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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Verlängerung des von der Schweizerischen Eidgenossenschaft der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Förderung der Wirtschaft im Jahre 1956 gewährten Darlehens (Vom 8. Juni 1960)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren !

Wir beehren uns, Ihnen nachstehend einen Bericht vorzulegen, der sich mit der Frage einer Verlängerung fälliger Amortisationszahlungen des der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Förderung der Wirtschaft (Weltbank) gewährten Darlehens befasst.

1. Vorgeschichte Der Bundesrat unterbreitete den eidgenössischen Bäten mit seiner Botschaft vom 12. Oktober 1956 (BB1956, II, 446) das Abkommen zur Genehmigung, das am 17. September 1956 mit der Weltbank abgeschlossen wurde. Gegenstand dieses Abkommens bildet ein Darlehen des Bundes an die Weltbank im Betrage von 200 Millionen Franken.

Die eidgenössischen Eäte haben diese Transaktion mit Beschluss vom 19. Dezember 1956 (AS 1958, 495) gutgeheissen und den Bundesrat ermächtigt, das Abkommen zu ratifizieren. Der Vertrag ist in der Folge rechtskräftig geworden. Der Darlehensbetrag wurde der Weltbank am 1. Januar 1957 zur Verfügung gestellt. Die erste Amortisationszahlung in der Höhe von 88 Millionen Franken erfolgte am1. Januarr 1960, so dass die gegenwärtige Forderung sich noch auf 167 Millionen Franken beläuft.

Die Weltbank ist gemäss Artikel 4, Absatz l des-erwähnten Abkommens verpflichtet, das Darlehen in 6 gleichen Jahresraten zurückzuzahlen, die jeweils

271 am I.Januar der Jahre 1960 bis 1965 fällig werden. Der Bundesrat und die Weltbank können allerdings die Verlängerung der einzelnen Fälligkeiten vereinbaren.

Artikel 4, Absatz 2 lautet wie folgt: «Der Schweizerische Bundesrat und die Bank können indessen übereinkommen, die, einzelnen Fälligkeiten ein- oder mehrmals für weitere sechs Jahre zu verlängern, wobei die Bedingungen für jede Verlängerung neu zu vereinbaren sind.» Anlässlich der parlamentarischen Behandlung des Geschäftes im Dezember 1956 wurden hinsichtlich der Laufzeit und im besonderen der Möglichkeit der Verlängerung des Darlehens gewisse Bedenken geäussert. Man befürchtete vor allem, dass diese Mittel zu lange gebunden würden und für allfällig wünschbare Bedürfnisse nicht mehr zur Verfügung stünden. Das Abkommen ist indessen von den eidgenössischen Bäten genehmigt worden und damit auch der Wortlaut von Artikel 4. Immerhin wurde vom Parlament der Wunsch ausgesprochen, davon unterrichtet zu werden, sofern der Bundesrat die Absicht habe, von der in Artikel 4, Absatz 2 vorgesehenen Möglichkeit der Verlängerung Gebrauch zu machen. Der Bundesrat hat sich seinerzeit bereit erklärt, diesem Wunsche Eechnung zu tragen.

Im Sinne dieser Zusicherung legt der Bundesrat nunmehr den eidgenössischen Katen den nachstehenden Bericht vor. Den unmittelbaren Anlass dazu bildet die am 1. Januar 1961 fällig werdende nächste Amortisationszahlung von 88 Millionen Franken. Es ist deshalb angezeigt, das Problem einer neuen Prüfung zu unterziehen.

