktionskorps war ein Instruktor für gewisse Aufgaben nur einsetzbar, wenn er einen bestimmten Grad in der Armee bekleidete. Umgekehrt verschaffte das Erreichen eines Grades dem Instruktor den Anspruch auf bestimmte Aufstiege'innerhalb des Instruktionskorps. Dadurch entstand eine sehr starke Abhängigkeit von militärischer Karriere in der Armee und beruflicher Beamtenlaufbahn im Instruktionsdienst. Mit Einführung der Armee 95 sind diese Abhängigkeiten weitgehend gelöst und die beiden Karrieren voneinander abgekoppelt worden.

Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung vom 21. November 1990 über das Instruktionskorps (IKV; SR 512.41) sieht vor, dass Beförderungen von Instruktoren als Milizoffizier mit dem Einsatz im Rahmen der Berufslaufbahn zu koordinieren sind. Nach Auskunft von Vertretern des EMD erfolgt die beamtenrechtliche Beförderung eines Instruktors heute nicht mehr nach Massgabe des militärischen Grades, sondern nach der ausgeübten Funktion. Der militärische Grad ist demnach kein Beförderungskriterium mehr. Die erwähnte Vorschrift aus der IKV darf somit einzig noch als Koordinationsauftrag im Rahmen der Laufbahnplanung eines Instruktors verstanden werden.

In der Praxis stellt sich die Frage, inwieweit sich die militärhierarchische (Grad-) Karriere von der beruflichen Instruktorenlaufbahn tatsächlich abkoppeln
lässt.

Nicht beabsichtigt oder geplant ist, das Instruktionskorps im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit nicht mit dem in der Milizarmee erworbenen Grad in Erscheinung treten zu lassen. Solange das Lehrpersonal nicht auf Grade verzichtet, ist fraglich, ob sich die militärische Beförderung auch faktisch (rechtlich ist sie es) vom Beruf des Instruktors abkoppeln lässt.

Eine Nichtbeförderung in der Armee kann unter Umständen ein Indiz sein, dass ein Instruktor den Anforderungen des Instruktionsdienstes (oder jedenfalls einer höheren Position) nicht unbedingt gewachsen sein könnte. Bleibt bspw. ein Instruktor in der Armee Hauptmann und kann er militärisch nicht weiterkommen, so hat das zwar keine direkten Auswirkungen mehr auf seine beamtenrechtliche Beförderung. Hingegen werden ihm im Instruktionsdienst möglicherweise nicht mehr alle Möglichkeiten offenstehen. Die Nichtbeförderung wird seinen beruflichen Werdegang jedenfalls nicht fördern. Die Tatsache, dass die militärische (Nicht-)Beförderung des Instruktionspersonals gewisse Signale auch für den be-

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ruflichen Bereich der betroffenen Person setzt, wird zum Teil auch von Vertretern des EMD begriisst: Die Armee erteilt den Instruktoren Vorschläge für weitere Beförderungen. Wer nicht genügt und keine Vorschläge erhält, sieht sich möglicherweise in seinem beruflichen Fortkommen beschränkt und verlässt den Instruktionsdienst. Auf diese Weise können ungenügende Instruktoren eliminiert werden.

Dieser Effekt kann eintreten und unter Umständen richtig sein. Denkbar und zu befürchten ist aber auch, dass zugunsten eines Instruktors auf eine Beförderung Einfluss genommen wird, um eine negative Belastung seines beruflichen Umfeldes zu verhindern - selbst dann, wenn diese Belastung keine direkte Auswirkung auf seine beamtenrechtliche Beförderung hat. Ob die theoretische Entkoppelung der beamtenrechtlichen von der militärischen Karriere auch in der Praxis zu einer Verringerung des Druckes, Instruktoren zu befördern, führt, wird erst in einiger Zeit absehbar sein.

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Beförderungen von Personen in besonderen Verhältnissen

Militärische Beförderungen von Personen, die sich in besonderen Verhältnissen befinden, werden in der VBMA speziell behandelt.

Personen, gegen die ein Strafverfahren hängig ist, Personen, gegen die ein Betreibungs- oder Konkursverfahren hängig ist, Personen, deren persönliche Verhältnisse nicht geordnet sind, Personen, die wegen eines Verbrechens oder Vergehens zu einer Freiheitsstrafe oder zu einer sichernden Massnahme nach dem Strafgesetzbuch verurteilt worden sind.

Personen, gegen die ein Strafverfahren hängig ist, dürfen bis zum Abschluss dieses Verfahrens nicht befördert werden. Ausbildungsdienste für einen höheren Grad dürfen sie nur mit Zustimmung des Generalstabes absolvieren. Die Beförderung kann (d.h. muss nicht) rückwirkend auf den ursprünglichen Zeitpunkt vorgenommen werden, wenn das hängige Strafverfahren eingestellt wird (d.h. ergebnislos endet) oder wenn die betroffene Person freigesprochen oder bloss zu Busse oder Haft verurteilt worden ist (Art. 26 Abs. l und 2 VBMA).

