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Bundesblatt 112. Jahrgang

Bern, den 8. September 1960

Band II

Ericheint wöchentlich. Freie 3O Franken im Jahr, 16 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Einrückungsgebühr: 50 Kappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli & Cie. in Bern

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel betreffend Rohrleitungsanlagen zur Beförderung flüssiger oder gasförmiger Brenn- oder Treibstoffe (Vom 23. August 1960) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen eine Botschaft zur Ergänzung der Bundesverfassung durch Aufnahme eines neuen Artikels zu unterbreiten. Dieser soll dem Bunde die Gesetzgebungshoheit über Rohrleitungsanlagen zur Beförderung flüssiger oder gasförmiger Brenn- oder Treibstoffe (Pipelines) einräumen.

I. Der Verbrauch von importierten Brenn- und Treibstoffen

Die nachfolgende graphische Darstellung veranschaulicht die Entwicklung des jährlichen Verbrauches von importierten festen und flüssigen Brennstoffen sowie von Treibstoffen seit dem Jahre 1930. Sie zeigt, dass der Verbrauch von Kohle heute sogar etwas geringer ist als in den 1930er Jahren, und dass der seitherige zunehmende Bedarf an ausländischen Brennstoffen ausschliesslich durch Heizöl befriedigt wurde. Sein Anteil an der Wärmebedarfsdeckung unseres Landes ist von 6 Prozent im letzten normalen Vorkriegsjahr 1938 auf 41 Prozent im Jahre 1958 gestiegen; umgekehrt ist der Anteil der Kohle von 73 Prozent im Jahre 1938 auf 37 Prozent im Jahre 1958 zurückgegangen.

Infolge der bekannten raschen Zunahme des motorisierten Strassen- und Luftverkehrs weist auch der Verbrauch von Treibstoffen eine starke Steigerung auf, so dass das Gewicht der gesamten jährlich verbrauchten Erdölprodukte (Heizöl und Treibstoff) heute, wie die Graphik zeigt, jenes der Kohle bereits Bundesblatt. 112. Jahrg. Bd. II.

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übertrifft. Soweit die Verhältnisse beurteilt werden können, dürfte die bisherige Entwicklungstendenz für Erdölprodukte anhalten.

Daraus erklärt sich, dass heute die Frage der Erstellung von Pipelines auch in unserem Lande aktuell wird.

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1960

Jährlicher Verbrauch von importierten Brenn- und Treibstoffen a=Kohle, b=Heizöl, o=Heizöl und Treibstoff II. Die Entwicklung dei Rohrleitungstransporte 1. Erdölleitungen

Für die Beförderung grosser Mengen Erdöl zwischen zwei gegebenen Punkten hat sich die Eohrleitungsanlage als das wirtschaftlichste Transportmittel erwiesen. Zu niedrigeren Selbstkosten arbeitet einzig der Grosstanker, wie er aber nur auf den Weltmeeren zum Einsatz gelangen kann. Während bei allen andern Beförderungsmitteln der Transportbehälter, in dem sich das Transportgut befindet (Zisternenwagen, Tankschiff) als tote Last mitbefördert und - sofern keine Gegenfracht vorhanden ist - leer wiederum an den Ausgangspunkt zurückgeführt werden muss, steht beim Bohrleitungstransport der Transportbehälter (die Kohrleitung) still, und fortbewegt wird einzig das Transportgut.

Sodann benötigt der Betrieb einer Eohrleitungsanlage im Vergleich zu andern Transportmitteln sehr wenig Personal. Betrieb und Überwachung sind weitgehend automatisiert. Auf der andern Seite sind die Bohrleitungen sehr kapitalintensiv. Daraus erhellt, dass ihr Einsatz nur für grosse Transportmengen in

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Frage kommt, die zwischen zwei Knotenpunkten zu befördern sind. Es ist deshalb durchaus natürlich, dass die Bohrleitungen zunächst zwischen den Erdölquellen und den Eaffinerien, d.h. zwischen einer bedeutenden Versand- und einer bedeutenden Abnahmestelle, eingesetzt wurden.

Westeuropa ist für die Deckung seines Bedarfs an Mineralölprodukten weitgehend auf Import angewiesen. Während früher die Baffinerien vorwiegenden der Meeresküste erstellt und auf dem Kontinent nur raffinierte Produkte transportiert wurden, geht heute die Tendenz dahin, die Baffinerien in die Verbrauchszentren zu verlegen und ihnen das Bohöl von den Seehäfen durch Bohrleitungen zuzuführen.

Nach vorhandenen Angaben sind die wichtigsten gegenwärtig in Westeuropa in Betrieb stehenden Erdölleitungen die folgenden : - Wilhelmshaven-Köln (Bundesrepublik Deutschland) mit einer Länge von 890 km, einem Durchmesser von 71 cm und einer Kapazität von anfänglich 9 und bei Vollausbau 22 Millionen Tonnen pro Jahr. Am Gesellschaftskapital sind beteiligt: die Esso AG mit 47,2 Prozent, die BP AG mit 26,3 Prozent, und in den Best von 26,5 Prozent teilen sich vier deutsche Gesellschaften.

- Botterdam-Venlo-Wesel und -Köln (Niederlande 155 km, Deutschland 49 bzw. 90 km), Durchmesser 60 cm. Kapazität anfänglich 8,5, maximal 20 Millionen Tonnen pro Jahr. Am Gesellschaftskapital sind die B.M.P.

(Shell) zu 40 Prozent, die California Texas Oil Corporation (Caltex) zu 20 Prozent und eine deutsche Interessengruppe mit 40 Prozent beteiligt.

- Wesel-Gelsenkirchen (Bundesrepublik Deutschland), Länge 47 km, Durchmesser 40 cm, Kapazität 6 Millionen Tonnen pro Jahr, Eigentümerin ist die Gelsenberg Benzin AG.

- Vado-Novara (Italien), Länge 152 km, Durchmesser 20 cm, Kapazität l Million Tonnen pro Jahr.

- Genua-Bho (Italien), Länge 129 km, Durchmesser 30 cm, Kapazität 1,1 Millionen Tonnen pro Jahr.

- Parentis-Bec d'Ambès (Frankreich), Länge 120 km, Durchmesser 30 und 40 cm, Kapazität 3 Millionen Tonnen pro Jahr, Eigentum der Esso.

