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Bundesblatt 112. Jahrgang

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Bern, den 25. August 1960

Band II

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über einen weitern Beitrag an die Beteiligung der Schweiz am gemeinsamen Betrieb des Versuchsreaktors in Halden (Norwegen) (Vom 19. Juli 1960) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Durch Beschluss vom 25. September 1958 hat die Bundesversammlung ihre Zustimmung zur Beteiligung der Schweiz am Betrieb des Siedewasser-Reaktors in Halden (Norwegen) im Kahmen eines Gemeinschaftsunternehmens der Organisation für Europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECE) erteilt und zu diesem Zwecke einen Beitrag von 1,5 Millionen Franken bewilligt. Dieser Eeaktor wurde bekanntlich vom Norwegischen Institut für Atomenergie auf eigene Kosten erstellt und den interessierten Mitgliedstaaten der Europäischen Kernenergie-Agentur zur Beteiligung an einem befristeten gemeinsamen Expérimental- und Forschungsprogramm zur Verfügung gestellt.

Im Halden-Übereinkommen sind neben Norwegen, Dänemark, Grossbritannien und Schweden, vertreten durch die Atomenergiebehörden dieser Länder, das EUEATOM und die Regierungen der Schweiz und Österreichs zusammengeschlossen. Nachträglich hat sich auf Grund einer besondern Vereinbarung auch noch Finnland beteiligt. Das von der Projektleitung ausgearbeitete und von den beiden Organen des Gemeinschaftsunternehmens, dem Halden-Ausschuss und der Technischen Gruppe, in denen die Vertragsparteien durch je ein Mitglied vertreten sind, genehmigte gemeinsame Betriebsprogramm sollte in drei Jahren, beginnend am 1. Juli 1958, durchgeführt werden.

Dieses Programm sah etappenweise nach einem gedrängten Zeitplan die endgültige Inbetriebstellung des Eeaktors, vorkritische Prüfungen und ExperiBundesblatt. 112. Jahrg. Bd. II.

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mente und die Durchführung von kritischen Versuchen mit beschränkter und voller Leistung von zwei verschiedenen Brennstoffladungen vor. Die dabei erzielten Eesultate sollten Aufschluss über das physikalische Verhalten dieses Eeaktors unter verschiedenartigen Betriebsbedingungen, über die Eignung der verwendeten Materialien und Einrichtungen und schliesslich über die Leistungsfähigkeit dieser neuartigen Eeaktorkonzeption und der verwendeten Brennstoffelemente geben.

Im Verlaufe der nun abgelaufenen ersten zwei Betriebsjahre zeigte sich, dass die gesteckten Ziele im kostenmässig und zeitlich vorgesehenen Eahmen nicht erreicht werden können. Das für die Durchführung des Programmes und die Verwendung der Mittel verantwortliche Gemeinschaftsorgan, der Halden-Ausschuss, hat die Lage eingehend überprüft und im Lichte der bisherigen Erfahrungen die Möglichkeiten für den erfolgreichen Abschluss des Unternehmens untersucht. Für die eingetretene Verzögerung können folgende Gründe angeführt werden: 1. Die Kostenaufstellungen und Terminpläne, welche die Grundlage für das Halden-Übereinkommen bildeten, müssten in einem frühen Zeitpunkt gemacht werden, wo noch viele konstruktive und betriebliche Einzelheiten nicht abgeklärt waren. Den dadurch bewirkten Unsicherheiten wurde dabei nicht in genügender Weise Eechnung getragen.

2. Der Baufortschritt in der Zeit vor Inkrafttreten des Übereinkommens war erheblich langsamer als vorausgesehen. Die erstmalige Inbetriebnahme des Eeaktors erfolgte bereits mit etwa 9 Monaten Verspätung, die trotz aller Anstrengungen nicht mehr einzuholen war.

3. Es zeigte sich, dass der vorgesehene Personalbestand zu knapp bemessen war, was zur Verschärfung der Terminnot beitrug.

Der Halden-Ausschuss sah sich vor die Wahl gestellt, entweder das Programm drastisch zu beschneiden oder um eine Verlängerung der Vertragsdauer und zusätzliche Mittel nachzusuchen. Er kam zum Schlüss, dass merkliche Programmverkürzungen mit der ursprünglichen Zielsetzung unvereinbar sind.

