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Parlamentarische Initiative Einigungsverfahren beim Voranschlag (FK-NR) Bericht der Finanzkommission des Nationalrates vom 2. Februar 1998

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen gemäss Artikel 21qu"" Absatz 3 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) den vorliegenden Bericht und überweisen ihn gleichzeitig dem Bundesrat zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, ihrem beiliegenden Beschlussentwurf zuzustimmen.

2. Februar 1998

1998-138

Im Namen der Kommission Der Präsident: Frey Walter, Nationalrat

1683

Bericht Ausgangstage Das Geschäftsverkehrsgesetz (GVG) (SR 27l.il) regelt in den Artikeln 16-21 das Verfahren der Differenzbereinigung bei Ratsgeschäften. Bestehen nach drei Beratungen in jedem Rat Differenzen, so entsenden die Kommissionen beider Räte je 13 Mitglieder in die Einigungskonferenz. Diese hat eine Verständigungslösung zu suchen. Kommt eine Einigung zustande, so geht der Einigungsantrag zunächst an den Rat, dem die Erstbehandlung der Vorlage zustand, und, nachdem dieser Rat Beschluss gefasst hat, an den andern Rat. Wird der Einigungsantrag in einem oder in beiden Räten verworfen, so gilt die ganze Vorlage als nicht zustande gekommen und wird von der Geschäftsliste gestrichen.

Bei der Beratung des Voranschlags waren im Dezember 1992 und 1997 Einigungskonferenzen nötig. Während dieser Einigungskonferenzen und den anschliessenden Ratsverhandlungen wurde die Frage diskutiert, ob Artikel 19 bzw. Artikel 20 Absatz 3, wonach bei einer Nichteinigung bzw. der Ablehnung des Einigungsantrags die Vorlage von der Geschäftsliste zu streichen sei, auch beim Voranschlag zu gelten hätte.

Die Finanzkommissionen und der Präsident des Nationalrates regten bei der Behandlung des Antrags der Einigungskonferenz dringend an1 das Einigungsverfahren im Zusammenhang mit den Differenzen beim Budget im GVG zu präzisieren.

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Ausarbeiten einer Vorlage

In Anbetracht der fehlenden Rechtsgrundlage bei Ablehnung des Antrags der Einigungskonferenz während der Budgetbereinigung schlagen wir vor, die Gesetzeslükke im GVG durch eine parlamentarische Initiative der Finanzkommission des Nationalrates rasch zu schliessen. Gestützt auf Artikel 21lst Absatz 3 des GVG kann eine Kommission im Rahmen des parlamentarischen Initiativrechts eine Vorlage direkt ausarbeiten.

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Besonderer Teil

Im folgenden sollen Lösungen zur Schliessung der Gesetzeslücke dargestellt werden, wie sie 1992 und 1997 bei den Kommissions- und Ratsverhandlungen in Erwägung gezogen worden sind. Wir halten fest, dass das neu zu regelnde Verfahren für alle Bestimmungen zu gelten hat, die mit dem Bundesbeschluss über den Voranschlag und den Nachträgen zum Voranschlag unterbreitet werden.

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Amtliches Bulletin, Nationalrat/Ständerat, Sitzung vom 18. Dezember 1997

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Besonderheit des Voranschlags

Während der Einigungskonferenzen von 1992 und 1997 bestand Einigkeit darüber, dass die Wirkung von Artikel 20 Absatz 3 - die Vorlage ist nicht zustandegekommen und wird von der Geschäftsliste gestrichen - für den Finanzvoranschlag nicht gelten kann. Die Zurverfügungstellung der finanziellen Ressourcen bildet eine unabdingbare Voraussetzung für die Erfüllung der Bundesaufgaben. Das Budget kann deshalb aus rechtlichen und faktischen Gegebenheiten nicht einfach gestrichen werden: Es bildet ein unabkömmliches Instrument der Staatsführung. Die Bundesversammlung hat eine verfassungsmässige Verpflichtung, den Voranschlag festzusetzen2. Sie hat zudem die jährlichen Durchschnittsbestände an Personalstellen über den Voranschlag festzulegen3.

