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Schweizerisches Bundesblatt

44. Jahrgang. V.

Nr. 52.

21. Dezember

1892.

Jahresabonnement (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken.

Einrückungsgebühr per Zeile 15 Rp. -- Inserate sind franko »n die Expedition einzusenden.

Druck und Expedition der Buchdruckerei Karl Stämpfli & Oie in Bern.

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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend die Sendung von Delegirten zum Studium der Weltausstellung in Chicago.

(Vom 14. Dezember 1892.)

Tit.

Sie haben uns durch Bundesbeschluß vom 24. Juni 1892 eingeladen, Ihnen in der Dezembersession Über die Frage Bericht zu erstatten, ,, o b e s a n g e z e i g t sei, d i e S e n d u n g v o n Delegirten zum Studium der Weltausstellung in Chicago finanziell zu unterstützen, eventuell, welche Kred i t e h i e z u e r f o r d e r l i c h seien".

Unser Departement des Auswärtigen, Handelsabtheilung, hat zu diesem Zwecke u. A. die Kantonsregierungen, den Schweizerischen Gewerbeverein und den Schweizerischen Handels- und Industrieverein, ferner die Herren Guyer-Freuler (schweizerischer Kommissär an der Weltausstellung in Philadelphia, 1876 und Generalkommissär an der Weltausstellung in Paris 1878), und Herrn Oberst VögeliBodmer (schweizerischer Generalkommissär an der jüngsten Weltausstellung in Paris '1889), um ihr Gutachten ersucht. Außerdem ist u. A. namentlich die durch ähnliche Abordnungen an frühere Ausstellungen entstandene Literatur zu Rathe gezogen worden.

Wir beehren uns, Ihnen als Resultat unserer Untersuchung Folgendes au berichten.

Bundesblatt. 44. Jahrg.

Bd. V.

55

836

I.

Nach der Anregung und dem ersten Antrag des Herrn Nationalrath Meister handelt es sich um die Sendung von ,,Delegirten des Kleingewerbes und der Arbeiter verschiedener Industrien".

Delegationen dieser Art gingen seiner Zeit nach London (1862), Wien (1873) und Paris (1878 und 1889), diejenige nach Wien mit kantonaler und eidgenössischer Unterstützung und Organisation, die letztem nur mit kantonaler Unterstützung und ohne einheitliche Leitung.

Für die Delegation nach Wien wurden zwei eidgenössische Unterkommissäre bestellt und ein Regulativ festgesetzt. Es wurden 15 Reisegruppen, zu durchschnittlich 32 Mann (zusammen 479 Mann) mit je zwei Führern, formirt. Die Delegirten hatten freie Reise von der gemeinschaftlichen Abgangsstation Romanshorn nach Wien und zurück (die ausländischen Bahnen gewährten Taxermäßigung auf die Hälfte), ferner freie Wohnung und Beköstigung, freien Eintritt in die Ausstellung und erhielten im Falle von Krankheit unentgeltlich ärztliche Pflege. Die Dauer der Reise und des Aufenthalts in Wien war auf zusammen 14 Tage festgesetzt; auf der Rückreise durfte ein Aufenthalt in München gemacht werden. Die Gesammtkosten betrugen Fr. 9d,172, gleich zirka 200 Franken per Mann; dieselben wurden zur Hälfte vom Bund, zur Hälfte von den Kantonen bestritten. ,,Ueber das Gesehene, beziehungsweise Gelernte", mußte jeder Subventionirte längstens vier Wochen nach seiner Rückkehr an seine Kantonsregierung einen schriftlichen Bericht erstatten. Diese Berichte wurden schließlich dem eidgenössischen Departement des Innern zur Einsichtnahme gesandt, welches seinerseits Herrn Adolf Lasche, damals Rektor der Kantonsschule in Bern, mit einem Referat über dieselben beauftragte.

Diesem Referate entnehmen wir folgende Stellen, in welchen das Wesen der in Frage stehenden Delegationen und der Berichte derselben sehr zutreffend geschildert und dargethan wird, wie es in der Natur der letzteren liegt, daß sie je nach der Individualität der einzelnen Delegirten nach Form und Inhalt äußerst verschieden sind und dass im Allgemeinen der Werth der Delegationen nicht in greifbaren Resultaten, sichtbaren Fortschritten der betreffenden inländischen Industrie- und Gewerbszweige gesucht werden darf, sonderò mehr in den mannigfachen Eindrücken liegt, welche jeder einzelne Theilnehm zu seiner p e r s ö n l i c h e n Belehrung und Anregung erhält.

,,Das Motiv," sehreibt der genannte Referent, ,,welches der amtlichen Verfügung über die schriftliche Berichterstattung zu

837 Grunde lag, war wohl kein anderes, als der Wunsch, durch Auferlegung einer Art von Gegenleistung die Subventionirten anzuspornen, ihre Zeit in Wien so zu verwenden, chß für einen Jeden ein möglichst hoher Nutzen des Besuches erzielt werde.

,,Gleichzeitig eröffnete die Auferlegung einer schriftlichen Berichterstattung auch die Blöglichkeit, aus dem Kreise des Handwerkerstandes selbst einzelne Erfahrungen und Wünsche bezüglich der Leistungen, der Leistungsfähigkeit des inländischen Gewerbestandes, seiner Vorzüge oder Mängel zu vernehmen.

,,Dagegen konnte die Behörde wohl von Anfang an nicht erwarten, aus den zu erstattenden Berichten wesentliche allgemein volkswirtschaftliche Resultate schöpfen zu können. Der H a u p t zweck der S u b v e n t i o n i r u n g war ja die B e l e h r u n g u n d A n r e g u n g des E i n z e l n e n für sein Fach, -- die Berichterstattung sollte von dieser i n d i v i d u e l l beruflichen Anregung und Belehrung Rechenschaft geben ,,Da der Bildungsgrad der Subventionirten begreiflicherweise ein sehr verschiedener, so ist schon aus diesem Grunde zu vermuthen, daß die Berichte eine außerordentliche Verschiedenheit darbieten werden, -- verschieden nach Umfang, verschieden nach Form, verschieden nach Inhalt.

,,Bezüglich des Umfanges variiren die Berichte von einer einzigen Quartseite bis zu dicken, viele Bogen umfassenden Heften, -- bezüglich der Form und Darstellung begegnen wir den allerverschiedensten Stufen, -- und bezüglich des Inhaltes bietet sich ebenfalls eine große Mannigfaltigkeit, dar. Eine ziemliche Anzahl von Berichten, sowohl der kürzeren als der umfangreicheren, ist eine Reisebcschreibung und allgemeine Beschreibung der Ausstellung überhaupt, -- eine sehr erhebliche Anzahl von Berichten enthält eine Aufzahlung der aus dem Berufsgebiete des Betreffenden ausgestellten Gegenstände, -- und viele andere Berichte können mehr oder weniger Fachberichte genannt werden, welche sich auf eine Erzählung und Beurtheilung desjenigen erstrecken, was der Verfasser in seinem Berufe nicht bloß gesehen, sondern beobachtet und gelernt hat ,,Bezüglich des weiteren Inhaltes der Berichte konstatiren wir mit großer Freude, daß eine ganz bedeutende Anzahl der Subveutionirten erklärt, sowohl im Allgemeinen als für ihren Beruf bedeutende Anregung und Belehrung erhalten zu haben. Der
Bestich der Ausstellung selbst -- überwältigend, erhebend sowohl durch die Menge und Auswahl des Ausgestellten, des vielen Neuen, Vollkommenen und Schönen, als auch durch das äußere Arrangement, durch den Ausslellungspalast und seine Umgebungen -- der

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damit verbundene Besuch Wiens, seiner Sehenswürdigkeit?» in historischer, künstlerischer, gewerblicher und geographischer Beziehung, der tausendfältige Anschauung bietende Besuch einer Großstadt, die Eigentümlichkeiten gerade dieser zwischen Orient und Occident liegenden Großstadt, die Reise dahin, -- Alles das hat den Subventionirten eine Fülle von Anschauungen geboten, welche vielfache Erinnerungen und zahlreiche Anregungen der verschiedensten Art zurücklassen, welche eine Quelle bilden, aus welcher Jahre lang Stoff zur Unterhaltung, Belehrung und Erheiterung geschöpft werden kann, eine Quelle, welche belebend und befruchtend auf manchen sehr bescheidenen isolirten beruflichen Wirkungskreis wirkt. In außerordentlich vielen Berichten spricht sich direkt und indirekt Freude und Befriedigung in dieser Beziehung aus. Für viele der Subventionirten wird die Reise nach Wien und der Besuch der Ausstellung eine gewisse Festzeit in ihrem sonst vielleicht mehr oder weniger einförmigen, auf sehr eng gezogene Kreise des Anschauens und Wirkens beschränkten Leben bilden. Dieses Ansehauen von einem Stück Welt wird ihnen unvergeßlich bleiben !

,,Auf dem speziellen Gebiete der beruflichen Belehrung, welches bei der Subventionirung zunächst in's Auge gefaßt war, begegnen wir in den Berichten natürlich sehr verschiedenen Beobachtungen, Urtheilen und Geständnissen. Eine ganz unbedeutende Anzahl von Berichterstattern sagt, daß sie für ihren Beruf wenig oder gar nichts Neues gesehen und gelernt. Die allergrößte Mehrzahl bekennt vielmehr dankend, daß sie in ihrem Fache viel gesehen und gelernt haben, und daß sie das Gelernte hei sich darbietender Gelegenheit zu verwerthen hoffen. Einzelne fügen bei, daß sie das Gelernte in ihrem Berufe schon zur Anwendung gebracht und verwerthet haben, z. B. durch Nachahmung ausgestellter Gegenstände oder durch Verbesserungen in der bisher gewohnten Methode der Arbeit, durch Anschaffung vollkommenerer Werkzeuge und erklärt, daß er seit dem Besuche der Ausstellung viel energischer arbeite und sich und seine Leistungen zu vervollkommnen suche.l O denn er sei. sich in der Ausstellung wie ein ,,Lehrling" vorgekommen.

,,Ebenso fügen verschiedene Berichte bei, daß man aus der Ausstellung Nutzen gezogen durch die gemachte Bekanntschaft mit neuen Bezugs- oder Absatzquellen, daß man Adressen,
Prospekte, Zeichnungen und dergleichen gesammelt, welche nach und nich früher oder später eine Benutzung finden werden ,,Einmal wird die immer größere Wichtigkeit der Hülfsmaschinen auch für den kleineren Handwerker vielfach betont und dabei auf die gefährliche Stellung -hingewiesen, in welche manche Handwerke

839 durch den Groß- und Fabrikbetrieb gedrängt werden, und zweitens wird in vielen Berichten der Erkenntniss Raum gegeben, daß sowohl die allgemeine als die berufliche Ausbildung unserer Handwerker der allseitigsten Aufmerksamkeit und Förderung bedürfe, um mit dem raschen und gediegenen Vorwärtsschreiten des Auslandes Sehritt halten zu können.

,,Wir lassen aus einigen Berichten die betreffenden Stellen hier wörtlich folgen.

Ein Schreiner: ,,Bei Betrachtung dieser Hülfsmaschinen dürfte es dem den,,kenden Kleinhandwerker klar werden, daß dieselben ihn mit der ,,Zeit stark bedrängen werden und er sich nur dadurch wird retten "können, wenn er bich auf die Erstellung nur einzelner Gegen,,stände seines Handwerks beschränkt und sie in vollendeter Arbeit ,,herstellt," Ein Schlosser: ,,Aus dem ganzen Gesehenen ziehe ich den Schluß, daß mir ,,der Handwerker seine Existenz noch behaupten kann, der mit ,,allem Fleiß dahin strebt, mit möglichst vortheilhaften Werkzeugen ,,zu arbeiten, indem die Fabriken und großen Etablissement durch ,,diese Ausstellung zeigen, wie sie den Handwerker überflügeln.

,,Auch besitzen dieselben schon darin einen Vortheil, daß, besonders ,,in der Jetztzeit, die bessern Arbeiter sich dahin ziehen, wo sie ,,bei kürzerer Arbeitszeit und weniger körperlicher Anstrengung ,,ebenso hohen oder noch höheren Lohn verdienen. Auch ist eine ,,Hauptsache, daß der einzelne Handwerker eine gute Schulbildung ,,genießt und sich technische Kenntnisse erwirbt, da er nur dann ,,den Anforderungen der Zeit entsprechen und die obengenannte ,,Konkurrenz aushallen kann" Ein Schreiner: ,,Eine unleugbare Thatsache ist und bleibt diese, daß, wie ich ,,glaube, ein Jeder von uns fühlen mußte, daß wir noch weit, weit ,,hinter unsern Nachbarn und namentlich in unserm Fache zurück,,stehen. Diese Demüthigung haben wir Alle erlitten, und es sollte "unser Handwerkerstand allen Ernstes auf Mittel und Wege denken, "wie solchen Uebelständen abzuhelfen sei. Allervorder sollten ,,tüchtige Gewerbschulen in's Leben gerufen werden, vom Staate ,,und vom Handwerkerstand unterstützt."

Ein Wagner : ,,Schließlich erlaube ich mir noch, zu bemerken, daß unsere ,,Stellung zu den Wagenfabriken je länger je unhaltbarer werden

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,,muß. Die Arbeitslöhne sind enorm gestiegen und trotzdem sind ,,Arbeiter besonders auf Dorfschaften beinahe gar nicht mehr er,,hältlich. Alles läuft den Städten und den Fabriken zu, wo meist ,,noch höhere Löhne und zudem leichtere Arbeit zu finden ist, ,,indem gerade das Schwerste durch Maschinen gemacht wird, und ,,der Arbeiter so zu sagen nur noch die Zusammensetzung zu be,,sorgen hat. Andrerseits kann Handarbeit punkto Schönheit, Ge,,nauigkeit und auch Solidität nur sehr schwer neben MaschinenArbeit konkurriren. Es bleibt uns daher nichts übrig, als ebenfalls, ,,so viel thunlich, Maschinen anzuschaffen. a Ein Schreiner : ,,Diese (Hülfs-) Maschinen geben uns zu deutlich zu verstehen, ,,daß jene Zeit immer näher rückt, wo wir trotz mühsamer Arbeit ,,ohne Maschinen nicht mehr vorwärts kommen können und jeder ,,Handwerker alles Ernstes sich mit deren Einrichtung und An,,schaffung vertraut machen sollte. Was aber oft leider Einer nicht ,,allein vermag, das sollten Mehrere mit einander anschaffen können. a Ein Wagner: ,,Bei diesen Maschinen wäre ich so gern Tage lang geweilt, "mir wurde hier so wohl und doch so weh zu Muthe; wohl, weil ,,ich mich bei meiner Arbeit fand, -- weh, weil ich so recht die ,,eigene Unvollkommenheit sah. Doch an solchem Orte werden ,,Gedanken wach und Pläne fangen an zu reifen. a Bezüglich der Hebung der Produkte vieler Handwerke in Bezug auf Geschmack und künstlerischen Werh und die Bildung der Handwerker für diese gehobenen Leistungen sagt ein Bericht u. A.

