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Bundesblatt

112. Jahrgang

Bern, den 22. Dezember 1960

Band II

Erscheint wöchentlich. Preis 30 Franken im Jahr, 16 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr 60 Happen die Petitzelle oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli & Cie. in Bern

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Botschaft des

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Bundesrates an die Bundesversammlung über die Beitragsleistung der Schweiz an das Internationale Erziehungsamt (Vom 12 Dezember 1960)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Gestützt auf eine Botschaft des Bundesrates vom 9. August 1951 hatte die Bundesversammlung mit Bundesbßschluss vom 28. Januar 1952 beschlossen, dem Internationalen Erziehungsamt für die Zeit vom I.Januar 1951 bis 31.Dezember 1960 einen jährlichen Beitrag von 50 000 Franken auszurichten. Der Beitrag der Eidgenossenschaft war mit einer einzigen Bedingung verknüpft, die in Artikel 2 des erwähnten Beschlusses enthalten war und folgendermassen lautete: Sollte sich die finanzielle Lage des Internationalen Erziehungsamtes wesentlich verbessern, so könnte der Beitrag anlässlich der Ausarbeitung des Voranschlages herabgesetzt werden.

In den vergangenen Jahren hat die von der Eidgenossenschaft gewährte materielle Unterstützung keine Änderung erfahren. Da die Gültigkeitsdauer des Bundesbeschlusses vom 28. Januar 1952 am 31. Dezember des laufenden Jahres zu Ende geht, gelangen wir an Sie, damit Sie die Weiterführung der schweizerischen Beitragsleistung an das Internationale Erziehungsamt vorsehen.

Dieses internationale Amt wurde 1925 auf Initiative schweizerischer Wissenschafter, unter denen namentlich Edouard Claparède, Pierre Bovet und Adolphe Perrière zu nennen sind, in Genf gegründet. Es hat zur Aufgabe, als Informationszentrum für alle mit dem Erziehungswesen zusammenhängenden Fragen zu Bundesblatt. 112. Jahrg. Bd. II.

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1410 dienen und dadurch zu bewirken, dass ein jedes Land angeregt wird, aus den Erfahrungen der andern Nutzen zu ziehen.

Erst 1929 erhielt das Erziehungsamt ein rechtliches Statut, das den für seine Tätigkeit sich interessierenden Eegierungen und Institutionen ermöglichte, mit einem Jahresbeitrag von mindestens. 10 000 Franken Mitglied zu werden.

Die Schweiz trat dem Amt 1984 bei. Als einzige öffentlichrechtliche Körperschaft der Schweiz hess ihm damals der Kanton Genf einen Beitrag zukommen, der zunächst als Mitgliedbeitrag der Schweiz galt. Die Eidgenossenschaft gewährte ihm ihrerseits ihre diplomatische Unterstützung, indem sie die Mitglied- und die Nichtmitgliedstaaten alljährlich einlud, sich an der Internationalen Erziehungskonferenz in Genf vertreten zu lassen. Diese Verhältnisse bestanden bis zum zweiten Weltkrieg.

Nach Schluss der Feindseligkeiten erhob sich für das Internationale Er' ziehungsamt vor allem ein Problem finanzieller Art, da die Mitgliedstaaten damals ihren Wiederaufbauprogrammen den Vorrang gaben und nicht alle in der Lage waren, ihre Beitragsleistungen wieder aufzunehmen. Ausserdem sah sich das Internationale Erziehungsamt, als im November 1945 die Unesco gegründet wurde, vor die Wahl gestellt, entweder dieser neuen Institution eingegliedert zu werden oder mit ihr zusammenzuarbeiten.