- Le Havre - Petit Couronne (Frankreich), Länge 77 km, Durchmesser 25 cm, Kapazität 3 Millionen Tonnen pro Jahr, Eigentum der Shell.

- Finnart-Grangemouth (Grossbritannien), Länge 91 km, Durchmesser 31 cm, Kapazität 0,4 Millionen Tonnen pro Jahr, Eigentum der British Petroleum Co.

Alle diese Leitungen dienen dem Transport von
Bohöl. Für den Transport von r a f f i n i e r t e n Produkten ist in Westeuropa zu erwähnen die Leitung - Le Havre-Paris (Frankreich) mit einer Länge von 243 km, einem Durchmesser von 25^cm und einer Kapazität von 2 Millionen Tonnen pro Jahr.. Sie gehört der TBAPIL, Société des transports pétroliers par pipe-line, an der der französische Staat und andere öffentlich-rechtliche Körperschaften mit

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51 Prozent beteiligt sind; der Best des Kapitals wurde von verschiedenen Erdölgesellschaften aufgebracht.

Für den Transport von raffinierten Produkten soll die Nordatlantikpaktorganisation (NATO) in Westeuropa ein Leitungssystem von über 4000 km unterhalten, dem aber gegenwärtig für zivile Transporte keine Bedeutung zukommt.

* In Ausführung begriffen sind in Westeuropa folgende wichtige Rohölleitungen : - Hilf ord Haven-Llandarcy (Grossbritannien), Länge 96 km, Durchmesser 46 cm, Kapazität 6 Millionen Tonnen pro Jahr, Eigentümerin: British Petroleum Co., Betriebsaufnahme voraussichtlich Ende 1960.

- Laverà (bei Marseille)-Strassburg mit wahrscheinlicher Verlängerung nach Karlsruhe und Stuttgart-München, Länge bis Karlsruhe in Frankreich 770 km, in Deutschland ca. 80 km, Durchmesser 70 bis 80 cm, Kapazität anfänglich 10, nach Vollausbau 25 Millionen Tonnen pro Jahr. An der Unternehmung sind gegen 20 europäische und amerikanische Erdölgesellschaften beteiligt. Die Leitung dient der Versorgung von vier im Eaume Strassburg/Karlsruhe und allenfalls weiteren in den Räumen Stuttgart und München geplanten Raffinerien mit Rohöl. Ihre Fertigstellung ist für Anfang 1963 vorgesehen.

- Pegli (bei Genua)-Mailarid mit je einer Abzweigung in östlicher Richtung in die Gegend von Or emona und in westlicher Richtung nach Chivasso, von wo eine Fortsetzung durch das Aostatal und den im Bau befindlichen Strassentunnel des Grossen St. Bernhard nach Collombey/ Aigle vorgesehen ist. Länge in Italien 350, in der Schweiz 70 km. Eigentümerin der Leitung ist die Oleodotti Internazionali, Rom, eine Tochtergesellschaft der vom italienischen Staat beherrschten Ente Nazionale Idrocarburi (ENI), Born.

Der nach der Schweiz verlaufende Zweig soll der Versorgung der in der unteren Rhoneebene bei Collombey/Aigle projektierten Raffinerie mit 2 Millionen Tonnen Rohöl pro Jahr dienen. Für den Bau und Betrieb der Raffinerie wurde die Raffineries du Rhône S.A., Lausanne, eine Tochtergesellschaft der Société Financière Italo-Suisse, in Genf, gegründet.

Geplant ist eine Verlängerung der Rohölleitung von Aigle durch die Kantone Waadt (Col des Mosses), Bern und Aargau nach S ü d d e u t s c h l a n d , wovon ein Zweig in die Gegend von Stuttgart und ein anderer in die Gegend von München führen soll. Die bernische Regierung hat in der
Maisession 1960 des Grossen Rates verschiedene parlamentarische Vorstösse betreffend dieses Leitungsprojekt dahin beantwortet, dass eine erste Prüfung kein genügendes öffentliches Interesse des Kantons an dieser Transitleitung ergeben habe, um den Initianten das kantonale Enteignungsrecht einräumen zu können.

Für den Fall, dass die Durchleitungsrechte für die Leitung Aigle-Süddeutschland nicht erhältlich sind, bestehen zwei Varianten, von denen die eine durch den Tessin, Graubünden (San Bernardino), Fürstentum Liech-

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Rohrleitungen in Westeuropa

L EGENDE Produktenleitung im Betrieb

Rohölleitung im Bau

Rohölleitung im Betrieb

Rohölleitung geplant

Erdgasleitung im Betrieb

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tenstein, Vorarlberg und die andere ohne Berührung der Schweiz von Italien durch Österreich nach Süddeutschland führen würden. Am 12. August 1960 haben die Kantone Graubünden und Tessin mit der Initiantin, der Società Nazionale Metanodotti in Mailand (einer weiteren Tochtergesellschaft der vorerwähnten ENI) eine Vereinbarung über die Erstellung und den Betrieb einer solchen Eohölleitung abgeschlossen. Bau und Betrieb der Leitung werden darin als im öffentlichen Interesse der beiden Kantone liegend anerkannt, und diese erhalten an der zu gründenden schweizerischen Gesellschaft ein Beteiligungsrecht sowie ein Eecht auf Benützung der Leitung. Hierzu besteht aber ausserdem ein Konkurrenzprojekt anderer Initianten für eine in Verbindung mit einer Autobahn zu erstellende Erdölleitung von V e n e d i g über Innsbruck nach München. Ein weiteres Projekt sieht eine Eohölleitung von Venedig oder Triest nach Wien vor.

Zur Illustration, welche Entwicklungsmöglichkeiten den Erdölleitungen in Europa noch innewohnen, sei darauf hingewiesen, dass in den Vereinigten Staaten von Amerika anfangs 1958 250 000 km Eohölfernleitungen und 69 000 km Produktenleitungen im Betrieb standen, was zusammen dem achtfachen Erdumfang entspricht.

2. Erdgasleitungen

· Einen beispiellosen Siegeszug hat in den letzten Jahren das Erdgas angetreten. Bereits 1954 wurden 10,5 Prozent des Weltenergiebedarfs durch Erdgas gedeckt. In den Vereinigten Staaten von Amerika bestanden 1958 250 000 km Erdgasleitungen, durch die Transportdistanzen bis 8000 km überwunden werden.