Ist eine Person in ein Betreibungs- oder Konkursverfahren involviert oder sind seine persönlichen Verhältnisse nicht geordnet, so ist ihre Beförderung nur mit Zustimmung des Generalstabes möglich. Voraussetzung ist allerdings, dass die entsprechenden Sachverhalte dem Generalstab überhaupt zur Kenntnis gelangen (Art. 26 Abs. 3 und 4 VBMA).

Wird eine Person wegen eines Verbrechens oder Vergehens zu einer Gefängnisoder Zuchthausstrafe verurteilt, so ist eine Beförderung (oder Ausbildungsdienste dazu) in der Regel zunächst nicht mehr zulässig. Wird der bedingte Strafvollzug gewährt, so ist die Probezeit abzuwarten. Bei unbedingtem Strafvollzug sowie beim Massnahmevollzug ist die Löschung der Strafe im Strafregister abzuwarten, ehe wieder eine Beförderung möglich ist (Art. 27 Abs. l VBMA). Der Generalstab kann je nach Verhalten des Verurteilten die Sperrfrist verkürzen oder ausdehnen.

Die Verurteilung zu einer Busse oder einer Haftstrafe als Folge einer Übertretung hat demnach nicht zur Folge, dass der Verurteilte vorläufig von einer Beförderung oder einem Ausbildungsdienst ausgeschlossen würde. Die Sperre bezieht sich nur auf Verurteilungen wegen eines Verbrechens oder eines Vergehens.

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Kritikpunkte Tauglichkeit des militärischen Beforderungssystems

Der Fall Oberst Nyffenegger sowie andere vor einiger Zeit bekanntgewordenen Fälle werfen zunächst die zentrale Frage auf, ob das Beförderungssystem der Schweizer Armee einer grundsätzlichen Korrektur bedarf, um Fehlbesetzungen in Kaderpositionen in Zukunft zu vermeiden.

Das Beförderungssystem basiert im wesentlichen auf der Qualifkation der Anwärterinnen und Anwärter durch ihre Vorgesetzten, die sie während einer gewissen Zeit im Rahmen von Dienstleistungen beobachten können. Die Vorgesetzten sind es auch, welche die Anwärter zur Weiterausbildung und zur Beförderung vorschlagen. Der Entscheid hängt von weiteren Zustimmungen übergeordneter Stellen ab.

Dieses System von Qualifikation und Beförderung wird von sämtlichen von der Kommission befragten Vertretern des EMD grundsätzlich nicht in Frage gestellt.

Das EMD hat gewisse Schritte eingeleitet, um das System weiterzuentwickeln und zu verfeinern. Im Rahmen von Armee 95 wird angestrebt, die Qualität der Kader durch eine bessere Qualifikation zu heben; die Anforderungen an die Anwärter sind gestiegen. Im EMD herrscht die Überzeugung, dass das bestehende Beförderungssystem grundsätzlich die richtige Auswahl der Kader sicherstellen kann.

Die GPK-N stellt das Beförderungssystem der Armee im Grundsatz nicht in Frage. Zwar wird durchaus festgestellt, dass es in Einzelfällen zu Fehlleistungen des Systems oder einzelner Verantwortlicher gekommen ist. Die Kommission geht davon aus, dass es auch in Zukunft zu Beförderungen kommen wird, die qualitativ nicht zu rechtfertigen und deshalb fehlerhaft sind. Ein Vergleich mit anderen (v.a.

privaten) Bereichen, in denen Personen qualifiziert, ausgewählt und befördert werden, zeigt indessen, dass solche Fehlleistungen mit keinem System restlos ausgeschlossen werden können. Jede Qualifikation von Menschen wird durch Menschen vorgenommen und ist damit nach zwei Seiten subjektiv gefärbt. Selbst ein gutes Qualifikationssystem kann diese subjektiven Einflüsse nur beschränkt vermeiden. Zudem können sich Menschen im Laufe der Zeit auch verändern. Eine Offizierskarriere kann mehrere Jahrzehnte dauern.

Letztlich wird jeder Qualifikations- und Beförderungsentscheid mit einem gewissen Risiko behaftet sein. Neben der erwähnten Subjektivität und dem Veränderungspotential von Menschen ist es auch die nicht immer genügende
(oder genügend geschulte) Fähigkeit, Menschen qualifizieren zu können. Zudem können die Vorgesetzten die zu qualifizierenden Anwärter in der Regel nur während einigen wenigen Wochen pro Jahr beobachten. Erschwerend kommt hinzu, dass im Milizbetrieb kaum ausreichende Möglichkeit besteht, Nachforschungen über einen Anwärter anzustellen. Und schliesslich steht bei Beförderungen auch nie im vornherein fest, wie sich die beförderte Person auf der neuen Hierarchiestufe bewähren wird.

