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No 43 #ST#

Bundesblatt

112. Jahrgang

Bern, den 28. Oktober 1960

Band II

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Übergangsregelung der Preiskontrollmassnahmen (Vom 21. Oktober 1960) Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Der Verfassungszusatz vom 22. Dezember 1955 über die befristete Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle sowie der sich darauf stützende Bundesbeschluss vom 28. September 1956 über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle laufen am 31. Dezember 1960 ab. Der neue Verfassungszusatz vom 24. März 1960 betreffend die Weiterführung befristeter Preiskontrollmassnahmen tritt am 1.Januar 1961 in Kraft. Der auf ihn gestützte Ausführungserlass, nämlich der Bundesbeschluss über Mietzinse für Immobilien und die Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte, ebenso wie die beiden auf Artikel 31bis der Bundesverfassung basierenden Bundesgesetze über die Kontrolle der landwirtschaftlichen Pachtzinse und über die geschützten Warenpreise und die Preisausgleichskasse für Eier und Eiprodukte werden zurzeit von den Räten behandelt. Der Bundesbeschluss und die Bundesgesetze unterliegen dem fakultativen Referendum. Sie können daher noch nicht auf den 1.Januar 1961 in Kraft gesetzt werden.

Die Kontinuität der gesetzlichen Grundlagen für die nötigen Preiskontrollmassnahmen muss gewahrt bleiben. Hierzu ist ein dringlicher Bundesbeschluss im Sinne von Artikel 89bis, Absatz l und 2 der Bundesverfassung erforderlich.

Er hat die Lücke zu überbrücken, die sonst durch die Verzögerung der Inkraftsetzung des Bundesbeschlusses über Mietzinse für Immobilien und die Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte und der beiden Bundesgesetze über die Pachtzinskontrolle sowie die geschützten Warenpreise und die PreisausgleichsBundesblatt. 112. Jahrg. Bd. II.

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1126 kasse für Eier und Eiprodukte ab 1. Januar 1961 entstehen würde. Diese Erlasse sollen diejenigen Preiskontrollmassnahmen regeln, die bis zum 31. Dezember 1960 im Bundesbeschluss vom 28. September 1956 geordnet sind. Sie werden also an die Stelle des letztgenannten Bundesbeschlusses treten. Demnach ist es gegeben, die heutige Ausführungsgesetzgebung bis zu ihrer Ablösung durch die drei neuen Erlasse durch einen dringlichen Bundesbeschluss zu verlängern.

Es wurde angeregt, an Stelle der Verlängerung der bisherigen Ausführungsgesetzgebung die neuen Erlasse für so lange vorzeitig in Kraft zu setzen, bis sie im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Geltung erlangen werden. Dabei war wohl der Gedanke wegleitend, dass der neue von Volk und Ständen angenommene Verfassungszusatz, der am I.Januar 1961 in Kraft treten wird, den beschleunigten Abbau der Mietpreiskontrolle und der Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte vorsieht, und dass diesem Bestreben mit der vorzeitigen Inkraftsetzung des Bundesbeschlusses über Mietzinse für Immobilien und die Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte besser entsprochen werden könnte.

Für die Kontrolle der landwirtschaftlichen Pachtzinse sowie der geschützten Warenpreise und der Preisausgleichskasse für Eier und Eiprodukte genügt die Verlängerung der bisherigen Gesetzesbestimmungen, da sie sich im wesentlichen mit dem Inhalt der neuen Erlasse decken. Da Bundesgesetze nicht mit der Dringlichkeitsklausel versehen werden können, müsste man überdies zur vorzeitigen Inkraftsetzung einen dringlichen Bundesbeschluss fassen, der alle Bestimmungen der beiden Bundesgesetze enthalten würde. Damit müssten die gleichen Materien zweimal von den Bäten behandelt werden. Das wäre kompliziert und zeitraubend, um so mehr als damit ein anderes Verfahren eingeschlagen werden müsste als für die vorzeitige Inkraftsetzung des Bundesbeschlusses über Mietzinse für Immobilien und die Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte.