Folgendes: ,,Unsere Nachbarstaaten Frankreich, Oesterreich, Deutsch,,land und Italien verwenden für Ausbildung und Verbreitung der ,,Künste ungeheure Summen bis in die Millionen. Wir Schweizer ,,sind noch immer in der bedauernswürdigen Lage, vorn Auslande ,,unsere Bildung in .Kunst und Gewerbe zu erhäschen. Durch Belehrung über Künste, durch Einwirkung ihrer Werke auf die ,,Massen muß erhöhtes Interesse für dieselben geweckt werden.

,,Die jetzigen Bedürfnisse der Menschheit, die verfeinerten ,,Sitten und Gewohnheiten, mit einem Worte der gegenwärtige "Kulturzustand stellt un die produzirenden Kräfte Forderungen, ,,welche zu erfüllen ohne vermehrte Bildung immer schwerer mög,,lich ist. Bereits fängt man an, vom Auslande, wo staatliche ,,Gewerbeschulen den Arbeiter vervollkommnen, sich bessere und ,,elegantere Arbeiten
zu holen. Es ist dieß ein deutlicher Beweis, ,,daß die Lehrmethode, welche bis jetzt Usus war, nicht mehr ,,genügt, um dem Handwerker den vielgerühmten goldenen Boden ,,wieder zu verschaffen.

841 ,,In Amerika z. B. verdankt der Gewerbestand seine Blüthe ,,einzig seiner Energie und seiner Bildung; dort wird aber auch in ,,dieser Beziehung unendlich mehr geleistet, als bei uns. Daß die ,,Bildung der arbeitenden Klassen dort und bei uns nicht gleich ,,sein kann, liegt klar auf der Hand. Man staunt die Werke der ,,nordamerikanischen Arbeiter förmlich an. Alle unsere Handwerker, ,,die nach Nordamerika ausgewandert, gestehen, daß sie noch sehr ,,viel zu lernen hatten, um dort mit Vortheil arbeiten zu können.

,,Mit Recht betone ich also gute Bildung als ein Fundament des ,,Handwerkerstandes und zugleich als einen Damm gegen die ,,Maschinenkonkurrenz."

Bin Maler: ,,Verfolgen wir die Bildungsstufen von der Volksschule auf,,wärts, so entdecken wir bald eine Lücke, nämlich den Mangel ,,an Gewerbeschulen, die auch den untern Volksklassen zugänglich ,,sein sollten. In dieser Beziehung konnte man in der Ausstellung ,,vielfach die Beobachtung machen, daß viele andere Staaten der ,,Schweiz vorausgeeilt sind und letztere hierin besiegt dasteht. Es ,,sollte sich deßhalb jeder patriotische Bürger zur Pflicht machen, ,,solche Institute auch in unserem Vaterlande anzustreben, wenn ,,wir nicht Gefahr laufen wollen, in manchem Gewerbszweige über,,flügelt zu werden. Trachten wir also noch zur rechten Zeit, diese ,,Lücke auszufüllen."

Ein Bauzeichner : ,,Aus Deutschand und Oesterreich fielen mir die guten Leistungen ,,der Schüler von Gewerbeschulen auf. Diese Anstalten bilden ,,tüchtige Handwerker; sie geben den Schülern in verhältnißmäßig ,,kurzer Zeit die für seinen Beruf nöthigsten theoretischen Kennt,,nisse. Es ist nicht jedem zukünftigen Arbeiter vergönnt, ein Poly,,technikum zu besuchen; es ist das auch nicht nöthig; dagegen ,,wären niedere Fachschulen und gute Fortbildungsschulen von ,,größtem Nutzen. In unsern Sonntagszeichenschulen werden, wie "ich aus eigener Erfahrung weiß, Vorlagen oft sehr schön kopirt ; ,,auf das wird alle Mühe verwendet. Die für jeden Handwerker ,,so nöthige Grundlage des technischen Zeichnens, der darstellenden ,,Geometrie und Projektionslehre (die allein das Verständniß und ,,die Selbstanfertigung von Zeichnungen ermöglicht) wird nicht ge"lehrt. Recht tüchtige Arbeiter, die solche Schulen besucht, be,,klagen sich über diesen Mangel ; was helfe es ihnen, wenn sie ,,schöne
Vorlagen nachmalen können, nicht aber im Stande seien, ,,ihre Ideen richtig aufs Papier zu bringen. Diese empfindliche ,,Lücke könnten unsere Sonntagsschulen ausfüllen und darauf sollte ,,gehalten werden.

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,,England, Frankreich, Deutschland und Oesterreieh besitzen ,,Gewerbe-Museen, Sammlungen guter Muster aus allen Gebieten ,,der Industrie. Der Handwerker kann in denselben seinen Ge"schmack bilden. Diese Anstalten fehlen bei uns leider auch. (Im ,,Wiener Gewerbe-Museum können die Gewerbe auch ihre vorzüg,,lichen Produkte ausstellen; sie finden Absatz; das macht Eifer ,,und hebt die Industrie.) Diese Museen erwerben gute Arbeiten Daller Länder und Branchen, namentlich auch auf den Ausstellungen, ,,und machen sie in ihren Räumen Jedem zum Studium zugänglich, " Der Nutzen solcher Museen ist in die Augen springend."

Ein Schuhmacher: ,,Wage noch die Bitte an Sie, meine Herren, wo Ihr Wirken ,,sich auch in das Fortbildungsschulwesen ausdehnt, möglichst dafür sorgen, daß Knaben, die unserem Handwerk sich widmen, das "zu ,,Zeichnen erlernen."

Ein Bildhauer: ,,Das einzig richtige Mittel zur allgemeinen Verbreitung dieses ,,Verständnisses (nämlich den Arbeiten Styl und Charakter zu geben) ,,sind die Industrie-Handwerkerschulen, die aber auf der Basis angelegt sein müssen, daß der Schüler nicht nur das bloße Zeichnen ,,lernt, sondern auch an der Hand einer sorgfällig geordneten Vor,,lagen- und Modellsammlung zur Unterscheidung der verschiedenen ,,Charaktere geführt wird und folglich eine Kenntniß der Style ,,erlangt, was im Allgemeinen unsern Handwerkern mit wenig ver"dankenswerthen Ausnahmen noch gans abgeht."

Hierauf folgt eine Beschreibung der Einrichtungen des österreichischen Kunstgewerbe-Museums und der damit verbundenen Schulen. Sodann fahrt der Bericht fort: ,,In der Schweiz sind ,,schon viele Industrie- und Handwerkerschulen gegründet und ,,werden immer neue in's Leben gerufen, und der Einfluß, den ,,dieselben auf die Hebung des allgemeinen Arbeitswesens üben ,,werden, wird mit der Zeit immer mehr an das Tageslicht treten.

,,Aber auch das Zeichnen in den Primarschulen sollte mit der ,,größten Lebhaftigkeit betrieben werden ; nur wenige Theile des ,,industriellen und gewerblichen Lebens können diese Kunst voll,,ständig entbehren, und der Mangel eines von frühester Jugend ,,gebildeten Auges und einer solchen Hand läßt sich später nur ,,mit größter Mühe ersetzen."

,,In ähnlicher Weise wie in vorstehend mitgetheilten Auszügen sprechen sich noch viele andere Berichte aus. Das Gefühl des Handwerkerstandes scheint ein allgemeines zu werden, dass einzig und allein tüchtige Leistungen befähigen, in dem heutigen Wett-

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kämpfe der verschiedenen Länder Stand zu halten, und daß es hierzu sowohl einer tüchtigen Schulbildung im Allgemeinen, als auch namentlich einer tüchtigen beruflichen Ausbildung bedarf.

Gute Volksschulen, -- gute gewerbliche Fortbildungsschulen, -- gehörig ausgestattete gewerbliche Museeu oder Muster- und Modellsammlungen, -- sind die jetzt wohl ziemlich allgemein anerkannten Mittel zur Hebung der Leistungen unserer Handwerke. Möchten Behörden und Private, denen die Mittel zu Gebote stehen, in dieser Richtung fördernd einzugreifen, dieß in recht ausgedehntem Maße thun!

,,In vorstehenden Zeilen glaube ich Ihnen Dasjenige aus den Berichten der Subventionirten erwähnt zu haben, was ein ganz allgemeines Interesse darbietet. Die Verwerthung der über einzelne Gewerbe und Gevverbszweige niedergelegten Bemerkungen ist Sache der Angehörigen der betreffenden Gewerbe, Gewerbsvereine, gewerblichen Zeitschriften, Lokalbehörden u. s. w. Es l i e g t in der N a t u r der Sache, daß der N u t z e n , welcher aus der gewährten Subventionirung hervorgegangen und hervorgehen wird, vorläufig nicht im großen Ganzen des G e w e r b s l e b e n s n a c h w e i s b a r ist, sondern nur in der vervollkommneten individuellen Leistungsfähigkeit bestehen kann.

Daß in dieser Beziehung die große Mehrzahl der Subventionirten Nutzen gehabt, ist ohne Zweifel, und wir glauben die Ueberzeugung aussprechen zu dürfen, daß die von den Kantonen und der Eidgenossenschaft aufgewendeten Gelder wohl angewendet waren. ut -- Die Weltausstellung in P h i l a d e l p h i a (1876) wurde nicht durch Arbeiter beschickt.

An die P a r i s e r A u s s t e l l u n g e n von 1878 und 1889 hingegen wurden zahlreiche Arbeiter und Handwerksmeister mit kantonalen Hülfsgeldern delegirt.

Nach den nicht ganz vollständigen Aufzeichnungen, welche unser Generalkommissariat zu machen im Falle war, betrug die.

Zahl der subventionirten schweizerischen Besucher im Jahr 1878 334, deren Vertheilung auf die verschiedenen Kantone und Berufsarten aus folgenden Zusammenstellungen ersichtlich ist:

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Subventionirte Besucher der Weltausstellung in Paris im Jahr 1878.

Nach Kantonen.

Total.

Freibuvg 66, Genf 42, Neuenburg 29, Waadt 26 . . 163 Zürich 52, Basel 37, Luzern 34, Graubünden 22, Solothurn 21, Tessin 2, Bern, Schwyz und Schaffhausen je l 171 ~334

ATac/i Berufsiweiqen.

Lehrer Uhrmacher und Bijoutiers 39, 'Graveurs 9, Emailmaler 3, Musikdosenfabrikanten 2 Mechaniker 30, Schlosser 18, Spengler 7, Gießer 5, landwirthschaftliche Geräthe 2 Zahnkünstler 2, Bandagisteo 2 Maler 14, Zeichner 6, Photographen 3, Buchdrucker 12 Buchbinder 8, Tapezierer S, Papierarbeiter l . . . .

Dreher 17, Schreiner 25, Waoner 13, Zimmerleute 6, Küfer 2 Maurer, Sleinhauer und Gypser 7, Marrnorarheiter 6 .

Schuhmacher 5, Schneider 5 Weber 4, ,, Modistes" 6, ,,Chemisiers" 2 ,,Distillateurs11 4 , Unternehmer 4 , Händler l . . . .

Müller 4, Bäcker l Landwirlhe 4, Winzer l, Gärtner 7, Feuerwehrmänner l

37 53 62 4 35 18 63 13 10 12 9 5 13 "334

Die Berichte der Genfer Delegation wurden durch den Druck vervielfältigt.

Ueber die Abordnungen an die letzte Weltausstellung in Paria (1889) liegt uns ein größeres Material vor. Dieser Abordnungen nahm sich von Anfang an der schweizerische Gewerbeverein aa.

Derselbe richtete an den Bundesrath das Gesuch, ,,allfällige Begehren von Kantonsregierungen um einen der Leistung des Kantons ungefähr entsprechenden Beitrag an Reisestipendien für tüchtige Handwerker, welche von Kantonsregierungen ausgewählt oder wenigstens von einem Gewerbevereine empfohlen werden, thunlichst zu berücksichtigen, beziehungsweise bei der im Juni zusammentretenden Bundesversammlung einen Nachtragskredit, der gewiß auf keiue Schwierigkeiten stoßen werde, zu befürworten"1.

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Dieses Gesuch wurde in ablehnendem Sinne beantwortet, und zwar wie folgt : ,,Seit Erlaß des ßundesbeschlusses betreffend die gewerbliche und industrielle Berufsbildung bringt' der Bund, was zur Zeit der Wiener Ausstellung noch nicht der Fall gewesen, alljährlich so bedeutende finanzielle Opfer (von 1884 bis 1889 über Fr. 1,300,000, wovon für 1889 Fr. 372,000 büdgeürt) zur Hebung jener Bildung, daß Gebiete wie die Ausstattung von Handwerkern und Gewerbetreibenden behufs Besuches einer Weltausstellung füglich der k a n tonalen, k o m m u n a l e n oder privaten Obsorge überl a s s e n b l e i b e n k ö n n e n . Die Bundesbehörde muli die vorn Bunde zu übernehmenden Leistungen zur Förderung der gewerblichen Berufsbildung als durch den erwähnten Bundesbeschluß umgrenzt betrachten und kann daher, da diese an und für sich schon groß genug sind, über denselben nicht hinausgehen. Anfragen einzelner krtntóìialer Behörden bezüglich der Mitwirkung des Bundes bei der im Gesuche besprochenen Subventionirung von Handwerkern sind bereits in diesem Sinne beschieden worden. Ueberhaupt ist es das Bestreben der Bundesbehörden, die nicht im Uebermaß vorhandenen Mittel zusammenzuhalten, um sie nur da, aber dann in ausreichender Weise zu verwenden, wo die Hülfe des Bundes noth thut und mit Sicherheit erfolgreich wirkt. Letzteres würde bei der angeregten Subveotionirung schwerlich durchweg der Fall sein und dem Buudesrathe eine wirksame Kontrole über die Verwendung der Subventionen überhaupt nicht zur Verfügung stehen. Endlich fällt in Betracht, daß bereits eine ausgiebige Unterstützung durch Bewilligung von Reisestipendien zum Besuch der Pariser Ausstellung an Solche stattfindet, welche an subventionirten Anstalten für die Berufsbildung wirken, und daß von dieser Seite schon ein erheblicher Nutzen für das praktische Handwerk und Gewerbe zu erwarten ist."

Die erwähnten Reisestipendien wurden zu Gunsten von 25 Lehrern an gewerblichen Bildungsanstalten in Basel, Bern, Freiburg, Graubünden, Aargau und Genf, im Gesammtbetrage von Fr. 3675 gewährt.

Es war daran die Bedingung geknüpft, daß die betreffenden Kantone einen gleich hohen Beitrag leisten und daß von jedem Delegirten ein Bericht erstattet werde. Von einer Veröffentlichung dieser Berichte ist seiner Zeit Umgang genommen worden.