Die GPK-N geht zusammenfassend davon aus, dass das bestehende Beförderungssystem im Prinzip - auch unter Berücksichtigung der Grenzen, die dem System durch die Milizarmee gesetzt werden - durchaus tauglich ist. Voraussetzung ist allerdings, dass die bestehenden Kriterien, nach denen Beförderungen vorzunehmen sind (Bedarf, Eignung, Persönlichkeit), konsequent und ehrlich zur Anwendung kommen. Ein Dossier, in dem eine Person über Jahre praktisch ausnahmslos

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gut bis sehr gut beurteilt wird, erweckt Zweifel an seiner Brauchbarkeit und Aussagekraft, wenn später, bei Bekanntwerden von möglichen Verfehlungen dieser Person, schon immer alle gewusst haben wollen, dass diese Person Schwächen aufweist.

Eine weitere, ebenso wichtige Voraussetzung ist es, Beförderungen von Einflussversuchen aller Art abzuschirmen (vgl. dazu unten Ziff. 5.6). Eine Milizarmee mit ihren engen Verflechtungen zwischen Militär, Wirtschaft und Gesellschaft mag diesbezüglich eher anfällig sein. Gerade aus diesem Grund ist dem Problem die erforderliche Aufmerksamkeit zu schenken.

Zentral für das Funktionieren eines Qualifikations- und Beförderungswesens ist eine gute Qualifikationsschulung, eine ständige Begleitung und ein sinnvolles Coaching aller Kader. Zwar stösst die Armee mit ihren jährlich mehreren Tausend Offiziersbeförderungen an Grenzen. Dies kann jedoch nicht davon entbinden, in den erwähnten Bereichen Verbesserungen zu prüfen und anzustreben.

Zu prüfen und vermehrt auch einzuführen sind schliesslich neue, zukunftsgerichtete Ideen im Qualifikations- und Beförderungswesen. So können beispielsweise Qualifikationen durch Untergebene im Sinn einer Evaluation aussagekräftige Hinweise auf die Eignung eines Anwärters liefern. Solche Modelle sind, soweit sie der Qualität des Armeekaders dienen, allenfalls auch gegen Widerstand einzuführen und durchzusetzen.

Auch ein gutes Beförderungssystem wird, davon ist die Kommission überzeugt, nicht mängelfrei funktionieren. Die Qualität eines solchen Systems zeigt sich deshalb' letztlich darin, ob aufgetretene Fehlqualifikationen und -beförderungen korrigiert werden können. Von der Armee und vom EMD ist deshalb Mut und Konsequenz zu fordern, überall dort, wo Kader die Kriterien Bedarf, vor allem aber Eignung und Persönlichkeit nicht oder nicht mehr erfüllen, unverzüglich die notwendigen Schritte zur Bereinigung der Situation einzuleiten.

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Beförderung von straf- oder anderweitig auffälligen Personen

Wird eine Person (zivil oder militärisch) straffällig, so kann sie - sofern es sich um ein Verbrechen oder ein Vergehen handelt - während einer gewissen Zeit (entweder bis zum Ablauf der Probezeit oder bis zur Löschung der Strafe im Strafregister) grundsätzlich nicht befördert werden und auch keine Ausbildungsdienste für einen höheren Grad leisten. Eine Verurteilung stellt ein klares Kriterium dar.

Wer straffällig wird, bewegt sich (zumindest für einen Tatmoment) ausserhalb der von der Gesellschaft tolerierten Grenzen und stellt dadurch seine Eignung für eine (höhere) Kaderposition in der Armee in Frage. Die Armee als eine zentrale Institution des schweizerischen Staats- und Gesellschaftsverständnisses kann keine Kader verantworten, deren Integrität nicht gewährleistet ist.

Die Beurteilung der Integrität eines Menschen anhand strafrechtlicher Massstäbe folgt in einem Gesetz vorgegebenen Kriterien und kann damit eine gewisse gesellschaftliche bzw. demokratische Legitimation für. sich beanspruchen. Die Integrität einer Person kann jedoch auch durch andere als strafrechtlich geschützte Werte bestimmt sein. Auch die Verletzung moralischer oder ethischer Grundsätze, die nicht rechtlich definiert sind, kann die Integrität in Frage stellen. Es ist indessen

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ausserordentlich heikel, solche Kriterien in die Beurteilung einer Person im Hinblick auf ihre Kadertauglichkeit miteinzubeziehen. Einerseits ist die Möglichkeit, entsprechende Informationen über eine Person zu erhalten, sehr beschränkt und zufällig. Andererseits ist die Gefahr, dass ein Massstab mit solchen Beurteilungskriterien willkürlich angelegt wird, sehr gross.