Denkbar wäre auch, die Geltungsdauer der Bestimmungen über die Kontrolle der Pachtzinse sowie der geschützten Warenpreise und die Preisausgleichskasse für Eier und Eiprodukte durch einen dringlichen Bundesbeschluss, der sich nur auf diese Sachgebiete beziehen würde, zu verlängern, den Bundesbeschluss über die Mietzinse für Immobilien und die
Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte dagegen durch Beifügung einer Dringlichkeitsklausel vorzeitig in Kraft zu setzen. Aber auch dieses Vorgehen würde wegen des unterschiedlichen Verfahrens für die einzelnen Materien eine unnötige Komplikation bedeuten, die sich für die geplante kurzfristige Überbrückung nicht lohnen würde.

Bei der Mietzinskontrolle lässt der bisherige Bundesbeschluss mit Ausnahme der Einführung der Mietzinsüberwachung die gleichen Lockerungsformen zu wie der neue Bundesbeschluss. Der Unterschied besteht lediglich in der verbindlicheren Form, in welcher der Bundesrat zum Abbau verpflichtet wird. Gänzlich undenkbar wäre die Einführung der Mietzinsüberwachung in einem Zeitpunkt, da noch keine völlige Gewissheit bestände, ob dieses neue System überhaupt in Frage kommen kann. Auch wenn die Überwachung nur einer bedingten Frei-

1127 gäbe gleichkommt, würde damit doch die allfällige Wiedereinführung der bisherigen Kontrolle praktisch verunmöglicht.

Die Verpflichtung, die Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte selbsttragend zu gestalten, ist im Verfassungszusatz vom 24. März 1960 verbindlich ausgesprochen. Es wird dort bestimmt, dass die Kasse nur «ohne Zuschüsse aus allgemeinen Bundesmitteln» und «höchstens im Eahmen der bisher erbrachten Leistungen, deren Abbau anzustreben ist», weitergeführt werden kann.

Dagegen ist nach Artikel 11 des Bundesbeschlusses vom 28. September 1956 «die Verringerung der Zuschüsse anzustreben» und die Kasse «womöglich selbsttragend zu gestalten». Die Beanspruchung von allgemeinen Bundesmitteln ist somit streng rechtlich betrachtet nach dem Verfassungszusatz ausgeschlossen, gemäss Bundesbeschluss vom 28. September 1956 dagegen nicht. Entscheidend wird jedoch sein, dass die schrittweise Verringerung der Zuschüsse aus allgemeinen Bundesmitteln anfangs nächsten Jahres so in die Wege geleitet wird, dass die Kasse, wie vorgesehen, ab I.Mai 1961 selbsttragend ist. Das ist gestützt auf Artikel 11 des Bundesbeschlusses vom 28. September 1956 durchaus möglich, so dass sich dessen Änderung für die kurze Übergangszeit erübrigt.

Es ist also am einfachsten und zweckmässigsten, den Bundesbeschluss vom 28. September 1956 in der heute geltenden Fassung zu verlängern. Der sich auf die Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte beziehende Artikel 19 irmss nicht erwähnt werden. Er wurde bereits durch Artikel 12, Absatz 4 des Bundesbeschlusses vom 19. Juni 1959 über zusätzliche wirtschaftliche und finanzielle Massnahmen auf dem Gebiete der Milchwirtschaft aufgehoben und durch dessen Artikel l, Absatz 2 ersetzt. Im vorliegenden Bundesbeschluss muss jedoch ausdrücklich gesagt werden, dass auch der Bundesbeschluss vom 20. März 1953 über den Aufschub von Umzugsterminen, dessen Geltungsdauer durch Artikel 20 des Bundesbeschlusses vom 28. September 1956 nur bis 31.Dezember 1960 erstreckt worden ist, in Kraft bleibt.