Von den Kantonsregierungen und Vereinen wurden nach den Aufzeichnungen, welche der schweizerische Gewerbeverein zu machen im Falle war, folgende Subventionen verabfolgt:

846

Beiträge.

Subven- Beitrag tionirte. per Manu.

_ ..

Fr.

25

Fr.

150--400 Bund und Kantonsregierungen : lehrer 150 Zürich: Regierung Kantonaler Handwerksund Gewerbeverein .

Andere Beiträge . .

60

55')

2

)

Fach7,350 6000 1050 2300

g OKQ

Bern: Regierung 2500 Gemeinderath Bern . .

800 Kant. Gewerbeverband .

400

~ ,,Q

3

13 ) 50--100 Luzern : Regierung

. . . .

^ 24) Glarus 5 185) ) Freiburg 10 80 Solothurn: Regierung 306) 100,1507) Basel-Stadt: Regierung n 138) ) Schaff hausen: Regierung 20'°) 100 St. Gallen: Regierung 5") 5 0 Graubünden: Regierung 14 85 Aargau 3012) 100 Thurgau: Regierung

525

*»»

1,025 100 2,570 800 4,000 1.500 2,000 250 l,iyO 3,000

.

.

.

.

.

.

.

.

*) 32 Handwerksmeister, 23 Arbeiter.

) 20 Meister mit 70 Fr., 9 mit 50 Fr., 3 mit 40 Fr. ; 23 Arbeiter mit durchschnittlich ca. 80 Fr. (Die Lehrer an den Schnitzlerschulen in Brienz und Meiringen erhielten besondere Subvention und Instruktion.)

8 ) Handwerksmeister.

4 ) Den Handwerkervereinen Schwanden und Glarus wurden für ihre Mitglieder Beiträge von 50 Fr. per Mann, im Maximum 500 Fr. in Aussicht gestellt.

Nach6 Wissen des Gewerbevereins machten nur 2 Mitglieder davon Gebrauch.

) Vom Staat: Direktor des Industriemuseums mit 600 Fr., l Maler mit 200 Fr., 2 Lehrer mit 160 und 200 Fr., 10 Handwerksmeister und l Arbeiter mit zusammen 900 Fr. ; von der Stadt Freiburg : l Ingenieur und l Architekt mit je 200 Fr.; vom Gewerbeverein Murten: 2 Delegirte mit je 55 Fr.

Ausserdein wurden vom Staate einige Fachberichte mit je GO Fr. prämirt.

6 ) 20 Meister und 10 Arbeiter (ausserdem 5 Lehrer der allgemeinen Gewerbeschule und 2 Lehrer der Kuabenhandarbeitsschule).

') Meister 100 Fr., Arbeiter 150 Fr. Die restirenden 500 Fr. wurden zu Prämien für die besten Berichte verwendet.

8 ) 9 Handwerksmeister und 4 Arbeiter.

") Meister 100 Fr.; Arbeiter 150 Fr.

10 ) Handwerker.

n ) Mitglieder des Gewerbevereins.

12 ) 18 Delegirte verschiedener Handwerkervereine; 12 Handwerker.

s

847

Subven- Beitrag tionirte. per Mann.

Fr.

201) 262) 4

6G ) cä^nT

250 3 )

*)

Total Fr.

Waadt Neuenburg: Kegierung . . .

Gemeinden Chauxde-Fondsu. Couvet Genf: Regierung Stadt

5,000 3511 2550 8250 3500

6061 11 750

Total ca. Fr. 59,600

Für die Erstattung der Berichte wurden in einigen Kantonen F r a g e f o r r n u la re aufgestellt, von der Direktion des Innern des Kantons Bern z. B. folgendes : Fragenschema der Direktion des Innern des Kantons Bern, für die von ihr subventionirten Arbeiter: 1. Welche Beobachtungen haben Sie in Beziehung auf den Stand Ihres Berufes und die darin gemachten Fortschritte in Paris gemacht ? a) Im Allgemeinen? h) Im Speziellen? (Neue Erfindungen, Maschinenbetrieb, Einrichtungen zum Schutz der Arbeiter beim Betrieb, etc.)

2. Welche Beobachtungen über das Lehrlingswesen in Ihrem Berufe haben Sie während Ihres Aufenthaltes in Paris machen können? (Alter beim Eintritt in die Lehre, Dauer der Lehrzeit, Fortbildungsschulen für Lehrlinge, besondere Fachschulen für Ihren Beruf u. s. w.)

3. Wie steht es mit den Wohnungsverhältnissen und dem Lebensunterhalt Ihrer Berufsgenossen ? In welchen Verhältnissen stehen die Arbeitslöhne zu denselben?

4. Wie steht es mit der Fürsorge in Fällen von Krankheit und Unfall des Arbeiters (Krankenkassenversicherung, Aufnahme in den Spital, Haftpflicht der Arbeitgeber u. s. w.)?

5. Was haben Sie über die Thätigkeit der gewerblichen Schiedsgerichte (Prud'hommes) zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Meister und Arbeiter erfahren?

6. Wie sind Meister und Arbeiter organisirt? Welche Fachverbände bestehen? und mit welcher Zweckbestimmung? Sind dieselben staatlich oder durch die Gemeinde organisirt?

1

) Arbeiter.

) 14 Arbeiter und Meister der Uhrenbranche unter P'ührung des Sekretärs des kantonalen Industriedepartements; eine andere Delegation von 10 Mann und einem Chef auf Veranstaltung der Gemeinde La Chaux-de-Fonds, und l Delegirter der Gemeinde Couvet zum Studium der Kleinmechanik.

3 ) Kantonale Delegation 250 Fr., diejenige von Chaux-de-Fonds 200 Fr., Delegirter von Couvet 300 Fr.

4 ) 51 Meister und Arbeiter mit 150 und 250 Fr., 4 Lehrer mit 250 Fr., 10 Kunstschüler mit 200 Fr., ausserdem der Sekretär der Kunstschule (500 Fr.).

2

848

Die erstatteten Berichte sind zum Theil inbesonderen Broschüren veröffentlicht worden, so diejenigen von Genf und Neuenburg Die meisten aber (238) sind vom schweizerischen Gewerbeverein einheitlich zusammengestellt und mit finanzieller Hülfe unseres Industriedepartements i n einer umfangreichenQuartbrochüre; si-li der Sekretär des Vereins, Herr Werner Krebs, wie folgt a u s : Selbstverständlich waren die eingelangten Berichte qualitativ und quantitativ sehr verschieden. Mehrere dürfen als Musterleistungen eingehender sachlicher und belehrender Berichterstattung bezeichnet werden ; ihr Werth überragt die dafür gebotene Subvention um Vieles. Nur ganz wenige Berichte mussten unbenutzt auf die Seite gelegt werden. Im Allgemeinen darf das Resultat dieser Fachberichterstattung, wenn man alle Verhältnisse und Schwierigkeiten in Betracht zieht und mehr den i n n e r n W e r t h als die ä u s s e r c F o r m zu würdigen geneigt ist, als ü b e r a l l e s E r w a r t e n b e f r i e d i g e n d bezeichnet werden. Es zeigt sich fast durchwegs ein ernstliches Streben, den Verpflichtungen nachzukommen und auch Andern einen Antheil an den gemachten Erfahrungen zukommen zu lassen.

Die Mehrzahl der Berichte zeugt von guter Beobachtungs- und Vergleichungsgabe und richtiger Erfassung der gestellten Aufgabe.

In Bezug auf Beobachtung oder Beurtheilung von Ausstellungsgegenständen weichen die Berichte derselben Branche oft erheblich ab oder widersprechen sich förmlich Wenn viele Berichterstatter sich nicht nur rein auf die Ausstellung beschränken, sondern auch über die Verhältnisse in Paris, in Frankreich überhaupt, in andern Ländern, über unsere Erwerbs- und Konkurrenzfähigkeit u. s. w. ihre Betrachtungen und Wünsche einflechten, so ist dies nur zu begrüssen Einzelne Berichterstatter haben in verzeihlicher Weise oft gar zu augenscheinlich für sich selbst oder ihre Geschäftsfreunde Reklame zu machen gesucht.

II.

Indem wir uns von diesem Blick in die Literatur der frühern Delegationen zu den Antworten wenden, welche uns auf unsere Umfrage ertheilt worden sind, so müssen wir im Allgemeinen konstatiren daß nur der Ausschuß des Schweizerischen Gewerbeverins eine entschieden befürwortende StellungO einnimmt. Die Kantonsregierungen sprechen sich über die Abordnung von Hand werkern theils ganz ablehnend, theils sehr zurückhaltend aus; ebenso der Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins und die Herren Guyer-Freuler und Vögeli-Bodmer.

Es wird im Allgemeinen nicht in Abrede gestellt, daß die frühem Abordnungen den einzelnen Theilnehmer Vortheil gebracht haben, hingegen darauf hingewiesen, daß ein Nutzen für die von ihnen vertretenen Gewerbe im Allgemeinen nicht zu Tage

849 getreten sei, die aufzuwendenden Opfer für eine Abordnung nach Chicago daher um so weniger zu rechtfertigen wären, als es sich diesmal wegen der großen Entfernung des Ausstellungsortes und des theureo Lebensunterhalts an demselben um viel größere Beiträge handeln müßte, als bisher. Kantonale Beiträge werden deßhalb allseitig abgelehnt oder als sehr ungewiß bezeichnet.

Die Regierung des Kantons A a r g a u z. B. erklärt, auch sie sei von jeher von der Absicht geleitet, worden, dem Kleingewerbe und dem Handwerkerstande, wo immer möglich, unterstützend und anregend unter die Arme zu greifen, ohne jedoch immer den erhofften Erfolg wahrzunehmen. Letzteres sei übrigens auch schwer, da dieser Erfolg wohl meistens nur indirekt zur Geltung komme.

Es sei im Jahr 1888 15 Vertretern des Kleingewerbes der Besuch der Kunstgewerbeausstellung in München und 1889 14 Delegirten der Besuch der Pariser Weltausstellung durch Subsidien ermöglicht worden; es sei aber nicht bekannt geworden, daß diese Besuche wirklich praktische Resultate, beziehungsweise Vortheile, für die Arbeiterkreise im Allgemeinen gehabt haben. Damit wolle nicht gesagt werden, daß sie überhaupt werrhlos gewesen seien. Es sei vielmehr anzunehmen, daß einzelne Besucher, alle jedenfalls nicht, für sich nicht unbedeutende Vortheile geholt haben. Diese Vortheile würden aber in Chicago den finanziellen Opfern bei Weitem nicht entsprechen. Sodann dürften sich Vertreter des Kleingewerbes und des Handwerkerstandes kaum dazu entschließen können, zum Zwecke des Besuches der amerikanischen Weltausstellung ihre Arbeit oder ihr Gewerbe für mehrere Wochen, ja Monate zu verlassen. Die sich einstellenden Nachtheile würden den erwarteten Nutzen reichlich aufwiegen; wer aber den Zeit- und Arbeitsverlust nicht in Anschlag bringen müsse, gehöre kaum mehr zu den Vertretern des Kleingewerbes und dürfte auch finanziell so gestellt sein, daß er die daherigen Kosten wohl selbst tragen könne. Anders habe sich der Besuch der Weltausstellung in Paris gestaltet, indem dieser eine Abwesenheit von nur acht bis vierzehn Tagen nothwendig gemacht habe.

Diese Anschauungsweise der aargauischen Regierung spiegelt sich in sämmtlichen Berichten wieder; wir beschränken uns auf folgende Auszüge aus denselben: A p p e n z e l l A . - R h . ,,Auf Grund der Begutachtung durch unsere
kantonale Kommission für Handel und Gewerbe und mit derselben durchaus einverstanden, können wir uns nur dahin HUSsprechen, daß nach den in herwärtigem Kanton diesfalls gemachten Beobachtungen und Erfahrungen jene Hoffnungen und Erwartungen, welche man anfänglich bei Entsendung von Vertretern der Arbeiter-

850 kreise an die Weltausstellungen gehegt hat, nur zum kleinsten Theile iu Erfüllung gegangen sind; kaum auf irgend einem Gebiete von Industrie, Kunst und Gewerbe lassen sich nenneoswerthe Ergebnisse des Besuches jeuer Ausstellungen durch solche Delegirte nachweisen ; wohl nicht mit Unrecht hat unser kantonaler Handwerkerverein sich dahin geäußert, daß Alles, was jene Delegirten geleistet haben, in einigen Berichterstattungen bestunden habe, die nun längst im Archive begraben liegen, und in einigen Vorträgen, die, weil nicht durch Vorweisung von Mustern und Modellen unterstützt, von den Vereinen, wo diese Vorträge gehalten wurden, kaum ganz verstanden worden sind. Wenn da und dort infolge einer solchen Weltausstellung irgend eine neue Idee aufgetaucht, eine Verbesserung eingeführt worden ist, so geschah dies unsers Wissens nicht etwa durch die mit Subvention an die Ausstellung entsendeten Vertreter der Arbeiterkreise. Im Ganzen ist trotz wiederholter Versuche mit derartigen Delegationen das Kleingewerbe während der letzten zwanzig Jahre so ziemlich auf derselben Stufe stehen geblieben.

,,So bemühend nun auch diese Resullatlosigkeil der staatlich unterstützten Beschickungen der Weltausstellungen namentlich für das Handwerk erscheinen mag, so ist sie eben auch leicht erklärlich heim Hinblick auf die Verhältnisse der betreffenden Delegirten aus den Arbeiterkreisen, denen zu einer gründlichen Beobachtung, zu einem erfolgreichen Studium der Ausstellungsobjekte iu den Hllermeisten Fällen ebensosehr die nöthige Bildung (die allgemeine wie auch die spezielle Berufsbildung), als auch die erforderlii'.he Zeit gefehlt hat. Nach unserer Ansicht sind die großen Opfer, welche, in besler Absicht vom Bunde, von den Kantonen, von Gemeinden und Korporationen, wie auch von Privaten für die Sendung von Vertretern der Arbeiterkreise an Weltausstellungen gebracht worden sind, für den Stand von Industrie und Handwerk beinahe völlig erfolglos geblieben !

,,Müssen wir uns nun dahin aussprechen, daß die bisherigen Erfolge jener Delegationen den gebrachten Opfern durchaus nicht entsprechen, so können wir auch die Frage, ob den eidgenössischen Käthen die Bewilligung von Subventionen an Delegirte zum Besuche der Ausstellung in Chicago zu empfehlen sei, nicht anders als verneinend beantworten.

,,Die Kosten einer solchen
Entsendung von Vertretern der Arbeiterkreisü nach Chicago müßten in .1iedi'.r BeziehungO bedeutend O höher zu stehen kommen, als bei allen früheren Ausstellungen ; die Entschädigungen an die Delegirten für die Reise und den längern Aufenthalt in Chicago würden Summen erfordern, denen schließlich

851 die Resultate um so weniger entsprechen dürften, als eben der Besuch der Ausstellung in Chicago mit neuen und gröliern Schwierigkeiten für die Vertreter aus den Arbeiterkreisen "verbunden sein wird.

