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Bericht des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, über den Rekurs der Regierung von St. Gallen betreffend die einspurige Anlage des Albistunnels.

(Vom 20. Juni 1892.)

Tit.

Nach dem Tenor des "Rekurses", welchen Landammann und Regierungsrath des Kantons St. Gallen in Betreff der einspurigen Anlage des Albistunuels, mit Begleitschreiben vom 24., eingelangt am 29. Mai d. J., an die Bundesversammlung zu richten sich veranlaßt sahen, könnte man zu der Annahme versucht sein, der Bundesrath sei in dieser Sache mindestens in leichtfertiger Weise über wichtige Landesinteressen hinweggegangen, und es bedürfe des Mahnrufes aus St. Gallen zu eidgenössischem Aufsehen, um eine Landekala-mität abzuwenden.

Dem ist glücklicherweise nicht so und wir glauben, es sollte nicht schwer halten, Sie davon zu überzeugen, daß die Haltung des Bundesrathes in der Angelegenheit, welche Gegenstand des Rekurses bildet, eine durchaus korrekte war, und daß er unter den gegebenen Verhältnissen nicht anders handeln und entscheiden konnte, als er es gethan hat. Von der staatsmännischen Einsicht der St. Galler Regierung durften wir füglich erwarten, daß sie bei vorurteilsloser Würdigung des ihr ohnehin bekannten und von uns ausführlich mitgetheilten Sachverhaltes von weitern Schritten absehen werde.

Wir müssen bedauern, uns in dieser Erwartung getäuscht und in den Fall versetzt zu sehen, vor Ihrem Forum gegen den Vorwurf der Mißachtung wichtiger Landesiuteressen uns vertheidigen zu müssen.

1050 Bevor statten wir es sei von kompetenz

wir aber auf eine materielle Erörterung eintreten, geuns zunächst auf den formellen Standpunkt abzustellen, der Bundesversammlung auf dea ,,Rekurs" wegen Innicht einzutreten.

1.

Die Regierung von St. Gallen hätte mit ihrem Begehren, es sei die Nordostbahn, zum doppelspurigen Bau des Albistunnels anzuhalten, an die Bundesversammlung gelangen sollen, als es sich u m B r t h e i l u n g d e r K o n z e s s i o n für d i e Eisenbahn Thalweil-Zug handelte. Damals wäre die oberale Landesbehörde in der Lage gewesen, eventuell dem Wunsche durch Aufstellung einer bezüglichen Bestimmung in der Konzession (Art. 8) Statt zu geben.

Heute dagegen kann sie unseres Eraehtens auf die Anträge des 8t. G-aller Regierungsrathes nicht mehr eintreten, sondern muß sie wegen Inkompetenz von der Hand weisen.

Der Rekurs, dessen Statthaftigkeit wir bestreuen, stützt, sich ausschließlich auf Art. 14 des Eisenbahngesetzes; gemäß dieser Gesetzesbestimmung soll die Nordostbahn zur doppelgeleisigen Erstellung des Albistunnels verhalten werden. Die Regierung von St. Gallen gibt damit selbst zu, daß es sich nur um eine Verfügung handeln kann, welche die Bundesbehörden auf Grund und in Ausübung ihres Plangenehmigungsrechtes zu treffen hätten. Die Kompetenz zur Genehmigung der Baupläne und zur Entscheidung aller damit im Zusammenhang stehenden Fragen liegt aber ausschließlich und endlich bei dem B u n d e s r a t h . Eine Weiterziehung an die Bundesversammlung kennt das Gesetz nicht, ein besonderer, aber hier nicht zutreffender Fall, von dem hienach die Rede sein wird, ausgenommen.

Wir beantragen deßhalb in erster Linie, es möge die Bundesversammlung auf den Rekurs nicht eintreten.

Zur Begründung dieses Gesichtspunktes diene Folgendes: Der Art. 14 sieht zwei verschiedene Fälle vor, die wohl auseinander zu halten sind : Die zwei ersten Alineas beziehen sich auf die Vorlage und Genehmigung der Baupläne für n e u zu erstellende Bahnen, und die folgenden Alineas 3--5 handeln von dem Fall, wenn ,,in der Folge'1 bei im Betrieb befindlichen Bahnen Erweiterungen der bestehenden Anlagen nothwendig werden. Daß ,,in der Folge" gleich ,,nach Eröffnung des Betriebes"1 zu verstehen ist, bedarf im Hinblick schon auf den Wortlaut und den Zusammenhang der betreffenden Bestimmungen kaum einer weitem Begründung. Wir gestatten uns zur Stützung unserer Interpretation blos

1051 auf die einschlägigen Ausführungen der Botschaft zum Eisenbahngesetz, vom 16. Juni 1871, pag. 26 ff., zu verweisen, welche über den Sinn, welcher den fragliehen Bestimmungen vom Gesetzgeber beigelegt werden wollte, keinen begründeten Zweifel übrig lassen.

Nur um den e r s t e n Fall handelt es sich hier, d. h. urn die Genehmigung der Baupläne für die neu zu erstellende Linie Thalweil-Zug. Somit sind die beiden ersten Alineas des Art. 14 allein maßgebend, während die folgenden weiter nicht in Betracht fallen.