Die zweite Lösung, die dem Erziehungsamt gestattete, sich an der Tätigkeit der Unesco zu beteiligen, dabei aber seine Selbständigkeit und seinen Sitz in Genf zu bewahren, hatte unserer Ansicht nach den Vorzug, dass dadurch ein Werk anerkannt wurde, dessen über zwanzigjährige Tätigkeit seine Wirksamkeit bewiesen hatte. Deshalb beschlossen wir im Jahre 1945, dieser Institution die Erleichterungen zuzugestehen, die wir den in unserem Lande niedergelassenen internationalen Organisationen üblicherweise gewähren, und ihr einen ausserordentlichen Jahresbeitrag von 50 000 Franken auszurichten. Es war in der Tat stossend, dass das Erziehungsamt von dem Land, in dem es seit seiner Gründung seinen Sitz hatte, keinen Beitrag erhielt; ausserdem bestand die Gefahr, dass, wenn wir ihm keine Unterstützung gewährten, die andern Länder ihre Zahlungen nicht wieder aufnehmen würden.

Zwei Jahre später, 1947, wurde zwischen der Unesco und dem Internationalen Erziehungsamt eine provisorische Vereinbarung getroffen,
welche die Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen regelte.

Diese Vereinbarung wurde bis 1950 verlängert und dann in jenem Jahr, auf Grund einer Entschliessung der Generalkonferenz der Unesco, in eine endgültige Vereinbarung von unbeschränkter Dauer geändert. Somit hatte das Erziehungsamt einen gesicherten Weg vor sich und war lebensfähig. Deshalb beschloss die Bundesversammlung am 28. Januar 1952, den ausserordentlichen Beitrag in einen ordentlichen, im Voranschlag der Eidgenossenschaft aufzuführenden, Jahresbeitrag von 50 000 Franken umzuwandeln. Durch Annahme dieses Beschlusses trugen. Sie dem Umstand Eechnung, dass das Internationale Erziehungsamt seinen Sitz in unserem Lande hat, dass sein Direktor und die Mehr

1411 zahl seiner Beamten Schweizerbürger sind und dass die Internationale Erziehungskonferenz alljährlich in Genf stattfindet.

Unter der Ägide der gemischten Kommission Unesco - Internationales Erziehungsamt, in der die Schweiz durch den Chef der Abteilung für internationale Organisationen des Politischen Departementes vertreten ist, verstärkte sich die Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen. Das Erziehungsamt wurde beauftragt, für die Unesco verschiedene Umfragen durchzuführen, und erhielt von ihr moralische und finanzielle Unterstützung im Hinblick auf die Veranstaltung der internationalen Erziehungskonferenzen. Seit 1951 hat die Unesco das Erziehungsamt mehrmals zur Mitarbeit aufgefordert, namentlich für Umfragen über die Einführung in die exakten und in die Naturwissenschaften, über die Anstellungsbedingungen des Lehrpersonals, über die allgemeine Einführung und die Verlängerung des unentgeltlichen, obligatorischen Unterrichtes und über die Zulassung der Frauen zum Unterricht.

Heute stellt sich nun die Frage, ob unter Berücksichtigung der gegenwärtigen finanziellen Lage des Internationalen Erziehungsamtes der ihm von der Eidgenossenschaft bisher gewährte Beitrag zu erneuern ist.

Um diese Frage beurteilen zu können, sind die folgenden Angaben zu berücksichtigen : ·n,j.

mnnanmen

Beitrag der Eidgenossenschaft . . .

Beitrag des Kantons Genf Beiträge der andern Mitgliedstaaten .

Beitrag der Unesco Verschiedenes Total Ausgaben Gehälter Veröffentlichungen Allgemeine Unkosten Verschiedenes Total

Rechnung 1950 Kechming 1959 Voranschlag 1960 Franken Franken Franken

50 000 10 000 47 000 *) 67 400 20000 194400

50 000 10 000 220 500 2) 80 500 81500 442500

50 000 10 000 255 000 101 000 48000 459000

130 500 81200 19100 24000 204800

240 500 118700 28 000 68000 450 200

245 000 127000 35 000 52000 459000

1

) Hinzu kam die Einzahlung rückständiger Beitragsleistungen : 55 600 Pranken.

) idem : 23 000 Pranken.