Wir erinnern zunächst un die Schwierigkeit, welche in der Sprachverschiedonheit und überhaupt in den amerikanischen Verhältnissen solchen Ausstellungsbesuchern entgegen treten wird.

,,Wenn wir sonst überall, wo es sich um gemeinnützige Unternehmungen handelt, der Ansicht huldigen, daß die betheiligten Kantone ihrerseits gleich große Beiträge leisten sollten wie der Bund, so könnten wir im vorliegenden Fall, hinsichtlich einer Delegation von Arbeitern an die Ausstellung in Chicago, es nicht befürworten, daß der K au ton hiefür irgend welche Opfer bringe, weil wir zum Voraus von der Erfolglosigkeit einer solchen Delfgaiion überzeugt sind. Ebensowenig aber erachten wir es als angezeigt, daß der Bund für die finanzielle Unterstützung für die Sendung von Vertretern der Arbeiterkreise an die Ausstellung in Chicago irgendwelche Kredite bewillige."

B a s e l - L a n d . ,,Soweit wir zu beurtheilen in der Lage sind, haben die herwärtigen Delegationen, die an die Wiener Ausstellung abgesandt worden, keine großen praktischen Resultate gehabt, jedenfalls keine solchen, die im Verhältniß zu den verwendeten Geldmitteln stehen. Wir können uns deshalb nicht für Entsendung von Vertretern der Arbeiterkreise nach Chicago aussprechen. Im " Uebrigen bemerken wir, daß wir gegenwärtig nicht im Falle wären, an solche Vertretungen Beiträge gewähren 211 können.11 B e r n . ,,Der reelle Nutzen früherer Delegationen an Ausstellungen läßt sich schwer abschätzen. Nach den vom schweizerischen Gewerbevereine gesammelten und in Druck gegebenen Berichten der Delegirten über die letzte Pariser Weltausstellung sollte man indessen doch annehmen dürfen, es sei ihre Mission von einigem Nutzen gewesen. Immerhin hegen wir die Ansicht, man mülSte diesmal mit solchen Delegationen nicht so sehr, wie bis dahin, in die Breite gehen, sondern sich auf die Abordnung einiger weniger, ganz tüchiiger Fachleute beschränken.

,,Was aber die Beitragsleislung des Kantons betrifft, so können wir keine Versprechungen ablegen,. da3 die kompetente Behörde eine derartige Ausgabe bewilligen würde."

Genf. ,,Nous avons l'honneur de porter à votre connaissance
. qu'en ce qui concerne notre canton, nos recherches ont démontré que le public et surtout les intéressés n'avaient pas profité des renseignements recueillis.

Bundesblatt. 44. Jahrg. Bd. V.

56

852 ,,En effet, les rapports des délégués de 1878 à Paris que l'Etat avait fait imprimer n'ont pas été demandés et sont encore tous à disposition.

,,Ensuite de cette indifférence, notre administration n'a pas fait imprimer les rapports sur l'exposition de Paris 1889, mais a publié pendant longtemps un avis officiel, annonçant que les originaux de ces rapports étaient à la disposition du public à notre Département du Commerce et de l'Industrie.

,,Un seul d'entre eux, celui des tapissiers-décorateurs, a été consulté par deux ou trois personnes.

,,Nous estimons donc qu'étant donné ces précédents, l'éloignement de l'exposition de Chicago et la différence de langue, il eonvieut d'agir avec la plus grande réserve et de s'entourer de nouveaux renseignements avant de décider l'envoi de délégués ouvriers en Amérique."

G l a r u s . ,,Seitens des hiesigen Kantons fand eine Unterstützung der Besucher der Weltausstellung in Paris im Jahre 1889 statt. AQ die Beitragsleistung des Kantons wurde damals die Bedingung geknüpft, daß ein Bericht über die an der Ausstellung gemachten praktischen Erfahrungen eingereicht werden müsse. Solche Berichte wurden nur von zwei Besuchern der Ausstellung eingereicht, die jedoch nach Form und Inhalt von geringer Bedeutung waren.

,,Voraussichtlich werden angesichts der großen Kosten einer Reise nach Chicago keine oder doch nur sehr wenige Personen aus hiesigem Kanton die dort stattfindende .Weltausstellung besuchen, wenn nicht ganz bedeutende Beiträge Seitens des Bundes und des Kantons den Besuch erleichtem. Da wir aber gestützt auf die gemachten Erfahrungen den Fachberichten der zum Zwecke des Studiums der Ausstellung unterstützten Personen keinen großen Werth beimessen können, erscheint uns diese finanzielle Unterstützung "o nicht als Bedürfniß."

G r a u b ü n d e n . ,,Vom Gesichtspunkte unserer hiesigen speziellen Verhältnisse hält der Gewerbeverein die Entsendung von durch Ranton und Bund zu subventionirenden Delegirten nach Chicago für nicht so ersprießlich, als daß die voraussichtlichen praktischen Erfolge des Besuches den bedeutenden Kosten entsprechen würden.

Wir theilen diese Ansicht vollständig und können uns daher nicht entschließen, eine finanzielle Betheiligung und Unterstützung von solchen Abordnungen nach Chicago durch unsern Kanton in Aussicht zu stellen."

853 L u z e r n . ,,Wir haben die vorzüglichstenInteresseokreise (17) des Gewerbes und der Industrie um ihre bezügliche Meinung angefragt.

,,Die verschiedenen Antworten gehen zwar in vielen Beziehungen auseinander, jedoch geht doch der Grundton durch alle, daß man die Beschickung von Weltausstellungen durch Delegirte der Arbeiterund Industriekreise insofern begrüßen könne, daß dann diese staatlich subventionirten Delegirten gehalten sein sollten, ihre Erfahrungen und gewonnenen Ansichten den betreffenden Kreisen, denen sie angehören, zugänglich zu machen.

,,Ueberdieß erwarte man einen wirksamen Erfolg nur dann, wenn Männer als Delegirte bezeichnet würden, die durch ihr Können und ihre Intelligenz im Falle sind, Erfahrungen zu sammeln und diese in kundiger Weise wieder Andern mitzutheilen.

,,Dieser Standpunkt ist in ähnlicher Weise bei der letzten Weltausstellung in Paris eingehalten worden. Jedoch will es scheinen, daß damals die vom Kantone unterstützten Delegirten durch ihre Berichterstattungen wenig Förderliches geleistet haben.

,,Was nun die Weltausstellung in Chicago bezw. die Beschickung derselben anbetrifft, so werden die möglichen Resultate einer solchen mit den aufgewendeten Subventionen als in keinem Verhältnisse stehend erachtet. Abgesehen davon, daß die Subventionen ungleich größer ausfallen müßten, als bei Ausstellungen auf herwärtigem Kontinente, verspricht man sich von dieser Ausstellung selbst für unsere herwärtige Industrie wenig brauchbare Rückwirkungen.

,,Die Absendung von Delegirten sei daher unnütz und die Ausgabe weggeworfenes Geld."1 N o u e n b u r g . ,,Nous avons l'honneur de vous informer que notre canton n'a "pas l'intention de subventionner des délégations ouvrières qui auraient pour mission d'étudier l'exposition de Chicago.

La grande distance qui nous sépare de cette ville nous entraînerait à des frais beaucoup trop considérables, et les sacrifices que nous ferions ne seraient pas, selon nous, en rapport avec les résultats pratiques qu'on serait en droit d'attendre pour notre industrie horlogère. Si nous avons jusqu'à présent subventionné des délégations ouvrières aux expositions universelles, c'est qu'elles avaient lieu dans des pays voisins, et que les frais qui résultaient de ce chef n'étaient pas très élevés."

S o l o t h u r n . ,,Wir theilen die Ansicht,
die Herr Constantin von Arx in seinem Schreiben (bei den Akten der Kommission) ausspricht, daß die Abordnung an die Weltausstellungen wohl den einzelnen Delegirten, dem Allgemeinen aber wenig Nutzen gebracht hat.

854 T Was die Frage betrifft, ob und in welchem Maße wir Abordnungen an die Weltausstellung in Chicago finanziell zu unterstutzen gedenken, so können wir Ihnen mitiheilen, daß solche Beiträge jedenfalls nur sehr bescheiden und in keinem Falle der Art sein können, daß sie einen erhebliehen Theil der mit einer Reise nach Chicago verbundenen Auslagen bilden werden."

St. G a l l e n . ,,Was den Nutzen früherer Delegationen an Ausstellungen betrifft, so sind wir weit entfernt, bestreiten zu wollen, daß tüchtige Delegirte dem Besuche jener Ausstellungen fruchtbare Anregungen verdankten und solche auch auf weitere Kreise übertragen haben. Immerhin liegt es in der Natur der Sache, daß Handwerker und Kleingewerbetreibende in erster Linie daran denken, das durcth den Besuch der Ausstellung Gewonnene für ihr eigenes Interesse auszubeuten, indem sie beispielsweise neue Hülfsmaschinen anschaffen, weitere Verbindungen für Bezug und Absatz anknüpfen und diese oder jene Neuerung in ihrem Geschäfte einfuhren; allein wie weit sie die gewonnene geschäftliche Einsicht und die gefundenen Chancen Andern, namentlich ihren Konkurrenten, miltlieilen werden und durch ihr Beispiel in weitern Kreisen Nutzen stiften, das zu beurtheilen und zu bemessen ist eine sehr schwierige Frage.

Irgend welcher Effekt für das Ganze wird hiebei immer resultiren, allein ob derselbe mit den gebrachten Opfern im richtigen Verhältniß stehe, das ist die Frage, und in Bezug auf .den Besuch der Ausstellung in Chicago müssen wir diese Frage aus zwei Gründen verneinen. Einmal sind die Kosten (circa Fr. 2000 per Besucher) außerordentlich hoch. Und zweitens würden die Handwerker sich an dieser Ausstellung sehr schwer zurechtfinden, da sie nicht nur der Sprache, sondern auch der sozialen, 'wirthschaftlicheu und industriellen Verhältnisse des Landes allzu unkundig sein dürften."· Seh ä f f h au se n. ,,Wir haben bisher bei Welt- und Länderausstellungen, so z. B. in Paris, Wien, München, Zürich, stets eine Anzahl von Gewerbetreibenden, welche dieselbe, besuchen wollten, durch St'iatsbeiträge unterstützt und denselben aufgegeben, über ihren Befund einen einläßlichen Bericht abzugeben.

,,Es ist wohl anzunehmen, daß der Eine oder Andere je nach seiner Individualität vom Besuche einer solchen Ausstellung für sich Nutzen gezogen hat; im großen Ganzen scheint dies jedoch nicht in dem geliofften Maße der Fall zu sein. Neben trefflichen Berichten sind uns jeweilen auch eine gute Zahl leerer, nichtssagender Mittheilungen über die Ausstellungen eingegangen, so daß wir auf Grund dieser Beobachtungen den Eindruck erhalten haben, daß die Beschickung solcher Ausstellungen, resp. die Subventionirung von

855 Besuchern, nur einen höchst relativen Nutzen bietet. Es bleibt nicht ausgeschlossen, daß für einzelne gewerbliche Branchen der Besuch von Nutzen sein kann, doch wohl mehr für die Industriellen selbst als für Arbeiter.

"Wir werden daher kaum in die Lage kommen, bei einer solchen Ausstellung wiederum staatliche Opfer zu bringen, während wir dagegen stetsfort geneigt sind, Gewerbeschulen in allen ihren Abteilungen kräftigst zu unterstützen, in der Ueberzeugung, daß auf solche Weise dem Gewerbestand besser gedient wird und mehr positive Resultate erzielt werden, als durch die Beschickung von Ausstellungen. a Sch w y z. ,,Wir erlauben uns, zu eröffnen, daß wir unserseits einer solchen Abordnung wenig nachhaltige Erfolge glauben beimessen zu dürfen, und daß unser Kanton hieran keine Subvention in Aussicht stellen kann."

Uri. "Wir beehren uns, Ihnen zu erwidern, daß namentlich die Ausstellung in Wien von einigen dasigen Vertretern der Arbeiterkreise mit staatlicher Unterstützung besucht wurde, ohne daß von denselben seither unseres Wissens irgend welcher praktische Nutzen geschaffen wurde.

,,Wir halten auch dafür, daß die Entsendung von Delegirten zu solchen Weltausstellungen für die Industrie und Gewerbe keinen großen Nutzen bieten uno daß die bisher erzielten Resultate den finanziellen Opfern kaum entsprechen dürften.

,,Wir anerkennen gerne, daß ein Besuch und das Studium solcher Ausstellungen für den Besucher von Interesse und persönlichem Nutzen sein mag; jedoch für die Industrie und speziell für das Kleingewerbe kann einiger Vortheil nur dann gewartigt werden, wenn die Besucher die gemachten Erfahrungen an Fachschulen oder Gewerbeversammlungen praktisch verwerthen würden. a Zug. ,,In hiesigem Kanton wurden einzig an die Weltausstellung in W i e n bezügliche Abgeordnete entsandt und zu genanntem Zwecke finanziell unterstützt. Es war jedoch der betreffende Erfolg ein den gehegten Erwartungen keineswegs entsprechender, soweit derselbe in der Form eines verlangten Berichtes über die Seitens der hierseitigen Subvenienten an der Ausstellung gewonnenen fachlichen Eindrücke erkennbar war.

"Für den Besuch der letzt stattgehabten Ausstellung in P a r i s sind uns keine bezüglichen Gesuche eingegangen.

856 ,,Was die bevorstehende Ausstellung in C h i c a g o betrifft, so werden sich muthmaßlich m unserm Kantone kaum Persönlichkeiten finden, welche hinreichende Lust und zugleich Beruf hatten, die angedeutete Mission in wirksamer und befriedigender Weise zu vollführen. Ueberhaupt scheint uns der praktische Vortheil hievon für die hiesigen Verhaltnisse eher fraglich und die Opfer hiefur verhaltnißmaßig zu groß zu sein."

Z ü r i c h . ,,Wenn auch anerkannt werden kann, daß für einzelne Geschäftsbräuchen unter gewissen besondern Verhaltnissen, wie gerade für die gegenwartige Situation der Uhrenindustrie, welche die nächste Veranlassung dazu gegeben hat, der Besuch der Ausstellung von Werth seiu mag, so kann dies bei Weitem nicht von allen Branchen des Kleingewerbes gesagt werden, und es müßte zunächst herausgefunden werden, welche Branchen denn wirklich von einem solchen Besuche Nutzen ziehen konnten. Es ist nicht vorauszusehen, daß ein Schneider oder Schuhmacher, ein Hufschmied oder Schreiner durch den Besuch einer Weltausstellung mehr gewitzigt würde, als wenn er die überseeischen Produkte hier au sehen bekommt.