Neben den in Artikel l genannten Grunderlassen blei-ben auch die bezüglichen Ausführungsvorschriften in Kraft, so insbesondere die Vollzugsverordnungen des Bundesrates vom 28. Dezember 1956 (über geschützte Warenpreise und Preisausgleichsmassnahmen, über die Kontrolle der landwirtschaftlichen
Pachtzinse, über die Mietzinskontrolle und die Beschränkung des Kündigungsrechts), die Vorschriften, die gestützt auf diese Verordnungen auf kantonaler Ebene erlassen wurden, sowie alle Einzelverfügungen, die eine kontinuierliche Weiterführung der Preiskontrollmassnahmen im Einzelfall sicherstellen. Vorbehalten bleiben allerdings allfällige Änderungen dieser Ausführungsvorschriften im Eahmen der dem Bundesrat und den Kantonen schon bisher eingeräumten Lockerungsbefugnisse.

Da eine Überbrückung bis zum Inkrafttreten des Bundesbeschlusses über Mietzinse für Immobilien und die Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte sowie der beiden Bundesgesetze über die Kontrolle der landwirtschaftlichen Pachtzinse und die geschützten Warenpreise und die Preisausgleichskasse für Eier und Eiprodukte bezweckt wird, ist die Gütigkeit der bezüglichen

1128 Abschnitte des Bundesbeschlusses vom 28. September 1956 jeweils bis zum Inkrafttreten der einzelnen Erlasse, längstens jedoch bis zum 31. Juli 1961, zu befristen. Wir schlagen diese Befristung vor, um den Übergang zur Mietzinsüberwachung nicht mehr als unbedingt nötig zu verzögern. Diese Frist genügt, auch wenn ein Eeferendum zustande käme und über die Bundesgesetze über die geschützten Warenpreise und die Preisausgleichskasse für Eier, sowie über die Kontrolle der landwirtschaftlichen Pachtzinse bzw. über den Bundesbeschluss über die Mietzinse für Immobilien und die Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte abgestimmt werden müsste. Die Abstimmungen könnten auf Mitte Juni 1961 anberaumt werden, so dass die Gesetzeserlasse nach der Annahme durch das Volk mitsamt den in der Zwischenzeit auszuarbeitenden Ausführungsverordnungen des Bundesrates auf I.August 1961 in Kraft treten könnten. Dies setzt allerdings voraus, dass die genannten Bundesgesetze und der Bundesbeschluss nach abgeschlossener allfälliger Differenzbereinigung während der Dezembersession 1960 von den Eidgenössischen Eäten verabschiedet werden.

Sollte andererseits der eine oder andere Erlass in der Volksabstimmung verworfen werden, so hätten die Eidgenössischen Kate die Möglichkeit, die Geltungsdauer des dringlichen Bundesbeschlusses in der Juni-Session 1961 durch einen weiteren dringlichen Bundesbeschluss, soweit nötig, bis Ende 1961 zu verlängern.

Die Dringlichkeit des vorgeschlagenen Bundesbeschlusses liegt auf der Hand und braucht nicht weiter begründet zu werden. Auch die Voraussetzung der «Zeiten wirtschaftlicher Störung» gemäss Artikel 82, Absatz l der Bundesverfassung ist gegeben. Auf den in Frage stehenden Sachgebieten sind zweifellos wirtschaftliche Störungen vorhanden, die sich bei einem plötzlichen Wegfall jeglicher staatlicher Einflussnahrne auswirken würden.

Gestützt auf diese Darlegungen beantragen wir Ihnen die Annahme des beigefügten Entwurfes zu einem dringlichen Bundesbeschluss betreffend die Übergangsregelung der Preiskontrollmassnahmen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 21. Oktober 1960.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Max Petitpierre Der Bundeskanzler: Ch. Oser

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