Die Beurteilung von Menschen aufgrund ihrer Gesinnung hat grundsätzlich keinen Raum in der Armee. Dies muss jedenfalls solange gelten, als nicht durch klare Rechtsgrundlagen (wie z.B. die Antirassismus-Strafnorm) eine bestimmte Gei-steshaltung als verwerflich qualifiziert wird. Ist dies der Fall, so stellen entsprechend widerhandelnde Personen erst recht ihre Eignung als Kader der Armee (wenn nicht sogar als Angehörige der Armee an sich) in Frage, Fehlt aber eine solche klare Grundlage, darf die Geisteshaltung einer Person keinen Einfluss auf eine Beförderung haben, sofern der Anwärter oder die Anwärterin im übrigen für die entsprechende Position geeignet und fähig ist und ihre Geisteshaltung die Persönlichkeit nicht in einer Art und Weise belastet, welche ihren Einsatz im vorgesehenen Grad nicht zulassen würde. Eine Rückkehr zu Zeiten, als die Betätigung in bestimmten politischen Kreisen eine Armeekarriere kompromittieren konnte, darf es nicht geben. Die Kommission ist aber der Meinung, dass in gravierenden Fällen nicht nur strafrechtlich relevante Handlungen, sondern auch andere Vorfälle oder ein anderes Verhalten die Beförderung ausschliessen können müssen.

An dieser Stelle ist festzuhalten, dass sich der vorliegende Bericht nur mit militärischen Beförderungen befasst. Er nimmt nicht weiter Stellung zu allfälligen funktionsmässigen (Weg-)Beförderungen von Berufsmilitärs, die leistungsmässig nicht mehr genügen. Solche sind - sollten solche Fälle tatsächlich vorgekommen sein - nach Auffassung der GPK-N absolut untolerierbar. Immerhin könnte dieses Spannungsfeld durch die weitgehende Entkoppelung der beamtenrechtlichen und der militärhierarchischen Karrieren von Angehörigen des Instruktionskorps in Zukunft entlastet werden.

Die Überprüfung der zu befördernden Personen hinsichtlich der Frage, ob diese vorbestraft seien oder gegen sie ein Strafverfahren hängig sei, ist nach Auskunft der befragten EMD-Vertreter ein Problem, da von
der Ausfällung eines Urteils bis zu dessen Meldung an das Zentralpolizeibüro des Bundesamtes für Polizeiwesen mehrere Monate verstreichen können. Zudem wird eine zum Teil mangelhafte Auskunftsbereitschaft der zuständigen Amtsstellen gegenüber dem EMD beklagt.

Bezüglich der Auskunftsbereitschaft ist festzuhalten, dass die rechtliche Grundlage besteht, welche dem EMD erlaubt, sich über strafrechtlich relevante Vorfälle von Anwärterinnen und Anwärtern zu informieren (Art. 103 Abs. 3 MG). Es ist Sache des EMD, sich in diesem Punkt durchzusetzen. Eine bessere und raschere Erfassung der (oft kantonal verfolgten) Straftaten erhofft sich das EMD erst durch das zentrale und automatisierte Strafregister Vostra, das aber frühestens Ende 1998 einsatzbereit sein soll. Eine Umfrage bei den kantonalen Stellen zur Erhebung der Straffälligkeit der zur Beförderung anstehenden Personen ist gemäss EMD angesichts der Vielzahl von Beförderungen aus Aufwandgründen nicht möglich. Es ist deshalb festzustellen, dass zur Zeit die Überprüfung von Anwärterinnen und Anwärter hinsichtlich hängiger Strafverfahren oder relevanter Verurteilungen nicht in jedem Fall gewährleistet ist und demnach bei der Durchsetzung der Artikel 26 und 27 VBMA Lücken entstehen können.

Die Erhebung von weiteren Daten für Personenregister ist grundsätzlich problematisch. Gemäss Auskunft von befragten EMD-Vertretern wolle man nicht durch

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das Anlegen weiterer Registraturen neue Fichensammlungen schaffen. Die Sicherheitsüberprüfung von Anwärterinnen und Anwärtern ist angesichts der im Prinzip mangelhaften Datenlage ein Problem für die Armee. Indessen stimmt die GPK-N mit dem EMD darin überein, dass keine Registraturen oder Datensammlungen angelegt werden dürfen, für die nicht ein ausgewiesenes, dringendes Bedürfnis besteht. Es ist im Prinzip auch richtig, wenn das EMD gemäss seinen Vertretern eher bereit ist, eine Fehlbeförderung in Kauf zu nehmen als (mit vermutlich erheblichem Aufwand) umfangreiche Informationsnetze und Datensammlungen über Armeeangehörige, die allenfalls für eine Beförderung in Frage kommen, anzulegen. Der Verzicht auf Fichensammlungen schliesst aber nicht aus, dass Personaldossiers mit einem sachgerechten und sinnvollen Aussagewert geführt werden. Vor allem aber ist zu fordern, dass Fehlbeförderungen, die in einem solchen System in Kauf genommen werden müssen, konsequent korrigiert werden, sobald sie dem EMD bekannt werden. Zu korrigieren sind insbesondere auch Beförderungen, die wegen vom Beförderten verschwiegenen relevanten Tatsachen vorgenommen wurden. MUSS der Beförderte mit einer Rückgängigmachung seiner Beförderung rechnen, sinkt die Bereitschaft, seinen Vorgesetzten entsprechende Informationen vorzuenthalten.