,,Schwierig war es von jeher, die richtigen Personen für solche Missionen herauszufinden, noch schwieriger durfte die Auswahl derjenigen Personen fallen, die der Aufgabe gewachsen waren, ,,um die Arbeitsmanieren, sowie den Amerikaner selbst zu studiren", wie sie in dem Gutachten des Vorstandes des kantonalen Handwerker- und Gewerbevereins den Besuchern für die in Aussicht genommene Zeit gestellt werden will. Auch die von Erfolg begleitete Durchführbarkeit der Organisation in Gruppen, mit Technikern an der Spitze ist nicht zweifellos.

,Wir halten den für unser Kleingewerbe in Aussicht stehenden Nutzeffekt für zu zweifelhaft, um uns der in der Bundesversammlung gestellten Motion zuliebe ebenfalls dazu verstehen zu können, unserem Kanton grosse Opfer, wie sie nach der Berechnung in dem Gutachten gebracht werdenmußten,, zumuthen zu dürfen. a In ahnlicher Weise spricht sich unser I n d u s t r i e d e p a r t e m e n t in seinem Schreiben an unser Departement des Auswärtigen aus: ,,Das Studium der Ausstellung wird in mancher Hinsicht von Nutzen sein, aber wir zweifeln sehr daran, daß offizielle MassenBeleg ationen das Mittel seien, um leUtern zu vermitteln. Abgesehen davon, daß gerade solche
Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse, welche zu erfahren wichtig wäre, an einer Ausstellung oft nicht an's Tageslicht treten, ist sicher anzunehmen, daß aus begreiflichen Gründen auch der offizielle Delegirte gewisse Wahr-

857 nehmungen, die einen besondern Werth haben, für sich behält und es nicht über sich bringt, sie in seinem Bericht den Bcrufsgenossen, die seine Konkurrenten sind, zugänglich zu machen. Ferner liegt die Gefahr vor, daß, sobald offizielle Unterstützung winkt, sich eine Menge von Bewerbern um die Reise nach Chicago herbeidrängen werde, worunter sich kaum gerade die tüchtigsten Berufsvertreter finden dürften.

,,Wir verhehlen uns nicht, daß es Ausnahmen, d. h. Arbeitgeber und Arbeitnehmer gibt, für welche die vorhergehende Voraussetzung nicht zutrifft, halten aber dafür, daß in solchen Fällen von anderer Seite (Kantonen, Gemeinden, Vereinen) gesorgt werden sollte. Es ist nicht gut und schadet besonders dem Geiste frischer Initiative, wenn man sich daran gewöhnt, für alle möglichen Dinge die finanzielle Unterstützung des Bundes.zu erhalten; man gelangt so zu einer schablonenmäßigen Behandlung mancher Angelegenheit und zu unnützer Ausgabe großer Summen.

,,Endlich mag noch erwähnt werden, daß uns keine Beweise bekannt sind, wonach offizielle und subventionirte (1889 nach Paris z. B. durch die Kantone) G.ruppendelegationen an frühere Weltausstellungen für die Förderung und Vervollkommnung der einheimischen Produktion nachhaltige und bedeutsame Erfolge im Allgemeinen herbeigeführt hätten.

,,Unser Schluß geht dahin, daß wir uns nicht dazu verstehen können, eine Subveutionirung von Delegationen genannter Art durch den Bund zu empfehlen. Sollte dieser Standpunkt nicht eingenommen werden, so sind wir ganz mit Ihnen einverstanden, daß eventuellen Bundesbeiträgen mindestens gleich hohe kantonale gegenüber stehen müßten; es würde dadurch etwelche Garantie bezüglich der Qualität und Zahl der Kandidaten geboten werden, welche Garantie aber nicht überschätzt werden darf, wie unsere Erfahrungen betreffend die Stipendiaten im gewerblichen Berufsbildungswesen lehren."

Uebereinstimmend lautet das Urtheil des Vorortes des S e h w e i zerischen H a n d e l s - und I n d us t r i e V e r e i n s : ,,Die Resultate früherer Versuche, die hauptsächlich in den von den Delegirten abgefaßten Berichten zu Tage traten, müssen nach allgemeiner Ansicht mindestens als sehr bescheidene bezeichnet werden. Die Mehrzahl solcher über die schweizerische Landesausstellung und über die letzte Pariser Weltausstellung erstatteter Rapporte
soll sogar derart ausgefallen sein, daß von einer Drucklegung derselben Urngang genommen werden mußte. Nicht größer werden wohl auch Gehalt und Wirkungen der von den Delegirten nach ihrer Rückkunft da und dort in den Kreisen ihrer Fachgenossen gehaltenen Vorträge gewesen sein.

858 ,,Wo die Ursachen dieses schwachen Erfolges liegen, wird nicht, so leicht zu ergründen sein. Die nächste, unwillkürliche Vermuthung ist, daß man in der Auswahl der zu entsendenden Personen vielleicht nicht immer eine ganz glückliche Hand gehabt habe. Jedenfalls leuchtet so viel ein: daß es schon ungemein schwer ist, immer gerade die strebsamsten, intelligentesten und technisch tüchtigsten Leute ausfindig zu machen. Aber auch die Vereinigung aller dieser Eigenschaften in einer Person scheint uns einen Erfolg noch längst nicht zu garantiren; denn ein Anderes ist es, eine Sache verstellen, und ein Anderes, sie Dritten verständlich machen können.

Wenn den Delegirten diese Darstellungsgabe, dieses Lehrtalent abgeht, so werden im besten Falle die für sie aufgewandten Kosten ihnen persönlich, nicht aber auch ihrem Gewerbe im Allgemeinen, Nutzen bringen.

,,Wir wissen nicht, ob etwa die Erfahrungen, welche die Behörden bei den letzten Gelegenheiten gesammelt haben, sie zu der Annahme fuhren, daß die gezeichneten Schwierigkeiten sich unter Umständen beheben ließen. Hingegen dürfte so viel sicher sein, daß.

sich einer Entsendung von Delegirten des Kleingewerbes nach Chicago noch ganz andere, spezielle Hindernisse in den Weg stellen würden. Wir glauben, daß wirklich tüchtige Handwerker, die für die Zeit mehrerer Wochen von ihrem Geschäfte sich entfernen wollten oder könnten, nur in spärlicher Auswahl vorhanden sind.

Ein weiteres Bedenken bietet nach unserm Dafürhalten die Verschiedenheit der Sprachen. Schon in Paris haben die deutschschweizerischen Delegirten theilweise größte Mühe gehabt, sich zu verständigen, und ungleich seltener ist noch die genügende Kenntniß der englischen Sprache in den Kreisen des Kleingewerbes verbreitet.

Das Sehen allein aber thut's bei Weitem noch nicht; die Delegirten müssen sich auch mit ihren amerikanischen Fachgenossen aussprechen können. Zu Allem hinzu kommt schließlieh, dass ein Kleingewerbe in unserm Sinn in den Vereinigten Staaten nur noch in sehr beschränktem Maße existirt; die ihm entsprechende Thätigkeit ist fast ganz in großen Fabriken konzentrirt Schon von diesem Gesichtspunkte aus allein betrachtet, erscheint uns die Zweckmäßigkeit der vorgeschlagenen Maßregel fraglieh.

,,Nach den vorstehenden Darlegungen läßt sich die Ansicht der schweizerischen Handelskammer
ungefähr dahin zusammenlassen, daß sie sich von der Entsendung von Delegirten des Kleingewerbes nach Chicago für jenes selbst sozusagen keinen Nutzen verspricht, daß sie sich jedoch nicht berufen fühlt, dafür oder dagegen Stellung zu nehmen. "

859 Die ,,Société i n t e r c a n t o n a l e des i n d u s t r i e s du Jura " spricht sich in ähnlichem Sinne aus: ,,Les opinions sont unanimesquant aux résultats constatés par l'envoi de délégations ouvrières aux expositions précédentes, à Vienne et Paris particulièrement.

,,Ces résultats ne sont absolument pas en rapport avec les sacrifices que se sont imposés les autorités subventionnantes. Les visites subventionnées ne paraissent avoir servi qu'à l'instruction particulière des délégués, sans avoir exercé d'influence générale dans les industries intéressées. Bien que des rapports aient été publiés, ils n'ont pas éveillé l'intérêt des masses, ne se sont pas répandusdans les milieux ouvriers ou industriels. La constatation de résultatspratiques est donc négative.

,,L'envoi de délégations à Chicago ne parait dès lors pas devoir être recommandé, car vu l'éloignement et les conditions de chertédé vie en Amérique, les frais à faire seraient plus considérables de beaucoup et la disproportion entre ceux-ci et les résultats d'autant plus forte encore que dans les occasions précédentes. Une autre difficulté se présente d'ailleurs, celle de la langue anglaise à connaître, pour pouvoir étudier l'exposition avec quelque espérance do résultats.

Nous ne pensons pas qu'on trouve, parmi les ouvriers, beaucoup de délégués réunissant aux connaissances techniques indispensablescelle de la langue, anglaise, pas plus d'ailleurs qu'on en trouvera de bien qualifiés, disposant du temps nécessaire à une aussi longue absence.

,,De toutes manières donc, il nous paraît impraticable et inopportun d'entrer dans cette voie, dont l'expérience a démontré le» défectuosités."

Die Gutachten der Herren G u y e r - F r e u l e r und V ö g e l i B o d m e r lauten auszugsweise wie folgt: Herr Guy er- F r e u 1er: ,,Der Besuch der Kolumbia- Ausstellung 1893 in Chicago könnte für Arbeiter, Handwerker und kleinere Gewerbe- und Beruftreibende allerdings nach manchen Richtungen persönlich sehr interessant und lehrreich sein und mancherlei Anregungen bieten, .würde aber wohl schwerlich praktisch verwerthbare Resultate für die Stellung und den Beruf des Betreffenden oder für weitere Kreise direkt zu Tage (ordern.

"Abgesehen von der Kennlniß der englischen Sprache, welche trotz der großen Verbreitung der Deutschen in Chicago für einen
fruchtbringenden Besuch kaum umgangen werden kann, würde die verfügbare Zeit schwerlich hinreichen, um eine mit dem amerikanischen Leben und Treiben und dem Gewoge dea Weltverkehrs völlig unvertraute Person über den überwältigenden Eindruck ganz-

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lieh neuer Verhältnisse hinwegzubringen und solche der Art zu beherrschen, um sich seiner speziellen Aufgabe widmen zu können.

Nur in wenigen, wohl sehr vereinzelten Fällen könnte der einfache Arbeiter, oder Werkmeister, oder Kleingewerbtreibende durch einen nur wenige Wochen andauernden Besuch der Ausstellung die richtige Einsicht in die Gebiete erhalten, die ihn interessiren und von ihm auch genügend beherrscht wären, um nutzbringende Untersuche und Vergleiche anstellen zu können. Es würde sich hier besonders fragen, ob die speziellen beruflichen Kenntnisse, sowie die allgemeine Bildung, die Erfahrung und das Urtheilsvermögen der Betreffenden ausreichen würde, um die in der Ausstellung zur Darstellung gelangenden Verbesserungen, Fortschritte und Errungenschaften und die hiefür maßgebenden, an einer Weltausstellung nicht ohne Weiteres ?u Tage tretenden Faktoren auf deren innern Werth, auf die Möglichkeit und die Art und Weise ihrer Anwendung und Verwerthung bei uns in der Schweiz hin richtig zu beurtheilen.

,,Beispielsweise führe ich hier an, daß manche technisch tüchtig geschulte und erfahrne Besucher (europäische) die dem ausgesprochenen praktischen Sinn der Amerikaner geradezu widersprechende und darum auffallende Komplizirtheit mancher ausgestellten maschinellen Einrichtung an der Centennial-Ausstellung 1876 in Philadelphia sich nicht zu erklären vermochten, bis man sie darauf aufmerksam machte, diese Komplizirtheit sei in weitaus den meisten Fällen das Resultat des Bestrebens, bestehende kostspielige Pateute zu umgehen.

,,Dann noch ein Hauptpunkt: Das Handwerk und das Kleingewerbe " werden, wenn überhaupt, in Chicago nur sehr spärlich vertreten sein und in der Großindustrie versehwinden.

,,Will man aber trotz den nicht unbedeutenden Kosten und dem erheblichen Zeitaufwand für einen Besuch der Ausstellung in Chicago, und trotz der Voraussicht, daß der Erfolg dieser Reise und des Aufenthaltes weniger dem Berufe selbst, als mehr nur der Wißbegierde, der Erweiterung des Blickes, der Urtheilsfähigkeit und der Erfahrung des Einzelnen zu Gute kommen werde, dennoch für den Arbeiter- und Handwerkerstand und das Kleingewerbe eintreten auf eine Subventionirung einer beschränkten Zahl von Vertretern desselben, so sollte die Auswahl der Kandidaten nur auf Grund einläßlicher Untersuchung über deren
Qualifikation stattfinden. Auch schiene mir eine wohlüberlegte richtige Repartition solcher Kandidaturen nach den verschiedenen Gewerben und eine gewisse rechtzeitige Instruktion derselben angezeigt, um einerseits eine möglichst zweckmäßige Vertretung der verschiedenen Berufszweige zu sichern und anderseits, soweit dieß überhaupt durch-

861 führbar sein wird, auch für etwelche Sicherung eines ersprießlichen Resultates im Interesse der Allgemeinheit zu sorgen."

Herr V ö g e l i - B öd m er : ,,Die Frage der Absendung von Delegirten an die Weltausstellung in Chicago, ohne Einschränkung in Erwägung gezogen, kann sich beziehen einmal auf die Absendung von Delegirten aus Arbeiterkreisen, in der Absicht, besonders befähigten Persönlichkeiten dieser Klasse Gelegenheit zur Ausbildung speziell in ihrem Fache und verwandten Gebieten zu geben, und sodann auf Abgeordnete höhern Bildungsgrades, welchen neben allgemeinen Studien ganz besonders solche auf bestimmt bezeichneten Gebieten obliegen würden, und deren Wahrnehmungen irn Interesse vaterländischen Handels und Industrie zu verwerthen wären.

,,Hinsichtlich der ersten Kategorie von Belegirten bedarf es wohl keiner weitläufigen Begründung der Ansicht, daß der Nutzen, welcher erreicht würde, kaum im richtigen Verhältnisse zu den aufzuwendenden Kosten stehen würde; die Schwierigkeit, in den betreffenden Kreisen Persönlichkeiten zu finden, welche wenigstens die unbedingt nöthige Bildung besitzen, eventuell solche für den Besuch dieser Weltausstellung angemessen vorzubereiten, an Ort und Stelle zu leiten und zu orientiren, wäre voraussichtlich so groß, daß kaum ein befriedigendes Resultat erreicht würde; haben sich doch diese Schwierigkeiten unter den ungleich einfachem Verhältnissen beim Besuche der Weltausstellung 1889 in Paris durch Delegirte dieser Klasse oft in recht ungünstiger Weise geltend gemacht."

