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Bundesblatt

112. Jahrgang

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Bern, den I.Dezember 1960

Band II

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ausrichtung von Stipendien an ausländische Studierende in der Schweiz (Vom 18. November 1960) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen hiemit eine Botschaft samt Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Ausrichtung von Stipendien an ausländische Studierende in der Schweiz zu unterbreiten.

Die Aktion soll es einer grösseren Zahl von Angehörigen fremder Staaten, insbesondere aus Entwicklungsländern, erlauben, ein Hochschulstudium ganz oder zum Teil in unserem Lande zu absolvieren.

I. Einleitung Wissenschaft, Technik und Verkehr haben die Menschheit nahe zusammengerückt. Will daher heute ein Staat nicht in Isolierung und Rückstand geraten, ist er gezwungen, sich mit den Ereignissen des Auslandes aktiv auseinanderzusetzen, an der Lösung internationaler Probleme mitzuarbeiten, die Kontakte von Land zu Land zu fördern und um Verständnis für die besondere eigene Lage und die eigenen Werte zu werben.

Ein Problem von weltweiter Bedeutung ist durch das Näherrücken jener Völker entstanden, die sich im Vergleich zu den hochentwickelten, mit den modernsten wissenschaftlichen Erkenntnissen vertrauten Staaten weit im Eückstand befinden. Diese sogenannten Entwicklungsländer umfassen vier Fünftel der Gesamtbevölkerung der Erde, verfügen jedoch nur über ein Drittel des Bundesblatt. 112. Jahrg. Bd. II.

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1310 Welteinkommens. Es ist Pflicht der fortgeschrittenen Staaten, zur Milderung der bestehenden Gegensätze beizutragen. Diesem Zwecke dient die technische Hilfe an Entwicklungsländer auf bilateraler und multilateraler Basis, für die auch die Schweiz in den vergangenen Jahren namhafte Mittel bereitgestellt hat.

Im Rahmen der bilateralen technischen Hilfe unseres Landes gelangen schon heute Stipendien an Angehörige von Entwicklungsländern zur Ausrichtung. Es handelt sich dabei aber nicht um eigentliche Studienstipendien, sondern um zeitlich beschränkte Fortbildungsstipendien auf Grund eines vorangegangenen Studienabschlusses, wobei die Weiterbildung - vor allem in privaten Unternehmungen - in engem Zusammenhang mit den Bedürfnissen des Heimatlandes stehen muss. Die getroffenen Massnahmen genügen aber angesichts der besonderen Lage der Entwicklungsländer nicht. Diese benötigen nicht nur technische und wirtschaftliche Hilfe ; ihre Entwicklung ist vielmehr auch von einer gesunden Entfaltung des Unterrichtswesens, des Gesundheitswesens, der Rechtspflege, überhaupt der Hebung des ganzen kulturellen Niveaus abhängig. Neben Technikern und Naturwissenschaftlern bedürfen sie auch einer genügenden Zahl von Lehrern, Ärzten, Juristen usw. Deren Ausbildung können aber diese Länder in der Regel selbst nicht übernehmen. Es drängt sich deshalb eine weitere Form der Hilfeleistung auf, nämlich die der Gewährung eigentlicher Studienstipendien, und zwar grundsätzlich für alle Fachrichtungen und für eine vollständige Ausbildung an den Hochschulen in den fortgeschrittenen Ländern. Wir haben auf diesem Gebiete bisher noch wenig getan. Es gilt hier eine grosse Lücke auszufüllen. Darüber hinaus erweist es sich - worauf wir unter Ziffer IV dieser Botschaft noch zurückkommen werden - als dringend wünschbar, in vermehrtem Masse auch Angehörigen aus fortgeschrittenen Ländern Stipendien zu gewähren.

Mit Rücksicht auf ähnliche' Erwägungen schenken bereits zahlreiche andere Staaten der Ausrichtung von Studienstipendien an ausländische Studierende grosse Aufmerksamkeit und stellen zu diesem Zwecke bedeutende Mittel zur Verfügung. Die Schweiz sollte hier um so weniger zurückstehen, als aus zahlreichen Berichten unserer diplomatischen Vertretungen hervorgeht, dass von Angehörigen ihrer Gastländer in zunehmendem Masse der Wunsch
zum Ausdruck gebracht wird, in unserem Lande ein Studium ganz oder zum Teil absolvieren zu können. Der gute Ruf unserer Schulen, die grosse Zahl hervorragender Lehrer, aber auch die stabilen wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse unseres Landes haben zwar seit jeher zahlreiche ausländische Studierende in die Schweiz gelockt. Viel häufiger als früher sind jedoch heute die Anfragen nach Gewährung von Studienstipendien.

Angesichts dieser Situation hat das Politische Departement den früheren Leiter der Schweizerischen Zentralstelle für Hochschulwesen ersucht, ein Projekt für eine schweizerische Stipendienaktion zugunsten ausländischer Studierender auszuarbeiten. Dieses Projekt bildete in der Folge Gegenstand von verwaltungsinternen Beratungen und wurde schliesslich der Schweizerischen Hochschulrektoren-Konferenz zur Stellungnahme unterbreitet. In der von ihr im Einvernehmen mit den Erziehungsdirektionen der Hochschulkantone berei-

1311 nigten Form'reichte sie es im Sommer 1958 den Bundesbehörden ein. Das Projekt sieht die Ausrichtung von jährlich 100 Stipendien an Ausländer vor, unter besonderer Berücksichtigung der Angehörigen aus Entwicklungsländern.

Seither hat sich gezeigt, dass zahlreiche Staaten - nicht zuletzt auch die Oststaaten - ihre Bemühungen um die Förderung der Entwicklungsländer durch Ausrichtung von Studienstipendien verstärkt haben, so dass sich für unser Land die immer dringendere Verpflichtung ergibt, im Eahmen seiner Möglichkeiten nun ebenfalls eine Aktion in die Wege zu leiten.

Bevor wir die Lage in der Schweiz erörtern und auf das Projekt näher eintreten, möchten wir auf die entsprechenden Massnahmen einiger ausländischer Staaten hinweisen.

u. Stipendienaktionen anderer Länder Unter den Ländern, die ihr Stipendienwesen zugunsten ausländischer Studierender besonders eingehend geregelt haben, ist in erster Linie die Bundesr e p u b l i k D e u t s c h l a n d zu nennen. Die Gesamtzahl aller Stipendien für Ausländer belief sich schon im Studienjahr 1958/59 auf 1850. Die Mittel werden zum grössten Teil durch den Staat zur Verfügung gestellt. Mit der Vergebung der Stipendien befasst sich vor allem der Deutsche Akademische Austauschdiehst.

Er allein richtete 1958/59 1078 Stipendien aus.

