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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Gewährleistung der geänderten Verfassung des Kantons Waadt (Vom 16. Mai 1960)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

In der Volksabstimmung vom 26. und 27. März 1960 haben die Stimmberechtigten des Kantons Waadt zwei Dekrete des Grossen Rates angenommen, nämlich das Dekret vom 17.Februar 1960 betreffend Änderung der Artikel 55, Absatz 2, 74, Absatz 2,85, Absatz l der waadtländischen Verfassung und Einführung einer Übergangsbestimmung mit 32 478 Ja gegen 8137 Nein sowie das Dekret vom 22. Februar 1960 betreffend Änderung der Artikel 33, Absätze 2 bis 4, 35 und 54, Absatz l der Kantonsverfassung und Einführung einer Übergangsbestimmung mit 23 538 Ja gegen 17 010 Nein. Mit Schreiben vom 8.April 1960 sucht der Staatsrat des Kantons Waadt die eidgenössische Gewährleistung für diese neuen Verfassungsbestimmungen nach. Hervorzuheben ist, dass gegen das Wahlverfahren kein Eekurs erhoben wurde und dass die Übergangsbestimmung des Dekrets vom 22. Februar 1960 durch die Annahme der Übergangsbestimmung im Dekret vom 17.Februar 1960 dahingefallen ist.

Die bisherigen und die neuen Bestimmungen lauten : Bisheriger Text 2

kreis.

Art. 33, Abs. 2 bis 4 Jeder Kreis bildet einen Wahl-

Neuer Text

Art. 33, Abs. 2 bis 4 Der Kanton wird in dreissig Wahlkreise eingeteilt, die durch das Gesetz umschrieben werden.

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Neuer Text

Bisheriger Text 3

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In den Kreisen mit einem oder zwei Abgeordneten vollzieht sich die Wahl nach dem Mehrheitssystem, in den übrigen Kreisen nach dem Grundsatz der proportionalen Vertretung.

4 Die Zahl der Abgeordneten eines Wahlkreises wird auf Grund der alle zehn Jahre stattfindenden Zählung der Stimmberechtigten durch das Gesetz bestimmt.

Die Wahl vollzieht sich nach dem Grundsatz der proportionalen Vertretung.

4 Vorerst wird jedem Wahlkreis ein Sitz zugeteilt. Die Zuteilung der übrigen Sitze erfolgt in dem durch das Gesetz festgelegten Verhältnis und auf Grund der Ergebnisse der letzten eidgenössischen Volkszählung.

Art. 35

Art. 35

Ein Bürger kann nicht in mehreren Kreisen Kandidat sein.

Ein Bürger kann nicht in mehreren Wahlkreisen Kandidat sein.

Art. 54, Abs. l

Art. 54, Abs. l

Die Mitglieder des Staatsrates dürfen dem Grossen Eate nicht angehören. Diejenigen, welche aus dem Schosse dieser Versammlung gewählt werden, sind als Abgeordnete durch jene Kreise zu ersetzen, die sie ernannt haben.

Die Mitglieder des- Staatsrates dürfen dem Grossen Eate nicht angehören. Diejenigen, welche aus dem Schosse dieser Versammlung gewählt werden, sind als Abgeordnete durch jene Wahlkreise zu ersetzen, die sie gewählt haben.

Art. 55,*Abs. 2 Die Gesamtneuwahl findet ein Jahr nach jeder Erneuerung des Grossen Eates statt. Bei jeder Vakanz im Staatsrat ist innert 60 Tagen eine Ersatzwahl vorzunehmen, wenn nicht innert vier Monaten die Gesamtneuwahl stattfindet.

Art. 55, Abs. 2 Die Gesamterneuerung des Staatsrates findet gleichzeitig mit derjenigen des Grossen Eates statt. Bei jeder Vakanz...

Art. 74, Abs. 2 Die Kantonsrichter werden vom Grossen Eat für die Dauer von vier Jahren im zweiten Jahr jeder Legislaturperiode gewählt; sie sind wieder wählbar.

Art. 74, Abs. 2 Die Kantonsrichter werden vom Grossen Eat für die Dauer von vier Jahren im ersten Jahr jeder Legislaturperiode gewählt; sie sind wieder wählbar.

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Bisheriger Text

Neuer Text

Art. 85, Abs. l

Art. 85, Abs. l

Jede Gemeinde, deren Bevölkerung achthundert Seelen nicht übersteigt, hat einen Generalrat; Gemeinden mit einer Bevölkerung über achthundert Seelen haben einen Gemeinderat, der aus wenigstens fünfundvierzig und höchstens hundert Mitgliedern besteht, die für eine Dauer von vier Jahren gewählt und die wieder wählbar sind. Die Gesamterneuerung findet nach jeder Erneuerung des Grossen Kates statt.

Jede Gemeinde, deren Bevölkerung achthundert Seelen nicht übersteigt, hat einen Generalrat; Gemeinden mit einer Bevölkerung über achthundert Seelen haben einen Gemeinderat, der aus wenigstens fünfundvierzig und höchstens hundert Mitgliedern besteht, die für vier Jahre gewählt und die wieder wählbar sind. Die Gesamterneuerung findet in dem der Erneuerung des Grossen Eates vorangehenden Jahre statt.