In Kanada, das 1959 bereits über 18 000 km Erdgasleitungen verfügte, befindet sieh gegenwärtig eine Leitung von 8700 km Länge im Bau. In der Sowjetunion besteht ein ausgedehntes Erdgasleitungsnetz, das u.a. Moskau, Leningrad, die Ukraine und selbst Warschau mit diesem Brennstoff versorgt. In Italien waren 1959 ungefähr 4500 km Erdgasleitungen in Betrieb. In Frankreich führt von den Erdgasvorkommen bei Lacq am Fusse der Pyrenäen ein Erdgasleitungsnetz von annähernd 2500 km Gesamtlänge bis Nantes, Paris und Besançon.

In der Schweiz befasst sich ein Studiensyndikat mit der Abklärung der Möglichkeit, unser Land mit Erdgas zu versorgen. Es gehören ihm der Verband schweizerischer Gaswerke, verschiedene grössere Elektrizitätswerke und wärmeverbrauchende Industrieunternehmungen an. Nachdem die französischen Stellen kürzlich eine Ausfuhr von Gas aus Lacq abgelehnt haben, richtet sich das Interesse heute in erster Linie auf schweizerisches Erdgas oder solches aus der Sahara, wo in den letzten Jahren immense Erdgasvorkommen entdeckt worden sind. Die Hauptschwierigkeit für den Einsatz dieses Gases in Europa liegt in der Notwendigkeit der Durchquerung des Mittelmeeres. Dies könnte grundsätzlich auf zwei Arten geschehen: entweder durch Verlegung einer Gasleitung oder durch Transport des verflüssigten Gases mittels Tankschiffen.

751 III. Gründe für eine bundesrechtliche Regelung der Rohrleitungsanlagen Bei der geschilderten raschen Entwicklung der Kohrleitungstransporte und dem Vorliegen von Projekten für .die Erstellung derartiger Anlagen in unserem Lande stellte sich die Frage, ob für dieses neue Transportmittel nicht von Anfang an eine bundesrechtliche Eegelung getroffen werden sollte. Wir sind zur Auffassung gelangt, dass diese Frage unbedingt zu bejahen ist, und zwar im wesentlichen aus folgenden Gründen : Bei den Pipelines wird es sich Voraussichtlich in der Mehrzahl der Fälle um grenzüberschreitende Leitungen handeln. Ihre Erstellung kann neutralitätspolitische, militärpolitische und versorgungspolitische Probleme aufwerfen.

Schon unter diesem Gesichtspunkt best.eht für den Bund die Notwendigkeit, ein entscheidendes Wort mitreden zu können.

Sodann werden die Pipelines das Gebiet mehrerer Kantone berühren. Es sollten deshalb für sie im ganzen Gebiet der Eidgenossenschaft einheitliche technische Vorschriften gelten. Ohne eine Bundesregelung ist zu befürchten, dass der Leitungseigentümerin jedem Kanton andere Bau- und Betriebsvorschriften zu befolgen hätte.

Allfällige Schäden, die durch Eohrleitungen verursacht werden, können sich über die Kantonsgrenze hinaus auswirken, so z.B. wenn eine Ölleitung, die einen Fluss oder einen Grundwasserstrom kreuzt, undicht wird. Die daraus sich ergebende Verschmutzung des Wassers könnte namentlich für die Trinkwasserversorgung unabsehbare Folgen haben. Bedenkt man, dass jeder Laufmeter einer Leitung von 60 cm Innendurchmesser beinahe 300 Liter Öl enthält, das unter einem Druck von bis zu 70 Atmosphären stehen kann, und dass ferner eine solche Leitung zahlreichen zerstörenden Einflüssen (mechanische Beschädigungen durch Erdbewegungen, durch menschliche oder tierische Betätigung, Korrosion von innen und aussen infolge chemischer oder elektrolytischer Einwirkungen) ausgesetzt ist, so darf die Möglichkeit solcher Schäden nicht unterschätzt werden. Durch eine strenge eidgenössische Aufsicht wird ihnen am wirksamsten begegnet.

Die Gefahren, welche die Eohrleitungsanlagen mit sich bringen, lassen es angezeigt erscheinen, ihre Eigentümer einer verschärften Haftpflicht (Kausalr haftpflicht) zu unterstellen. Die Werkeigentümerhaftung nach Artikel 58 des Obligationenrechts genügt möglicherweise
nicht, weil sie den Nachweis einer fehlerhaften Anlage oder eines mangelhaften Unterhalts voraussetzt.. Eine vom Obligationenrecht abweichende Haftung einzuführen, ist aber nur der Bund , zuständig.

Die Erstellung einer Leitung über grössere Distanzen wird kaum möglich sein ohne Inanspruchnahme des Enteignungsrechtes. Besteht keine besondere bundesrechtliche Eegelung, so kann das eidgenössische Expropriationsrecht nur erteilt werden für Werke, die im Interesse der Eidgenossenschaft oder eines grossen Teils des Landes liegen (Art. l, Abs. l des Bundesgesetzes vom 20. Juni

752 1930 über die Enteignung). In der Eegel wird also das kantonale Enteignungsrecht nachgesucht werden müssen. Es ist aber wahrscheinlich, dass ein Kanton, dessen Territorium durch eine Pipeline lediglich transitiert würde, das Enteignungsrecht auf Grund seiner bestehenden Gesetzgebung gar nicht gewähren könnte, denn es wird schwerlich ein öffentliches Interesse des Kantons an der Erstellung einer Leitung, die das Kantonsgebiet nur durchquert, nachweisbar sein. Ein solches kantonales öffentliches Interesse ist aber wohl immer Voraussetzung für die Erteilung des Enteignungsrechtes durch den Kanton. Ohne eine bundesrechtliche Eegelung, welche unter den im Gesetz zu umschreibenden Voraussetzungen die Erteilung des eidgenössischen Enteignungsrechtes für Eohrleitungen erlaubt, wäre es deshalb denkbar, dass eine an sich erwünschte Leitung nicht erstellt werden kann, weil in einem einzelnen Kanton die Durchleitungsrechte nicht erhältlich sind, oder dass für die Leitung eine unwirtschaftliche Linienführung gewählt werden muss.