Die Stipendien werden alljährlich über die deutschen diplomatischen Vertretungen angeboten. Ihre Laufzeit beträgt für Studierende aus Europa und Amerika im allgemeinen ein Jahr, doch besteht die Möglichkeit einer einjährigen Verlängerung. Was die Stipendien zugunsten von Angehörigen aus Entwicklungsländern betrifft, so hat die Erfahrung gezeigt, dass in der Eegel nur langfristige Studienstipendien sinnvoll sind. Zunächst wurden zweijährige, seit 1959 in vermehrtem Masse vierjährige Stipendien verliehen. Selbst diese Dauer reicht aber nach Auffassung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes nicht immer aus. Er weist darauf hin, dass man in Zukunft davon ausgehen müsse, Stipendiaten aus Entwicklungsländern ihre gesamte Hochschulbildung in der Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen, einschliesslich der notwendigen Vorbereitungszeit, um sprachliche und fachliche Lücken zu schliessen. Unter dem Gesichtspunkt der Hilfe für ihre Heimatländer erweise sich eine nur kurzfristige Ausbildung nicht als eigentlich nutzbringend. Aus
den Entwicklungsländern sollen deshalb inskünftig in erster Linie Studienanfänger eingeladen werden, bei denen mit einer Stipendiendauer von mindestens, vier Jahren zu rechnen ist.

Die Höhe der Stipendien beträgt monatlich 850 Mark. Den Stipendiaten aus den Entwicklungsländern werden überdies die vollen Reisekosten bezahlt, die übrigen Studierenden erhalten meistens die Eeisekosten von der deutschen Grenze bis zum Hochschulort vergütet. Ausserdem sind die Stipendiaten von den Studiengebühren befreit. Der Deutsche Akademische Austauschdienst allein hat 1958 für Stipendien an ausländische Studierende insgesamt 7,65 Millionen

1812 Mark ausgegeben. Berücksichtigt man auch die Aufwendungen der übrigen an der Stipendienaktion zugunsten der Ausländer beteiligten deutschen Stellen, so dürfte sich ein jährlicher Gesamtaufwand von etwa 15 Millionen Mark ergeben.

Besondere Aufmerksamkeit wird in der Bundesrepublik Deutschland der Auswahl und Betreuung der ausländischen Stipendiaten geschenkt. Eine erste Prüfung der Bewerber findet in ihrem Heimatland durch einen Ausschuss statt, wobei neben der Voraussetzung einer genügenden wissenschaftlichen Qualifikation des Kandidaten verschiedene Kriterien Berücksichtigung finden, vor allem die menschliche Eignung, die allgemeine Begabung, das Studienvorhaben und die Kenntnis der Landessprache. Die definitive Wahl wird in Deutschland getroffen. Die Reise, die Aufnahme des Studiums usw. sind in allen Einzelheiten geordnet. Der Dozent, bei dem der Stipendiat in erster Linie studieren wird, übernimmt in der Eegel die wissenschaftliche Betreuung. Es hat sich ferner besonders bewährt, jedem Ausländer - soweit er dies wünscht - wenigstens während der ersten Studiensemester einen deutschen Studierenden möglichst der gleichen Fachrichtung an die Hand zu geben. Zu erwähnen ist schliesslich, dass jeder Stipendiat einen Ausweis erhält, durch den er allen wissenschaftlichen Organisationen und Institutionen sowie den Behörden empfohlen wird. Diese sind gebeten, jede nur mögliche Unterstützung zu gewähren. Dem näheren Kennenlernen der Stipendiaten untereinander dienen gemeinsame Treffen, die alljährlich die Studierenden an einem bestimmten Ort zusammenführen.

Auch Prankreich verleiht ausländischen Studierenden staatliche Stipendien. Für das Studienjahr 1958/59 beliefen sie sich auf monatlich 36 000 (alte) französische Franken; in den Genuss solcher Stipendien gelangten rund 2000 ausländische Studierende. Mit der Gewährung eines Stipendiums ist die Befreiung von Studiengebühren verbunden. Die Begünstigten erhalten vielfach auch noch eine besondere Zimmerentschädigung ; sie haben ferner Anspruch auf Vergütung der vollen Fahrtkosten. Die Stipendiendauer beträgt einen Monat bis vier Jahre. Die Anmeldungen für ein Stipendium nehmen die französischen diplomatischen Vertretungen zuhanden der zuständigen französischen Behörden entgegen, denen die definitive Verteilung der Stipendien obliegt.

Auch in Frankreich
wird der Betreuung der ausländischen Studierenden grosse Beachtung geschenkt. Ein «Comité d'accueil aux étudiants étrangers», das dem Erziehungsministerium untersteht und mit staatlichen Mitteln arbeitet, ist für diese Aufgaben speziell gebildet worden. Das Komitee nimmt sich der ausländischen Studierenden gleich nach ihrer Ankunft in Frankreich an, ordnet ihren Aufenthalt, berät sie in bezug auf das Studium, organisiert Besichtigungen und führt die Studierenden mit französischen Persönlichkeiten zusammen.

In England erfolgt die Verleihung von Stipendien an ausländische Studierende vor allem durch den «British Council». Dieser offeriert alljährlich 800 Stipendien. Die Höhe eines Jahresstipendiums beträgt 895 bis 475 Pfund (rund 4800 bis 5800 Franken); ausserdem werden die vollen Eeisekosten vergütet.

Für weitere Auslagen (z.B. Bücheranschaffungen) gelangen noch Sondèrent-

1818 , Schädigungen zur Auszahlung. Spezielle Vereinbarungen bestehen für Angehörige der Kolonien und des Commonwealth.

Auch Italien wendet für Stipendien an ausländische Studierende beträchtliche Mittel auf. Für das Studienjahr 1958/59 stellte der Staat zugunsten von westeuropäischen Studierenden 140 Stipendien mit einer Stipendiendauer von 8 Monaten zur Verfügung, für Studierende aus andern Ländern 175 Stipendien mit einer Laufzeit von 12 Monaten. In allen Fällen besteht die Möglichkeit einer Verlängerung des Stipendiums. Zum Studium ausgewählter Fachgebiete und für Angehörige bestimmter Länder wurden für das erwähnte Studienjahr weitere Stipendien angeboten, z.B. 123 Stipendien von zweimonatiger Dauer zum Studium der italienischen Sprache und Literatur, 100 Stipendien für den Besuch der «Università per stranieri» in Perugia. Es besteht die Absicht, die Stipendien zugunsten von Studierenden aus Entwicklungsländern, die schon jetzt stark berücksichtigt werden, wesentlich zu vermehren.

Belgien hat für das Hochschuljahr 1960/61 folgende Stipendien für ausländische Studierende zur Verfügung gestellt : - an Angehörige zahlreicher fortgeschrittener Länder rund 590 Stipendienmonate, was ungefähr 74 Jahresstipendien zu 8 Monaten entspricht; - an Studierende aus Entwicklungsländern 77 Jahresstipendien (54 neue und 23 um ein Jahr verlängerte bisherige Stipendien).