Nach Art. 14, Alinea 2, ,,ist der Bauplan dem B u n d e s r a t h e in seiner Gresarnmtheit, wie in den Einzelheiten zur Genehmigung vorzulegen. Diese ist namentlich erforderlich für das Bahntracé, die Stationen sammt deren Einrichtung, sowie für sämmtliche größere Bauobjekte, einschließlich der wichtigern Hochbauten. Die Gesellschaft soll jeweilen vor Beginn der Bauarbeiten die nöthigen Planvorlagen machen etc. Der B u n d e s r a t h wird den betreffenden Kantonsregierungen und durch deren Vermittlung auch den Lokalbehörden Gelegenheit geben, bezüglich des Tracé's etc.

ihre Interessen geltend zu machen. Der B u n d e s r a t h wird dabei seinerseits die militärischen Interessen geltend machen."'

Es hieße dem Wortlaut, nicht blos dem Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung Gewalt anthun, wenn darin etwas Anderes gelesen werden wollte, als das, daß die Plangenehmigung und alle damit zusammenhängenden Vorkehren und Verfügungen a u s schließlich in die Kompetenz des Bundesrathes gegeben seien. Von einem möglichen Rekurs an die i Bundesbehörden steht kein Wort, und der Gesetzgeber hat seine guten Gründe dafür gehabt, von einem solchen abzusehen und die endliche Kompetenz des B u n d e s r a t h e s für die Plangenehmigung zu statuiren.

Der Ausschluß des Rekursrechtes an die Bundesversammlung war nothwendig, wenn nicht letzterer ein für sie praktisch unerfüllbares Arbeitspensum aufgeladen werden wollte. Wir fragen, wo würde es hinführen, wenn jeder Entscheid des Bundesrathes in Plangenehmigungssachen -- einen Unterscheid zu machen zwischen wichtigem und unbedeutenden Fällen, wäre an sich schwierig und jedenfalls willkürlich -- an die Bundesversammlung rekurrirt werden könnte? Um einer solchen Aufgabe genügen zu können, würde eine ständige Kommission, die überdies wenigstens zum Theil aus
Technikern bestehen müßte, nicht mehr ausreichen, es müßte schon zur Gründung eines technischen Büreau's der Bundesversammlung zur Vorbereitung der Rekursentseheide in Plangenehmigungssachen geschritten und dieses bei der stets wachsenden Zahl solcher Geschäfte gewiß auch jährlich vergrößert werden. Eine solche

1052 Organisation wollte der Gesetzgeber vernünftiger Weise nicht und legte deßhalb, wie auch die ausländischen Gesetzgebungen dies thun, die Befugniß zur Prüfung und Genehmigung der Baupläne in die Hand der E x e k u t i v e , welche vermöge ihrer Organisation in der Lage ist, sich mit den zur Ausübung des Plangenehmigungsrechtes nothwendigen fachmännisch gebildeten Organen zu umgeben, wie solche einzig kompetent sein können, diese Geschäfte mit der erforderlichen Sachkenntniß zu behandeln, bezw. vorzubereiten.

Danach fällt die Plangenehmigung ausschließlich in die Kompetenz des B u n d e s r a t h e s , und es ist ein Rekurs gegen dessen Entscheide an die Bundesversammlung nicht zuläßig.

Aber selbst wenn man eine solche Berufung an sich als rechtlich zuläßig erachten sollte, wäre jedenfalls dazu die R e g i e r u n g von St. G a l l e n nicht legitimirt.

Der mehrerwähnte Art. 14 bestimmt, daß der Bundesrath ,, d e n b e t r e f f e n d e n K a n t o n s r e g i e r u n g e n und durch deren Vermittlung auch den Lokalbehörden Gelegenheit geben werde,, bezüglich des Tracé etc. ihre Interessen geltend zu machen tt . In einer zwanzigjährigen, nie angefochtenen Praxis sind nun ausnahmslos als die b e t r e f f e n d e n Kantonsregierungen diejenigen und nur diejenigen angesehen worden, deren Gebiet von einer Bahnanlage d i r e k t b e r ü h r t wird. D i e s e n sind jeweilen die Detailpläne zur Vernehmlassung mitgetheilt worden, und zwar in Fällen, wo eine neue Linie mehr als einen Kanton berührte, nur so weit, ala das Territorium des einzelnen Kantons in Anspruch genommen war. Diese Auslegung entspricht der Intention des Gesetzgebers und ist die einzig mit einem richtigen Geschäftsgang vereinbare.

Auf Seite 26 der oben schon angerufenen Botschaft zum geltenden Eisenbahngesetz, vom 16. Juni 1871, wird- das Verfahren bei Genehmigung des Bauplanes als demjenigen bei der K o n z e s s i o n s g e n e h m i g u n g a n a l o g bezeichnet, nämlich als ein Zusammenwirken der Bundes- und Kantonalbehörden. Welche Kantonalbehörden gemeint seien, wird, weil selbstverständlich, nicht ausdrücklich gesagt, aber der Hinweis auf das Verfa.hren bei Konzessionsertheilungen läßt darüber keinen Zweifel, indem in Art. 2, des Eisenbahngesetzes ausdrücklich bestimmt wird, daß der Bundesrath von den Konzessionsgesuchen
denjenigen Kantonsregierungen sofort Kenntniß zu geben habe, d e r e n G s b i e t für die B a h n anlage beansprucht wird.