Übergangsbestimmung (gemäss Dekret vom 17. Februar 1960)

Die gleichzeitige Erneuerung des Grossen Bates und des Staatsrates gemäss Artikel 55, Absatz 2 findet das erste Mal im Jahre 1962 statt. Das Mandat der für die Legislaturperiode 1957--1961 gewählten Abgeordneten des Grossen Bates wird um ein Jahr verlängert.

Übergangsbestimmung (gemäss Dekret vom 22. Februar 1960)

Für die im Jahre 1961 stattfindenden Grossratswahlen erfolgt die Zuteilung der übrigen Sitze gemäss Artikel 33, Absatz 4 nach dem durch das Gesetz festgelegten Verhältnis und auf Grund der kantonalen Volkszählung vom Monat Dezember 1959.

Durch den geänderten Artikel 33 der Kantonsverfassung wird für die Wahl aller Abgeordneten des Grossen Bates das System der Verhältniswahl eingeführt, während diese Wahl früher je nachdem entweder nach dem Mehrheitssystem oder der Verhältniswahl stattfand. Bisher bildete jeder der seóhzig Kreise einen Wahlkreis. Nunmehr wird der Kanton in dreissig Wahlkreise eingeteilt, deren

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Umschreibung das Gesetz bestimmt. Jeder neue Wahlkreis erhält zum vornherein einen Sitz ; die übrigen Sitze werden gemäss dem durch das Gesetz festgelegten Verhältnis und auf Grund der Ergebnisse der letzten eidgenössischen Volkszählung zugeteilt. Nach dem bisherigen Wortlaut des Artikels 33 wurden die Sitze den Wahlkreisen auf Grund der alle zehn Jahre stattfindenden Zählung der Stimmberechtigten verteilt. Die Eevision der Artikel 35 und 54 verfolgt im wesentlichen den Zweck, diese Texte dem neuen Artikel 33 anzupassen, da der Ausdruck «Kreis» durch «Wahlkreis» ersetzt wurde. Die Übergangsbestimmung des Dekrets vom 22.Februar 1960 betreffend die Grossratswahlen 1961 ist gegenstandslos geworden, nachdem das Volk beschloss, das Mandat der gegenwärtigen Abgeordneten gemäss Dekret vom 17.Februar 1960 bis 1962 zu verlängern. Weder die Einführung des Systems der Verhältniswahl für die Wahl aller Abgeordneten des Grossen Eates noch die Ersetzung der Kreise durch Wahlkreise noch die Zuteilung eines festen Sitzes an jeden Wahlkreis noch die für die Zuteilung der andern Sitze angenommene Grundlage (letzte eidgenössische Volkszählung an Stelle der alle zehn Jahre stattfindenden Zählung der Stimmberechtigten) widersprechen dem Bundesrecht. Hinsichtlich der Zuteilung eines festen Sitzes an jeden Wahlkreis ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass eine ähnliche Bestimmung in der Verfassung des Kantons Bern (Art. 19) die eidgenössische Gewährleistung erhielt.

Der revidierte Artikel 55, Absatz 2 bewirkt das Zusammenfallen der Wahl der Abgeordneten des Grossen Eates mit der Wahl der Mitglieder des Staatsrates und hat gewisse Vereinfachungen sowie eine Verminderung der politischen Kämpfe zur Folge. Die Gesamterneuerung des Staatsrates, welche bisher ein Jahr nach der Erneuerung des Grossen Eates durchgeführt wurde, findet von nun an gleichzeitig mit der Erneuerung des Grossen Eates statt. Die Übergangsbestimmung zum Dekret vom 17. Februar 1960, welche das Mandat der Abgeordneten um ein Jahr verlängert, gestattet bereits das Zusammenfallen der nächsten Wahlen dieser beiden Behörden. Um zu vermeiden, dass die zeitliche Verlängerung der Mandate der Abgeordneten eine Verlängerung der Amtsdauer der Kantonsrichter, Gemeinderäte und Generalräte um ein Jahr nach sich zieht, mussten die Artikel 74, Absatz 2 und 85, Absatz
l ebenfalls geändert werden.

Nach dem neuen Artikel 74, Absatz 2 werden die Kantonsrichter ebenfalls im ersten Jahr der Legislaturperiode des Grossen Ea'tes gewählt, während nach dem neuen Artikel 85, Absatz l die Gemeindewahlen in dem der Erneuerung des Grossen Eates vorangehenden Jahre stattfinden. Die neuen Bestimmungen beschlagen das kantonale Eecht und widersprechen dem Bundesrecht nicht.

« Wir beantragen Ihnen daher, den neuen Bestimmungen der Verfassung des Kantons Waadt die eidgenössische Gewährleistung zu erteilen, indem Sie den beiliegenden Beschlussesentwurf annehmen.

151 Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Bern, den 16.Mai 1960.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Max Petitpierre Der Bundeskanzler: Ch. Oser (Entwurf)

Bundesbeschluss über

die Gewährleistung der geänderten Verfassung des Kantons Waadt Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 6 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 16. Mai 1960, in Erwägung, dass die geänderten Verfassungsbestimmungen nichts dem Bundesrecht Zuwiderlaufendes enthalten, beschliesst :

Art. l Den in der Volksabstimmung vom 26. und 27.März 1960 angenommenen Änderungen der Artikel 33, Absätze 2 bis 4, 35, 54, Absatz l, 55, Absatz 2, 74, Absatz 2 und 85, Absatz l der Verfassung des Kantons Waadt sowie der Übergangsbestimmung im Dekret vom 17.Februar 1960 wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.

Art. 2 Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

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1960

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8039

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16.06.1960

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