2. Schweizerische Beteiligung an der Entwicklungshilfe Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wird den unterentwickelten Gebieten in aller Welt mehr und mehr Beachtung geschenkt. Der sprunghafte Fortschritt der Technik, der die Distanzen zwischen Ländern und Kontinenten zum Schwinden bringt, lässt die oft erschütternden Diskrepanzen in der Lebenshaltung der verschiedenen Völker immer augenscheinlicher zutage treten. Hinzu kommt der erwachende Nationalismus in den wirtschaftlich und sozial zurückgebliebenen Ländern, der die Unterschiede noch vergrössert und das Problem durch politische Aspekte verschärft. Es ist besonders für die westlichen Länder eine Aufgabe von grösster Tragweite, den Nöten und elementaren Bedürfnissen der wirtschaftlich zurückgebliebenen Völker Eechnung zu tragen. Dies erfordert gewisse Opfer. Die
Industrieländer müssen bereit sein, den notleidenden Völkern zu helfen.

Darüber hinaus sprechen aber auch wirtschaftliche Gründe dafür, am Aufbau der unterentwickelten Gebiete mitzuwirken. Ein reger internationaler Handel wirkt für alle Beteiligten wohlstandsfördernd, doch kann ein solcher nur dann zu voller Blüte gelangen, wenn einander kaufkräftige Nationen gegenüberstehen. Auch erscheint im Hinblick auf die zunehmende Produktionskraft der Industrieländer eine Ausweitung der Absatzgebiete von Nutzen. Für manche industrielle Exportgüter vermögen reine Agrarländer keine ausreichenden Ver-

272 kaufsmöglichkeiten zu bieten. Die grössten und besten Handelspartner der Schweiz sind bekanntlich die industrialisierten Länder Europas sowie die Vereinigten Staaten von Amerika. Die wirtschaftliche Entwicklung solcher Gebiete ist daher besonders für die stark dm Aussenhandel tätigen Länder von wesentlicher Bedeutung.

Beachtet man die mit der Entwicklungshilfe verbundenen Vorteile, so lässt sich wohl sagen, dass die Industrieländer durch ihren Beitrag zugleich auch an ihrer eigenen Zukunft arbeiten. Voraussetzung bleibt dabei allerdings, dass die Hilfe nicht nutzlos vertan wird, sondern vor allem zu einer dauernden Hebung der Produktivität der unterentwickelten Volkswirtschaften beizutragen vermag.

Die Hilfe an die unterentwickelten Länder ist gerade in jüngster Zeit zu einem wichtigen Gegenstand der Weltpolitik geworden. Dies zeigte sich an der im Januar dieses Jahres in Paris abgehaltenen internationalen Wirtschaftskonferenz der achtzehn europäischen OECE-Länder, Kanadas und der Vereinigten Staaten. Die Konferenz gelangte zur Erkenntnis, dass vermehrte Anstrengungen zur Entwicklung der wirtschaftlich zurückgebliebenen Länder unternommen werden müssen. Die beteiligten Staaten beschlossen die Gründung eines besonderen Ausschusses, der die mit der Entwicklungshilfe zusammenhängenden Probleme zu prüfen hat. Der Ausschuss soll auch die Fühlungnahme zwischen den beteiligten Eegierungen sicherstellen und eine enge Zusammenarbeit gewährleisten, wie sie vor allem auch bei der Durchführung gemeinsamer Hilfsaktionen zugunsten einzelner Länder erforderlich ist. Auf Grund der Konferenzbeschlüsse wurden in den letzten Monaten auch Vorarbeiten geleistet für eine allfällige Keform oder Ersetzung der OECE durch eine neue internationale «Organisation für Wirtschaftszusammenarbeit und Entwicklung», in welcher die Rücksichtnahme auf die besonderen Bedürfnisse der unterentwickelten Länder eine wesentliche Eolle zu spielen hätte. Dabei soll die Entwicklungshilfe sowohl in einer geeigneten Handels- und Wirtschaftspolitik als auch in technischen und finanziellen Hilfeleistungen zum Ausdruck kommen.