Wozu es praktisch führen müßte, wenn man zu den ,,betreffenden Kantonsregierungen14 im Sinne von Art. 14 auch alle diejenigen zählen wollte, welche an einer Linie irgend ein näheres oder ferneres^

1053 wirkliches oder eingebildetes, i n d i r e k t e s Interesse haben, leuchtet ein. Die Pläne für jede zur Bedienung allgemeiner Verkehrsinteressen im weitern Sinn bestimmte Linie müßten dann wohl an die Großzahl der 25 Kantonsregierungen gesandt werden, und wenn jede derselben als Mitbetheiligte Begehren und Wünsche geltend machen könnte, so würde sich nothwendig eine Erschwerung und Verlangsamung des Geschäftsganges ergeben, der nicht ermangeln würde, jeweilen allgemeine Entrüstung engerer und weiterer Kreise des an einer Linie interessirten Publikums hervorzurufen. Eine treffende Illustration dafür, daß wir hier nicht übertreiben, liegt in den zum Theil sehr lebhaften Protesten, welche sich in der Zürcher Presse, im dortigen Kantonsrath und in Eingaben aus der bei dem Projekt Thalweil-Zug betheiligten Landesgegend geltend machten, als der Bundesrath auch nur Miene machte, den Begehren und Wünschen der St. Galler Regierung und des Romite fUr die Linie St. Gallen-Zug Gehör zu schenken. Es würde eben eine s o l c h e Mitbetheiligung bezw. Mitwirkung aller sich um ein Eisenbahnprqjekt interessirenden Kantonsregierungen bei der Eonzessionsertheilung sowohl als bei der Plangenehmigung schon wegen dieser großen praktischen Unzukömmlichkeiten nicht durchführbar sein. Es lag aber für den Gesetzgeber auch kein innerer Grund vor, die Mitwirkung der Kantonsregierungen so weit auszudehnen. Zur Wahrung der engern lokalen Interessen, welche die Bundesbehörden nicht oder nur ungenügend zu kennen im Falle sind, war es nicht bloß empfehlenswerth, sondern nothwendig, bei der Plangenehmiguog die Mitwirkung der Behörden des von der Bahn berührten Kantons vorzusehen, wahrend die allgemeinen Interessen und diejenigen fernerstehender Gebietstheile beaw. Kantone, Überhaupt die Landesinteressen zu schützen, in die berufene Aufgabe der Bundesbehörde fällt.

Alinea 3 des Art. 14 trifft hier nicht zu. Denn es setzt eine bereits im B e t r i e b e b e f i n d l i e h e Eisenbahn voraus, bei welcher sich nach einiger Zeit (,,in der Folge") ergibt, daß die Sicherheit des Betriebes und erweiterte Verkehrsbedürfnisse oder die Interessen der Landesverteidigung die Anlage eines zweiten Geleises, die Eröffnung neuer Stationen etc. nothwendig machen, für welchen Fall dann ein besonderes Verfahren mit einem ausnahmsweisen Rekursrecht
vorgesehen ist. Ueber die Richligkeit dieser Auffassung des Art. 14, AI. 3, läßt schon dessen Wortlaut und vollends die Botschaft zum Eisenbahngesetz (pag. 26 f.) gar keinen Zweifel. Es könnte daher die Regierung von St. Gallen schon deßhalb, weil es sich hier nicht- um die Erweiterung einer b e s t e h e n d e n Bahn durch Anlage eines zweiten Geleises, sondern um einen n e u e n Bahnbau handelt, auf keinen Fall das am Schlüsse des Lemma vorgesehene ausnahmsweise Beschwerde- resp. Rekurs-

1054 recht ür sich in Anspruch nehmen. Da&selbe ist überdies- ganz ausdrücklich nur zu Gunsten der B a h n g e s e l l s e h a f ' t e n , welchen Erweiterungen der angegebenen Art zugemuthet werden, nicht aber zu Gunsten von Kantonsregierungen oder beliebigen Dritten, die sich dabei etwa mitbetheiligt erachten, stipulirt. Die genannte Botschaft sagt mit aller wünschbaren Deutlichkeit, daß eine G a r a n t i e zu G u n s t e n der B a h n e n geschaffen, d i e s e ciavorgeschützt werden sollten, daß nicht etwa das bloße Belieben einer Administrativbehörde mit wirklichen Verkehrsbedürfnissen verwechselt werde.

D e ß h a l b wurde es als angezeigt erachtet, den Entscheid mit außerordentlichen Garantien zu umgeben, wie eine solche übrigens nicht bloß in dem ausnahmsweisen Beschwerderecht an die Bundesversammlung, sondern auch schon in der Vorschrift der vorgängigen Prüfung durch Sachverständige liegt. Es versteht sich nun aber von selbst, daß aus dieser singulären Bestimmung nicht in ausdehnender Interpretation auch zu Gunsten allfälliger interessirter D r i t t e r ein allgemeines Rekursrecht gegen Entscheide des Bundesrathes betreffend Erweiterungen an bestehenden Bahnen, geschweige denn für den Fall der Genehmigung de:.1 Pläne für neu zu erstellende Bahnen hergeleitet werden darf, um so weniger, als für solche Dritte und speziell auch Kantonsregierungen die angegebene ratio legis der Spezialbestimmung durchaus nicht zutrifft.

Daß der Gesetzgeber das Rekursrecht auf den Fall von Absatz 3 des Art. 14 beschränken wollte, geht übrigens auch aus Art. 39 des Eisenbahngesetzes hervor, wo unter den von der Bundesversammlung auszuübenden Kompetenzen ausdrücklich nur die in Art. 14, A b s a t z 3, bezeichnete genannt ist, während dagegen Absatz 2 nicht erwähnt wird.