Die Studiengelder werden erlassen, das Studienmaterial wird teilweise vom Staat bezahlt; ferner ist die ärztliche Betreuung der Studierenden kostenlos.

Die jährlichen Gesamtaufwendungen für ausländische Studierende machen rund 785 000 Schweizerfranken aus.

Ein Projekt, dessen Eealisierung bevorsteht, sieht eine starke Erhöhung der Stipendien zugunsten afrikanischer Studierender vor.

D an e mar k kennt gegenwärtig im wesentlichen nur Stipendienaustausche mit fortgeschrittenen Ländern; die Gesamtzahl dieser Stipendien beträgt 34. Es liegt nun aber ein Projekt vor, das für Studierende aus Entwicklungsländern jährlich 20 Stipendien für Hochschulstudien (mit achtmonatiger Laufzeit und monatlichen Leistungen von 350 Franken) sowie weitere 20 Stipendien für Studien an dänischen Volkshochschulen (mit fünfmonatiger Laufzeit) vorsieht.

Das Staatsbudget 1961/62 rechnet mit Gesamtaufwendungen für Stipendien an ausländische Studierende in der Höhe von
rund 185 000 Franken.

Bedeutende Leistungen zugunsten von ausländischen Studierenden erbringen die Niederlande. Die genaue Zahl der 'Stipendiaten kann jedoch nicht ohne weiteres angegeben werden, da die Laufzeit der Stipendien sehr unterschiedlich ist. Schätzungsweise dürfte es sich um rund 290 Jahresstipendien handeln, wovon etwa 200 Studierenden aus Entwicklungsländern zugute kommen. Für das Jahr 1961 sind zugunsten von ausländischen Stipendiaten Leistungen in der Höhe von rund l 360 000 Franken vorgesehen.

Österreich stellt für ausländische Studierende jährlich 65 Stipendien von 8-10monatiger Dauer und mit Monatsbeiträgen von 280 bis 470 Franken zur

1814 Verfügung. Zum grössten Teil handelt es sich dabei allerdings um Austauschstipendien. Die Gesamtaufwendungen für Stipendien an ausländische Studierende belaufen sich pro Jahr zur Zeit auf rund 250 000 Franken. Die Betreuung ist dem staatlich finanzierten «Österreichisch-ausländischen Studentenclub » übertragen. Ferner hat ein im Jahre 1959 in Wien gegründetes Afro-asiatisches Institut sich zur Aufgabe gestellt, die Studierenden aus Entwicklungsländern mit den österreichischen Verhältnissen vertraut zu machen.

In den Vereinigten Staaten von A m e r i k a waren von den insgesamt rund 43 400 ausländischen Studierenden im Studienjahr 1957/58 etwa 25 000 auf Zuwendungen privater oder staatlicher Stellen angewiesen. Allein das amerikanische Staatsdepartement bewilligte im Bechnurigsjahr 1957 im Rahmen seines «International Educational Exchange Program» 4154 Stipendien unter verschiedenen Titeln (Studienstipendien, Forschungsstipendien, Studienaufenthalte).

Die Stipendiaten erhalten entweder eine monatliche Entschädigung für die persönlichen Bedürfnisse samt bezahlter Hin- und Rückreise oder lediglich die Vergütung der Reisekosten bis zur Grenze der Vereinigten Staaten und zurück.

Ihrer Betreuung wird grosse Aufmerksamkeit geschenkt.

Es ist sodann bekannt, dass ganz besondere Anstrengungen zur Förderung der Studierenden aus Entwicklungsländern durch Russland und die Oststaaten unternommen werden.

Nach diesen Hinweisen auf die Verhältnisse in einigen ausländischen Staaten möchten wir uns nun der Lage in der Schweiz zuwenden.

III. Die Lage in der Schweiz Bereits in der Einleitung erwähnten wir kurz, dass die schweizerischen Hochschulen auf die ausländischen Studierenden seit jeher eine starke Anziehungskraft ausgeübt haben. Im Jahre 1958 betrug der Anteil der Ausländer an der Gesamtzahl der Studierenden 82 Prozent, womit die Schweiz, anteilmässig, an der Spitze aller Staaten stand. Was die absolute Zahl der ausländischen Studierenden betrifft, so befand sich unser Land mit deren rund 6000 im Sommersemester 1959 an fünfter Stelle hinter den Vereinigten Staaten, Frankreich, Grossbritannien und der Bundesrepublik Deutschland. Diese Studierenden verteilten sich nach ihrer Herkunft im wesentlichen auf folgende Staaten und Kontinente: Bundesrepublik Deutschland 1276, Nord- und Südamerika 985, Asien 581,
Ungarn 459, Frankreich 452, Afrika 343,. Griechenland 272, Italien 262, Norwegen 158, Holland 117, Luxemburg 115, Israel 111, England 110, Türkei 106. Die verhältnismässig hohe Zahl ungarischer Studierender ist auf den Zustrom ungarischer Flüchtlingsstudenten zurückzuführen und deshalb vorübergehender Natur. Die meisten Ausländer aller schweizerischen Hochschulen weist die Universität Genf auf; hier sind sogar die Schweizer in der Minderzahl. Im Sommersemester 1959 studierten an der Universität Genf beispielsweise lediglich 1288 Schweizer gegenüber 1853 Ausländern.

1815 Nun ist aber zu bemerken, dass die Zahl der ausländischen Studierenden, die mit Hilfe eines schweizerischen Stipendiums ihre Studien bei uns absolvieren oder die einen Gebührenerlass geniessen, gemessen an der Gesamtzahl der Ausländer gering ist. Im Studienjahr 1958/59 wurden zugunsten von ausländischen Studierenden lediglich 79 Jahresstipendien und 25 Semesterstipendien ausgerichtet. Diese Stipendien werden von den Hochschulen verliehen und beruhen in der Eegel auf Gegenseitigleit, d.h. sie sind an die Voraussetzung geknüpft, dass die begünstigten Länder ihrerseits für schweizerische Studierende eine gleiche Zahl von Stipendien zur Verfügung stellen. Die Anteile der schweizerischen Hochschulen an den Ausländern gewährten Stipendien sind sehr verschieden. An der Spitze steht die Eidgenössische Technische Hochschule, gefolgt von den Universitäten Genf und Zürich. Auch die Stipendienhöhe ist unterschiedlich ; die Jahresstipendien belaufen sich auf 2000 bis 4000 Franken, die Semesterstipendien auf 200 bis 1600 Franken. Bei den berücksichtigten Ländern stehen jene im Vordergrund, die von unseren Studierenden für Studienaufenthalte bevorzugt werden: Die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, England, Italien, Österreich und die Vereinigten Staaten.

Angesichts der grossen Zahl ausländischer Studierender in der Schweiz stellt sich die Frage, ob es überhaupt notwendig ist, weitere Ausländer durch die Ausrichtung von Studienstipendien anzuziehen. Sie ist aus Gründen, die wir im folgenden darlegen möchten, unbedingt zu bejahen.