Den vorstehenden Urtheilen, welche sich speziell auf die Abordnung von Meistern und Arbeitern des Kleingewerbes beziehen, stellt sich dasjenige des Ausschusses des S c h w e i z e r i s c h e n G e w e r b e v e r e i n s gegenüber, welches wir infolge seines größern Umfanges in der Beilage und in extenso reproduzireu. Dasselbe verbreitet sich eingehend über die Aufgaben, die Organisation und die muthmaßlichen Kosten der Abordnung, die Mitwirkung der Kantone etc. und kommt zu dem Schlüsse, ,,es sei die Bewilligung eines Bundeskredites für Entsendung von Gewerbedelegirten an die Weltausstellung in Chicago nachdrücklieh zu befürworten".

Ein Theil der oben genannten Kantonsregierungen, Fachvereine und Autoritäten, welche sich g e g e n die Abordnung von Arbeitern und. Handwerksmeistern aussprechen, empfiehlt anstatt dessen die Sendung einer kleinen Anzahl von Fachleuten mit allgemeiner und

862 technischer Bildung, welche im Stande wären, mit dem Besuch der Ausstellung die gewerblichen Verhältnisse und die Arbeitsmethoden in den Vereinigten Staaten zu studiren, darüber in anregender und faßlicher Art und Weise Bericht zu erstatten, Gegenstände zu Vorweisungen in Vorträgen und zur Einverleibung in Sammlungen zu erwerben etc. Ferner wird namentlich auch eine zweckmäßige, auszugsweise Zusammenstellung und Veröffentlichung aller uns interessirenden Berichte, welche von Delegirten anderer Staaten veröffentlicht werden, angeregt.

Unser I n d u s t r i e d e p a r t e m e n t faßt in seiner Vernehmlassung namentlich unsere Gewerbemuseen und die Fachlehrer derjenigen Anstalten in's Auge, welche die Erlernung eines industriellen oder gewerblichen Berufes vermitteln. ,,Die Gewerbemuseen, wie die bezeichneten Schulen müssen es sich zur Aufgabe machen, in möglichst engem Kontakt mit der Praxia zu stehen, deren Fortschritte im In- und Auslande zu verfolgen, selbst solche anzubahnen und in jeder Hinsicht fördernd und anregend auf die Industrien und Gewerbe einzuwirken. Den Sammlungen (Museen etc.) liegt, noch besonders ob, mustergültige Gegenstände, Roh-, Halb- und fertige Produkte etc. anzuschaffen, und es ist nicht zu bezweifeln, daß in Chicago mannigfache Gelegenheit sich bieten wird, in dieser Richtung vortheilhaft thätig zu sein.

,,Wir schließen somit dahin, daß für den F a l l , wo eine finanzielle Leistung des Bundes für Beschickung der Weltausstellung in Chicago mit Delegirten einträte, die leitenden Organe der Gewerbemuseen und die Fachlehrer der Berufsbildungsanstalten in der Schweiz jedenfalls daran Theil haben sollen."1 O

O

Die Regierung des Kantons G r a u b ü n d e n schreibt: v Anders stellt sieh die Sache vom Standpunkte der Eidgenossenschaft dar, welche die Interessen bedeutender nationaler Industrien wahrzunehmen hat, und von diesem Gesichtspunkte aus würden wir den eidgenössischen Käthen die Sendung von Delegirten zürn Studium der Ausstellung in Chicago und die finanzielle Unterstützung durch den Bund und durch die am meisten betheiligten Kantone empfehlen. tt St. G a 11 e n : ,,Dagegen könnte unter Umständen bessere Wirkung erwartet werden von der Entsendung g e b i l d e t e r und zugleich erfahrener Fachmänner. Dieso wären besser im Stande, ihre Aufgabe zu erfassen, das Gesehene in Beziehung zu bringen zu den Verhältnissen des eigenen Landes, das Ganze von höhern Gesichtspunkten aus zu beurtheilen, das so Gewonnene in fachmännischer und gewandter Darstellung schriftlich und mündlich weitern Kreisen zu vermitteln und für das Ganze zu verwerthen.

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,,Hiebei dürften nach unserer Ansicht insbesondere unsere eigentlichen Landesindustrien spezielle Berücksichtigung finden, und hat sich der Industrieverein der Stadt St. Gallen für die Entsendung eines oder mehrerer Vertreter der ostschweizerischen StickereiIndustrie ausgesprochen. Sein Wunsch geht speziell dahin, daß z. B.

je ein technisch und künstlerisch gebildeter Fachzeichner der mechanischen und der Rideaux-Stickerei, vielleicht unter Führung des Direktors des hiesigen Gewerbemuseums, nach Chicago deleghi werden, oder eventuell ein Zeichner, der beide Hauptbranchen möglichst gründlich kennt."

A a r g a u : ,,Wenn wir der Meinung sind, es sollte der Kanton diesmal von der Entsendung besonderer Vertreter an die Ausstellung in Chicago absehen und dem dafür nothwendigen Kredite im Lande selbst eine entsprechende Verwendung geben, so sprechen wir anderseits die zuversichtliche Erwartung aus, es werde der Bund, der in dieser Frage eine ganz andere Stellung einnimmt und dem auch ganz andere Hülfsmittel zu Gebote stehen, jedenfalls von sich aus ' E x p e r t e n nach Chicago entsenden, um die Entwicklung der dort zur Darstellung gelangenden Industrien studiren zu lassen und s. Z.

die ihm eingehenden Rapporte für unsern schweizerischen Industrieund Gewerbestand nutzbar zu machen. Wir würden Ihnen deßhalb beantragen, sich in diesem Sinne bei den eidgenössischen Käthen um eine Kreditbewilligung zu verwenden."

Der Vorort des Schweizerischen H a n d e l s - und I n d u s t r i e v e r e i n s : ,,Daß in den Kreisen der G r o ß i n d u s t r i e sich leichter passende Leute für eine Delegation nach Chicago fänden, und daß hier auch die oben aufgezählten speziellen Bedenken nicht oder doch in schwachem! Maße zuträfen, dürfte kaum zu bestreiten sein. Für gewisse schweizerische Industrien müßte es zudem von allergrößtem Interesse sein, in die Technik ihrer amerikanischen Konkurrenten einen tiefern Einblick zu erhalten.

Bei den bedeutendem Industriellen, die für den amerikanischen Markt arbeiten oder mit der amerikanischen Fabrik in Konkurrenz treten, und besonders bei den Uhrenfabrikanten, hat sich diese Einsicht schon seit längerer Zeit gefestigt. Es versäumen denn auch dieselben, jeder einzeln, nicht, sei es durch periodische persönliche Besuche, sei es durch das Mittel ihrer geschäftlichen Verbindungen,
sich über das, was in der amerikanischen Fabrik vorgeht, auf dem Laufenden zu erhalten.

,,Etwas anders verhält es sich natürlich mit den kleinern Fabrikanten. Für diese ließe sich wohl mancher Nutzen erzielen.

Wir glauben aber nicht, daß es im Interesse der Gesammtheit der

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Industriellen am zweckmäßigsten wäre, Fabrikanten selbst zu dolegiren, und zwar aus dem menschlichen Grunde, weil für diese die Versuchung allzu nahe läge, gerade die interessantesten ihrer Beobachtungen flir sich zu behalten. Als berufenste Personen für eine solche Mission würden wir vielmehr tüchtige Lehrer an Fachschulen betrachten.

,,Ob aber auch da die zu erhoffenden Resultate in richtigem Verhältnisse zu den nolhwendi^en bedeutenden Kosten ständen, wagen wir nicht zu entscheiden. Hiogegen möchten wir noch darauf aufmerksam machen, daß bei Industrien, die (iber verschiedene Kantone sich vertheilen, es unter Umständen schwer halten dürfte, diese letztern auf einen Delegirten zu einigen und ihm ihre finanzielle Unterstützung zu gewinnen.

,,Es ist bestimmt zu erwarten, daß die hauptsächlichsten der an der Columbian Exhibition offiziell vertretenen Staaten eingehende Fachberichte über die Ausstellung veröffentlichen werden. Und da scheint es uns denn, daß diese deutschen, französischen, englischen etc. Arbeiten für die schweizerischen Industriellen kaum viel weniger interessant und werthvoll sein würden, als spezielle schweizerische Berichte. Gelänge es, diese Publikationen in der Schweiz weitern Kreisen bekannt zu geben, so könnte damit jedenfalls ein ziemlicher Ersatz für schweizerische Fachabordnungen nach Chicago geschaffen werden -- und zwar mit unvcrhältnißmäßig geringern Kosten.

,,Sofern an maßgebender Stelle trotz entgegenstehenden Bedenken die Entsendung von Delegirten des Kleingewerbes als zweckmäßig erachtet würde, so halten wir es allerdings für selbstverständlich, daß auch die in Betracht fallenden Großindustrien (wie besonders Maschinenindustrie und Textilindustrie) entsprechend berücksichtigt würden. a Die ,,Société i n t e r c a n t o n a l e des industries du Juratt: ,,II nous semble que quelque chose d'autre pourrait être fait dans le sens de renseigner nos industries. Le but est louable et incontestablement utile, c'est la formule employéejusqu'ici qui ne correspond pas aux besoins.

,,Dans cet ordre d'idées, nous nous permettons de vous soumettre, bien que non consultés à cet égard, un autre mode de faire, qui serait peut-être de nature à procurer de plus utiles et de moins coûteux résultats.

,,Nous nous expliquons: ,,Ne serait-il pas possible d'affecter une partie du crédit proposé pour l'envoi de délégations, à faire recueillir à Chicago, puis imprimer

865.

sous forme de brochures, les publications techniques et spéciales, pouvant intéresser nos industries et qui paraîtront pendant l'exposition?

,,Ces brochures, classées par catégories d'industries (mécanique, textile, etc.), seraient mises à la disposition des industriels, des ouvriers, en un mot de tout ceux qui ont un intérêt au développement professionnel dans tous ses domaines.

,,Il y a certainement un immense intérêt pour chaque industrie, et spécialement pour l'industrie horlogère, à faire des études comparatives à Chicago, et nous désirons vivement que ces études soient faites, mais nous ne pensons pas que le véritable moyen de les réaliser soit celui consistant en l'envoi de délégations ouvrières."1 Herr G u y e r - F r e u l e r : ,,In Bezug auf die Großindustrie, ins-, besondere die Exportindustrien, liegen die Verhältnisse wesentlich anders.

,,Mit Rücksicht auf den besonderen Charakter und die Bedeutung der Columbia-Ausstellung 1893 in Chicago hatte der Unterzeichnete schon vor längerer Zeit die Frage aufgeworfen, ob es wohl möglich wäre, in der Schweiz eine Anzahl Männer als Vertreter der verschiedenen Industrien zu finden, welche, mit voller Faehkenntniß, reicher Erfahrung, kompetentem Urtheil ausgerüstet, die Ausstellung besuchen würden, um ihre Eindrücke, Erhebungen und Ansichten nutzbringend für. unsere einheimische Industrie, sowohl in Bezug auf Leistungsfähigkeit (Fabrikation), als in Bezug auf Absatz und handelspolitische Beziehungen, zu verwerthen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß in Chicago in mehrfacher Richtung, bei gewiegter fachmännischer Untersuchung, sich werthvolle Resultate ergeben werden; aber es darf auch die Schwierigkeit nicht unterschätzt werden, die geeigneten zuverläßigen und von gemeinnütziger Gesinnung getragenen Persönlichkeiten zu finden, welche befähigt und willens wären, sich, einer solchen Aufgabe zu unterziehen.

^Nuv Männer mit reicher praktischer Erfahrung, mit dem Welt-.getriebe und dem Ausstellungswesen vertraut, vermöchten praktisch verwendbare Resultate ihrer Untersuchungen zu sichern, Schein und Wahrheit zu scheiden und mit scharfem Blick die verschiedenartigen \7'erhältnisse und Bedingungen auf ihre innere Berechtigung · und Ve.rwerthung zu prüfen und festzuhalten. Solche Personen stehen jedoch meistens mitten im Berufsleben, sind meistens
unmittelbar mit dem betreffenden Industriezweige oder einem bestimmten industriellen Etablissement verbunden; naturgemäß wird also auch das Bestreben sich zeigen, die gewonnenen Erfahrungen in erster Linie den näher stehenden Interessen dienstbar zu machen, so daß

866

sozusagen unwillkürlich, und ohne daß daraus ein Vorwurf erhoben werden dürfte, das Interesse fUr die Verwerthung der gewonnenen Resultale mehr im ausgedehnteren, allgemeinen Sinne erst in zweiter Linie käme.

,,Industrielle und Kaufleute, -welche sich zurückgezogen oder infolge besonderer Umstände völlig frei und unabhängig sich äußern und ihre Erfahrungen in den Dienst der Oeffentlichkeit stellen könnten, und dazu die Beschwerlichkeiten eines solchen Mandates übernehmen wollten, sind nicht sehr zahlreich zu linden.

,,Dazu kommt noch, daß die Art und Weise der nachträglichen Verwerthung der Resultate eines solchen Studiums der Ausstellung nicht so ohne Weiteres gegeben ist, sondern eine große Gewissenhaftigkeit, reichliche Ueberlegung, nach Umständen auch eine gewisse Diskretion nebst Sachkenntniß und Gewandtheit erfordert. Bei unrichtigem Vorgehen, einseitiger Auffassung oder oberflächlicher Darstellung könnte sonst leicht infolge unrichtiger Wegleitung, statt des erhofften Nutzens, Schaden entstehen.

,,In den meisten unserer einheimischen Industrien werden die bedeutenderen Firmen, soweit solche nicht bereits durch eigene Häuser und Filialen in den Vereinigten Staaten die Möglichkeit und den Willen besitzen, sich über die. sie interessirenden Verhältnisse direkt zu orientiren, vorziehen, auf irgend welche Subvention zu verzichten und sich dafür die Freiheit und die Unabhängigkeit zu wahren, die gewonnenen Einsichten und Erfahrungen ausschließlich zu eigenen) Nutzen zu verwenden, so weit wenigstens, als ihnen dies thunlich und möglich erscheinen mag.

,,Dagegen sollte meines Erachtens im Interesse des gesammten Landes der Versuch gemacht werden, zu Händen Her Behörden, des Handels, der Industrie und der Gewerbe, sowie auch im Interesse der Landwirtschaft, des Verkehrswesens und unserer einheimischen Institutionen und Einrichtungen ein möglichst klares und zu vorläßiges Bild der Errungenschaften zu erhalten, wie solche auf der Columbia-Ausstellung 1893 in Chicago 7,11 Tage treten mögen.