IV. Vorschlag für einen Verfassungsartikel über Rohrleitungsanlagen Die Bundesverfassung enthält je einen besonderen Verfassungsartikel für die verschiedenen Transportmittel : A r t i k e l 2 6 : «Die Gesetzgebung über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen ist Bundessache.» Artikel 24ter (angenommen in der Volksabstimmung vom 4.Mai 1919): «Die Gesetzgebung über die Schiffahrt ist Bundessache.» Artikel 37ter (angenommen in der Volksabstimmung vom 22.Mai 1921): «Die Gesetzgebung über die Luftschiffahrt ist Sache des Bundes.» Artikel S7bls, A b s a t z l (angenommen in der Volksabstimmung vom 22.Mai 1921): «Der Bund ist befugt, Vorschriften über Automobile und Fahrräder aufzustellen.» A r t i k e l 24bls, letzter A b s a t z (angenommen in der Volksabstimmung vom 25. Oktober 1908): «Der Bund ist befugt, gesetzliche Bestimmungen über die Fortleitung und die Abgabe elektrischer Energie zu erlassen.» Diese das Verkehrswesen regelnden Artikel der Bundesverfassung enthalten keinerlei Detailbestimmungen oder Anweisungen an den Gesetzgeber. Vom rechtspolitischen Standpunkt aus ist einem so konzipierten Verfassungsartikel unbedingt der Vorzug zu geben. Alle Detailbestimmungen gehören in das Gesetz. Dieses kann viel leichter als die Verfassung neuen Verhältnissen angepasst.

werden. Weil der
Bund die Kompetenz erhalten soll, ein ganzes, zusammenhängendes Rechtsgebiet zu ordnen, ist die für umfassende Kompetenzen übliche Formulierung «Die Gesetzgebung über . . . ist Bundessache» der bei der Statuierung fragmentarischer Kompetenzen gebräuchlichen Formulierung «Der Bund ist befugt, gesetzliche Bestimmungen über ... zu erlassen» vorzuziehen

753 (vgl. Fleiner/Giacometti, Schweiz. Bundesstaatsrecht, S.86 ff.). Wir schlagen Ihnen für den zu schaffenden Pipelineartikel folgenden Wortlaut vor : Die Gesetzgebung über Bohrleitungsanlagen zur Beförderung flüssiger oder gasförmiger Brenn- oder Treibstoffe ist Bundessache.

Diese Formulierung gibt dem Gesetzgeber die Möglichkeit, Bestimmungen sowohl über den Bau als auch über den Betrieb von Bohrleitungsanlagen wie überhaupt über alle Fragen aufzustellen, die sich im Zusammenhang mit solchen Anlagen stellen.

Es ist von'«Bohrleitungsanlagen» die Bede, weil sich die Bundeskompetenz nicht nur auf die Bohrleitungen als solche, sondern auch auf die ihrem Betrieb dienenden Einrichtungen, wie Pumpen und Speicher, erstrecken soll.

Man kann sich fragen, ob die Beschränkung auf flüssige und gasförmige Brenn- und Treibstoffe richtig sei, sind doch im Ausland auch Bohrleitungen für den Transport von Kohle, Getreide, Wein, ja sogar Stückgütern bekannt. Ferner kennen wir in unserem Lande Bohrleitungstransporte (allerdings nur auf kurze Entfernungen) von Zement und Milch. Wir sind aber der Meinung, dass keine Notwendigkeit besteht, derartige Leitungen der Bundesgesetzgebung zu unterstellen.

Eine Beschränkung der Bundeskompetenz beispielsweise auf Leitungen, welche die Landesgrenze überschreiten oder die das Gebiet mehrerer Kantone berühren, schiene uns verfehlt. Es wäre nicht zweckmässig, wenn für innerkantonale Leitungen ein anderes Begime gelten würde als für interkantonale Leitungen. Wie ausgeführt, können sich Schäden, die sich aus einer defekten Leitung ergeben, über die Kantonsgrenze hinaus auswirken. Schon aus Sicherheitsgründen besteht deshalb ein Bedürfnis, dass innerkantonale Leitungen den gleich strengen Bau- und Betriebsvorschriften und der gleichen Aufsicht unterstehen wie Leitungen, welche das Gebiet mehrerer Kantone berühren. Sodann denke man an den Fall, dass beispielsweise in einem Kanton Erdgas gefunden wird und dass dieses Gas durch eine innerkantonale Leitung zu einer Verbrauchsstätte im gleichen Kanton geleitet wird. Untersteht diese Leitung den Bundesvorschriften nicht, und wird sie in der Folge nach einem andern Kanton verlängert, so stellt sich die Frage, ob alsdann nur diese Verlängerung oder aber die ganze Leitung der Bundesordnung unterstehe. Fällt nur das neue Teilstück unter
die Bundesordnung, so gelten für die Leitung, die technisch und wirtschaftlich eine Einheit bildet, zwei verschiedene Bechtsordnungen. Fällt dagegen nach der Verlängerung die ganze Leitung unter die Bundesordnung, so besteht die Gefahr, dass das erste, unter kantonaler Ordnung erstellte Teilstück nachträglich auf Bundesnormen umgebaut werden muss. Die Unterstellung aller, auch der innerkantonalen Leitungen unter Bundeshoheit scheint uns unumgänglich. Auch für elektrische Leitungen gelten die gleichen (eidgenössischen) Vorschriften unabhängig davon, ob die Leitung das Gebiet nur eines oder mehrerer Kantone berührt. Desgleichen hat bei den Eisenbahnen das Zusammen-

754 wachsen der einzelnen Linien zu einem das ganze Land umfassenden Netz dazu geführt, dass die kantonale Hoheit, vollständig der Bundeshoheit Platz machen musste.

Auf der Gesetzesstufe bietet sich dann Gelegenheit, den Anwendungsbereich näher zu umschreiben. Das Gesetz kann diejenigen Leitungen bezeichnen, die der Bundesordnung nicht unterstellt zu werden brauchen. So ist beispielsweise vorgesehen, innerbetriebliche Leitungen (z.B. Leitungen im Innern eines Fabrikareals) vom Gesetz auszunehmen, ebenso die Verteilnetze der StadtgasVersorgungsunternehmungen. Ferner soll der Bundesrat im Gesetz ermächtigt werden, weitere Ausnahmen zuzulassen. Es wäre aber nicht zweckmässig, die Ausnahmen schon im Verfassungsartikel aufzählen zu wollen.