IV. Die Notwendigkeit vermehrter schweizerischer Stipendien zugunsten ausländischer Studierender Die Stipendien, welche die schweizerischen Hochschulen heute zugunsten von Ausländern bereitstellen, erweisen sich offensichtlich als ungenügend. Ihre Zahl ist zu klein, und sie werden, wie wir erwähnt haben, in der Begel auch nur jenen Staaten bewilligt, die zu Gegenleistungen bereit sind. Es entspricht nun aber einem Gebot der Solidarität, in vermehrtem Masse auch Länder zu berücksichtigen, die nicht in der Lage sind, schweizerischen Studierenden Stipendien anzubieten.

In ganz besonderer Weise trifft dies für die Entwicklungsländer zu. Die asiatische und afrikanische Welt befindet sich im Umbruch, und ihre Bedeutung als politischer, wirtschaftlicher und sozialer Faktor nimmt
ständig zu. Solange sich der Aufbau des Schul- und Hochschulwesens der meisten der in Frage stehenden Staaten erst in Entwicklung befindet, sind diese darauf angewiesen, einen grossen Teil ihres nationalen Führungsnachwuchses in den fortgeschrittenen Ländern ausbilden zu lassen. Die Schweiz mit ihren freiheitlichen politischen Institutionen, ihrer entwickelten Kultur und ihrem lebendigen Beispiel friedlichen Zusammenseins verschiedenartiger Bevölkerungsteile mag als besonders geeignet erscheinen, der künftigen Elite der Entwicklungsländer positive.

"Eindrücke zu vermitteln.

1316 Darüber hinaus erscheint es aber als dringend wünschbar, in vermehrtem Masse auch Stipendien zugunsten von Angehörigen aus fortgeschrittenen Ländern zu gewähren. Im Vordergrund stehen jene Staaten, mit denen - wie z.B.

etwa den nordischen Ländern - ein Studentenaustausch aus sprachlichen Gründen auf Schwierigkeiten stösst. Wir haben ein grosses kulturpolitisches Interesse daran, dass die auf dem Gebiete des Studentenaustausches mit den fortgeschrittenen Ländern bestehenden Lücken geschlossen werden. Die Bereitstellung staatlicher Stipendien stellt zweifellos einen erheblichen und nützlichen Beitrag zur Lösung dieser Probleme dar.

Es wird unsere Aufgabe sein, dafür Sorge zu tragen, dass die Stipendiaten, die im Bahmen der vorgesehenen Aktion in der Schweiz studieren werden, ausgesuchte und wirklich qualifizierte Kandidaten sind, junge Menschen, von denen angenommen werden darf, dass sie die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen.

Kommen auch wir unseren Verpflichtungen ihnen gegenüber nach, so dürfen wir hoffen, dass sie als Freunde der Schweiz in ihre Heimat zurückkehren werden. Es ist fraglos, dass das persönliche Kennenlernen unseres Landes, die menschlichen Kontakte, die bei solchen Aufenthalten geschlossen werden, mehr wiegen und wirksamer bleiben als noch so gut gemeinte andere Unternehmungen zur kulturellen Werbung und zur Festigung der Beziehungen von Land zu Land.

Die Hochschulen sind ihrem Ursprung und Ziel nach universal. Sie bilden grundsätzlich eine Gemeinschaft über alle Landesgrenzen, Eassen, Konfessionen und Kontinente hinweg. In früheren Jahrzehnten und Jahrhunderten war diese Internationaltät lebendiger als heute. Berühmte Universitäten zogen vormals Tausende von Studierenden aus den verschiedensten Ländern an. So wurde auch die älteste Hochschule der Schweiz, die Universität Basel, mit starker internationaler Blickrichtung gegründet. Dieses Gemeinschaftsgefühl durch die Einladung von Studierenden aus aller Welt zu fördern, liegt im Interesse unseres Hochschullebens und stellt darüber hinaus einen kleinen Beitrag dar im Interesse der Völkerverständigung und damit des Friedens. Unser mit drei grossen abendländischen Kulturen verbundenes Land erscheint hiezu ganz besonders berufen.

Mit der Schweizerischen Hochschulrektoren-Konferenz betrachten wir eine Stipendienaktion des
Bundes zugunsten der ausländischen Studierenden als notwendig und dringend. Das Ansehen der Schweiz im Ausland gebietet es, die bisher geübte Zurückhaltung aufzugeben.

V. Das Projekt der Schweizerischen Hochschulrektoren-Konferenz

1. Anzahl und Verteilung der Stipendien Wie bereits in der Einleitung (Ziffer I) kurz erwähnt, schlägt die Hochschulrektoren-Konferenz im Einvernehmen mit den Erziehungsdirektionen der Hochschulkantone vor, der Bund möchte zugunsten von Ausländern jährlich . 100 Stipendien zur Verfügung stellen ; sie betrachtet diese Anzahl als ein Minimum, soll der Aktion eine fühlbare kulturelle Ausstrahlung zukommen. Der

1817 grossie Teil dieser Stipendien ist den Entwicklungsländern zugedacht. Bei den Stipendien für fortgeschrittene Länder sollte zwar die Gegenseitigkeit ange^ strebt, aber nicht zur Bedingung gemacht werden.

Der Mehrzahl der Stipendiaten aus Entwicklungsländern wäre die Möglichkeit zu bieten, den grössten Teil ihres Studiums in der Schweiz zu absolvieren und ihre Ausbildung auch hier abzuschliessen. Damit aber diese Studierenden ihren Aufenthalt in der Schweiz nicht allzusehr ausdehnen, ist vorauszusetzen, dass die betreffenden Kandidaten - soweit dies überhaupt möglich ist -, bereits während einiger Zeit in ihrem Lande mit Erfolg studiert haben. Für alle Stipendiaten aus fortgeschrittenen Ländern sieht das Projekt Jahresstipendien vor. Diese Studierenden beabsichtigen in der Eegel nicht, ein volles Studium an einer ausländischen Hochschule zu absolvieren, so dass die Ermöglichung eines einjährigen Studienaufenthaltes genügen dürfte. Eine Verlängerung des Stipendiums soll aber nicht ausgeschlossen werden. Eine weitere kleine Anzahl von Jahresstipendien wäre schliesslich Hochschulabsolventen aus Entwicklungsländern zur Verfügung zu halten.

Die Hochschulrektoren-Konferenz schlägt demnach - im Sinne einer allgemeinen Wegleitung - folgende Verteilung der 100 Stipendien vor : I.Kategorie: 60 bis 70 mehrjährige Stipendien zugunsten von Studierenden aus Entwicklungsländern, für ein eigentliches Hochschulstudium ; 2.Kategorie: 15 bis 25 Jahresstipendien für Hochschulabsolventen aus Entwicklungsländern zur Ermöglichung einer Ergänzung ihrer Studien ; S.Kategorie: 10 bis 20 Jahresstipendien für Studierende und Hochschulabsolventen aus fortgeschrittenen Ländern, vor allem aus europäischen Staaten, die bisher im Eahmen des Stipendienaustausches der Hochschulen nicht berücksichtigt werden konnten.