Es erscheint am Platze, hier gleich beizufügen, daß selbstverständlich das aus dem 3. Alinea des Art. 14 fließende Recht des Bundesrathes, n a c h E r ö f f n u n g des B e t r i e b e s unter den gesetzlichen Voraussetzungen die Anlage eines zweiten Geleises auf der ganzen Linie Thalweil-Zug oder einer Theilstrecke zu verlangen, durch Bewilligung der erstmaligen eingeleisigen Anlage nicht präjudizirt wird. Zum Ueberfluß wurde ein entsprechender Vorbehalt der Bahngesellschaft gegenüber noch ausdrücklich gemacht. Es wäre also unrichtig, wenn
man annehmeo wollte, daß mit dem angefochtenen Entscheid des Bundesrathes für alle Zukunft eine dem möglichen, aber heute noch nicht sicher bestimmbaren Verkehr entsprechende Anlage, der Linie verunmöglicht sei. Vielmehr erscheint der Entscheid über die Frage der Notwendigkeit einer aweiten Spur im Albistunnel blos verschoben auf einen spätem Zeitpunkt, wo über eine gewisse Betriebsperiode zurückgeblickt

1055 werden kann und für Entscheidung der Bediirfnißfrage positivere Anhaltspunkte vorliegen werden, als es heute der Fall ist. Wenn alsdann die Erstellung des zweiten Geleises verfügt werden und die Ausführung mit mehr Kosten verbunden sein wird, als es bei doppelspuriger Anlage gleich von Anfang an der Fall gewesen wäre, so trifft dieser Nachtheil die Bahngesellschaft und nicht das verkehrtreibende Publikum oder die Regierung von St. Gallen.

Wenn wir gestützt auf diese Erwägungen der Regierung von St. Gallen ein formelles gesetzliches Rekursrecht bestreiten und in Abrede stellen, daß ihr von Gesetzes wegen irgend ein R e c h t zur Mitwirkung bei der Plangenehmigung für die auf dem Gebiet der Kantone Zürich und Zug gelegene Linie Thalweil-Zug zustehe, waren und sind wir dagegen weit entfernt, ihr schlechthin das Wort abschneiden zu wollen. Wir nahmen deßhalb nicht Anstand, ihr die eingereichten Baupläne auf geäußerten Wunsch zur Kenntnißnahme mitzutheilen, allerdings unter Betonung des Standpunktes, daß eine gesetzliche Verpflichtung nicht anerkannt werden könne.

Die Begehren und Wünsche des Regierungsrathes wurden nicht blos entgegengenommen, sondern erfuhren eine eingehende materielle Prüfung.

II.

Wir hegen nun im Weitern die bestimmte Ueberzeugung, daß Sie, wenn Ihnen, entgegen unserer Annahme, doch das Eintreten auf die Beschwerde der 8t. Galler Regierung -- als solche muß die Eingabe nach dem oben Gesagten qualiflzirt werden -- belieben sollte, unschwer dazu gelangen werden, die Haltung und die Verfügungen des Bundesrathes in der Angelegenheit zu billigen.

Um Ihnen eventuell für Beurtheilung der letztern neben der einseitigen und in gewissen Beziehungen unrichtig gestellten Darlegung der St. Galler Regierung auch unserseits einige Anhaltspunkte zu geben, gestatten wir uns, in Nachstehendem noch die w e s e n t l i c h e n thatsächlichen Momente kurz zu resümiren, indem wir auf eine eingehende historische Darstellung des Ganges der streitigen Angelegenheit, die übrigens als solche zur Beurtheilung der Frage keineswegs nothwendig ist und zu weit führen würde, verzichten.

Der Vollständigkeit wegen ist aber vorher noch ein anderer rechtlicher Gesichtspunkt kurz zu würdigen, auf den die Interessenten sich früher stützten und von welchem daher in unsern Entscheiden ebenfalls die Rede war. Es betrifft die Frage, ob nicht allenfalls das Begehren der Regierung von St. Gallen im Hinblick auf Art. 30 des Eisenbahngesetzes begründet erscheint, welcher jede EisenbahnBnndesblatt. 44. Jahrg. Bd. III.

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1056 Verwaltung verpflichtet, den technischen und Betriebsanschluß anderer schweizerischer Eisenbahnunternehmungen an die ihrige ohne Zuschlagstaxe etc. in schicklicher Weise zu gestatten.

Es versteht sich dabei, daß wir uns auf die Erörterung auch dieser Frage nur in der Meinung einlassen, daß der Bundesrath ,,der Bundesversammlung als Oberaufsichtsbehörde über eine von dritter Seite beanstandete Verwaltungshandlung Auskunft schulde, wenngleich zu deren Vornahme einzig der Bundesrath berufen ist.

Die Kompetenzfrage liegt hier ganz gleich wie mit Bezug auf die Plangenehmigung nach Art. 14, indem auch in Art. 30 die Entscheidung allfälliger Anstände über Aaschlußverhältnisse, abgesehen von der Bestimmung etwa streitiger Entschädigung, in die Hand des B u n d e s r a t h e s gegeben-ist, ohne Weitersziehung an die Bundesversammlung.