Die Schweiz hat seit jeher in bezug auf die Hilfe an andere Völker grundsätzlich eine positive Haltung eingenommen, wie es dem Sinne guter schweizerischer Tradition entspricht. Zur Förderung der wirtschaftlichen
Entwicklung der aufstrebenden Länder wurden schweizerischerseits verschiedene Leistungen erbracht : a. Technische Hilfe In Erkennung der grossen Bedeutung der technischen Hilfe hat sich unser Land von Anfang an am multilateralen technischen Hilfsprogramm der Vereinigten Nationen mit jährlichen Beitragsleistungen beteiligt. Diese belaufen sich gegenwärtig im Rahmen des erweiterten Programms für technische Hilfe auf 2 Millionen Franken pro Jahr.

Dem Sonderfonds für technische Hilfe der Vereinigten Nationen wird fer: ner ein jährlicher Beitrag von 2 Millionen Franken geleistet.

::

278 Im Eahmen dieser multilateralen Hilfe hat die Schweiz bisher rund 200 Experten in die unterentwickelten Staaten entsandt. Ferner sind in unserem Lande seit 1950 rund 780 UNO-Stipendiaten aufgenommen worden.

Neben dieser Hilfe auf multilateraler Basis hat die Schweiz auch für die bilaterale technische Hilfe seit 1950 jährliche Kredite bewilligt. Gegenwärtig betragen sie l Million Franken pro Jahr. Diese Gelder wurden vorwiegend zur Ausbildung von Stipendiaten sowie zur Aussendung von Fachleuten verwendet.

Auf privater Ebene ist das Schweizerische Hilfswerk für aussereuropäische Gebiete sowie eine Schweizerische Stiftung für technische Entwicklungshilfe gegründet worden.

b. Weitere Beiträge an internationale Organisationen Im Jahre 1959 wurden unter diesem Titel folgende Beträge ausgerichtet : Organisation für Erziehung und Wissenschaft der Vereinigten Franken Nationen .(UNESCO) 510342 Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) . . . .

460 000 Weltgesundheitsorganisation (WHO) 596 867 Internationaler Kinderhilfs-Fonds der UNO (UNICEF) l 150 000 Für das Jahr 1959 bezifferten sich unsere Leistungen somit auf 2,7 Millionen Franken. In den letzten zehn Jahren hat unser Land diesen vier Organisationen Beiträge von rund 24 Millionen Franken bezahlt.

Die Schweiz hat sich ferner an OECE-Aktionen zugunsten der Türkei, Griechenlands und Spaniens beteiligt. Im Zusammenhang mit der ausserordentlichen Kredithilfe zugunsten der Türkei, der Liquidation der Europäischen Zahlungsunion und der Krediteinräumungen durch den Europäischen Fonds (Europäisches Währungsabkommen) hat die Schweiz in den Jahren 1958/59 diesen drei Ländern insgesamt 27,6 Millionen Franken zur Verfügung gestellt.

c. Kapitalexport Die Beanspruchung des schweizerischen Kapitalmarktes durch unterentwickelte Länder ist ebenfalls beträchtlich. Allerdings sind unsere Kapitalien wie jene anderer Gläubigerländer - vorwiegend den kreditwürdigeren und stabileren industrialisierten Volkswirtschaften zugeflossen. Seit 1950 sind indessen wesentliche Beträge am Anleihensmarkt für Staaten in wirtschaftlicher Entwicklung aufgenommen worden. So erhielten: Belgischer Kongo . . 240 Millionen Franken Peru 15 Millionen Franken Weltbank 460 Millionen Franken .

.

Total 715 Millionen Franken

274

Die Weltbank, deren Tätigkeit sich vornehmlich in den wirtschaftlich zurückgebliebenen Staaten abspielt, hat bisher 8 Anleihen im erwähnten Gesamtbetrag von 460 Millionen Franken am schweizerischen Kapitalmarkt zur öffentlichen Zeichnung aufgelegt. Ferner sind den Entwicklungsländern in den letzten zehn Jahren genehmigungspflichtige Bankenkredite im Gesamtbetrag von 168 Millionen Franken eingeräumt worden. Der private Kapitalexport in Form von Anleihen und Bankenkrediten erreichte somit seit 1950 den ansehnlichen Betrag von 883 Millionen Franken. Zusammen mit dem Darlehen des Bundes von 1957 im Betrage von 200 Millionen Franken ergibt dies gegen 1,1 Milliarden Franken.