2. Höhe der Stipendien Die Stipendien des Bundes sollten in der Eegel so bemessen sein, dass sie zur Deckung der ordentlichen Ausgaben eines Stipendiaten ausreichen. Allerdings ist darauf Bedacht zu nehmen, dass der Betrag nicht allzu sehr abweicht von der Höhe der Stipendien, welche die schweizerischen Hochschulen ausländischen Studierenden anbieten können. Abzuklären wäre natürlich im Einzelfall, ob nicht die Stipendiaten, ihre Eltern oder ihr Heimatstaat in der Lage sind, einen Teil der Kosten zu übernehmen.
Das Projekt der Hochschulrektoren-Konferenz sieht folgende Stipendienbeträge vor: Für die Stipendiaten der I.Kategorie (Studierende aus Entwicklungsländern): jährlich 4000 Franken. Zu berücksichtigen ist hier, dass der Mehrzahl dieser Studierenden angesichts der grossen Distanzen eine Heimkehr während der Hochschulferien nicht möglich ist. Nicht ausgeschlossen erscheint es hin-

1318 gegen, dass sie während der Ferien eine bezahlte Beschäftigung annehmen.

Unsere Privatwirtschaft könnte auf diese Weise zum Erfolg des Aufenthaltes der jungen Ausländer beitragen.

Für die Stipendiaten der 2. Kategorie (Hochschulabsolventen aus Entwicklungsländern) : jährlich 9000 bis 10 000 Franken für Ledige, 11 000 bis 12 000 Franken für Verheiratete. Vorübergehende Aufenthalte in Forschungslaboratorien der Industrie, in Spitälern usw. Hessen sich wohl auch bei diesen Stipendiaten vermitteln.

Für Stipendiaten der S.Kategorie (Studierende und Hochschulabsolventen aus fortgeschrittenen Ländern) u jährlich 4000 Franken für Studierende und 5000 Franken für Hochschulabsolventen.

Ausser den vorstehend genannten Stipendienbeträgen wären für die Stipendiaten der Kategorien l und 2 auch noch die Eeisekosten vom Heimatstaat bis zum Hochschulort und zurück zu übernehmen. Die Stipendiaten der Kategorie 3 hätten hingegen nach dem Projekt die Keisekosten selbst zu tragen.

3. Auswahl der Stipendiaten Von grösster Bedeutung erweist sich die Auswahl der Stipendiaten. Die Hochschulrektoren bemerken, dass das Verfahren im einzelnen noch einer eingehenden Prüfung bedürfe und erst auf Grund einer längeren Praxis detailliert festgelegt werden könne. Wesentlich sei aber auf jeden Fall die persönliche Aussprache mit den Bewerbern. Unsere diplomatischen 'Vertretungen - allenfalls auch besonders ernannte Vertrauensleute - hätten bei einer ersten Auswahl der Kandidaten wichtige Aufgaben zu erfüllen. Die endgültige Wahl der Stipendiaten müsste in der'Schweiz erfolgen, nach gleichzeitiger Abklärung auch der Frage des Studienplatzes. Einer angemessenen Berücksichtigung aller schweizerischen Hochschulen und der verschiedenen Fakultäten -wäre Beachtung zu schenken.

4. Betreuung der Stipendiaten Unsere Hochschulen erklären sich bereit, die Betreuung der Stipendiaten zu übernehmen und ihnen die Studiengebühren zu erlassen.

Eine der wichtigsten Aufgaben ist nach Auffassung der Hochschulrektoren die Beratung der Stipendiaten in wissenschaftlichen und persönlichen Belangen. Zu diesem Zwecke sollten an den einzelnen Hochschulen ständige Organe gebildet werden, die sich der Ausländer annehmen. Die Betreuung der Stipendiaten dürfte sich ferner nicht nur auf die effektive Studienzeit beschränken. In jedem einzelnen Falle
sollten Erkundigungen darüber eingezogen werden, ob die an unseren Hochschulen erworbenen Diplome im Heimatlande des Stipendiaten auch wirklich anerkannt werden.

5. Rechtliche Form der Aktion Die Hochschulrektoren-Konferenz schlägt vor, die Durchführung der Aktion allenfalls einer zu diesem Zwecke zu errichtenden Stiftung zu übertragen. Der

1319 Stiftungsrat hätte sich aus je einem Vertreter der neun schweizerischen Hochschulen und des an der Aktion interessierten eidgenössischen Departements zusammenzusetzen. Das Stiftungssekretariat wäre der Schweizerischen Zentralstelle für Hochschulwesen in Zürich zu übertragen. Die der Zentralstelle erwachsenden zusätzlichen Kosten müssten durch Stiftungsmittel gedeckt werden. Über die Frage, wer die Stiftung zu errichten hätte, spricht sich das Projekt nicht aus.

Es erwähnt lediglich ihre Subventionierung durch den Bund.

6. Finanzierung und Schlussbemerkungen Die Hochschulrektoren heben hervor, dass sie mit ihrem Projekt keineswegs beabsichtigen, die schweizerischen Hochschulen in ihren bisherigen Bemühungen um eine Pflege der Stipendienaustausche mit dem -Ausland zu entlasten. Die Hochschulen werden im Gegenteil versuchen, ihre eigenen Massnahmen im Eahmen des Möglichen weiter zu fördern. Diese Aktionen auf der Grundlage der Gegenseitigkeit erheischen aber, so wird in der Eingabe ausgeführt, bereits beträchtliche Mittel. Es könne daher von den Hochschulen nicht verlangt werden, auch die Finanzierung des vorliegenden Stipendienprojektes, bei dem es sich nicht um Austauschstipendien handle, zu übernehmen. Die Mittel für seine Verwirklichung bereitzustellen, sei vielmehr als eine Aufgabe des Bundes zu betrachten. Sehr bedauerlich und kaum zu verantworten wäre es nach Ansicht der Hochschulrektoren, mit dem Beginn dieser an sich geschlossenen und völlig selbständigen Aktion zuzuwarten, bis die'viel komplexeren und umfangreicheren Fragen, die sich im Innern unseres Landes hinsichtlich der Förderung des wissenschaftlichen und technischen Nachwuchses, insbesondere in bezug.auf den Ausbau des Stipendienwesens, stellen, ihre, endgültige Lösung gefunden haben.