Obwohl, nach unserem Dafürhalten, Art. 30 des Eisenbahngesetzes die einzige Bestimmung ist, auf welche gestützt, unter gewissen Voraussetzungen, die St. Galler Regierung ihren Zweck, die doppelgeleisige Erstellung des Albistunnels auf der Nordostbahnlinie Thalweil-Zug im Interesse des Eisenbahnprojektes St. Gallen-Zug, erreichen könnte, erwähnt sie diese Gesetzesbestimmung in ihrer Rekurseingabe (pag. 9) nur, um sofort beizufügen, daß sie sieh darauf n i c h t berufe. Zu dieser Stellungnahme hat sie allerdings einen einleuchtenden Grund. Sie konnte sich der Richtigkeit des wiederholten hierseitigen Vorhalts nicht verschließen, daß im Interesse der projektirten Linie St. Gallen-Zug die doppelgeleisige Erstellung des Albistunnels der Nordostbahn gestützt auf Art. 30 des Eisenbahngesetzes nur auferlegt werden dürfe, wenn ihr für die daraus gegenüber einer einspurigen Anlage erwachsenden Mehrkosten Garantie geleistet werde, zu welcher sich eben die Regierung von St. Gallen nicht herBeilassen wollte und welche das Komite tur das Projekt St. Gallen Zug nicht leisten konnte. Wir ließen uns bei diesem Bescheide, dessen Richtigkeit, wie gesagl, offenbar auch die Rekurrentin anerkennt, von folgenden, auf Seite 3 der Rekurseingabe wiedergegebenen Erwägungen leiten, die unseres Erachteas nicht anfechtbar sind : ,,Der Art. 30 des Eisenbahngesetzes auferlegt den bestehenden Bahiigesellschaften einerseits Pflichten, gesteht ihnen aber anderseits auch Rechte zu. Diese Rechte der Bahn,
an welche ein Anschluß verlangt wird, bestehen u. A. darin, daß sie in der Ausführung ihrer Konzession nicht gehindert werde, und namentlich auch, daß die dritte, den Anschluß verlangende Bahn für die Entschädigung Sicherheit leiste, zu welcher sie nach dem Gesetz für alle in ihrem Interesse zu treffenden Einrichtungen verpflichtet ist. Eine solche

1057 Sicherheit war nun aber von der Unternehmung St. Gallen-Zug nicht geleistet worden. Es konnte deßhalb angesichts des zitirten Artikels des Gesetzes der Nordostbahn nicht zugemuthet werden, den Beginn des Tunnelbaues auf unbestimmte Zeit zu verschieben und ebensowenig diesen Bau selbst auf die Gefahr hin zweispurig auszuführen, daß die Linie St. Gallen-Zug nicht zu Stande kommt.

Uebrigeos war auch noch die Erwägung zuläßig, daß durch die einspurige Anlage des AlbistunneLs die Eisenbahnverbindung von St. Gallen mit Zug nicht unmöglich gemacht wird, sondern dieselbe entweder mit offener Traceführung über Sihlbrück oder mittelst eines besondern zweiten Albistunnels ohne Anstand erfolgen kann; daß somit der Linie St. Gallen-Zug und der Nordostbahn genau die gleichen Rechte zu- und dieselben Wege offenstehen. Wenn nun die erstere bloß im Interesse der Kostenersparniß einen beiden Bahnen gemeinsamen Weg verlangte, so konnte hierauf nicht eingetreten werden, so lange der im Gesetz liegenden Voraussetzung angemessener Entschädigung nicht Genüge geleistet, d. h. eine bezügliche Verpflichtung nicht beigebracht war.a In diesem Sinne wurde auch früher schon bei ähnlichen Anständen entschieden. Wir erwähnen den Fall der Einmündung der Linie "Winterthur-Singen-Kreuzliagen und der Tößthalbahn in den Bahnhof Winterthur, wo die Nordostbahn angehalten wurde, die zur Erzielung dieser Einmündung nothwendig werdenden Bauten auszuführen, gleichzeitig aber an die beiden andern Bahnen die Auflage von Kautionen im Betrage der durch die Einführung derselben in den Bahnhof veranlaßten Kosten, mit der Androhung erfolgte, daß, so lange die Kautionen nicht geleistet seien, die Nordostbahn nicht gehalten sei, die betreffenden Bauten zu beginnen.

Die Kautionen wurden dann wirklich geleistet (vgl. Bundesbl. 187(5, II, pag. 534). Für die hierseitige Auffassung sprechen im Fernern auch die Ausführungen der Botschaft zum Eisenbahngesetz (pag. 36_), auf welche wir ebenfalls zu verweisen uns gestatten.

Nachdem nun die Regierung von St. Gallen in ihrer Eingabe erklärt, nicht einsehen zu können, ,,weßhalb die betheiligte Landesgegend da Opfer bringen und in den Riß treten solle, wo die Verhältnisse so augenscheinlich und so mächtig für eine zweispurige Tunnelanlage reden und nichts Weiteres nothwendig sei, als die Anwendung und
Handhabung der gesetzlichen Oberaufsicht, und sie sich deßhalb nicht entschließen zu können, den Weg der Garantieleistung zu betreten, so lange ausreichende gesetzliche Mittel nahe liegen, die gleiche Sache erreichen zu können", bei diesem Standpunkt der Rekurrentin, sagen wir, fällt daher die Frage der Anwendbarkeit des Art. 30 des Eisenbahngesetzes für den vorliegenden Fall --

1058 wenigstens für einmal -- nicht weiter in Betracht. Wir glaubten indessen diese rechtliche Seite der Frage nicht mit Stillschweigen übergehen zu dürfen, wenn dieselbe eine allseitige Beleuchtung erfahren sollte.