Schliesslich ist in Betracht zu ziehen, dass auch andern aussereuropäischen Staaten, die nicht den wirtschaftlich zurückgebliebenen Gebieten zugerechnet werden können, ansehnliche Kapitalbeträge zur Verfügung gestellt worden sind.

So haben seit 1950 Südafrika für 805 Millionen Franken und Australien für 180 Millionen Franken Anleihen am schweizerischen Kapitalmarkt emittiert.

d. Direktinvestitionen der Industrie Zur Abrundung des Bildes sei erwähnt, dass verschiedene industrielle Grossunternehmen Zweigniederlassungen in aufstrebenden Ländern gegründet haben, so in Indien, in Mittel- und Südamerika. Die industriellen Direktinvestitionen stellen eine sehr wirksame und - was besonders zu begrüssen ist - wirtschaftliche Form der Entwicklungshilfe dar. Sie vermitteln den wirtschaftlich zurückgebliebenen Ländern die unerlässlichen Fachkenntnisse und führen gleichzeitig zu einer Hebung der Produktionskraft und damit zur Erweiterung der Beschäftigungsmöglichkeiten in den betreffenden Gebieten. Über das Ausmass dieser Direktinvestitionen liegen zur Zeit keine genauen Angaben vor, doch dürften in den letzten zehn Jahren den Entwicklungsländern auf diese Weise mehrere hundert Millionen Franken zur Verfügung gestellt worden sein.

e. Lieferkredite und Exportrisikogarantie Die Exportrisikogarantie des Bundes hat sich seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges zu einem wertvollen Instrument der Hilfe an Entwicklungsländer entfaltet. Durch die Deckung der nicht kommerziellen Eisiken im Zusammenhang mit der Gewährung von Lieferkrediten des Exporteurs konnte die Versorgung dieser Länder mit den benötigten Produktionsgütern erheblich gefördert werden. Mit
der Neugestaltung der Exportrisikogarantie im Jahre 1958 ist die Leistungsfähigkeit dieses Mittels nochmals erhöht worden. Der Bund trägt ein permanentes Garantierisiko von 700 bis 800 Millionen Franken. Im vergangenen Jahre wurden Geschäfte im Umfange von 641 Millionen Franken Fakturawert unter Einsatz der Exportrisikogarantie getätigt, wovon 80 Prozent auf Produktionsgüter entfielen. Die geographische Verteilung der Verbindlichkeiten zu 25 Prozent auf Amerika (vor allem Lateinamerika), 17,5 Prozent auf Asien und

275 8,5 Prozent auf Afrika zeigt die Bedeutung dieser Leistungen für die unterentwickelten Gebiete. Bund die Hälfte entfiel also auf Ausfuhren nach Entwicklungsländern.

Alle diese Leistungen vermögen jedoch nicht darüber hinwegzutäuschen, dass sich auch unser Land vor das Erfordernis gestellt sieht, auf dem Gebiete der Entwicklungshilfe vermehrte Anstrengungen zu unternehmen, und zwar sowohl aus Gründen der Solidarität als auch aus der Überlegung, dass sonst unsere Wirtschaft gegenüber derjenigen anderer Länder ins Hintertreffen geraten könnte.

Das im Jahre 1956 der Weltbank gewährte Darlehen von 200 Millionen Franken bildet einen schweizerischen Beitrag an die Entwicklungshilfe, auch wenn die Operation gleichzeitig bezweckte, einen Teil der flüssigen Mittel des Bundes in eine sichere und verzinsliche Anlage überzuführen.