Verschiedene Fälle haben in der Vergangenheit Aufmerksamkeit erregt, weil Personen befördert wurden, obwohl sie straffällig geworden waren. Die VBMA geht nicht davon aus, dass eine Verurteilung jede Beförderung auf unbeschränkte Dauer ausschliesst. Wird jemand zu Gefängnis oder Zuchthaus mit bedingtem Strafvollzug verurteilt, so ist eine Beförderung grundsätzlich erst nach Ablauf der Probezeit möglich. Wird die Strafe oder Massnahme vollzogen, so kann erst nach deren Löschung wieder eine Beförderung aktuell werden.

Die GPK-N teilt die Auffassung, dass eine Verurteilung nicht eine Beförderung auf Lebenszeit ausschliessen muss. In der Regel ist einem Menschen, der einen Fehltritt begeht, eine nächste Chance zu gewähren, zumal sich die Straffälligkeit dieser Person längerfristig nicht zwingend auf ihre Eignung als Kader der Armee auswirken muss. Allerdings kann eine Person ein Verhalten zeigen, das ihre Verwendbarkeit generell oder in höheren Graden in Zukunft definitiv oder zumindest über eine längere
als die vorgesehene Zeit ausschliesst. Militärische Kader haben eine Vorbildfunktion, und zwar sowohl militärisch als auch gesellschaftlich. Genügt eine Person diesen Anforderungen in krassen Fällen definitiv nicht mehr, muss als Konsequenz eine Beförderung ausgeschlossen (oder länger aufgeschoben) werden. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür sind gegeben; die Verantwortung für entsprechende Massnahmen trägt der Generalstab (Art. 27 Abs. 2 VBMA).

Eine definitive oder längerfrisüge Beförderungssperre liegt im Interesse der Qualität und des Ansehens der Armee. Sie lässt sich aber auch gegenüber den Betroffenen vertreten. Wer sich militärisch nicht mehr weiterentwickeln kann, erleidet zwar eine persönliche Beeinträchtigung, die unter Umständen einschneidend ist.

Die nicht beförderte Person ist aber in ihrer Lebensentfaltung und Lebensplanung nicht existentiell betroffen.

Die Armee darf bei der Auswahl ihrer Kader keine Rücksicht auf das gesellschaftliche Ansehen oder berufliche Fortkommen dieser Personen nehmen. Unzulässig ist, eine umstrittene Beförderung vorzunehmen, um dem Beförderten berufliche Karriereschritte zu ermöglichen. Entscheidend dürfen einzig und allein der Bedarf der Armee und die Eignung und die Persönlichkeit der Person sein. Die

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GPK-N ist sich bewusst, dass die Durchführung dieses Prinzips in einer Milizarmee mit ihrer engen Verzahnung von Militär, Gesellschaft und Wirtschaft schwierig ist. Das Prinzip muss aber oberste Maxime sein.

In diesem Zusammenhang ist an die Verantwortung in Beförderungsangelegenheiten zu erinnern: Verantwortlich für die Qualität der Kader sind (im Rahmen ihrer Möglichkeiten) alle, die vorschlagen, Vorschläge genehmigen, Fähigkeitszeugnisse ausstellen und schliesslich Beförderungen vornehmen. Das bedeutet, dass alle Beteiligten einzuschreiten haben, wenn sich eine Beförderung abzeichnet, die sie nicht verantworten können. Stimmen sie einer Beförderung wider besseres Wissen (insbesondere auch über strafrechtlich relevante Vorfälle, aber auch über andere relevante Informationen zu Eignung, Fähigkeit oder Persönlichkeit der Anwärterin oder des Anwärters) zu, handeln sie pflichtwidrig und tragen die Mitverantwortung für eine Fehlbeförderung.

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Mängel und Verbesserung der Rechtsgrundlagen

Die von der GPK-N befragten Vertreter des EMD haben sich dahingehend geäussert, dass das Beförderungswesen grundsätzlich ausreichend rechtlich erfasst sei und keine weiteren Vorschriften notwendig seien. Sie haben aber auch darauf hingewiesen, dass die auf den l, Januar 1995 in Kraft getretene VBMA in gewissen Bereichen verbessert werden muss, um Fälle, wie sie vorgekommen sind, nach Möglichkeit vermeiden zu können.