VI. Würdigung des Projektes der Hochschulrektoren-Konferenz

Das Projekt der Hochschulrektoren-Konferenz erscheint uns in seinen Grundzügen als durchaus angemessen und geeignet, die damit verfolgten Zwecke zu erreichen. Im einzelnen gibt es uns zu folgenden Bemerkungen Anlass : l. Wir erachten es als wünschbar, die fortgeschrittenen Staaten etwas stärker zu berücksichtigen. Unter kulturpolitischen Gesichtspunkten betrachtet, ist für uns gerade auch die Intensivierung der Beziehungen mit diesen Ländern von grosser Bedeutung. Wir erwähnten bereits, dass mit einer Eeihe europäischer Staaten unsere Hochschulen bisher nur geringe Austauschbeziehungen pflegen konnten, weil schweizerischerseits für .Studienaufenthalte in diesen Ländern, vor allem aus sprachlichen Gründen, verhältnismässig wenig Interesse besteht.

Dieser Zustand kann nur durch einseitige schweizerische Stipendien eine Verbesserung erfahren.

Wir halten es demnach für notwendig, die von den Hochschulrektoren vorgesehene Zahl der Stipendien zugunsten von Studierenden aus fortgeschrittenen

1320 Ländern etwas zu erhöhen, und zwar auf 40 pro Jahr, wobei etwa 30 auf eigentliche Studienstipendien und 10 auf Fortbildungsstipendien für Hochschulab solventen entfallen sollen. Für beide Kategorien von Stipendiaten erscheint hingegen auch uns die Beschränkung der Stipendien auf grundsätzlich ein Jahr als gerechtfertigt.

Für Bewerber aus Entwicklungsländern verbleiben 60 Stipendien. Davon sollen etwa 50 an Studierende und ungefähr 10 an Hochschulabsolventen für ein Fortbildungsstudium gehen. Zugunsten der Studierenden aus Entwicklungsländern sind mehrjährige Stipendien vorzusehen, um ihnen praktisch ein ganzes Studium in der Schweiz zu ermöglichen. Für Hochschulabsolventen nehmen wir hingegen wiederum einjährige Fortbildungsstipendien in Aussicht.

Wir schlagen also folgende Verteilung der jährlich 100 zu vergebenden Stipendien vor: ungefähr 50 Stipendien an Studierende aus Entwicklungsländern für einen mehrjährigen Studienaufenthalt ; 10 Stipendien an Hochschulabsolventen aus Entwicklungsländern für einen einjährigen Studienaufenthalt; 30 Stipendien an Studierende aus fortgeschrittenen Ländern für einen einjährigen Studienaufenthalt; 10 Stipendien an Hochschulabsolventen aus fortgeschrittenen Ländern für einen einjährigen Studienaufenthalt.

Die mehrjährigen Stipendien zugunsten von Studierenden aus Entwicklungsländern werden nur dann die beabsichtigte Wirkung zeitigen können, wenn die Kandidaten auf Grund einer genügenden Vorbildung überhaupt in der Lage sind, einem normalen Studiengang an unseren Hochschulen zu folgen. Gewiss wäre es daher - wie es auch die Hochschulrektoren grundsätzlich postulieren -, wünschbar, die Gewährung eines Stipendiums an die Voraussetzung zu knüpfen, dass der Empfänger bereits während einiger Zeit in seinem Heimatland oder an einer Hochschule im Ausland erfolgreich studiert hat. Allein die Aufstellung einer solchen Bedingung würde 'die Aktion praktisch wohl fühlbar beeinträchtigen. Natürlich soll schon bei der Auswahl der Stipendiaten auf ihre Vorbildung soweit als möglich Eücksicht genommen werden. In manchen Fällen dürfte es sich aber zeigen, dass für die erfolgreiche Inangriffnahme eines Studiums sprachliche und fachliche Lücken bestehen, die im Entwicklungsland selbst derzeit nicht geschlossen werden können. An einer Konferenz mit den Vertretern der Hochschulen,
die am 26. September 1960 auf Einladung des Departements des Innern stattfand, wurde denn auch von den Universitäten darauf hingewiesen, dass solchen Kandidaten in besonderen propädeutischen Kursen während einer gewissen Zeit bei uns Gelegenheit geboten werden sollte, ihr Wissen im Hinblick auf ein kommendes Studium im notwendigen Umfange zu vervollständigen. Während eines solchen sogenannten propädeutischen Jahres liessen sich auch ungeeignete Stipendiaten ausscheiden.

l

1321 Die Erfahrungen in der Bundesrepublik Deutschland zeigen, dass bei Studienstipendiaten aus Entwicklungsländern grundsätzlich mit einem vierjährigen Aufenthalt gerechnet werden muss. Für Kandidaten, die vorerst propädeutische Kurse zu absolvieren haben, würde sich die Dauer der Studienzeit etwas verlängern. Auf Grund'des oben vorgesehenen Verteilungsschlüssels ergäbe sich also, dass im ersten Jahr der Aktion 60 Stipendiaten aus Entwicklungsländern (nämlich ungefähr 50 Studienstipendiaten und ungefähr 10 Fortbildungsstipendiaten) und 40 Stipendiaten aus fortgeschrittenen Staaten (nämlich etwa 80 Studienstipendiaten und etwa 10 Fortbildungsstipendiaten) bei uns Aufnahme fänden. Die Zahl der Stipendiaten aus Entwicklungsländern würde dann in den folgenden drei Jahren um je 50 Studienstipendiaten zunehmen, also im vierten Jahr ein Total von 210 erreichen. Berücksichtigt man jedoch den Umstand, dass ein Teil von diesen Studienstipendiaten zunächst noch propädeutische Kurse zu besuchen hat, so ergibt sich, dass praktisch wohl erst im fünften Jahr die maximale Anzahl von Stipendiaten aus Entwicklungsländern bei uns anwesend sein wird. Im Eahmen der gesamten Aktion kommt diesen Stipendiaten jedenfalls ein starkes Übergewicht zu. Das Verhältnis zwischen den Leistungen zugunsten der fortgeschrittenen Staaten und jenen zugunsten der Entwicklungsländer wäre etwa l : 5 bis l : 6.

Was die Höhe der Stipendien betrifft, so hat die erwähnte Aussprache mit den Vertretern der Hochschulen ergeben, dass heute für die eigentlichen Studierenden ein Jahresbetrag von 4000 Franken, wie er ursprünglich vorgeschlagen worden war, nicht mehr genügt. Als angemessen wurde ein Stipendium von durchschnittlich 5000 Franken bezeichnet. Was die Hochschulabsolventen betrifft, so halten wir die in der Eingabe der Eektorenkonferenz in Aussicht genommene starke Differenzierung der Stipendien für Angehörige aus fortgeschrittenen Staaten und solche aus Entwicklungsländern nicht als gerechtfertigt. Wir sind der Auffassung, dass für diese Kategorien von Stipendiaten ein einheitliches Jahresstipendium von etwa 8000 Franken für Ledige und von etwa 10 000 Franken für Verheiratete angezeigt wäre, so dass -- angesichts der Häufigkeit von Ehen junger Hochschulabsolventen in Entwicklungsländern durchschnittlich mit ungefähr 9000 Franken gerechnet
werden müsste.