3. Die Weltbank Die Weltbank widmete sich in den ersten Nachkriegsjahren vorwiegend dem Wiederaufbau europäischer Staaten. Seit dem Jahre 1950 hat sie ihre Haupttätigkeit auf die unterentwickelten Gebiete in aller Welt gerichtet. Die Mitwirkung der Weltbank erstreckt sich vor allem auf die Erschliessung von Energiequellen, Verbesserung von Verkehr, Industrie, Forst- und Landwirtschaft sowie Durchführung allgemeiner Entwicklungsprogramme. Über die Aufteilung der Hilfeleistungen auf die verschiedenen Verwendungszwecke erteilt die nachstehende Tabelle Aufschluss: Verwendungszwecke der von der Weltbank erteilten Kredite *) Millionen Dollars

Wiederaufbau Erzeugung elektrischer Energie Transportwesen Nachrichtenwesen Land- und Forstwirtschaft Industrie Allgemeine Entwicklung

497 l 585 1524 24 858 838 205

4971 Die Bank sorgt durch regelmässige Kontrollen dafür, dass die Darlehen ohne Rücksicht auf politische oder andere ausserwirtschaftliche Überlegungen ausschliesslich für die festgelegten produktiven Zwecke verwendet werden. Seit 1946 bis Ende März 1960 hat die Bank 257 Darlehen an 52 verschiedene Länder im Gesamtbetrag von 5,1 Milliarden Dollars 2) gewährt. Diese Institution entfaltet somit eine anerkannt verdienstvolle und segensreiche Tätigkeit.

*) Runde Beträge ohne Widerrufe etc.

) Von diesem Betrag wurden rund 112 Millionen $ widerrufen oder zurückbezahlt.

2

276 In der Botschaft vom 12. Oktober 1956 machten wir Ihnen verschiedene Angaben über die Weltbank und ihre Tätigkeit. Diese Ausführungen sind grösstenteils auch heute noch gültig und sollen hier nicht wiederholt werden. In einigen Punkten haben sich jedoch Änderungen ergeben. So sind inzwischen weitere Länder dieser Institution beigetreten. Während die Bank im Oktober 1956 58 Mitglieder zählte, sind es heute deren 68. Eine weitere Änderung betrifft die finanzielle Grundlage der Bank. Am 22. Dezember 1958 beschloss der Eat der Gouverneure, das Kapital von 10 auf 21 Milliarden Dollars zu erhöhen. Bis zum 31. Dezember 1959 waren von den Mitgliedstaaten 18,6 Milliarden Dollars gezeichnet. Die Kapitalerhöhung trägt dem Umstände Eechnung, dass sich seit der Pestsetzung der Länderquoten im Jahre 1944 das Welthandelsvolumen nahezu verdoppelt und die Anleihenstätigkeit der Weltbank auf den verschiedenen Kapitalmärkten stark zugenommen hat. Die Massnahme wird die Weltbank in die Lage setzen, ihren Aufgaben in Zukunft auf einer noch breiteren finanziellen Basis als bisher nachzukommen.

Die finanzielle Struktur und Geschäftstätigkeit der Weltbank sind derart, dass das Darlehen des Bundes auch heute als eine sichere Anlage angesprochen werden darf. Die Verlängerung von Fälligkeiten kann daher grundsätzlich auch von diesem Gesichtspunkt aus verantwortet werden.