Auf den 1. Januar 1997 sind verschiedene revidierte Bestimmungen der VBMA in Kraft getreten. Zentral im vorliegenden Zusammenhang ist die Neufassung von Artikel 22 VBMA. Der neue Absatz l hält nun unmissverständlich fest, was an sich bereits vorher Geltung hatte: Auf eine Beförderung besteht kein Anspruch.

Der Kriterienkatalog für eine Beförderung wurde erweitert, indem nun ein guter Leumund vorausgesetzt wird und die Person auch an den Anforderungen des zukünftigen Kommandos bzw. der zukünftigen Funktion zu messen ist (Abs. l bl ' Bst. c). In Artikel 26 wurde das Aufschubverfahren bei Beförderung eingehender geregelt. Neu gefasst wurde auch Artikel 27 (Beförderung nach Verurteilung).

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die rechtlichen Grundlagen des Beförderungswesens und -Verfahrens (namentlich auch nach der Revision der VBMA per 1. Jan. 1997) grundsätzlich ausreichend sind und eine brauchbare Basis bilden, um Beförderungen korrekt zu handhaben. Ob die Vorschriften das Ziel erreichen, hängt im wesentlichen von der konsequenten Durchführung des Verfahrens und insbesondere von der Anwendung der Beförderungskriterien durch die verantwortlichen Stellen in der Armee und im EMD ab.

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Personaldossiers

Die GPK-N hat für ihre Abklärungen eine Reihe von Personaldossiers von Offizieren beigezogen. Die Analyse der vom EMD zur Verfügung gestellten Unterlagen hat ergeben, dass die darin abgelegten Akten und Informationen einer eher zufälligen Ordnung und weniger einer nachvollziehbaren Systematik zu folgen scheinen und von unterschiedlicher, in der Regel aber eher bescheidener Aussagekraft sind. Jedenfalls ist es nur schwer vorstellbar, wie gestützt auf solche Dossiers eine

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inhaltliche Überprüfung einer Beförderung stattfinden soll. In der Regel werden Beförderungen kaum bzw. nur in formeller Hinsicht aufgrund reiner Dossierinformationen zu überprüfen sein. Die Qualität der Dossierinhalte macht aber deutlich, dass eine materielle Überprüfung von Armeebeförderung auf breiter Ebene nicht möglich ist. Relativiert werden damit Äusserungen des EMD-Vorstehers im Nachgang zum Bekanntwerden des Falles Nyffenegger, wonach in Zukunft auf hoher Ebene umfassende Beförderungskontrollen stattfinden würden.

Auch wenn den Personaldossiers für die Beförderung nur ein beschränkter Stellenwert beigemessen werden kann, fallt doch auf, dass bezüglich der Führung von Personaldossiers im EMD gewisse Missstände zu herrschen scheinen. So hat die GPK-N das Dossier von Oberst Nyffenegger angefordert. Das Dossier Nyffenegger ebenfalls angefordert hat, wie dies seinem Bericht zur Administrativuntersuchung im EMD zu entnehmen ist, der Untersuchungsbeauftragte René Bacher.

Vergleicht man die Unterlagen der GPK-N mit den Informationen, die Bacher seinen Akten entnimmt, so fällt auf, dass die GPK-N nicht über die gleichen Dossiers verfügte, welche Bacher zur Verfügung standen.

Die GPK-N hat Vertreter des EMD zur Dossierführung befragt und dabei festgestellt, dass offenbar pro Person mehrere Dossiers geführt werden. Zum einen befinden sich die Unterlagen bei der Truppe sowie beim Grossen Verband, zum andern bei der Verwaltung (Untergruppe Personelles der Armee), bei Instruktoren zusätzlich noch beim Heer, Ob die verschiedenen Dossiers gegenseitig ergänzt und abgeglichen wurden oder werden, ist nicht bekannt, aufgrund der Erkenntnisse der GPK-N aber eher zu verneinen. Zudem ist aufgrund der Auskünfte der befragten EMD-Vertreter davon auszugehen, dass keine klaren Regeln bestehen, welche Informationen in den Truppen aufbewahrt bzw. wann sie vernichtet werden. Auch das EMD selber hat festgestellt, dass grosse inhaltliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Dossiers bestehen. Vollständige Informationen über einen Kaderangehörigen der Armee müssen demnach bei mehreren (drei bis vier) verschiedenen Stellen zusammengesucht werden.

Das EMD hat offenbar diesen Missstand erkannt und will die verschiedenen Personaldossiers zentralisieren. Dieser überfällige Schritt wird von der GPK-N begrüsst. Das Ziel
kann nicht sein, die Papierflut zu vergrössern. Soweit aber Akten über Personen angelegt werden, sind diese im Sinne einer effizienten und effektiven Nutzbarkeit zentral und vollständig zu verwalten. Zudem ist ihr Aussagewert zu prüfen; wertlose Informationen sind auszuscheiden und unvollständige zu ergänzen.