Die Schaffung einer unbeschränkten Bundeskompetenz ist heute um so leichter möglich, als - mit einer Ausnahme - noch keine kantonalen Vorschriften über Pipelines bestehen und den Kantonen somit durch den neuen Verfassungsartikel nichts «entzogen» wird. Diese eine Ausnahme betrifft den Kanton Graubünden, dessen Volk am 26. Juli 1960 ein neun Artikel umfassendes «Gesetz über Fernleitungen für die Beförderung flüssiger und gasförmiger Stoffe» angenommen hat.

Danach bedarf die Erstellung und der Betrieb von ober- und unterirdischen Bohrleitungen für die Beförderung flüssiger und gasförmiger Stoffe auf -dem Gebiet des Kantons Graubünden unter Vorbehalt des Bundesrechts der Bewilligung des Kleinen Bates. Anlagen für die Wasserversorgung und solche von nur lokaler Bedeutung unterstehen jedoch dem Gesetz nicht. Der Kleine Bat entscheidet über das Gesuch nach Einholung der Stellungnahme des Bundes und der von der Anlage berührten Gemeinden. Er knüpft an die Bewilligung die im öffentlichen Interesse gebotenen Bedingungen. Zudem können angemessene einmalige und wiederkehrende Gebühren erhoben werden. Für den Erwerb der erforderlichen Rechte für die Erstellung, den Betrieb und die Erweiterung der Anlagen kann das Enteignungsrecht beansprucht werden. Weiter werden die Aufsichtsbefugnisse des Kleinen Bates sowie die Pflicht zum Abschluss der nötigen Versicherungen geregelt und schliesslich Widerhandlungen gegen das Gesetz mit Strafe bedoht.

V. Stellungnahme der Kantonsregierungen und Wirtschaîtsverbande Mit einem Kreisschreiben vom 2.Mai 1960 hat unser Post- und Eisenbahndepartement
die Kantonsregierungen und interessierten Organisationen der Wirtschaft eingeladen, bis Ende Juni zu dem vorerwähnten Entwurf eines neuen Bundesverfassungsartikels Stellung zu nehmen. Mit Ausnahme eines einzigen Kantons (Freiburg), der die Kantone für durchaus befähigt hält, auch neue Materien zufriedenstellend zu regeln, und der dem Bund höchstens zum Zwecke der Benützung der Pipelines im Interesse der Landesversorgung und zum Zwecke des Gewässerschutzes gewisse Kompetenzen zugestehen möchte, befürworten sämtliche eingegangenen Vernehmlassungen die Schaffung einer Bundeskompetenz für Rohrleitungsanlagen. 19 von 24 Kantonen und Halbkantonen und 18

755 von 21 wirtschaftlichen Organisationen, die sich geäussert haben, sind im Prinzip auch mit dem vorgeschlagenen Verfassungstext einverstanden.

Drei Kantone möchten dem Bund nur eine beschränkte Kompetenz einräumen, wovon einer (Zürich) analog dem Wasserrechtsartikel der Bundesverfassung (Art.24bls) die Zuständigkeit des Bundes beschränken möchte auf Leitungen, welche die Landesgrenze überschreiten, sowie auf zwischenkantonale Leitungen, wenn sich die beteiligten Kantone über deren Zulassung und die Modalitäten nicht einigen können. Dabei sollen immerhin durch einen solchen Verfassungsartikel die bundesgesetzliche Statuierung von Minimalanforderungen technischer Natur und die Verschärfung der Haftpflicht für derartige. Anlagen nicht ausgeschlossen werden. Ein weiterer Kanton (Baselstadt) nimmt in ähnlicher Weise Stellung, jedoch mit dem Unterschied, dass er zwischenkantonale Leitungen ausnahmslos der Zuständigkeit des Bundes unterstellen möchte.

Anderseits fordert er eine Ausdehnung der Bundeskompetenz auf Eohrleitungsanlagen, die der Trinkwasserfernversorgung dienen. Der dritte Kanton, der für eine beschränkte Bundeskompetenz eintritt (St. Gallen), lehnt sich an Artikel 36bls der Bundesverfassung betreffend die Nationalstrassen an und schlägt vor, dass der Bund als Konzessionsbehörde zu funktionieren, im Interesse der Landesversorgung und der einzelnen Landesteile die Hauptzüge der zu erstellenden Pipelines festzulegen und auf dem Wege der Gesetzgebung die grundlegenden technischen Vorschriften über den Bau von Pipelines zu erlassen hätte.

Die Kantone müssten berechtigt sein, für die Durchleitung einer konzessionierten Linie durch ihr Gebiet eine Durchleitungsentschädigung zu verlangen und insbesondere zum Schutze der Landschaft und des Grundwassers alle Bau- und Betriebsvorschriften im einzelnen zu erlassen. Von den Wirtschaftsverbänden tritt eine einzige (die Schweiz. Gesellschaft für ehem. Industrie) dafür ein, Anlagen von lokaler Bedeutung von der Bundeskompetenz auszunehmen.

Im Gegensatz zu diesen Stellungnahmen, die einer Beschränkung der Bundeskompetenz das Wort reden, setzt sich ein Kanton (Thurgau) für einen Verfassungsartikel ein, der in umfassender Weise die Gesetzgebung über Bohrleitungsanlagen zur Berförderung fester, flüssiger oder gasförmiger Stoffe irgendwelcher Art zur
Bundessache erklärt. Schliesslich wirft ein Kanton, der dem von uns vorgeschlagenen Verfassungstext zwar grundsätzlich zustipunt (Baselland), die Frage auf, ob nicht auch für die Errichtung von Eaffinerien die Konzessionierung durch den Bund vorgesehen werden sollte.

In einzelnen Vernehmlassungen (Uri, Nidwaiden, Baselland) wird angeregt, schon in die Verfassung eine Bestimmung zur Wahrung der Interessen des Naturund Heimatschutzes sowie des Gewässerschutzes aufzunehmen.

Mehrere Vernehmlassungen (Zürich, Luzern, Schwyz, Baselland, Appenzell i.Eh., St.Gallen; Schweiz. Gewerkschaftsbund, Schweiz. Vereinigung für Landesplanung, Verband schweizerischer Transportunternehmungen, Litra Schweiz.