Als der Bundesrath am 6. Juni 1891 dem generellen Projekte der Direktion der Nordostbahn betreffend die Linie Thalweil-Zug, welches zum Zwecke der Erwirkuog eines grundsätzlichen Entscheides über die Traceführung im Allgemeinen war vorgelegt worden, nach vorangegangenen, aber resultatlos verlaufenen Verhandlungen mit den Interessenten über gemeinsame Führung der Linien Thalweil-Zug und (St. Gallen-) Pfäfflkon-Zug, die prinzipielle Genehmigung ertheilte, behielt er einen weitern Entscheid über die Frage ausdrücklich vor, ob nicht wenigstens der Albistunnel zweispurig anzulegen sei, und lud die Nordostbahn ein, anläßlich der Einreichung des definitiven Projektes eine bezügliche Variante mit zudienenden Berechnungen vorzulegen. Wir ließen uns dabei namentlich durch die Rücksicht auf den für die Linie Thalweil-Zug aller Wahrscheinlichkeit nach zu erwartenden sehr bedeutenden Verkehr und den möglichen spätem Anschluß der Linie Pfäffikon-Zug, ferner durch die Thatsache, daß schon bisher für solche Linien wenigstens der Unterbau von Anfang an doppelspurig erstellt wurde, die verhältnißmäßig geringen Mehrkosten erstmaliger doppelspuriger Anlage von Tunneln gegenüber späterer Erstellung von zweiten Tunneln, die erfahrungsgemäß großen Schwierigkeiten bei allen Rekonstruktionsarbeiten in einspurigen Tunneln, sowie endlieh auch die Interessen der Landesvertheidigung leiten. -- Diese Sehlußoahme, bezw. der daran geknüpfte Vorbehalt, rief nun in den Kreisen der bei der Linie Thalweil-Zug interessirten Bevölkerung und Behörden einem wahren Sturm der Entrüstung, der sieh einerseits in heftigen Angriffen gegen das Eisenbahndepartement in der Presse und u. A.

auch in einer in leidenschaftlichem Tone gehaltenen Interpellation im Zürcher Kantonsrathe Luft machte, sowie anderseits zu mehrfachen Eingaben und Protesten des Initiativkomite's Thalweil-ZugGoldau und der Regierung von Zürich Veranlassung gab. Man erblickte in der Auflage der doppelspurigen Anlage des Albistunnels eine ernstliche Gefährung des Zustandekommens der Linie oder doch zum Mindesten eine arge Verzögerung der Anhandnahme des Baues. Wir
erwähnen in dieser Beziehung namentlich die Eingabe des Romite's vom 2. August 1891, in welcher das dringende Begehren gestellt wurde, auf der Forderung der zweigeleisigen Anlage des Albistunnels, durch welche dem Projekte neue Verlegenheiten bereitet würden, nicht zu beharren. Die Regierung von St. Gallen hat es unterlassen, d i e s e ihr genauestens bekannten Vorgänge in ihrer Rekursbeschwerde zu erwähnen, obwohl dieselben, wie uns

1059 scheint, zur Klarstellung des Sachverhaltes nothwendiger gehören, als z. B. die aus dem Zusammenhang gerissene Stelle aus einer die Konzessionsänderung für St. Gallen-Zug betreffenden hierseitigen Botschaft vom 15. Juni 1891, mit welchem Zitat der ,,Rekurs" eingeleitet wird. Das zwar mit der St. Galler Regierung die nämlichen Interessen verfechtende Komite war in dieser Beziehung genauer, indem es auf Seite 8, 9 und 14 seines Berichtes vom November 1891 jene Remonstrationen aus der Landesgegend anführte, wohl von der Ansicht geleitet, daß sie für das Verständnis des Zusammenhanges und die Beurtheilung der spätem Stellungnahme des Bundesrathes nicht völlig unwesentlich sein dürften.

Die Nordostbahn sodann trat dem hierseitigen Vorbehalt, auf die Frage der zweigeleisigen Erstellung des Albistunnels zurückzukommen, in einer eingehend gehaltenen Vorstellung mit allem Nachdruck entgegen, indem sie die hierseitige Begründung des Vorbehaltes im Einzelnen zu widerlegen und ihrerseits namentlich darzuthun suchte, daß für den zu erwartenden Verkehr die eingeleisige Anlage durchaus genügen werde, indem sie ferner auf die Verhältnisse bei andern Bahnen hinwies und insbesondere die Rücksichtnahme auf das noch ganz unsichere Projekt einer Linie St. GallenZug als unzulässig bezeichnete. Auf die Argumentation hier näher einzugehen, müssen wir uns der Kürze zu lieb versagen. Die Eingabe der Direktion schloß mit der Erklärung, Namens und im Auftrage des Verwaltungsrathes, daß die Nordostbahn nicht in der Lage sei, zu einer ganz oder theilweise zweispurigen Anlage der Linie Thalweil-Zug die Hand zu bieten, sofern nicht etwa die bezüglichen Mehrkosten von dritter Seite übernommen und zum Voraus sichergestellt werden. Mit Rücksicht hierauf lehnte sie es ab, die verlangten Pläne für einen zweispurigen Bau ausarbeiten zu lassen und vorzulegen, und fügte bei, daß sie zu ihrem Bedauern genöthigt wäre, der Generalversammlung der Aktionäre den Antrag zur Verzichtleistung auf die Konzession für die Linie Thalweil-Zug einzubringen, wenn die Bundesbehörden an der Forderung zweispurigen Baues der Linie, wenn auch zunächst blos für den Albistunnel, festhalten sollten.