Wie der Sprecher des Bundesrates in Beantwortung einer Interpellation von Herrn Ständerat Bonner (Stenographisches Bulletin, Ständerat, 1959, 399) ausführte, erscheint es sinnvoll und zweckmässig, wenn unser Land jenen internationalen Organisationen seine Unterstützung gewährt, mit deren Bestrebungen es einig geht. Obwohl die Schweiz der Zielsetzung der Weltbank in jeder Beziehung beipflichten kann, erscheint im gegenwärtigen Zeitpunkt ein Beitritt mit Bücksicht auf gewisse Bestimmungen des Währungsfonds und auf die noch im Flusse befindliche Lage im europäischen Integrationsbereich als der weitem Abklärung bedürftig. Unser Land muss sich im Hinblick auf die im Zusammenhang mit der Integrationsbewegung bestehende Diskriminierungsgefahr seine Handlungsfreiheit bewahren können, wobei die Vereinbarkeit dieser Forderung mit den Satzungen des Internationalen Währungsfonds noch vertiefte Prüfung erfordert. Der Erwerb der Mitgliedschaft bei der Weltbank setzt
nämlich den Beitritt zum Fonds voraus. Ein allfälliger Beitritt zu dieser zweiten Institution wirft sodann einige währungspolitische Fragen auf, deren Abklärung ebenfalls noch nicht abgeschlossen ist. Der Bundesrat schenkt diesen Problemen laufend seine volle Aufmerksamkeit und verfolgt die Frage eines Beitritts der Schweiz zur Weltbank und zum Fonds ständig im Lichte der neueren Entwicklung.

Obwohl die Schweiz bisher die Mitgliedschaft bei der Weltbank nicht erwarb, hat sie dennoch ein grosses Interesse, ihre Hilfe an die weniger entwickelten Gebiete auf dem Wege über eine hiefür geschaffene und besonders geeignete internationale Organisation zu erbringen. Damit wird eine Zersplitterung unserer ohnehin beschränkten Leistungen vermieden. Zudem bietet die Weltbank Gewähr dafür, dass die Mittel sachgemäss für produktive Investitionen

277 eingesetzt werden. Unsere Hilfe im Sinne einer Zusammenarbeit mit der Weltbank ist daher grundsätzlich einer direkten Finanzhilfe an einzelne unterentwickelte Länder in Form von Darlehen vorzuziehen. Die guten Beziehungen mit der Weltbank, die auch durch die Emission von Anleihen auf unserem Kapitalmarkt ihren Niederschlag finden, wirken sich zudem auf unsere Industrie befruchtend aus. Gemäss den Statuten der Weltbank können mit Weltbankdarlehen nur Lieferungen finanziert werden, die aus Mitgliedstaaten stammen. Eine einzige Ausnahme ist der Schweiz zugestanden worden, die dadurch - ohne selbst Mitglied zu sein -, wie ein Mitglied behandelt wird. So konnten in der Vergangenheit schweizerische Warenexporte und Dienstleistungen im Werte von schätzungsweise 250 Millionen Franken im Eahmen von Weltbankdarlehen finanziert werden. Diese Lieferungen sind für unsere Industrie äusserst wertvoll, zumal sie oft mit der Erschliessung neuer Absatzmärkte verbunden sind. Um über die Aufteilung der Darlehen der Weltbank auf die verschiedenen Kontinente und Länder ein Bild zu vermitteln, fügen wir im Anhang eine Tabelle über die bisher erteilten Kredite bei.

4. Tresorerie-Überlegungen Der Bestand an flüssigen und kurzfristig angelegten Mitteln des Bundes setzte sich Ende Mai 1960 wie folgt zusammen: in Millionen Franken

Sichtguthaben (Girokonto Nationalbank, Devisen) kurzfristige Darlehen an die Bank für internationalen Zahlungsausgleich kurzfristige Dollar-Anlagen (U S A-Staatspapiere, Callgeld) . . . .

Darlehen an die Weltbank

892 180 256 167

Total

995

Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei einem Gesamtverkehr in der Staatsrechnung von rund 50 Milliarden Franken etwa 150-200 Millionen Franken (nach Wegfall der Europäischen Zahlungsunion) als Betriebskapital benötigt werden. Ferner hegen beim Bund 810 Millionen Franken aus Arbeitsbeschaffungsreserven der privaten Wirtschaft, was eine zusätzliche Liquidität erfordert.

Die Entwicklung der nächsten Monate dürfte dahin gehen, dass bei normalem Geschehen die flüssigen und kurzfristig angelegten Mittel des Boundes wohl kaum abnehmen werden, da wir in einem wehrsteuerstarken Jahre stehen.