"Ueber die Qualifikation zur Durchführung einer solchen Aufgabe habe ich mich bereits ausgesprochen; es bedarf keiner großen Zahl, aber dafür um so befähigterer Leute, denen man nach einläss licher Erwägung aller einschlagenden Faktoren ein solches Mandat vertrauensvoll übertragen könnte.

,,Bejahenden Falls dürfte es angezeigt sein, in Bezug auf Dauer des Aufenthaltes und die Mittel zu den nöthigen Erhebungen und Untersuchungen keine zu engen Sehranken zu ziehen.

867

,,Hat man aber für die Betheiligung der Uhrenindustrie, Bijouterie und Holzschnitzerei nicht unerhebliche Subventionen in Aussicht genommen, so darf wohl den gesammten übrigen Interessen des Landes ein verhältnißmäßig nicht sehr bedeutendes weitere» Opfer gebracht werden, sofern durch die Wahl geeigneter Personen voraussichtlich ein ersprießliches Resultat erwartet werden darf.tt Herr V ö g e l i - B o d m e r : ,,Hinsichtlich der zweiten Kategorie (,,Abgeordnete höhern Bildungsgrades, welchen neben allgemeinen Studien ganz besonders solche auf bestimmt bezeichneten Gebieten obliegen würden, und deren Wahrnehmungen im Interesse unseres Handels und unserer Industrie zu verwerthen wären") läßt sich nicht in Abrede stellen, daß ein gewisser, wenn auch voraussichtlich beschränkter Nutzen durch den Besuch dieser Ausstellung erzielt werden könnte, insofern es gelänge, Persönlichkeiten zu gewinnen, welche befähigt wären, eine solche Mission so zu erfüllen, wie dieß das allgemeine Interesse verlangt; Studien auf speziellen Gebieten bedingen eine besondere Befähigung, welche doch meist nur bei nähern persönlichen Beziehungen zu diesen Gebieten vorhanden ist, und hiebei ist dann allerdings auch die Gefahr vorhanden, daß die Ergebnisse der Studien nicht in unbeschränktem Umfange der Allgemeinheit zu Gute kommen. Sodann lehrt die Erfahrung, daß selbst für Juroren, denen doch jederzeit eine ganz bestimmte Aufgabe gestellt ist, die Gefahr nahe liegt, von derselben abgezogen zu werden durch den Reiz des an solchen Weltausstellungen gebotenen allgemein Interessanten, so daß die nöthige Garantie auch nach dieser Richtung hin in's Auge zu fassen wäre.

,,Nach meiner Ansicht würde sich also die Absendung einer ganz beschränkten Anzahl von Delegirten an die Weltausstellung in Chicago nur dann empfehlen, wenn aus kompetenten Kreisen ganz bestimmte Aufgaben bezeichnet würden, sowie Delegirte, welche die erforderliche Garantie nach den angedeuteten Richtungen bieten."

III.

Indem wir uns anschicken, Ihnen unsere Ansicht über die vorliegende Frage zu äußern, konstatiren wir zunächst, daß gewisse Punkte, welche für die Handwerker-Abordnungen an die bisherigen Ausstellungen auf unserem Kontinent nur in bescheidenem Maße in Betracht fielen, auf die Entschließungen betreffend Chicago in höchst beschränkender Weise einwirken.

Es sind dies die Dauer der Reise und des Aufenthalts, die Kosten und die Landessprache.

Bundesblatt. 44. Jahrg. Bd. V.

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868

Zum Besuche der Ausstellungen in London, Wien und Paris waren 8 bis 14 Tage erforderlich; für Chicago nimmt die Hin- und Herreise allein 3 Wochen in Anspruch, auch wenn keine längern Zwischenaufenthalte in Anschlag gebracht werden. Mit Bezug hierauf hat man, vielleicht mit Recht, die Frage aufgeworfen, ob sich in der Schweiz überhaupt Handwerker finden werden, welche im Falle sind, zum Zwecke des Ausstellungsbesuches Haus und Geschäft für 5 bis 6 Wochen zu verlassen, ohne sich sagen zu müssen, daß der Gewinn möglicherweise in keinem Verhältniß stünde zu dem Verlust, welchem sie sich durch eine so lange Abwesenheit aussetzen.

Für den Besuch der letzten Weltausstellung in Paris wurden von den Kantonsregierungen, Gemeinden und Vereinen zirka 410 Mann mit ungefähr Fr. 59,600 subventionné. Mit diesem Betvag könnte man höchstens 35 Mann nach Chicago senden; auf jede von den Branchen, welche nach dem Gutachten des Ausschusses des Schweizerischen Gewerbevereins hauptsächlich in Frage kämen, träfe es l bis 2 oder höchstens 3 Mann. Während in Paris die Ausgabe pro Mann Fr. 200 bis 300 betrug, wären fUr Chicago unter Berücksichtigung der Nebenauslagen, welche mit größeren Reisen verbunden zu sein pflegen-, gegen Fr. 2000 in Anschlag zu bringen, und die Subventionirung einer gleich großen Abordnung, wie diejenige nach Paris, käme auf über eine halbe Million Franken zu stehen.

Die Kenntniß der englischen Sprache wird in den meisten Gutachten als unerläßlich für einen nutzbringenden Besuch in Chicago genannt. Es ist zwar zuzugeben, daß durch die itn Projekte des Schweizerischen Gewerbevereins vorgesehene Bildung von Gruppen, von welchen jede unter der Leitung eines landes- und sprachkundigen Führers stünde, dieses Hinderniß zum Theil umgangen würde; es liegt aber auf der Hand, daß die Unkenntniß der Landessprache namentlich bei der Beobachtung der allgemeinen Laudesund Gewerbsverhältnisse außerhalb der Ausstellung, worauf auch im Programme des genannten Vereins ein Hauptgewicht gelegt, wird, sich dennoch jedem Einzelnen sehr empfindlich fühlbar machen müßte.

Es steht nach dem über die voraussichtlichen Kosten Gesagten außer Zweifel, daß die Abordnung, wenn eine solche stattfinden soll, eine kleine sein muß. Aus welchen Elementen soll sie unter diesen Umständen bestehen ?

Es wird in verschiedenen der von uns resümirten Gutachten wohl mit Recht bemerkt, daß die meisten der bisher subventionirteu Arbeiter und Handwerker aus den erhaltenen Eindrücken und Be-

869 lehrungen nur für ihre Person und ihr Geschäft Nutzen zogen und nach ihrer Rückkehr yon der Ausstellung mit seltenen Ausnahmen nicht im Falle waren, auch weitere Kreise anzuregen und zu belehren und auf diese Weise zur Förderung ihres Gewerbszweiges im Allgemeinen beizutragen. Bei den bisherigen Abordnungen durfte man sich indessen sagen, daß schon der Nutzen, welchen der Einzelne für sich selbst aus déni Besuche der Ausstellung ziehe, den mäßigen Kostenaufwand wohl aufzuwiegen in) Stande sei, und daß übrigens bei der großen Zahl von Delegirten der hauptsächlichsten Gewerbszweige eine vortheilhafte Rückwirkung auf die letztem nicht ausbleiben könne, wenn sie auch nicht zum sichtbaren Ausdruck gelange. Für Chicago fallen diese Erwägungen dahin. Der erforderliche Subventionsbetrag beläuft sich auf die sehr beträchtliche Summe von zirka Fr. 2000, die Zahl der Delegirten kann deßhalb nur eine kleine sein; um so mehr wird aber gefordert werden müssen, daß diese Wenigen von vorneherein durch Charakter und Bildungsgrad, durch ihre Stellung und ihre Fach- und Sprachkenntnisse die Gewähr für gründliche Studien und Beobachtungen, für eine in jeder Beziehung hervorragende Berichterstattung und für die Verwerthung des Beobachteten in weitern Kreisen bieten.

Es ist zweifelhaft, ob es möglich sein werde, in Handwerkerkreisen solche Persönlichkeiten zu finden ; dagegen ist von mehreren Seiten, namentlich auch von unserem Industriedepartemente, darauf hingewiesen worden, daß vor Allem einzelne Lehrer an unseren Industrie- und Gewerbeschulen und die Vorstände unserer Gewerbemuseen qualifizirt und berufen sein dürften, nach Chicago zu gehen.

Die Frage, ob überhaupt eine Abordnung dahin angezeigt sei, glnuben wir bejahen zu sollen. Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, daß die Ausstellung, in Verbindung mit dem Besuche industrieller und gewerblicher Etablissements, Museen, Fachschulen und anderer öffentlicher Anstalten, Gelegenheit zu mannigfaltigen, für unsere Industrien und Gewerbe werthvollen Beobachtungen bieten werde. Der Umstand, daß uns die freiwillige Enthaltung unserer meisten Exportindustrien von der Beschickung der Ausstellung mit ihren Erzeugnissen große Opfer erspart, welche sonst unvermeidlich gewesen wären, läßt es um so thunlicher erscheinen, wenigstens einen bescheidenen Beitrag zum S t u d
i u m der Ausstellung und der Landesverhältnisse der Vereinigten Staaten auszusetzen.

Wir halten es weder für nöthig noch für zweckmäßig, jetzt schon Bestimmungen über die Zusammensetzung der Delegation oder über die Dauer des Aufenthaltes und die Höhe der Subvention zu treffen. Wenn sich in Handwerkerkreisen geeignete Vertreter

870

finden sollten, so soll selbstverständlich deren Abordnung nicht ausgeschlossen sein, ebenso wenig als wir es für ausgeschlossen halten, daß der eine oder andere Industrielle mit der Berichterstattung über diese und jene unserer Industriebranchen, hinsichtlich welcher eine Beobachtung des an der Ausstellung Gebotenen wünschenswerth erscheint, beauftragt werde. Wir erwähnen an dieser Stelle, daß sich unser Landwirthschaftsdepartement die Entsendung eines Forst- und Fischereiexperten vorbehalten hat.

Es ist auch die Aussetzung einer Summe für den Erwerb von Gegenständen für die Sammlungen unserer Gewerbemuseen und Fachschulen, soweit sich dazu an der Ausstellung besonders günstige Gelegenheit bieten sollte, angeregt worden; ebenso die Sammlung und geeignete Verbreitung von Berichten, welche von Abgeordneten anderer Staaten erstattet werden und für uns ein besonderes Interesse bieten. Der Werth dieser Anregungen erklärt sich von selbst und es scheint uns, daß dieselben Beachtung verdienen.

Unter Einrechnung dieser letzteren Anregungen glauben wir Ihnen, gemäß dem beigefügten Beschlussesentwurf, die Aussetzung eines Maximalkredites von Fr. 60,000 empfehlen zu sollen, in der Meinung, daß wir uns bemühen würden, die interessirten Kantone, Gemeinden, Vereine und Anstalten in dem \rerhältniß, in welchem ihre Wünsche betreffend Abordnung von Delegirten, Berichterstattung und Erwerbung von Gegenständen berücksichtigt werden, zur Uebernahme eines Theiles der Subvention zu veranlassen, wie wir uns auch vorbehalten, «u untersuchen, ob und in welchem Maße das reguläre Budget für das gewerbliche Bildungswesen für die Zwecke, um welche es sich handelt, in Mitleidenschaft zu ziehen sei. Von dem Kredite von 60,000 Fr. würde jedenfalls nur auf Grund der sorgfältigsten Prüfung aller in Betracht kommenden Faktoren ein erschöpfender Gebrauch gemacht.

Genehmigen Sie, Tit., die erneute Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

O B e r n , den 14. Dezember 1892.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Hanser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

871

Beilage.

Z ü r i c h , den 31. Oktober 1892.

An das h. schweizerische Departement des Auswärtigen (Handelsabtheilung) Bern.

Hochgeachteter Herr Bundesrath!

Ihrer verdankenswerthen Einladung Folge leistend, beehren wir uns, Ihnen nachstehend die Ansichten des leitenden Ausschusses, betreffend die Zweckmäßigkeit einer eidgenössischen Subvention für eine Delegation an die Weltausstellung in Chicago, zu unterbreiten.

Leider war es uns in der kurzen Frist nicht möglich, mittelst der von Ihnen selbst gewünschten ,,genauen und eingehenden Erhebungen die Ansichten weiterer gewerblicher Fachkreise einzuholen, namentlich auch darüber, w e l c h e B e r u f s a r t e n vom Besuch jener Ausstellung einen wirklichen Nutzen für das einheimische Gewerbe erwarten. Wir hoffen, Ihnen hierüber bis Anfangs Dezember noch detaillirtere Mittheilungen machen zu können.

Die Frage, ob eine Entsendung von Fachleuten aus Handwerkerund Arbeiterkreisen an f r ü h e r e Ausstellungen praktische Resultate zu Tage gefördert habe, können wir nur b e j a h e n und verweisen speziell auf die bei der letzten Pariser Weltausstellung gemachten, in unserm bezüglichen Berichte dargelegten Beobachtungen und Erfahrungen (siehe Seite 848). · Eine zweite Frage ist nun freilich, ob ein Besuch der Weltausstellung in C h i c a g o ebenso fruchtbringend werden dürfte. Dies zu beantworten, ist schon deßhalb nicht so leicht, weil uns weniger Anhaltspunkte geboten sind und weil die nordamerikanische Union als junger, erst seit wenigen Jahren auf dem europäischen Markte sich geltend machender Industriestaat ein für uns noch fast unbekanntes Gebiet ist. Die riesige Entwicklung der Industrie und des Verkehrs, der konsequent durchgeführte Spezialitäten betrieb, der

872 erfinderische spekulative Geist des Amerikaners haben für uns ganz fremdartige Produktions- und Arbeitsverhältnisse geschaffen, welche bestimmt erwarten lassen, daß auf einem solchen Schauplatz, wo die neue Welt mit allen Kulturstaaten der alten Welt sich im Wetlkampfe messen will, trotz aller Spreu auch manch guter Kern zu finden sein werde, der uns reichliche Früchte bringen könne.

Wir möchten ferner darauf aufmerksam machen, wie der ,,Administrativbericht des s c h w e i z e r i s c h e n G e n e r a 1k o m m i s s ä r s für die internationale Ausstellung von 1876 in Philadelphia", des gewiß sehr kompetenten Herrn Ständerath Rieter in Winterthur, über diese Frage urtheilte: ,,Eine derartige Konkurrenz der geistigen und materiellen Kräfte dor Völker aller Nationen ist in Wahrheit sowohl für Gesetzgeber, wie für Handel, Industrie und Gewerbe eine S c h u l e des L e b e n s .