Liga für rationelle Verkehrswirtschaft, Basler Vereinigung für Schiffahrt) sprechen sich für die Einführung der Konzessionspflicht für Bohrleitungen aus, wobei ein Teil von ihnen (Schweiz. Vereinigung für Landesplanung, Verband

756 schweizerischer Transportunternehmungen, Litra) beantragt, das Prinzip der Konzessionspflicht in die Verfassung aufzunehmen. Von anderer Seite (Freiburg, Genf; Vorort des Schweiz. Handels- und Industrievereins und verschiedene seiner Sektionen, die sich auch noch direkt geäussert haben, wie Schweiz. Energiekonsumentenverband, Verband schweizerischer Gaswerke, Verband schweizerischer Elektrizitätswerke, Schweizerischer elektrotechnischer Verein, Kolko Genossenschaft schweizerischer Kohlenhandelsimporteure) wird die Konzessionspflicht abgelehnt und der Einführung einer blossen Bewilligungspflicht das Wort geredet, wobei jedoch nicht verlangt wird, dass diese Frage in der Vorfassung zu entscheiden sei.

VI. Zur Frage des Bewilligungs- oder Konzessionssystems Auf Grund der eingegangenen Stellungnahmen zum Verfassungsartikelentwurf herrscht Übereinstimmung darüber, dass für die Eohrleitungsanlagen die Aufstellung blosser polizeilicher Vorschriften nicht genügt, dass auf der andern Seite aber auch die Einführung eines staatlichen Monopols nicht in Frage kommt.

Umstritten ist dagegen, ob das Bewilligungs- oder Konzessionssystem vorzusehen sei. Der Bundesrat hat sich schon am 21. Dezember 1959 grundsätzlich für die Einführung des Konzessionssystems ausgesprochen, .und er ist auch nach Kenntnisnahme der Vernehmlassungen der Auffassung, dass eine befriedigende Ordnung auf dem Gebiete der Eohrleitungsanlagen nur auf Grund des Konzessionssystems zu erreichen ist. Dies namentlich aus folgenden Gründen: Um eine ausgedehnte Inanspruchnahme öffentlichen und privaten Grundes zu vermeiden, sollte der Bund z.B. die Möglichkeit haben, eine neue Leitung zu verhindern, wenn sich der beabsichtigte Transport über eine bestehende, nicht voll ausgenützte Leitung bewerkstelligen lässt. Transitleitungen sollten im Falle von Mangellagen der Landesversorgung dienstbar gemacht werden können. Es ist auch denkbar, dass eine Pipeline vom neutralitätspolitischen Standpunkt aus unerwünscht ist, oder dass sie gesamthaft betrachtet mehr Nachteile als Vorteile mit sich bringt.

Aus diesen Gründen sollte die Möglichkeit bestehen, den Bau der Leitung an geeignete Bedingungen zu knüpfen oder sogar zu verhindern, was durch das Konzessionssystem gewährleistet wäre. Wollte man das gleiche Ziel mit dem Bewilligungssystem zu erreichen
suchen, so würde dies voraussetzen, dass das Gesetz entweder alle Fälle, in denen die Bewilligung zu verweigern oder an Bedingungen zu knüpfen ist, einzeln aufzählt, was aber praktisch nicht möglich ist, weil heute gar nicht alle diese Fälle vorausgesehen werden können. Oder dann müssten die Voraussetzungen für die Bewilligungserteilung so generell umschrieben werden, dass das Bewilligungssystem im Erfolg dem Konzessionssystem gleichkäme.

Auch die Anliegen des Gesundheitsschutzes sowie des Natur- und Heimatschutzes können beim Konzessionssystem viel eher berücksichtigt werden als beim Bewilligungssystem.

v

757 Es wäre ein Widerspruch, einerseits dem Eohrleitungsinhaber das Enteignungsrecht einzuräumen und dadurch das öffentliche Interesse an der Erstellung und am Betrieb der Anlage implizite anzuerkennen, und anderseits in Form einer Bewilligung lediglich eine Erlaubnis zum Bau und Betrieb einer Eohrleitungsanlage zu erteilen, eine Erlaubnis, von der der Bewilligungsinhaber nach Gutdünken Gebrauch oder nicht Gebrauch machen könnte. Die Ausübung einer im öffentlichen Interesse gelegenen und mit Hilfe des Enteignungsrechtes ermöglichten Tätigkeit verlangt auch die Übernahme gewisser Pflichten, die richtigerweise in einer Konzession zu umschreiben sind.

Das Konzessionssystem darf aber selbstverständlich nicht dazu benützt werden, den technischen Fortschritt zu hemmen und den Bau von Eohrleitungsanlagen künstlich zu behindern. Unser von den Weltmeeren abgelegenes Land ist darauf angewiesen, alle Benötigten Eohstoffe möglichst billig zu erhalten.

Der Umstand, dass durch eine Pipeline der Eheinschiffahrt oder den Bahnen Verkehr entzogen wird, darf nicht schon an sich ein Grund zur Verweigerung der Konzession sein.

Trotz dieser grundsätzlichen Stellungnahme zugunsten der Konzessionspflicht sind wir der Auffassung, dass diese nicht in der Verfassung, sondern im Gesetz statuiert werden soll. Schreibt nämlich die Verfassung die Konzessionspflicht der Eohrleitungsanlagen vor, so muss sie auch die Möglichkeit von Ausnahmen schaffen, denn, wie ausgeführt, sollen beispielsweise innerbetriebliche Leitungen oder die Verteilnetze der Stadtgas-Versorgungsunternehmungen nicht konzessioniert werden, ja voraussichtlich überhaupt nicht unter das Gesetz fallen.

Werden die Ausnahmen im Verfassungsartikel einzeln aufgezählt, so wird er schwerfällig und vielleicht binnen relativ kurzer Zeit revisionsbedürftig. Wird aber in den Verfassungsartikel nur eine allgemeine Ermächtigung an den Gesetzgeber, Ausnahmen von der Konzessionspflicht zuzulassen, aufgenommen, so hat der Gesetzgeber praktisch dann doch wieder freie Hand, wie weit er den Kreis der konzessionspflichtigen Leitungen ziehen will.

Auch die von verschiedenen Kantonsregierungen vorgeschlagene Bestimmung über die Berücksichtigung des Landschaftsschutzes beim Bau von Eohrleitungsanlagen möchten wir aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in den Verfassungsartikel,
sondern ins Gesetz aufnehmen.