Für die weitere Zukunft stösst eine Voraussage indessen auf Schwierigkeiten.

Obwohl sich die Einnahmen in erfreulicher Weise entwickeln, könnte die wirtschaftliche Integration mit dem damit verbundenen Zollabbau zu gewissen Einnahmenausfällen führen. Vor allem aber sind es die künftigen Militärausgaben

278 und die Beiträge des Bundes für den Bau der Nationalstrassen, die dem Bunde wesentliche Mehrbelastungen bringen und seinen Finanzhaushalt beeinflussen werden.

Daraus geht hervor, dass der Bund auf die nächste Fälligkeit des Weltbank-Darlehens vom I.Januar 1961 (38,8 Millionen Franken) und unter Umständen auf weitere Baten nicht angewiesen sein dürfte, um seine Liquidität aufrechtzuerhalten. Dabei stellt sich die Frage, ob eine Verlängerung der Fälligkeiten um 6 Jahre - wie dies Artikel 4 Absatz 2 dès Abkommens mit der Weltbank vorsieht -, verantwortet werden kann.

Es ist davon auszugehen, dass im Falle der Verlängerung der am 1. Januar 1961 fällig werdenden Amortisationszahlung um sechs Jahre die mittlere Laufzeit des Darlehens 2% Jahre beträgt. Dies dürfte wohl die obere Grenze sein, die bei der heute überblickbaren Weiterentwicklung der Trésorerie für die Anlage von Liquiditätsreserven des Bundes vertretbar ist. Es ist indessen in Betracht zu ziehen, dass der Bund noch über zahlreiche andere kurzfristige greif bare Mittel verfügt, wie der genannten Tabelle entnommen werden kann.

Noch gewichtiger als die Tresorerie-Aspekte erscheinen dem Bundesrat indessen die allgemeinen Gedankengänge, die eine Verlängerung der Amortisationsquoten als ratsam nahelegen, nämlich die Überzeugung, dass unser Land vermehrt an der Unterstützung der Entwicklungsländer teilnehmen sollte, und dass die weitere Zurverfügungstellung unseres Darlehens an die Weltbank einen konstruktiven Beitrag in dieser Richtung darstellt. Ein Eückzug unserer Mittel stünde in betontem Gegensatz zu den eindrücklichen Anstrengungen anderer industrialisierter Staaten, umfangreichere Hilfeleistungen zu erbringen. Es würde unserem Lande nicht sehr wohl anstehen, durch den Wunsch auf Quotenrückzahlung eine Haltung zu dokumentieren, welche der heutigen Problematik, der sich die entwickelten und unterentwickelten Staaten gegenübergestellt sehen, nicht gerecht würde. Gerade eine Anlage bei der Weltbank dürfte besonders geeignet sein, unserer These der Solidarität und der aktiven Neutralität sinnvollen Ausdruck zu geben.

Hinzu tritt die Überlegung, dass die Prüfung des weitern Verhältnisses unseres Landes zu Währungsfonds und Weltbank möglicherweise zu einer positiven Stellungnahme führen kann, nämlich dann, wenn für die währungspolitischen
Bedenken eine befriedigende Lösung gefunden werden kann. Im Falle eines schweizerischen Beitritts, wie er auch bereits in parlamentarischen Anfragen angeregt wurde, stünde alsdann nichts entgegen, das Bundesdarlehen ganz oder teilweise als schweizerischen Mitgliedschaftsbeitrag im Sinne der Weltbankstatuten zu bezeichnen und entsprechend umzuwandeln, was uns der Sorge entheben würde, eine neue Barleistung zu erbringen. Es würde sich somit technisch lediglich um eine Umlagerung einer bereits erbrachten Leistung handeln.

Unter Berücksichtigung aller dieser verschiedenen Aspekte scheint eine Verlängerung von Amortisationszahlungen angezeigt zu sein.