Nach Prüfung verschiedener Varianten empfahl der Halden-Ausschuss den Unterzeichnern einstimmig eine Verlängerung des Übereinkommens um eineinhalb Jahre, das somit bis Ende 1962 in Kraft bleiben soll.

Die technischen und finanziellen Einzelheiten des neuen Vorschlages auf Grund des revidierten Terminplanes sind in einem
umfangreichen Bericht des Halden-Ausschusses eingehend dargelegt. Darnach sollen die Experimente bei mittlerer Leistung der ersten Ladung vom Juli 1960 bis Mai 1961 dauern, während für den Betrieb mit hoher Leistung der zweiten Ladung die Zeit vom Februar bis Dezember 1962 zur Verfügung stehen wird.

Die Artikel l und 4 des Abkommens über die Verlängerung des HaldenÜbereinkommens sehen nun allerdings vor, dass dieses letztere auf Grund gegenseitiger Verständigung der Parteien allenfalls noch länger, spätestens jedoch bis Ende 1963, in Kraft bleiben soll. Dazu ist folgendes zu sagen :

651 Obwohl bei derartigen Entwicklungsprojekten Überraschungen zufolge unvorhergesehener Schwierigkeiten, die zu Verzögerungen Anlass geben können, nie ganz ausgeschlossen werden können, darf damit gerechnet werden, dass der vorsichtig berechnete neue Zeitplan eingehalten und die Betriebsversuche Ende 1962 endgültig abgeschlossen werden können. In diesem Zeitpunkt werden jedoch die in der letzten Phase erzielten Betriebsresultate noch verarbeitet und in technischen Berichten und in einem abschliessenden Gesamtrapport zusammengefasst werden müssen. Diese Arbeiten dürften einen kleinen Stab von Wissenschaftern während mehrerer Monate nach Beendigung des gemeinsamen Betriebes der Anlage beschäftigen. Die damit verbundenen Kosten werden aller Voraussicht nach aus der im neuen Voranschlag vorgesehenen Bückstellung gedeckt werden können, so dass keine weitern finanziellen Aufwendungen zu erwarten sind. Eine möglichst umfassende Auswertung der gemachten Erfahrungen liegt im Interesse aller Vertragsparteien; diese werden sich daher im Verlaufe des letzten Betriebsjahres über den endgültigen Abschlusstermin zu verständigen haben.

Für die Ausarbeitung des neuen Voranschlages konnte man sich im Gegensatz zu 1957 auf unvergleichlich bessere Grundlagen und auf tatsächliche Erfahrungen am Objekt stützen, so dass in Zukunft grössere Abweichungen vom Plan sehr unwahrscheinlich sind. Die Gesamtkosten (Anhang II) für die verlängerte Betriebsperiode von viereinhalb Jahren erhöhen sich von 3 660 000 gemäss dem Halden-Übereinkommen auf 6 285 000 Dollars. Nach Abzug des Beitrages von Finnland und der zu erwartenden Liquidationserlöse, der ersten Brennstoffladung und der für die Personalunterkunft errichteten Wohngebäude ergibt sich ein Mehraufwand von 2 187 000 Dollars, der nach dem gleichen Verteilungsschlüssel (Anhang I) von den Vertragsparteien zu bestreiten ist. Der schweizerische Anteil erhöht sich demnach um 204 500 Dollars oder zirka 880 000 Franken auf insgesamt 554 500 Dollars oder 2 380 000 Franken.

Mit Ausnahme der Schweiz haben alle Vertragsparteien der Verlängerung bereits zugestimmt und das neue Übereinkommen unterzeichnet. Dieser Entscheid konnte von ihnen im Eahmen der Kompetenzen ihrer Atomenergiebehörden sofort nach Bereinigung der neuen Vertragsvorlage getroffen werden.