Mancherlei Verumständungen brachten es mit sich, daß Philadelphia diesen Charakter in hervorragender Weise konstatirte, so namentlich dadurch, daß alle Nationen, welche dahin pilgerten, ein ganz anderes Bild der Thätigkeit und besonders der Leistung des amerikanischen Volkes fanden, als sie erwarteten. Es war, als ob ihnen allen, wie die mir bis jetzt privatim und durch die Oeffentliehkeit zugekommenen Berichte übereinstimmend hervorheben, Schuppen von den Augen gefallen wären. Dieses Gefühl regte an zum Nachdenken und veranlaßte Nachforschungen nach allen einschlagenden Faktoren und den in Aussicht zu nehmenden Konsequenzen, wie man es zuvor wohl noch niemals gethan. Es war daher auch meine Pflicht, der Schweiz jene Gelegenheit zum Lernen nicht unbenutzt vorüber gehen !6U lassen und die vielseitigen einschlagenden Berichte des Herrn Kommissärs Ed. Guyer, die mir von anderà Seiten zugekommenen sachbezüglichen Mitteilungen und endlich die in Folge dieser beiden Anhaltspunkte gemachten eigenen Erhebungen in ein Gesammtbild zu vereinigen, um so den hohen Behörden feste Stützpunkte zur eigenen Beurtheilung zu bieten."

Die hier erwähnten wenigen Fachberichte haben in der That bis heute bleibenden Werth behalten. Wenn nun nach der Ansicht einer solchen Autorität wie Herr Rieter die Schweiz in Philadelphia sehr Vieles lernen konnte, sollte dasselbe nicht in Chicago mindestens in gleichem Maße der Fall sein ?

Wir bejahen die
Frage auch speziell mit Rücksicht auf das K l e i n g e w e r b e , dessen Interessen wir zu wahren haben und um das es sich bei den gegenwärtigen Erhebungen vorzugsweise handelt. Die amerikanische Union hat eine hochentwickelte, in .Spezialitäten ausgeschiedene Kleinindustrie, die vermöge der nutzbar gemachten Betriebskräfte den Kampf mit der Großindustrie

.873

vielfach mit Erfolg aufnimmt und einigen unserer Kleingewerbe gewiß in mancher Richtung wichtige Fingerzeige für ihre künftige Entwicklung zu bieten vermag. Amerikanische Arbeitsmethoden, Werkzeuge und Maschinen, anfänglich als für unsere Verhältnisse unpassend erklärt, bürgern sich tagtäglich mehr in unserer Produktion ein und verursachen eine totale Umgestaltung derselben. Gar Manches erweist sich freilich als Reklame, während wirklich nutzbare Neuheiten noch der Aufdeckung und praktischen Anpassung harren. Gewiß liegt hier ein dankbares Gebiet für sachkundige, findige Weltausstellungsbesucher.

Wenn wir somit nach sachlicher Erwägung und gestützt auf eigene und Anderer Erfahrungen einen p r a k t i s c h e n N u t z e n vom Besuch der Weltausstellung in C h i c a g o durch G e w e r b e D e l e g i r t e b e s t i m m t e r h o f f e n , so glauben wir immerhin unsere Befürwortung an gewisse V o r a u s s e t z u n g e n knüpfen zu müssen. Die mit früheren Delegationen gemachten Erfahrungen dürften insbesondere fjir Chicago weislich zu Rnthe gezogen werden.

Ein solcher Besuch erfordert für den einzelnen Besucher bedeutend größere Opfer an Zeit und Geld, vermehrte Risiken für Gesundheit und Leben, insbesondere aber höhere Befähigung zur richtigen Ausübung der übertragenen Pflichten. Daraus ergibt sich von selbst die Nothwendigkeit, daß erstens die Z a h l der Delegirten auf ein Minimum beschränkt und daß zweitens bei der A u s w a h l derselben doppelt vorsichtig vorgegangen werde.

]n Chicago wird voraussichtlich nur ein kleinerer Theil unserer gewerblichen Berufsarten nutzbringenden Studien obliegen können; diese Berufsarten näher zu bestimmen, wäre Zweck der von uns noch vorgesehenen speziellen Erhebungen. Einstweilen nehmen wir an, daß namentlich folgende Gewerbsgruppen in Betracht lallen dürften: Baukonstruktionen, Möbel und Hauseinrichtungen, Kleinmechanik, Motoren, Werkzeugfabrikation, graphische Gewerbe, Bekleidung und Frauenarbeiten. Im Fernern dürfte es von großem Interesse sein, der seit wenigen Jahren von der Union in ganz eigenartiger Weise und mit praktischem Erfolg angebahnten Reform der g e w e r b l i c h e n B e r u f s b i l d u n g besonderes Augenmerk zu schenken, vielleicht durch speziell hiezu berufene Abgeordnete. Die gesammte Gewerbedelegation durfte sich auf zirka
zwanzig Personen beschränken.

Bei der Auswahl dieser Delegirten müßte hauptsächlich darauf Rücksicht genommen werden, daß dieselben ein möglichst weites Feld der Arbeitsthätigkeit aus praktischer Erfahrung kennen; daß sie mit den schweizerischen und soviel wie möglich auch mit den ausländischen, speziell amerikanischen Produktions- und Konsumtions-

874

Verhältnissen ihres Berufes vertraut seien und genügende Einsicht und Beobachtungsgabe besitzen, um die für das gesammte Gewerbe sich ergebenden Nutzanwendungen zu ziehen; daß sie endlich über allgemeine und sprachliche Bildung verfügen.

Ob sich nun auch A r b e i t e r finden lassen, von welchen die für diesen Ausstellungsbesuch erforderlichen allgemeinen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen erwartet werden dürfen, und ob nicht, bei dieser Delegation wenigstens, den selbstständigen Gewerbetreibenden im Allgemeinen der Vorzug gegeben werden müsse, läßt sich von vornherein nicht entscheiden. Doch gestatten wir uns, zu bemerken, daß von den selbstständigen Gewerbetreibenden ein weiterer Gesichtspunkt, ein regeres Interesse für die technischen Fragen und höhere praktische Erfahrung vorausgesetzt werden darf.

Bin Haupt/weck der Delegation liegt jedenfalls in der B e r i c h t e r s t a t t u n g . Nur wenn das vom Einzelnen Gewonnene G e m e i n g u t werden kann, hat dieErtheilung einer Subvention ein eine kleine Zahl von Delegirten einen Zweck. Dies zu erreichen, muß bei der ganzen Anordnung angestrebt werden. Wir erlauben uns, hiefür folgende M a ß r e g e l n vorzuschlagen: Die Delegirten werden auf erfolgte öffentliche Ausschreibung hin durch eine aus Vertretern des Bundes, der subventioniroudeu Kantone und allfällig sonst in Frage kommender Organe zusammengesetzte Kommission gewählt und nach Berufsgruppen" organisirt.

Jeder Gruppe wird ein theoretisch und praktisch gebildeter, mit Sprachkenntnissen genügend ausgestatteter Fachmann als Chef und Berichtersatter beigegebeu. Die Kommission stellt ferner die speziellen Aufgaben und Instruktionen der Delegirtea fest, nimmt eventuell auch deren Berichte entgegen und besorgt ihre Veröffentlichung.

Die Delegirten einer Gruppe besuchen die Ausstellung gleichzeitig und versammeln sich nach kurzen Fristen regelmäßig zum gemeinsamen Austausch ihrer Beobachtungen und mündlichen Berichterstattung. Sie haben auch, wo immer möglich, hervorragende naheliegende Werkstätten oder Anstalten ihres Arbeitsgebietes zu besuchen, um sich von der Produktionsweise und den Verhältnissen der amerikanischen Industrie ein Bild zu verschaffen. Sie werden hauptsächlich darauf Bedacht nehmen, zu erforschen, was das einheimische Gewerbe in seiner Konkurrenz mit dem Auslande
von Amerika annehmen oder in anderer Form nutzbringend anwenden könne, sei es in Roh- oder Hülfsstoffen, Motoren, Werkzeugen oder fertigen Produkten. Sie werden auch mit einem Spezialkredite ausgestattet, um Werkzeuge, Utensilien, Modelle" u. s. w. für die schweizerischen Sammlungen und Lehranstalten erwerben oder um den Gesammtbericht mit Abbildungen solcher Muster illustriren zu können.

875 Werden irn Interesse einer allgemein nutzbringenden Berichterstattung derartige 'höhere Anforderungen an die nach Chicago Delegirten gestellt, so muß anderseits auch eine den vermehrten Opfern und erhöhten Aufgaben und Pflichten entsprechende Subvention gewährt werden. Angenommen, jeder Delegirte werde verpflichtet, zu Studienzwecken in der Union mindestens vier Wochen zuzubringen und er gebrauche bei möglichst direkter Hin- und Herreise zusammen ebenfalls vier Wochen, die Zeit für Vorbereitung und Berichterstattung nicht gerechnet, so mag in Anbetracht der mancherlei Risiken und der bedeutend verteuerten Verpflegungskosten ein Beitrag von mindestens Fr. 2000 als bescheidene Entschädigung gelten. Für die Chefs und Berichterstatter, die vielleicht für sich selbst aus dem Besuch der Ausstellung einen geringern Vortheil ziehen und welchen erhöhte Pflichten und Aufgaben übertragen würden, wäre wohl ein Honorar von Fr. 2500--3000 nicht zu hoch bemessen.

Mögen nun auch einzelne, namentlich die kleinern und vorwiegend Landwirtschaft treibenden Kantone die Zweckmäßigkeit einer Abordnung von Gewerbedelegirten nach "Chicago verneinen und eine Subvention ablehnen, so ist damit noch keineswegs erwiesen, daß nicht der g e s a m m t e s eh w e i z e r i s eh e G e w e r b e s t a n d ein hohes Interesse an einer zweckmäßig eingeschränkten Delegation habe. Wir setzen als selbstverstäudich voraus, daß die Berichte der Delegirten veröffentlicht und Jedermann zugänglich gemacht würden. Je größer der Leserkreis, desto höher dar Nutzen für die Allgemeinheit. Nicht nur die durch Subventionen oder Delegationen betheiligten Kantone, sondern das schweizerische Gewerbe in seiner Gesammtheit würde aus den gebrachten Opfern Nutzen ziehen ; denn abgesehen von den Exportindustrien und einigen Spezialitäten sind ja die kleingewerblichen Berufsarten auf alle Kantone annähernd gleichmäßig vertheilt.

Gestützt auf diese Thatsachen glauben wir nachdrücklich den Wunsch aussprechen zu dürfen, daß die Entsendung von Delegirten aus dem Gewerbestand an ausländische Ausstellungen inskünftig p r i n z i p i e l l als eine a l l g e m e i n s c h w e i z e r i s c h e A u f g a b e a u f g e f a ß t und demgemäß behandelt werde. Das bei .Erlheilung der Bundessubsidien an gewerbliche^ Bildungsanstalten angewendete Verfahren, je nach
den kantonalen Beiträgen die eidgenössischen zu bemessen, trifft offenbar für die vorliegende Angelegenheit nicht zu. Es wäre unbillig, irgend einem für diese spezielle Mission außerordentlich befähigten Techniker oder Handwerksmeister eine Subvention gerade deßhalb vorenthalten zu wollen, weil die Regierung seines Heimatkantons entweder über die nolh-

876

wendigen Mittel zur Subventionirung nicht verfügt oder den Nutzen einer Delegation zufällig ungünstiger beurtheilt, als die Regierung eines andern, vielleicht weniger bemittelten Kantons.

Würde die Bewilligung oder Verfügung eines Bnndeskredites ganz allein von den Subsidien der einzelnen Kantone abhangen, so wäre von vornherein die Entsendung von Gewerbedelegirten so gut wie ablehnend entschieden. Voraussichtlich können nur wenige Kantone so hohe Kredite bewilligen, welche für die in Aussicht genommene Entschädigung eines oder mehrerer Delegirten hinreichen. Die Gewährung ganz geringer Subsidien (z. B. Fr. 300--500) und ohne spezielle Verpflichtungen und Vorausbedingungen hat nach gemachten Erfahrungen keinen Wcrth. Stellt man die Frage aber statt auf den kantonalen auf den a l l g e m e i n s c h w e i z e r i s c h e n Standpunkt, d. h. übernimmt der B u n d die Organisation und Finan/iruna; unter Beihülfe der Kantone nach dem Maß ihrer Kräfte,J dann 3 wird schließlich auch die Summe von kleineren Beiträgen ein allgemein befriedigendes Ergebniß ermöglichen.

Die Mithülfe der Kantone ließe sieh eventuell auch in der Weise denken, daß der Bund solchen Kantonen, welche einzeln oder zusammen neben der Bundesdelegation noch eine besondere Delegation mit gleichen Rechten und Pflichten entsenden wollen -- sei es mit Rücksicht auf spezielle Gewerbszweige, Institute oder Personen -- an die festgesetzte Reisevergütung je die Hälfte beiträgt.

Für die dem Bund zufallende Aufgabe dürfte ein Kredit von zirka Fr. 40,000--50,000 genügen -- eine Summe, die gewiß im Interesse der Förderung unseres Gewerbestandes sehr wohl sich rechtfertigen ließe. Der Nutzen dieser Unterstützung wird gesichert und erhöht durch eine planmäßige und einheitliche Organisation, welche auch dem einzelnen Delegirten die Aufgabe bedeutend erleichtern und mancherlei Vortheile bringen würde. Wir denken uns auch die Möglichkeit, daß es gelänge, alle Delegirten zu einer Reisegesellschaft unter ortskundiger, gewandter und uneigennütziger Führung zu vereinigen und dadurch die mit der weiten Reise verbundenen Kosten, Unannehmlichkeiten und Gefahren ganz wesentlich zu vermindern.

Unter solchen Voraussetzungen, die dem Bund und den Kantonen, dem Gewerbestand und den Delegirten Gewähr für eine richtige und fruchtbringende Durchführung der
gemeinnützigen Aufgabe bieten, kommen wir zum Schlüsse, es sei die Bewilligung eines Bundeskredites für Entsendung von Gewerbedelegirten an die Weltausstellung in Chicago nachdrücklich zu befürworten.

877

Indem wir, hochgeachteter Herr Bundesrath, unsere Vorschläge Ihrer wohlwollenden Berücksichtigung anempfehlen, genehmigen Sie die erneute Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

Für den leitenden Ausschuß des Schweizerischen Gewerbevereins, Der Präsident: Dr. J. Stößel, Begierungsrath.

Der Sekretär:

Werner Krebs.

878

(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Sendung von Delegirten zum Studium der Weltausstellung in Chicago.

Die Bundesversamm 111lungg der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 14. Dezember 1892, b e s chl eß t:

1. Für die Sendung von Delegirten zum Studium der Weltausstellung in Chicago, die Erwerbung von Ausstellungsgegenständen für inländische Sammlungen und die Veröffentlichung von Berichten wird dem Bundesrathe unter der Voraussetzung möglichster finanzieller Beiheiligung der interessirten Kantone, Gemeinden, Vereine und Anstalten ein Kredit von Fr. 60,000 zur Verfügung gestellt.

2. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend die Sendung von Delegirten zum Studium der Weltausstellung in Chicago. (Vom 14. Dezember 1892.)

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Bundesblatt

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1892

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52

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

21.12.1892

Date Data Seite

835-878

Page Pagina Ref. No

10 015 982

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