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Angehörige des Instruktionskorps

Die Problematik der Beförderung von Angehörigen des Instruktionskorps ist oben unter Ziffer 42 dargelegt worden. Die Schwierigkeiten in diesem Bereich können voraussichtlich durch die bereits vollzogene weitgehende Entkoppelung von beamtenrechtlicher und militärischer Laufbahn behoben oder zumindest gemildert werden. In diesem Zusammenhang wird auf die Schlussfolgerungen im Schlussbericht betreffend das Instruktionskorps der GPK-N sowie auf den Bericht der Administrativuntersuchung im EMD von René Bacher verwiesen. Die GPK-N begrüsst die im EMD eingeleiteten Schritte und erwartet, dass sie konsequent umgesetzt werden. Zusätzlich ist die grundsätzliche Prüfung von Alternativen zum heu-

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tigen Modell des Instruktionskorps, das gradmässig nach wie vor von der Milizarmee abhängig ist, im Hinblick auf kommende Umstrukturierungen der Armee angezeigt. Dazu wird sich im einzelnen der im Frühjahr 1998 separat erscheinende Schlussbericht der GPK-N betreffend das Instruktionskorps äussern.

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Einflussversuche der Kantone und weiterer Kreise

Der Qualität der Armeekader kann es grundsätzlich nicht zuträglich sein, wenn in korrekt verlaufende Beförderungsverfahren von dritter Seite her Einfluss genommen wird. Tatsache ist aber, dass in der Vergangenheit und auch heute noch von verschiedenen Kreisen versucht wird, auf Beförderungen und Ernennungen einzuwirken. Es können grundsätzlich zwei Arten von Einflussnahmen unterschieden werden. Zum einen sind es die Kantone, die namentlich bei der Besetzung von Kommandos ihre Wünsche einbringen. Zum anderen ist es die Einflussnahme auf Beförderungen, die zugunsten einer einzelnen Person aufgrund persönlicher Umstände oder Beziehungen erfolgt. Solche Einflussversuche finden auf allen Ebenen statt. Dass die geschilderten Einflussversuche eine Realität darstellen, hat die GPK-N bei ihren Abklärungen festgestellt. Diese werden sowohl von befragten EMD-Vertretern wie auch im Bericht zur Administrativuntersuchung im EMD von René Bacher bestätigt.

Für die Einflussnahme der Kantone auf die Besetzung von wichtigeren Kommandos hat die Kommission ein gewisses Verständnis, solange dabei eine ausgewogene regionale Vertretung von militärischen Führungskräften in hohen Kaderpositionen angestrebt wird. Eine Berücksichtigung der Herkunft eines hohen Offiziers kann aus regionalpolitischen und -psychologischen Gründen den Bedürfnissen des Föderalismus entsprechen. Geht man davon aus, dass grundsätzlich nur geeignete, fähige und starke Persönlichkeiten überhaupt so weit aufsteigen können, dass sie für die Übernahme eines wichtigen Kommandos in Frage kommen, so stellt die Einflussnahme der Kantone in diesem Bereich keine Gefahr für die Qualität der Armeekader dar. Die Einflussnahme von Kantonsregierungen auf die Beförderung von protegierten Einzelpersonen hingegen kann nicht toleriert werden, vor allem dann nicht, wenn die Qualität der zu befördernden oder zu ernennenden Personen nicht unumstritten ist.

Bedenklich sind aber nach Ansicht der GPK-N jene Fälle, in denen ungeeignete Anwärter aufgrund der Einflussnahme von Einzelpersonen oder Gruppierungen entgegen den Erkenntnissen der Vorgesetzten und trotz mangelhaften Qualifikationen doch weiterbefördert werden. Dass diese Art der persönlichen Einflussnahme zugunsten von an sich ungenügenden Anwärterinnen oder Anwärtern vorkommt, wird vom EMD nicht in Abrede gestellt. Die
GPK-N sieht durchaus, dass in einer Milizarmee mit ihren mannigfachen Verflechtung mit anderen Bereichen die Verlockung gross ist, durch persönliche Beziehungen Einfluss auf Karrieren von nahestehenden Personen zu nehmen. Für Beförderungen dürfen, wie bereits verschiedentlich ausgeführt und wie es auch den rechtlichen Grundlagen entspricht, allein der Bedarf der Armee, die Eignung und die Fähigkeiten der betroffenen Person sowie deren Persönlichkeit ausschlaggebend sein und niemals die Tatsache, dass Bekannte oder Verwandte eines Anwärters bestimmte einflussreiche Positionen bekleiden. Beförderungen von ungeeigneten Personen aufgrund

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von unzulässigen Einflussnahmen sind Fehlbeförderungen, die den rechtlichen Vorgaben nicht entsprechen; sie sind deshalb zu korrigieren.