Wir gaben hierauf, unterm 27. August 1891, unsern Entscheid dahin ab, daß der einspurigen Anlage die Genehmigung zu ertheilen sei, und theilten dies der
Nordostbahn durch ein Sehreiben mit, welches die Begründung unseres Beschlusses enthält und aus dem wir daher den wesentlichen hier in Betracht kommenden Inhalt wiederzugeben uns erlauben.

,,Zu diesem Entscheide (daß dem einspurigen Bau die Genehmigung zu ertheilen sei) wird der Bundesrath aber nicht durch

1060 die gegen die zweispurige Anlage von Ihnen (der Nordostbahn) erhobenen Einwendungen, sondern durch Ihre Erklärung veranlaßt, daß Sie gegenüber der Forderung einer solchen Anlage auf die Konzession verzichten werden. Nachdem die Bundesbehörden den Willen kundgegeben haben, daß der zwischen der Nordostbahu und dem betreffenden Komite am 4. Juli 1872 abgeschlossene Vertrag zur Vollziehung gelange, kann es nicht in der Absicht dieser Behörden liegen, Ihnen die Mittel an die Hand zu geben, sich den Verpflichtungen dieses Vertrages zu entziehen. Dieses Mittel ist Ihnen aber durch Artikel 9 des Vertrages gegeben, sobald Sie nachzuweisen im Falle sind, daß die Forderung einer zweispurigen Tunnelanlage als ,,eine ausnahmsweise erschwerende Bedingung" angesehen werden müsse. Da die Entscheidung dieser Frage durch den Richter zu erfolgen hätte, so will der Bundesrath dieselbe nicht veranlassen und dadurch möglicherweise das Zustandekommen der Linie in Frage stellen. Der Bundesrath kann sich auf diesen Standpunkt stellen, indem sich die zweispurige Anlage nicht als eine durchaus nölhige, wenn auch als eine sehr wesentliche Verbesserung der Linie darstellt. Wo es sich, wie im gegebenen Falle, um eine schweizerische Hauptverkehrslinie (ZürichGotthard, Zürich-Luzern) handelt, sind die Vortheile einer zweiten Spur doppelt groß und bedürfen der Direktion einer Eisenbahngesellschaft gegenüber wohl kaum einer nähern Darlegung.

Wenn von Ihnen geltend gemacht wird, daß Sie sich aus freien Stücken zu dem ,,bedeutenden Entgegenkommen herbei ließen14, dem vertragsmäßigen längeren Tracé auf die Befürwortung des Initiativkomite's und der Kantone Zürich und Zug ein kürzeres zu substituiren, um den mit der Linie Thalweil-Zug angestrebten Verkehrszwecken in noch weitergehendem Maße zu entsprechen, so ist zu erwidern, daß diesem Zwecke durch einen doppelgeleisigen Tunnel in nicht minderem Maße gedient würde, und daß, abgesehen von der wirtschaftlichen Aufgabe einer Linie, in der doppelspurigen Anlage eines längeren Tunnels auch eine vermehrte Garantie der Betriebssicherheit liegt, wie sie durch andere Mittel nicht in gleichem Maße erzielt werden kann.

Was das von Ihnen besprochene Verhältnis zur projektirten Linie St. Gallen-Zug anbetrifft, so hat der Bundesrath diese Linie pflichtgemäß allerdings auch in Berücksichtigung
gezogen, ohne dadurch die Interessen der Linie Thalweil-Zug irgendwie zu schädigen.

Es ergibt sich dieses schon aus dem Umstände, daß auf den Antrag des Eisenbahndepartements die Genehmigung Ihres generellen Projektes ohne Rücksicht auf die Vorlage der Pläne St. Gallen-Zug erfolgte, und daß der Vorbehalt betreffs eventueller Zweispurig-

1061 keit des Albistunnels ausdrücklich ,,ganz abgesehen von der Linie Pfäffikon-Zug a beschlossen wurde.

Schließlich ist noch hervorzuheben, daß die Genehmigung der einspurigen Linienanlage selbstverständlich die Anwendung des Artikel 14 des Eisenbahngesetzes in keiner Weise ausschließt, und daß sich daher die Bundesbehörden das Recht vorbehalten, unter den gesetzlichen Voraussetzungen auch auf die Frage der Anlage eines zweiten Geleises zurückzukommen."

An dieser Verfügung glaubten wir auch in der Folge gegenüber wiederholten Eingaben des Komite's St. Gallen-Zug und namentlich der Regierung von St. Gallen, welche darauf abzielten, uns zum Zurückkommen auf die Schlußname vom 27. August und zur Auflage der zweispurigen Erstellung des Albistunnels zu bestimmen, festhalten zu müssen. Denn aus diesen Vorstellungen waren keine neuen Thatsachen &u entnehmen, welche an der Sachlage etwas änderten oder geeignet waren, unsere Auffassung der praktischen Folgen einer Abänderung des Beschlusses nach dem Begehren der Regierung von St. Gallen zu entkräften. Im Gegentheil mußten wir in unserer Ueberzeugung nur gestärkt und auch die letzten Zweifel beseitigt werden durch die auf das Bekanntwerden des Revisionsgesuches von St. Gallen Seitens der Nordostbahn, des Romite für ThalweilZug und der Regierung von Zürich angebrachten Gegenvorstellungen und erhobenen Proteste gegen Aenderung der früheren Verfügung.