2

Mit der Zunahme der Zahl der Mitgliedstaaten von 20 im Jahre 1950 auf 46 im Jahre 1960 ist die finanzielle Unterstützung der Eidgenossenschaft von rund 30 Prozent der gesamten Beiträge und Subventionen auf 12 Prozent im Jahre 1960 gefallen. Dabei ist hervorzuheben, dass dieser prozentuale Anteil höher ist als im Falle aller andern internationalen Organisationen, die in unserem Lande niedergelassen sind, doch haben wir mehrere Gründe in Betracht zu ziehen, die zugunsten dieses hohen Prozentsatzes sprechen, nämlich den Um-

1412 stand, dass das Internationale Erziehungsamt von schweizerischen Wissenschaftern in Genf gegründet worden ist und dass es mehrheitlich schweizerisches Personal beschäftigt, ferner die Tatsache, dass der Einfluss dieses auf schweizerische Anregung zurückgehenden Werkes weit über unsere Landesgrenzen hinausreicht, sowie den Wunsch, dass das Amt seinen Sitz in Genf beibehalten kann.

Da der Kanton Genf dieser Institution seit ihrer Gründung materielle Hilfe gewährt hat und gewisse Kosten weitgehend selbst übernimmt (das Erziehungsamt bezahlt ihm jährlich eine Pauschalsumme von 2100 Franken für Miete, Heizung und Elektrizität), ziemt es sich zudem, dass die Eidgenossenschaft ihrerseits eine Anstrengung unternimmt. Schliesslich trägt die Unesco, der das Erziehungsamt 1946 hätte eingegliedert werden können, zu dessen Fortbestand durch eine Subvention bei, die sich in zehn Jahren von 67 400 auf 101 000 Franken erhöht hat.

In bezug auf die Ausgaben des Internationalen Erziehungsamtes ist zu bemerken, dass die Personalkosten von 130 500 Franken im Jahre 1950 auf 245 000 Franken im Jahre 1960 gestiegen sind. 68 Prozent der Aufwendungen für die Gehälter des ständigen Personals werden Angestellten schweizerischer Nationalität ausgerichtet, während beim nichtständigen Personal der auf Schweizerbürger entfallende Anteil noch höher liegt. Hervorzuheben ist, dass die Besoldungsansätze des Erziehungsamtes ziemlich niedrig sind: die Jahresgehälter bewegen sich zwischen 8100 und 17 600 Franken. Unter den Ausgaben des Erziehungsamtes sind ferner die Druckkosten für Veröffentlichungen zu erwähnen, die 1950 31 200 Franken betrugen und heute 125 000 Franken übersteigen. Diese Veröffentlichungen umfassen Berichte über die vom Erziehungsamt durchgeführten Umfragen, Monographien über die Organisation des Unterrichtswesens in diesem oder jenem Land, das internationale Jahrbuch für Erziehung, das die Berichte der Regierungen über die im Unterrichtswesen erzielten Fortschritte enthält, ein Vierteljahresbulletin, das einen kurzen Überblick über die wichtigsten, die Pädagogik betreffenden Ereignisse in den verschiedenen Ländern gibt und die Neuerscheinungen auf dem Gebiet der pädagogischen Literatur anzeigt, Schliesslich bibliographische Karteikarten.

Neben diesen Tätigkeitsgebieten weisen wir auf die Internationale
Erziehungskonferenz hin, die alljährlich in Genf stattfindet und zu einer der bedeutendsten internationalen Veranstaltungen auf dem Gebiete des Erziehungswesens geworden ist. 1950 vereinigte diese Konferenz 65 Delegierte von 42 Eegierungen; an der letzten Konferenz, im Juli 1960, nahmen 191 Delegierte, darunter 15 Erziehungsminister und 11 Vizeminister, teil, die 78 Staaten vertraten. Auf Grund von Empfehlungen der Konferenz hat das Internationale Erziehungsamt bereits zu den folgenden Fragen Stellung genommen : die Ausbildung und die Besoldung der Primär- und der Mittelschullehrer ; die Systeme zur Finanzierung des Erziehungswesens ; die Inspektion des Unterrichts ; die Förderung von Schulhausbauten; die Bildungsmöglichkeiten in ländlichen Gegenden; die Ausarbeitung und der Erlass der Programme für den Primär- und den Mittelschul-

1413 Unterricht; die Ausbildung des technischen und des wissenschaftlichen Nachwuchses usw.

Schliesslich bildet die ständige Ausstellung über den öffentlichen Unterricht, die das Internationale Erziehungsamt an seinem Sitz eingerichtet hat, ein vorzügliches Mittel, um den einzelnen Ländern Einblick in die Erfahrungen zu geben, die die andern auf dem Gebiete des Erziehungswesens gesammelt haben. Es handelt sich dabei um die einzige ständige internationale Ausstellung über pädagogische Fragen. Die Zahl der ausstellenden Länder ist von 12 im Jahre 1950 auf 26 im Jahre 1960 gestiegen.