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Schlussfolgerungen

Das Beförderungswesen der Schweizer Armee ist grundsätzlich brauchbar und funktionstüchtig. Gewisse Vorbehalte hat die GPK-N allerdings gegenüber der Tatsache, dass auch das Instruktionskorps ins gleiche Beförderungssystem eingebunden ist (vgl. dazu den separaten Schlussbericht betreffend das Instruktionskorps), Wie alle Personalwesen kann das Beförderungswesen nicht ohne subjektive Ermessensentscheide auskommen. Zudem kann kein Personalsystem die persönlichen und charakterlichen Entwicklungen der Personen, die ihm angehören, voraussehen. Aus diesem Grund ist das Beförderungswesen der Armee nicht gefeit gegen Fehlentscheide. Solche Fehlentscheide lassen sich nicht gänzlich verhindern. Sie sind jedem Personalsystem immanent. Angesichts dieser Erkenntnis schafft die Ankündigung des Departementschefs des EMD, künftig Beförderungen in Generalsrängen selber zu überprüfen, einen zu hohen Erwartungsdruck.

62 Die Anforderungen an Kaderpositionen in der Armee müssen hoch angesetzt werden. Kommt es zu Fehlbesetzungen oder -beförderungen, so sind die Mängel konsequent festzustellen (und nicht zu vertuschen) und die notwendigen Korrekturen anzubringen. In einem Personalsystem, das nicht perfektioniert werden kann, werden sich mit grosser Wahrscheinlichkeit vereinzelt Fehlentwicklungen ergeben.

Die Qualität des Systems bemisst sich nicht zuletzt darin, wie gut auftretende Mängel behoben werden können.

63 Die Führung der Personaldossiers der Armeeangehörigen ist zumindest teilweise mangelhaft. Dies ist zu verbessern. Zu vermeiden sind aber unnötige Daten- oder Fichensammlungen. Soweit Informationen über zu befördernde Personen erforderlich sind, können sie aufgrund der bestehenden Rechtsgrundlagen erhoben werden. Es ist Sache des EMD, dies durchzusetzen.

64 Personen, welche an Beförderungen beteiligt sind und dafür Verantwortung tragen, müssen in der Lage sein, andere Menschen zu qualifizieren und allenfalls bei Fehlentwicklungen auch einzuschreiten. Erforderlich ist deshalb eine angemessene Schulung, Begleitung und ein Coaching der für Beförderungen zuständigen Personen auf allen Stufen.

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65 Die Einflussnahme auf Beförderungen ist nicht tolerierbar, wenn sie auf die Beförderung von an sich ungeeigneten, unfähigen oder persönlich schwachen Personen zielt. Kriterien für Beförderungen und Ernennungen dürfen allein der Bedarf der Armee, die Eignung und Fähigkeiten der Person und deren Persönlichkeit sein.

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Empfehlungen der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Postulat der GPK-N

Der Bundesrat wird eingeladen zu prüfen, ob bei Beförderungen in der Armee Anwärterinnen und Anwärter einen Strafregister-Auszug beizubringen haben.

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Empfehlung der GPK-N

Die Führung der Personaldossiers der Armeeangehörigen ist zu verbessern.

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Empfehlung der GPK-N

Die Ausbildung und Betreuung der Armeekader betreffend die Personalqualifikation sind zu überprüfen und allenfalls zu verbessern.

20. November 1997

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Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Sektion Behörden Der Präsident: Alexander Tschäppät ' Die Sekretärin: Mariangela Wallimann-Bornatico

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Liste der Abkürzungen GPK-N EMD MG

Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Eidgenössisches Militärdepartement Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung, Militärgesetz

VBMA IKV

Verordnung über die Beförderungen und Mutationen in der Armee Verordnung über das Instruktionskorps

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Liste der angehörten Personen -

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B. Berger, Sektionschef «Besondere Angelegenheiten und Organisation», EMD J.R. Christen, Chef Heer, EMD J. Dousse, Chef Heer, EMD W. Eymann, Unterstabschef, Untergruppe Personelles der Armee, EMD P. Gaegauf, UG Personelles der Armee, EMD R. Hämmerli, Abt. Personalwesen EFD, Klassifikation, Laufbahnen P. von Niederhäusern, Sektionschef «Personaldienst», EMD J.P. Peternier, Stv. Generalsekretär und Chef der Personalabteilung, EMD M. Stahel, Abteilungschef Abteilung für Recht, Kommerz, Transport und Zoll, Gruppe Rüstung, EMD K. Steiner, Chef Sektion Führung Lehrpersonal, EMD P, Wittwer, Vizedirektor Bundesamt für Waffensysteme und Munition (BWM), EMD P. Zollinger, Unterstabschef Lehrpersonal, EMD

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Militärische Beförderungen Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 20. November 1997

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1998

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

10

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

17.03.1998

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1200-1216

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