Da der Bundesrat nach einer Streichung von der Geschäftsliste sofort einen neuen Voranschlag ausarbeiten müsste, hätte eine nicht bereinigte Differenz beim Finanzvoranschlag und den Personalbeständen faktisch die gleichen Wirkungen wie eine Rückweisung des gesamten Voranschlags.

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Darstellung der bisher diskutierten Lösungen

In den bisherigen Beratungen wurden für den Fall, dass die Einigungskonferenz beim Finanzvoranschlag keine Einigung erzielt oder ein Rat den Antrag der Einigungskonferenz ablehnt, folgende Lösungsansätze in Erwägung gezogen: a. Der Betrag des Entwurfs des Bundesrates gilt.

b. Es gilt der Betrag, der näher beim Entwurf des Bundesrates liegt.

c. Die betragsmässige Differenz zwischen den divergierenden Beschlüssen der beiden Räte wird halbiert.

d. Es gilt der Beschluss des Erstrates.

e. Es gilt der tiefere Betrag.

f.

Solange der Voranschlag einen Ausgabenüberschuss vorsieht, gilt in Berücksichtigung von Artikel 42bi> der Bundesverfassung der tiefere Betrag, der von beiden Räten bewilligt worden ist. Wenn der Finanzvoranschlag einen Einnahmenüberschuss ausweist, gilt der höhere Betrag.

Eine nähere Prüfung der Varianten a-f zeigte, dass nicht alle Lösungen verfassungskonform sind, indem einzelne dem einen oder andern Rat oder dem Bundesrat eine stärkere Stellung einräumen. Sie können zu einem taktischen Abstimmungsverfahren führen und den politischen Willen verfälschen. Die Varianten a und b beschneiden zudem die Gestaltungsrechte des Parlamentes. Die Verfassung räumt dem Parlament die Entscheidungsgewalt beim Budget ein. Diese Verfassungskompetenz des Parlamentes spricht gegen eine Lösung, die dem Antrag des Bundesrates zum vornherein ein stärkeres Gewicht gibt.

2 3

Artikel 85, Ziffer 10 der Bundesverfassung Artikel 2 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1974 über Massnahmen zur Verbesserung des Bundeshaushaltes (SR 611.010) 1685

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Einigungsverfahren beim Voranschlag

Aus der Besonderheit des Voranschlages wurde unter Ziffer 31 ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf abgeleitet. Im Rahmen des Voranschlages werden eine Vielzahl von Zahlungskreditrubriken, Verpflichtungskreditrubriken für einzelne Projekte oder Bauvorhaben, Zahlungsrahmen und Personalbestände unterbreitet. Eine Differenz in einer Beschlussesbestimmung sollte nicht zur Streichung des ganzen Voranschlages oder Nachtrages führen, sondern es braucht für den strittigen Punkt eine pratikable Lösung. Die Kommission beschloss einstimmig, eine Kommissionsinitiative zu ergreifen um die Lücke ins Geschäftsverkehrsgesetz durch eine Ergänzung des GVG rasch zu schliessen. In der Detailberatung standen sich mehrere Varianten eines Einigungsverfahrens beim Voranschlag gegenüber.

Unbestritten blieb, dass nach Artikel 89 Absatz l der Bundesverfassung für Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse die Zustimmung beider Räte erforderlich ist. Die Kommission erachtet diesen Grundsatz bei Finanzbeschlüssen dann als erfüllt, wenn bei einer fehlenden Einigung der während der dritten Beratung beschlossene tiefere Betrag gilt. Wenn sich die Nichteinigung auf den Personalbestand bezieht, so gilt entsprechend der tiefere Personalbestand.