Was die Zukunft betrifft, so ist zu erwarten, dass gewisse künftige Tätigkeitsgebiete des Erziehungsamtes sich im Zusammenhang mit den neuen Aufgaben, welche die Unesco auf ihr Programm setzen wird, entwickeln werden.

Eines der Ziele, die das Amt anstreben wird, ist die Universalität. Besondere Anstrengungen sollen unternommen werden, um zur Mitarbeit an seinem Werk alle jene Länder zu gewinnen, die zwar regelmässig an den internationalen Erziehungskonferenzen teilnehmen, jedoch noch nicht Mitglied des Erziehungsamtes geworden sind. Das Erziehungsamt mit seiner reichhaltigen Bibliothek und Dokumentation wird zweifellos auch der «Zentralen Informationsstelle für Schulund Erziehungsfragen» von Nutzen sein,- die Bund und Kantone gemeinsam in Genf zu errichten planen.

Ferner wird es sich vornehmlich mit der internationalen Ausbildung der mit dem Aufbau des Schulwesens betrauten Kader und der für bestimmte Missionen beauftragten Experten befassen, wie auch damit, den vor kurzem unabhängig gewordenen Ländern seine Dokumentation und seine Organisation zur Verfügung zu stellen.

Deshalb kann gesagt werden, dass jede Verringerung der wesentlichen Hilfe, welche die Eidgenossenschaft dem Erziehungsamt bisher gewährt hat, nicht nur den Gang seiner Entwicklung hemmen würde, sondern auf die andern Mitgliedstaaten auch eine nachteilige psychologische Wirkung hätte. Es darf nicht vergessen werden, dass die feste Haltung der schweizerischen Eidgenossenschaft und die Hilfe, die sie 1947 gewährte und 1952 für zehn Jahre erneuerte, das Internationale Erziehungsamt davor bewahrt haben, der Unesco eingegliedert und nach Paris verlegt zu werden.

Unter diesen Umständen beantragen wir Ihnen, den Beitrag der Eidgenossenschaft an das Internationale
Erziehungsamt in der Höhe von jährlich 50 000 Franken für die Dauer von zehn Jahren, das heisst für die Zeit vom" I.Januar 1961 bis 31. Dezember 1970 zu erneuern. Wie bereits früher, erachten wir es als angezeigt, die Möglichkeit einer Herabsetzung des Beitrages vorzubehalten, für den Fall, dass sich die finanzielle Lage des Erziehungsamtes wesentlich verbessern sollte.

Zu diesem Zweck empfehlen wir Ihnen, den nachstehenden Entwurf zu einem Bundesbeschluss anzunehmen.

1414 Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 12. Dezember 1960.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der V i z e p r ä s i d e n t : Wahlen Der Bundeskanzler : Ch. Oser (Entwurf)

Bundesbeschluss über

den Beitrag der Schweiz an das Internationale Erziehungsamt in Genf Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des'Bundesrates vom 12. Dezember 1960, beschliesst:

Art. l Der jährliche Beitrag an das Internationale Erziehungsamt in Genf wird für die Jahre 1961 bis 1970 auf 50 000 Franken festgesetzt.

Art. 2 Sollte sich die finanzielle Lage des Internationalen Erziehungsamtes wesentlich verbessern, so könnte der Beitrag anlässlich der Ausarbeitung des Voranschlages herabgesetzt werden.

Art. 8 Dieser Beschluss ist nicht allgemein verbindlich und tritt sofort in Kraft.

Der Bundesrat ist mit dem Vollzug beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Beitragsleistung der Schweiz an das Internationale Erziehungsamt (Vom 12. Dezember 1960)

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22.12.1960

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10 041 160

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