Mit Kücksicht darauf, dass
der neue Zeitplan und der neue Voranschlag bereits ab I.Juli dieses Jahres in Kraft treten sollen, sollte auch schweizerischerseits in dieser Sache möglichst rasch Beschluss gefasst werden. Dabei stellt sich die Frage, ob es im Interesse der Schweiz hegt, die zusätzlichen Kosten ebenfalls zu übernehmen. Dazu ist zunächst zu sagen, dass die Gründe, die 1958 zum Beitritt geführt haben, heute in noch verstärktem Masse gelten, weil das der Verwirklichung entgegengehende schweizerische Versuchsleistungskraftwerk (Thermatom) sehr viele Berührungspunkte mit dem Halden-Eeaktor hat, und wir daher viel davon profitieren können, andererseits aber doch so verschieden ist, dass keine Doppelspurigkeit vorliegt. Auch jetzt noch ist das Halden-Unternehmen im Vergleich zu andern Unternehmen mit ähnlicher Zielsetzung kostenmässig günstig. Es hegt im Wesen solcher Unternehmen, dass die wertvollsten Eesultate

652 erst gegen den Schiusa ihrer Durchführung greifbar werden. Würde sich die Schweiz von diesem Unternehmen zurückziehen, so könnte sie insbesondere von den Erfahrungen bei hohen Leistungen nicht mehr Nutzen ziehen, und unsere bisherigen Aufwendungen würden damit weitgehend entwertet.

Mit dem Eeaktor in Halden wird ähnlich wie in Würenlingen angewandte Forschung betrieben. Der Bundesrat hat schon in seiner Botschaft vom 15. Juli 1958 darauf hingewiesen, dass ohne die Möglichkeit einer Mitwirkung an diesem Gemeinschaftsunternehmen in Würenlingen zusätzliche Forschungseinrichtungen hätten geschaffen werden müssen. Die mit der Verlängerung der Tätigkeit in Halden verbundenen Kosten werden deshalb weitgehend vom Bund zu tragen sein. Gemäss unserer privatwirtschaftlichen Konzeption für die Entwicklung der Atomenergie werden jedoch die Firmen, welche Fachleute zur Ausbildung nach Halden entsenden können, zur Leistung angemessener Beiträge verpflichtet werden.

Aus den vorstehenden Überlegungen befürwortet der Bundesrat die Verlängerung des Halden-Übereinkommens ; er hat deshalb den Leiter der schweizerischen Delegation bei der OECE in Paris ermächtigt, dasselbe namens der Schweizerischen Eegierung zu unterzeichnen.

Gestützt auf diese Ausführungen beehren wir uns, Ihnen die Annahme des nachstehenden Entwurfes zu einem Bundesbeschluss zu empfehlen.

Wir versichern Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Bern, den 19. Juli 1960.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Max Petitpierre Der Bundeskanzler : Ch. Oser

653 (Entwurf)

Bundesbeschluss über

einen weitern Beitrag an die Beteiligung der Schweiz am gemeinsamen Betrieb des Versuchsreaktors in Halden (Norwegen)

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 24«uln(iules der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 19. Juli 1960, beschliesst :

Art. l Der Bundesrat wird ermächtigt, dem Norwegischen Institut für Atomenergie in Halden (Norwegen) einen weitern Beitrag von 880 000 Franken für die Beteiligung der Schweiz am verlängerten gemeinsamen Betriebsprogramm mit dem Versuchsreaktor von Halden zu überweisen.

Art. 2 Dieser Bundesbeschluss ist nicht allgemein verbindlich und tritt sofort in Kraft.

Der Bundesrat wird mit dem Vollzug beauftragt.