279 5. Schlussîolgerung Wie den Darlegungen unter Ziffer 2 entnommen werden kann, ist eine schweizerische Beteiligung am Kampf um die Entwicklung der zurückgebliebenen Gebiete vor allem aus sozialen und wirtschaftlichen Überlegungen nachdrücklich zu befürworten. Das im Jahre 1956 der Weltbank gewährte Darlehen stellt in diesem Sinne einen schweizerischen Beitrag dar. Es wäre wünschbar, diese Kapitalhilfe nicht rückgängig zu machen, sondern sie der Weltbank zum produktiven Einsatz weiterhin zu überlassen.

Der Bundesrat möchte daher von der in Artikel 4, Absatz 2 des Abkommens vorgesehenen Möglichkeit der Verlängerung der Fälligkeit vom I.Januar 1961 Gebrauch machen. Gleichzeitig ist es wünschbar, dem Bundesrat dieselbe Ermächtigung für weitere zukünftige Eückzahlungsraten einzuräumen, ohne dass er jährlich mit einem neuen Bericht, welcher sich auf die Wiederholung der vorstehenden Überlegungen beschränken müsste, vor die eidgenössischen Eäte zu treten hat ; er wird die Frage der Verlängerung jeweils unter Würdigung aller Umstände prüfen und dabei auch die Wirtschaftslage, die Verhältnisse auf dem Geld- und Kapitalmarkt wie den Finanzhaushalt des Bundes berücksichtigen.

Wir beehren uns, Ihnen zu beantragen, vom vorliegenden Bericht zustimmend Kenntnis zu nehmen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den S.Juni 1960.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident : Max Petitpierre 5184

Der Bundeskanzler : Ch. Oser

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Weltbankkredite nach Kontinenten und Ländern (Stand 31. März 1960)

Anzahl der gewährten Kredite

Kredltbetrag^ In Millionen $

Afrika Äthiopien Algerien und Sahara Belgisch Kongo Franz. Westafrika Gabon Mauritanien Nigeria Ostafrika Ehodesien und Nyassaland Euanda-Urundi Sudan Südafrikanische Union

4 2 5 l l l l l 5 l l _8_

28,5

12 Länder oder Territorien

31

751,2

Asien und mittlerer Osten Burma Ceylon Indien Iran Irak Japan Libanon Malaya Pakistan Philippinen Thailand Vereinigte Arab. Bepublik

2 2 28 4 l 19 l l 12 l 6 J_

19,3 26,5 610,6 194,2 12,8 842,9 27,0 85,6 151,8 21,0 106,8 56,5

12 Länder

78

1604,5

60,0 120,0 7,5 85,0 66,0 28,0 24,0 146,6 4,8

89,0 196,8

281 Anzahl der gewährten Kredite

Australien

Kreditbetrag in Millionen $

817,7

Europa Belgien Dänemark Finnland Frankreich Island Italien Jugoslawien Luxemburg Niederlande Norwegen Österreich Türkei

4 2 7 1 5 7 3 1 10 4 8 6

76,0 60,0 102,8 250,0 5,9 299,6 60,7 12,0 244,0 95,0 101,3 63,4

12 Länder

58

1370,2

Westliche Hemisphäre Brasilien Chile Costa Eica Ecuador El Salvador · Guatemala Haiti Honduras Kolumbien Mexiko Nikaragua Panama Paraguay Peru Uruguay

13 8 2 6 4 1 1 3 15 8 10 8 1 10 4

15 Länder

89

1038,4

257

5082,0

Total von 52 Ländern oder Territorien

Bundesblatt. 112. Jahrg. Bd. II.

21

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Verlängerung des von der Schweizerischen Eidgenossenschaft der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Förderung der Wirtschaft im Jahre 1956 gewährten Darlehens (Vom 8. Juni 1960)

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Jahr

1960

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

28

Cahier Numero Geschäftsnummer

8059

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

14.07.1960

Date Data Seite

270-281

Page Pagina Ref. No

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