Die Kosten für die Durchführung der propädeutischen Kurse lassen sich im heutigen Zeitpunkt nur schwer berechnen. Angesichts der ganz^verschiedenen Vorbildung der Teilnehmer dürfte es jedenfalls notwendig sein, den Unterricht in kleinen Gruppen zu erteilen und dementsprechend mehrere Klassen zu organisieren. Voraussichtlich wird mit jährlichen Aufwendungen von etwa 70 000 Franken zu rechnen sein.

Entsprechend dem Vorschlag der Hochschulrektoren sind sodann für die Stipendiaten aus Entwicklungsländern'auch die Reisekosten von ihrem Heimatstaat bis zum Hochschulort und zurück zu übernehmen.

Was die finanziellen Auswirkungen der geplanten Aktion betrifft, so gehen wir davon aus, dass die Gültigkeit des Bundesbeschlusses entsprechend unserem Antrag vorläufig auf fünf Jahre befristet wird. Für die ein- und mehr-

1322 jährigen Stipendien, die während dieses Zeitraumes zugesichert werden sollen, sowie für die damit verbundenen übrigen Kosten der Aktion, ist gesamthaft mit schätzungsweise folgenden Aufwendungen zu rechnen: ca. 250 vierjährige Stipendien für Studierende aus EntwickFranken lungsländern zu durchschnittlich 5000 Franken pro Jahr (Gesamtbetrag eines Vierjahresstipendiums also 20 000 Fr.)

ca. 5 000 000 ca. 50 einjährige Stipendien für Hochschulabsolventen aus Entwicklungsländern zu durchschnittlich 9000 Franken ca. 450 000 ca. 150 einjährige Stipendien für Studierende aus fortgeschrittenen Ländern zu durchschnittlich 5000 Franken . . . ca. 750 000 ca. 50 einjährige Stipendien für Hochschulabsolventen aus fortgeschrittenen Ländern zu durchschnittlich 9000 Franken ca. 450 000 Eeisekosten für ca. 300 Stipendiaten aus Entwicklungsländern und gelegentliche Eeisebeihilfen an die übrigen Stipendiaten ca. 900 000 Propädeutische Kurse (Kurskosten, 5 Jahre zu ca. 70 000 Franken) ca. 350000 Stipendien an Studierende, deren Aufenthalt sich infolge Absolvierung der propädeutischen Kurse verlängert (ungefähr 150 Stipendien zu 5000 Fr.)

ca. 750000 Verwaltungskosten und Unvorhergesehenes ca. 200 000 Total ca. 8 850 000 Angesichts zahlreicher Unsicherheitsfaktoren erscheint es gerechtfertigt, im Eahmen des Bundesbeschlusses den Höchstbetrag für die Stipendienaktion auf 9 Millionen Franken festzusetzen.

2. Zweifellos kommt der Auswahl und Betreuung der Stipendiaten die allergrösste Bedeutung zu.

Was die erste Auswahl betrifft, so pflichten wir der Auffassung der Hochschulrektoren durchaus bei, dass hier die diplomatischen Vertretungen der Schweiz wesentliche Aufgaben zu erfüllen haben. Ihnen dürfte es obliegen, die Anmeldungen, die in der Eegel durch die betreffenden Regierungen einzureichen sind, einer ersten Prüfung zu unterziehen und mit den Bewerbern persönlichen Kontakt zu nehmen. Vor allem ist der Vorbildung und den Sprachkenntnissen sowie der wissenschaftlichen Begabung und der charakterlichen Eignung grösste Aufmerksamkeit zu schenken. Von Wichtigkeit dürfte es sodann sein, die Kandidaten über die Anforderungen, die unsere Hochschulen an die Studierenden stellen, sowie ganz allgemein über die Studien- und Lebensverhältnisse in unserem Lande zu orientieren.

Die Hochschulen sowie der Verband der
Schweizerischen Studentenschaften haben sich bereit erklärt, die Betreuung der Stipendiaten zu übernehmen.

Dabei wird auf eine Koordination mit der Tätigkeit des Dienstes für technische

1323 Hilfe des Politischen Departements Bedacht zu nehmen sein. Von der Betreuung wird wesentlich abhängen, ob sich die Studierenden in der Schweiz wohlfühlen, ob sie von unserem Lande positive Bindrücke mit nach Hause nehmen und ob sich ihr Aufenthalt auch für uns fruchtbar auswirken wird.

Der Betreuung kommt vor allem bei den Studierenden aus Entwicklungsländern grosse Bedeutung zu. Diese gelangen meist, ohne irgendwelchen Übergang, in eine ganz andere, ihnen völlig fremde Umgebung. Neu ist ihnen nicht nur alles Äusserliche, sondern mit Sprache, Denken und Sitten auch unsere geistige Welt.

Erschwerend wirkt, dass grosse Bevölkerungsteile farbigen Menschen immer noch mit Vorurteilen gegenüberstehen. Die ersten Stunden und Tage im Gastland können für den Erfolg des Aufenthaltes entscheidende Eindrücke vermitteln. Ein Empfangsdienst, der über die ersten Schwierigkeiten hinweghilft, dürfte daher unerlässh'ch sein. Dem Empfang folgt eine längere Zeit der Anpassung an unsere Lebens- und Studienverhältnisse. Eine letzte Aufgabe der Betreuung stellt sich in bezug auf die künftige Verwendung der erworbenen Kenntnisse im Heimatland der Stipendiaten, nämlich die Anerkennung der erworbenen Diplome.

8. Die Durchführung der Stipendienaktion möchte die Schweizerische Hochschulrektoren-Konferenz einer eigens hiefür zu errichtenden Stiftung übertragen.

Mit einer solchen Lösung können wir uns nicht befreunden. Die Schaffung einer besonderen Stiftung scheint uns keiner Notwendigkeit zu entsprechen. Wir möchten einer einfacheren Eegelung' den Vorzug geben, die dahin geht, als besonderes Organ eine Kommission zu bilden, welche die Gesuche zu prüfen und ihre Vorschläge einzureichen hat. Wir sehen vor, in den Ausführungsbestimmungen zum Bundesbeschluss den endgültigen Entscheid über die Gewährung von Stipendien dem Departement des Innern zu übertragen. In der erwähnten Kommission sollen der Bund mit drei Mitgliedern, die Konferenz der kantonalen .Erziehungsdirektoren, ferner jede schweizerische Hochschule sowie der Verband der Schweizerischen Studentenschaften mit je einem Mitglied vertreten sein'.

Ihre Wahl würde durch den Bundesrat erfolgen.

4. Die Verwirklichung des Stipendienprojekts ist an die Voraussetzung geknüpft, dass der Bund die hiefür erforderlichen Kredite bereitstellt. Die Hochschulen sind, wie
bereits erwähnt, damit einverstanden, sich der Betreuung der Stipendiaten mit anzunehmen und diese von der Entrichtung der Studiengebühren zu befreien. Sie werden es sich auch angelegen sein lassen, im Eahmen ihrer Möglichkeiten zu einem weiteren Ausbau der Stipendien auf Gegenseitigkeit zu schreiten. Aber die grundsätzliche Finanzierung des jetzt in Frage stehenden zusätzlichen Stipendienprojektes zugunsten von ausländischen Studierenden muss als eine Aufgabe des Bundes angesehen werden. Die Aktion stellt sich im wesentlichen als eine erweiterte Hilfe an die Entwicklungsländer dar.