5200

654 Übersetzung aus dem englischen Originaltext

Übereinkommen betreffend

Die Verlängerung und Änderung des Übereinkommens über den gemeinsamen Betrieb des Siedewasser-Reaktors von Halden Das Norwegische Institut für Atomenergie, die Eepublik Österreich, vertreten durch die Bundeskanzlei, die Dänische Atomenergie-Kommission, die Kommission der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM), Aktiebolaget Atomenergi in Stockholm, die Eegierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft und die Atomenergie-Behörde des Vereinigten Königreiches, Unterzeichner des Übereinkommens vom 11. Juni 1958 über den gemeinsamen Betrieb des Siedewasser-Reaktors von Halden (nachfolgend Halden-Übereinkommen genannt): In Anbetracht, dass der Ausschuss von Halden, auf Vorschlag der technischen Gruppe von Halden, empfohlen hat, dass zur Erreichung der hauptsächlichsten Ziele des gemeinsamen Forschungs- und Versuchsprogrammes, wie sie im Halden-Übereinkommen dargelegt wurden, eine Verlängerung der Zusammenarbeit der Unterzeichner über die im Halden-Übereinkommen vorgesehene Dauer von drei Jahren hinaus erfordert ; vom Wunsche geleitet, deshalb das Halden-Übereinkommen zu ändern und wie in Artikel 7 (a) desselben vorgesehen, für eine weitere Dauer von eineinhalb Jahren ohne Einbezug der Abschlussperiode zu verlängern; in Anbetracht, dass die gesamten Ausgaben auf 5 797 500 Rechnungseinheiten des Europäischen Währungsabkommens (E WA-RE) veranschlagt werden, haben folgendes vereinbart: Artikel l Das Halden-Übereinkommen wird ab I.Juli 1960 nach Massgabe der Bestimmungen des vorliegenden Übereinkommens abgeändert und bleibt mit den darin vorgenommenen Abänderungen vom I.Juli 1961 bis 81.Dezember 1962, oder je nach den Vereinbarungen, die gemäss Artikel 4 des vorliegenden Übereinkommens getroffen werden, bis zu einem spätem, jedoch nicht über den 81. Dezember 1968 hinausgehenden Datum in Kraft.

Artikel 2 Artikel 5 (a) des Halden-Übereinkommens wird wie folgt abgeändert : «Innerhalb der Grenze von 5 797 500 EWA:RE werden die Ausgaben für die Durchführung des gemeinsamen Programmes von den Unterzeich-

655 nern übernommen und auf diese in bezug auf 3 660 000 EWA-BE gemäss dem Anhang D des Halden-Übereinkommens, und in bezug auf 2 137 500 EWABE gemäss dem Anhang I des vorliegenden Übereinkommens verteilt. Die Verpflichtungen der Unterzeichner sind auf die Höhe ihrer Beiträge gemäss diesen Verteilungsschlüsseln begrenzt.» 0

Artikel 3 Anhang B des Halden-Übereinkommens wird ersetzt durch den Anhang II des vorliegenden Übereinkommens.

Artikel 4 Nicht später als am 1. Juli 1962 werden sich die Unterzeichner in bezug auf den Zeitpunkt und die Vereinbarungen, die für die Bedingung des Projektes notwendig sind, verständigen.

Artikel 5 Das vorliegende Übereinkommen tritt am I.Juli 1960 in Kraft.

Anhang I

Verteilungsschlüssel für die Beiträge Beträge BWA-RE

Unterzeichner: Norwegisches Institut für Atomenergie Die Bepublik Österreich, vertreten durch die Bundeskanzlei Die Dänische Atomenergie-Kommission . .

Die Kommission der Europäischen Atomgemeinschaft (EUBATOM) . .

Aktiebolaget Atomenergi in Stockholm . .

Die Begierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft . . ..

Die Atomenergie-Behörde des Vereinigten Königreichs . . ..

584 000

.

87500 87500

.

.

.

.

584000 204500 204500 385 500

Total

2137 500

656 Anhang II

Provisorischer Voranschlag der Gesamtausgaben mit Beginn am 1. Juli 1958 Ausgaben

Beträge

Gehälter Betriebspersonal Personal für Versuche

EWA-KE 549 000 887 000 l 436 000

Betrieb und Versuche Betrieb und Unterhalt Schwerwassevrerlust Versuchseinrichtungen, Rechendienst

498 000 180000 620 000 l 248 000

Brennstoffkosten Erste Ladung Versuchselemente Zweite Ladung

671000 182 000 616 000 1469 000

Allgemeine Ausgaben Atomversicherung Bureau- und Laborgebäude Wohnhäuser Verwaltungsausgaben

230 000 120 000 157000 538 000 1045 000

Änderungen der Anlagen Reserve

697000 390000

6 285 000 Einnahmen Beiträge der Unterzeichner gemäss Halden-Übereinkommen... 3 660 000 Beitrag der Finnischen Atomenergie-Kommission für die 3-Jahresperiode 150000 Verkauf der ersten Brennstoffladung 150000 Verkauf der Wohnungen 100 000 Voraussichtlicher Beitrag der Finnischen Atomenergie-Behörde für die Verlängerungsperiode 87 500 Beiträge der Unterzeichner gemäss dem vorliegenden Übereinkommen 2137 500 6 285 000

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