Die vorgeschlagene Formulierung des Verfassungsartikels lässt die Einführung der Konzessionspflicht durch das Gesetz ohne weiteres zu. Der Text ist, wie ausgeführt, den übrigen Verkehrsartikeln der Bundesverfassung (Eisenbahn-, Schiffahrts- und Luftschiffahrtsartikel) nachgebildet. In allen diesen drei Fällen wurde nie bezweifelt, dass der Verfassungstext die Einführung der Konzessionspflicht zulasse. Die neuen Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung haben hieran nichts geändert. Nach deren Erlass führte der Bundesrat nämlich in seiner Botschaft vom 26. April 1957 über die Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel betreffend Atomenergie und Strahlenschutz, der ebenfalls ein reiner Kompetenzartikel ist, folgendes aus (BB11957 11157) :

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^

Indem die Gesetzgebung auf dem Gebiet der Atomenergie zur Bundessache erklärt wird, stehen dem Gesetzgeber sämtliche Möglichkeiten offen. Diese Auffassung wird geteilt von Burckhardt (Kommentar zur Bundesverfassung, S.Auflage, S.823f); sie kam auch schon in den bundesrätlichen Botschaften zum Luftschiffahrtsartikel (BEI 1910 II618, 619) beziehungsweise über den Schiffahrtsartikel (BB11917IV 819) zum Ausdruck. Sie muss auch im vorliegenden Fall Geltung haben.

In seiner Botschaft vom S.Dezember 1958 betreffend den Entwurf zu einem Bundesgesetz über die friedliche Verwendung der Atomenergie und den Strahlenschutz (BEI 1958 II 1525f.) hat der Bundesrat diese Auffassung ausdrücklich bestätigt. Sie ist unseres Wissens unwidersprochen geblieben. Es kann deshalb keinem Zweifel unterliegen, dass die vorgeschlagene Formulierung des Bohrleitungsartikels die Einführung der Konzessionspflicht im Ausführungsgesetz ohne weiteres erlaubt.

Vu. Die rechtliche Ordnung der Rohrleitungsanlagen im Ausland

In Frankreich sind je nach der Natur der Kohrleitung verschiedene Ordnungen anwendbar: - Private Bohrleitungen (z.B. Le Havre-Petit Couronne) unterstehen dem gemeinen Becht. Der Erwerb der Durchleitungsrechte hat freihändig zu erfolgen.

- Bohrleitungen, die ein Erdölvorkommen mit einer Baffinerie verbinden (z.B.

Parentis-Bec d'Ambes) unterstehen dem Bergrecht (code minier). Der Inhaber einer Ausbeutungskonzession erhält für den Transport der Produkte, die Gegenstand der Konzession bilden, bis zur Baffinerie die gleichen Bechte, wie der Staat sie besitzt (Expropriationsrecht).

- Die Gesellschaft Trapil, die durch ein Gesetz vom 2. August 1949 mit dem Bau und Betrieb der Fertigproduktenleitung Le Havre-Paris betraut wurde, hat zu diesem Zweck das Expropriationsrecht übertragen erhalten. Der Staat, der an der Gesellschaft beteiligt ist, verfügt über ein ausgedehntes Aufsichtsund Mitspracherecht.

- Weitere Leitungen von allgemeinem Interesse (z.B. das Projekt Laverà bei Marseille-Strassburg-Karlsruhe) unterstehen einer im Finanzgesetz für 1958 und in einem Ausführungsdekret hierzu vom 16.Mai 1959 aufgestellten Ordnung. Danach wird der Bau einer Bohrleitung bewilligt durch ein Dekret, das auf Antrag des Treibstoffministers, mit Gegenzeichnung durch den Finanzund den Transportminister und mit Zustimmung des Staatsrates (Conseil d'Etat) erlassen wird. Die Erstellung der Leitung hat den Charakter öffentlicher Arbeiten. Durch das Bewilligungsdekret werden die Bechtsform und die Statuten des Bewilligungsinhabers genehmigt. Die Tarife sind genehmigungspflichtig.

In Italien ist eine behördliche Zustimmung erforderlich für die Benützung des Bodens durch eine Bohrleitung. Der Betrieb der Leitung ist von einer Bewilligung der Finanzverwaltung abhängig. Bis jetzt bestehen keine Leitungen, wel-

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che Transporte für Dritte ausführen. Das ausgedehnte italienische Erdgasnetz wird von staatlich beherrschten Gesellschaften betrieben. - Ein Gesetzesentwurf sieht u.a. das Konzessionssystem, die Erteilung des Enteignungsrechts an den Beliehenen und das Heimfallsrecht zugunsten des Staates nach .Ablauf der auf höchstens 50 Jahre zu erteilenden Konzession vor.

In Österreich unterstehen die Leitungen, die vom Inhaber einer Bergrechtskonzession gebaut und betrieben werden, dem Bergrecht. Das Enteignungsrecht ist anwendbar. Für Gesellschaften, die andere Eohrleitungen betreiben, besteht keine besondere Ordnung. Sie unterliegen dem Handelsgesetzbuch, nach dem eine Bewilligung erforderlich ist. Ein in Ausarbeitung befindliches Gesetz für gewerbsmässige Rohrleitungstransporte sieht die Konzessionspflicht vor.

In Grossbritannien bestehen keine besonderen Vorschriften für Pipelines (ausgenommen für militärische). Veränderung des Bodens erfordern die Zustimmung der Planungsbehörde gemäss den «Town and Country Planning Acts». Diese Bewilligung schliesst jedoch kein Expropriationsrecht in sich. Die Erteilung des Expropriationsrechts setzt den Erlass eines Spezialgesetzes durch das Parlament voraus, was beispielsweise für den Bau der Leitungen StanlowPartington der Shell und Milford Haven-Llandarcy der British Petroleum Company geschehen ist.

In Spanien erklärt ein Gesetz vom Jahre 1958 die Schürfung, Ausbeutung, Lagerung und Eaffinierung von Kohlenwasserstoffen wie auch deren Transport durch Pipelines als von öffentlichem Nutzen. Der Inhaber einer Ausbeutungskonzession besitzt das Enteignungsrecht. Es bestehen aber bis jetzt keine kommerziell betriebenen Leitungen.

Die übrigen westeuropäischen Staaten besitzen noch keine Pipeline- Gesetzgebung. In der Bundesrepublik Deutschland befürwortet ein unlängst erschienenes Gutachten des «Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesverkehrsministerium» über Mineralölfernleitungen die Einführung der Genehmigungspflicht, was unserer Konzessionspflicht entspricht.