Soweit sie die fortgeschrittenen Länder berührt, sind es vor allem kulturpolitische Erwägungen, die im Vordergrund stehen und einer Vertiefung der zwischenstaatlichen Beziehungen rufen. Diese liegt aber wiederum im Interesse unseres

1324 ganzen Landes, so dass, auch unter solchem Gesichtspunkt betrachtet, der Einsatz von Bundesmitteln als gerechtfertigt erscheint.

5. Der Bundesrat ist sich bewusst, dass die Stipendienregelungen für unsere schweizerischen Schüler und Studenten des Ausbaus bedürfen. Er betrachtet die Förderung des einheimischen technischen und wissenschaftlichen Nachwuchses als eine der wichtigsten Aufgaben unseres Landes. Die Tatsache, dass auf diesem Gebiet ungelöste Probleme vorliegen, vermag es nicht zu rechtfertigen, das Projekt zugunsten ausländischer Studierender hinauszuschieben. Bei der Revision des Bundesgesetzes über die berufliche Ausbildung, welche sich in Vorbereitung befindet, wird der Bundesrat im Rahmen des Geltungsbereichs dieses Gesetzes der Verbesserung der Stipendienregelung seine volle Aufmerksamkeit schenken.

Nach der geltenden verfassungsrechtlichen Ordnung sind die Kantone und nicht der Bund für die Regelung der Ausbildungsbeiträge an Studenten und Schüler zuständig. Mehrere Kantone haben in letzter Zeit moderne Stipendiengesetze erlassen. Doch muss im ganzen Land den jungen Leuten aus wenig bemittelten Kreisen ermöglicht werden, die ihrer Begabung entsprechende Ausbildung zu wählen. Gegenwärtig befasst sich die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren mit der Stipendienfrage. Als Grundlage ihrer Arbeiten hat sie mit Unterstützung des Eidgenössischen Departementes des Innern einen Bericht ausarbeiten lassen. Dieser wurde vor kurzem fertiggestellt. Wir sehen den Vorschlägen der kantonalen Erziehungsdirektoren mit Interesse entgegen und sind bereit, sie mit grösstem Wohlwollen zu prüfen. Trotz der erwähnten verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsordnung sollte es dem Bunde möglich sein, sich auch finanziell an einer gesamtschweizerischen Lösung der Stipendienfrage zu beteiligen. Wir hoffen, auf Grund von Vorschlägen der Kantone Ihnen bald einen konkreten Antrag unterbreiten zu können.

6. Die Aufnahme von Studierenden aus Entwicklungsländern an unseren Hochschulen möchten wir der Beteiligung an einer europäischen Universität für solche Studierende, wie dies schon von verschiedenen Seiten vorgeschlagen worden ist, bei weitem vorziehen. Der für einen fruchtbaren Studienaufenthalt bedeutungsvolle Kontakt mit der Bevölkerung lässt sich nämlich eher bewerkstelligen, wenn die Studierenden
in bestehende Hochschulen aufgenommen werden, als wenn sie an einem speziell für sie geschaffenen Institut vereinigt sind. Schliesslich ist das Zusammensein mit den einheimischen Kommilitonen auch für diese von Gewinn. Ferner zeigen Erfahrungen, dass Studierende dem einstigen Gastlande stets verbunden bleiben, ja diese Verbundenheit von Generation zu Generation weitergepflegt wird.

VII. Der Entwarf zu einem Bundesbeschluss

Artikel l ermächtigt den Bundesrat, zugunsten von ausländischen Studierenden an schweizerischen Hochschulen jährlich bis zu hundert ein- oder mehrjährige Stipendien zu gewähren, wobei die während der Geltungsdauer des

1325 Beschlusses zugesicherten Stipendien 9 Millionen Franken nicht übersteigen dürfen. Der Festsetzung dieses Höchstbetrages liegen die Schätzungen zugrunde, die wir unter Ziffer VI/1 dieser Botschaft angestellt haben.

Artikel 2: Da der Mitarbeit der Hochschulen grösste Bedeutung zukommt, erscheint es gerechtfertigt, jeder einzelnen Hochschule einen Sitz in der Kommission einzuräumen, die sich mit der Begutachtung der Stipendiengesuche zu befassen haben wird.

Artikel 3: Da es sich um eine gänzlich neue Aktion handelt, deren Auswirkungen sich im einzelnen noch nicht genauer übersehen lassen, erscheint es angezeigt, den Bundesbeschluss auf fünf Jahre zu befristen. Alsdann soll die Aktion auf Grund der gewonnenen Erfahrungen neu überprüft werden. Ihre Durchführung im einzelnen wird Gegenstand einer Vollziehungsverordnung bilden.

Gestützt auf diese Ausführungen empfehlen wir Ihnen den nachstehenden Beschlussesentwurf zur Annahme.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 18. November 1960.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Max Petitpierre Der Bundeskanzler: Ch. Oser

Bundesblatt.lll.Jahrg.Bd.il.

96

1826

Bundesbeschluss über

die Ausrichtung von Stipendien an ausländische Studierende in der Schweiz

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der Schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 18. November 1960, beschliesst :

Art. l Der Bundesrat ist ermächtigt, zugunsten von ausländischen Studierenden an schweizerischen Hochschulen jährlich bis zu hundert ein- oder mehrjährige Stipendien zu gewähren. Die während der Geltungsdauer dieses Beschlusses zugesicherten Stipendien dürfen 9 Millionen Pranken nicht übersteigen.

Art. 2 Die Stipendien werden von einer Kommission vorgeschlagen, in der vertreten sein sollen - der Bund mit drei Mitgliedern, - die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren mit einem Mitglied, - die schweizerischen Hochschulen mit je einem Mitglied, - der Verband der Schweizerischen Studentenschaften mit einem Mitglied.

2 Die Wahl der Kommission und ihres Präsidenten erfolgt auf Antrag des Departements des Innern durch den Bundesrat. Der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren, den schweizerischen Hochschulen und dem Verband der Schweizerischen ""Studentenschaften steht für ihre Vertretung ein Vorschlagsrecht zu.

Art. 3 1 Dieser Beschluss ist nicht allgemeinverbindlich und tritt sofort in Kraft.

Seine Gültigkeit ist auf fünf Jahre befristet.

2 Der Bundesrat ist mit dem Vollzug beauftragt. Er erlässt die erforderlichen Ausführungsbestimmungen.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ausrichtung von Stipendien an ausländische Studiere in der Schweiz (Vom 18. November 1960)

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01.12.1960

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