Der Kommission lag auch ein Antrag vor, in strenger Auslegung von Artikel 89 Absatz I der Bundesverfassung die umstrittenen Bestimmungen aus dem Bundesbeschluss über den Voranschlag oder den Nachtragskrediten abzuspalten und die fraglichen Rubriken zu streichen. Die Mehrheit der Kommission erachtete ein solches Vorgehen als weniger zweckmässig, da damit der Bundesrat auf dem Wege des Dringlichkeitsverfahrens nach Artikel 18 und Artikel 31 Absatz 3 des Finanzhaushaltgesetzes4 eine weitgehende Vollmacht für Kreditbeschlüsse erhielte. Die Streichung der bestrittenen Bestimmung aus dem Voranschlag oder dem Nachtrag käme somit der unter Ziffer 32 beschriebenen Variante a nahe. Erträgt eine Ausgabe, für die im Voranschlag kein oder kein ausreichender Zahlungskredit bewilligt ist, keinen Aufschub, so kann der Bundesrat sie vor der Bewilligung eines Nachtragskredites durch die Bundesversammlung beschliessen. Wo dies möglich ist, holt er vorgängig die Zustimmung der Finanzdelegation der eidgenössischen Räte ein. Die Bundesversammlung hätte bei dringlichen Ausgaben nur noch ein nachträgliches Genehmigungsrecht.

Die Kommission beantragt mit 15 zu 2 Stimmen, dem beiliegenden Beschlussentwurf zuzustimmen.

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Auswirkungen

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Finanzielle Auswirkungen

Wie die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, finden die eidgenössischen Räte im Rahmen des Differenzbereinigungsverfahrens meistens den übereinstimmenden Beschluss. Sollte der Antrag der Einigungskonferenz beim Bundesbeschluss über den Voranschlag einmal keine Zustimmung finden oder von einem oder beiden Räten abgelehnt werden, kommt das in dieser Vorlage vorgeschlagene Verfahren zur Anwendung. Dass in einem solchen Fall der tiefere Betrag gelten soll, lässt sich auch

Vgl. Bundesgesetz über den Eide. Finanzhaushalt (Finanzhaushaltgesetz, FHG) vom 6. Oktober.1989 (SR 611.0) 1686

mit einem verfassungsmässigen Auftrag begründen. Nach Artikel 421"' der Bundesverfassung ist der Fehlbetrag, der Bilanz des Bundes abzutragen.

Wenn auch die finanziellen Auswirkungen des vorgeschlagenen Einigungsverfahrens beim Bundesbeschluss Über den Voranschlag und die Nachtragskredite minimal sein werden, senkt es tendenziell die Bundesausgaben.

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Personelle Auswirkungen

Die Änderung des Verfahrens hat keine unmittelbaren personellen Auswirkungen.

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1687

Bundesgesetz Entwurf über den Geschäftsverkehr der Bundesversammlung sowie über die Form, die Bekanntmachung und das Inkrafttreten ihrer Erlasse (Geschäftsverkehrsgesetz, GVG) Änderung vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 85 Ziffern l und 10 der Bundesverfassung, nach Einsicht in den Bericht vom 2. Februar 19981 der Finanzkommission des Nationalrates, und die Stellungnahme des Bundesrates vom 2. März 19982, beschliesst:

I Das Geschäftsverkehrsgesetz3 wird wie folgt geändert: Art. 19 letzter Satz ... Die ganze Vorlage gilt als nicht zustande gekommen und wird von der Geschäftsliste gestrichen; vorbehalten bleibt Artikel 20 Absatz 4.

Art. 20 Abs. 4 (neu) * Stellt die Einigungskonferenz bei den Bundesbeschlüssen über den Voranschlag des Bundes oder seinen Nachträgen keinen Antrag oder wird der Einigungsantrag in einem oder beiden Räten verworfen, so gilt der in der dritten Beratung beschlossene tiefere Betrag oder Personalbestand.

II 1

Das Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

Es tritt in Kraft am ersten Tag des zweiten Monats nach dem unbenutzten Ablauf der Referendumsfrist oder mit seiner Annahme in der Volksabstimmung.

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BB11998 1683 BB11998 1689 SR 171.11

1688

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Parlamentarische Initiative Einigungsverfahren beim Voranschlag (FK-NR) Bericht der Finanzkommission des Nationalrates vom 2. Februar 1998

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1998

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14.04.1998

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