In den Vereinigten Staaten von Amerika sind alle Naturgaspipelines dem Bundesrecht unterstellt (Naturai Gas Act). Für die übrigen Pipelines (mit Ausnahme der Wasser- und Stadtgasleitungen) findet das Bundesrecht (Interstate Commerce Act) nur Anwendung, wenn sie dem öffentlichen Verkehr dienen und mehrere Gliedstaaten
berühren oder die Landesgrenze überschreiten.

Die «Interstate Commerce Commission» übt auf Bundesebene die Oberaufsicht aus. Die erfassten Pipelinegesellschaften haben die Transporttarif e nach bestimmten Gesichtspunkten festzusetzen, zu veröffentlichen und einzuhalten. Sonderrabatte, Dividenden und Gewinne dürfen pro Jahr einen bestimmten Prozentsatz des Wertes der Investitionen nicht überschreiten. Der öffentliche Verkehrsträger ist zur Ausführung von Transporten für Dritte verpflichtet, selbst dann, wenn er seine eigenen Transportbedürfnisse einschränken muss. Während einige Gliedstaaten in besonderen Fällen die Erteilung einer Konzession oder Bewilli-

760 gung vorsehen, besteht auf Bundesebene keine Konzessions- oder Bewilligungspflicht. In der Eegel werden die Durchleitungsrechte freihändig erworben. Es ist aber auch möglich, durch das Gericht das öffentliche Interesse an der Leitung feststellen zu lassen, worauf ein Enteignungsverfahren für die Durchleitungsrechte eingeleitet werden kann. In allen bundesrechtlich nicht erfassten Fällen liegt die Gesetzgebungskompetenz bei den Gliedstaaten.

In Kanada fallen die mehrere Gliedstaaten berührenden und die grenzüberschreitenden Bohrleitungen unter die Gesetzgebungskompetenz des Bundes.

Alle übrigen Pipelines unterstehen der Gesetzgebung der Provinzen. Sowohl die Bundes- wie die Provinzialgesetzgebung sehen ein Eegime vor, das unserer Konzessionspflicht entspricht. In der Konzession kann auch die Transportpflicht verankert werden.

Vin. Grundzüge des Gesetzes Der Entwurf eines Bundesgesetzes über Eohrleitungsanlagen zur Beförderung flüssiger, oder gasförmiger Brenn- oder Treibstoffe wird gegenwärtig bundesverwaltungsintern bereinigt. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, möchten wir hier kurz die wichtigsten Punkte erwähnen, die das Gesetz zu regeln haben wird.

Der Entwurf wird den Anwendungsbereich des Gesetzes und damit auch die Anlagen, die ihm nicht unterstehen, zu umschreiben haben. Sodann werden Bestimmungen aufzustellen sein über die Konzessionspflicht, so insbesondere die Voraussetzungen, unter denen die Konzession erteilt werden kann (Wahrung der Neutralität und Unabhängigkeit des Landes, der Interessen der Landesverteidigung, keine ernsthafte Gefährdung von Personen, Sachen oder andern wichtigen Kechtsgütern). Es wird für die Sicherung des schweizerischen Einflusses in den Eohrleitungsgesellschaften zu sorgen sein. Die Konzessionsbehörde ist zu bezeichnen, das Konzessionierungsverfahren (Anhörung der Kantone, amtliche Publikation mit. Einspracheverfahren), der obligatorische und fakultative Inhalt der Konzession sind zu regeln, nämlich Umschreibung des Inhabers, des Gegenstandes und der Dauer der Konzession, die Möglichkeit der Übertragung des eidgenössischen Enteignungsrechts an den Konzessionär, Auflagen, die sich aus Gründen der Landesverteidigung oder Landesversorgung als notwendig erweisen, Auflagen im Interesse der Zollverwaltung, Auflagen zum Schutze der Gesundheit sowie zum Schutze
des Landschaftsbildes. Sodann müssen Übertragung und Ende der Konzession geregelt werden.

Ein Abschnitt des Gesetzes wird dem Bau und Betrieb der Eohrleitungsanlagen zu widmen sein und das Planauflage-, Plangenehmigungs- und Expropriationsverfahren zu ordnen haben. Er wird auch Bestimmungen enthalten müssen über Kreuzungen mit Gewässern, mit, Verkehrswegen oder andern Leitungen, über die Tragung der Kosten für Sicherungsmassnahmen bei solchen Kreuzungen, über die Aufsichtsbefugnisse der zuständigen Behörden. Im Interesse der leichteren Anpassung an die Entwicklung sollen jedoch die technischen

761 Vorschriften über Bau und Betrieb der Pipelines nicht im Gesetz selber aufgestellt, sondern in eine Verordnung des Bundesrates verwiesen werden.

Ferner müssen die zivilrechtliche Haftung des Eohrleitungsinhabers sowie die Versicherungspflicht geordnet und schliesslich gewisse Straf- und Schlussbestimmungen aufgestellt werden.

Abschliessend beantragen wir Ihnen, den beiliegenden Beschlussesentwurf über die Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel 26bls betreffend Kohrleitungsanlagen zur Beförderung flüssiger oder gasförmiger Brenn- oder Treibstoffe anzunehmen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 28.August 1960.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Max Petitpierre · Der Bundeskanzler: Ch. Oser

Bundesblatt. 112. Jahrg. Bd. II.

54

762 (Entwurf)

Bundesbeschluss über

die Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel 26bls betreffend Rohrleitungsanlagen zur Beförderung flüssiger oder gasförmiger Brenn- oder Treibstoffe

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, in Anwendung von Artikel 85, Ziffer 14,118 und 121, Absatz l der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 28. August 1960, beschliesst : I.

In die Bundesverfassung wird folgende Bestimmung aufgenommen:

Art. 26^ Die Gesetzgebung über Bohrleitungsanlagen zur Beförderung flüssiger oder gasförmiger Brenn- oder Treibstoffe ist Bundessache.

II.

Dieser Beschluss wird der Abstimmung des Volkes und der Stände unterbreitet. Der Bundesrat ist mit dem Vollzug beauftragt.

5233

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel betreffend Rohrleitungsanlagen zur Beförderung flüssiger oder gasförmiger Brenn- oder Treibstoffe (Vom 23. August 1960)

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08.09.1960

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