Es blieb uns deßhalb nichts Anderes übrig, als mit Beschluß vom 22. Dezember 1891, der definitiven Erledigung der ganzen Projektvorlage Thalweil-Zug vorgängig, der Nordostbahn auf ihr Gesuch den Arbeitsbeginn am (einspurigen) Albistunnel unter Bedingungen, welche die vorwürfige Frage nicht berühren, zu gestatten und auf das Begehren der St. Galler Regierung, betreffend Forderung der doppelspurigen Anlage des genannten Tunnels, nicht einzutreten.

Dieser Entscheid wurde der Regierung unter einläßlicher Wiedergabe der Begründung zur Kenntniß gebracht.

Aus dem Gesagten geht zunächst hervor, daß der Bundesrath über die Einwendungen und Begehren der Regierung von St. Gallen nicht einfach hinwegging, sondern sie einer eingehenden Prüfung unterwarf. Die Bedeutung der schon in den frühem Eingaben für die Wünschbarkeit doppelspuriger Anlage, wenigstens des Albistunnels, angeführten Gründe, denen im Rekurs vom 24. Mai
1892 keine neuen beigefügt werden, verkennt übrigens der Bundesrath in keiner Weise. Er hat dieselben seinerseits von Anfang an, ohne daß es eines Anstoßes durch die Regierung von St. Gallen bedurfte, nicht bloß erkannt und in Erwägung gezogen, sondern aus den weiter oben kurz angegebenen verschiedenen Gesichtspunkten für

1062 so schwerwiegend. angesehen, daß er in dem Beschluß vom 6. Juni 1891 dem generellen Projekt für die Linie Thalweil-Zug die Genehmigung nur unter Vorbehalt des Entscheides über die Frage der doppelspurigen Anlage, wenigstens des Albistunnels, ertheilte und die Nordorstbahn zur Vornahme bezüglicher Studien und Vorlage von .Detailplänen mit Kostenberechnungen für diese Variante (Doppelspur) gleichzeitig mit dem definitiven Bauprojekte aufforderte.

Die Verschiedenheit der Auffassung zwischen der St. Galler Regierung und dem Bundesrathe, welche zu dem vorliegenden ,,Rekurs" Veranlassung gab, betrifft, vielmehr nur die Würdigung der weitern, die Frage komplizirenden und wesentlich beeinflussenden Verhältnisse, speziell die den Einwendungen der Nordostbahn und den Beschwerden der Landesgegend gegen die verlangte Auflage beizumessende Bedeutung.

Während der Bundesrath der Meinung ist, es liege darin ein zwingender Grund, wenigstens für einmal die Forderung der doppelspurigen Anlage des Albistunnels fallen zu lassen, bestreitet die Rekurrentin die zwingende Natur jener Einwendungen. Sie macht es sich in ihrer diesfälligen Beweisführung recht leicht, indem sie zunächst bezüglich der Proteste der Landesgegend bemerkt, daß ihr, der Rekurrenün, die Absicht ferne liege, mit ihrem Postulate die von jener befürchtete Verzögerung der Ausführung der Linie Thalweil-Zug zu bewirken ; der Umstand allein, ob der Albistunnel ein- oder zweispurig 'gebaut werde, könne in technischer (!) Beziehung eine irgend wesentliche Verzögeruiag der Bahnlinie unmöglich veranlassen. Wir gestatten uns hier gleich zu bemerken, daß es sich in der That, wie übrigens die St. Galler Regierung im Ernste ·wohl selbst nicht verkennt, keineswegs um die Bedeutung der Forderung in t e c h n i s c h e r , sondern in r e c h t l i c h e r Beziehung handelt.

Im Weitern ,,kann die Rekurrentin dem Art. 9 des Bauvertrages zwischen Nordostbahn und Gründungskomite, vom 4. Juli 1872, keineswegs entnehmen, daß sich die Nordostbahn der Baupflicht entschlagen könne, wenn sie nachzuweisen im Stande sei, daß die Forderung der Bundesbehörden, einen Theil der Linie Thalweil-Zug zweispurig zu erstellen, eine ausnahmsweise erschwerende Bedingung sei, denn der Artikel bestimme lediglich, daß für diesen Fall eine entsprechende Gegenleistung von Seite der
betheiligten Landesgegend aufgebracht werden müsse. Sie vermöge aber ferner nicht, einzusehen, daß die Forderung des Bundes, für den spätem doppelspurigen Betrieb der Linie Thalweil - Zug Vorsorge zu treffen und gleich Anfangs den Unterbau der bedeutenden Objekte zur Aufnahme des zweiten Geleises zu erstellen, eine aus-

1063 nahmsweise erschwerende Bedingung für die Ausführung^ dieser Bahn bilde, denn die au erwartende Ausdehnung des Verkehrs auf der Linie lasse mit Rücksicht auf die Bewältigung desselben und die Betriebssicherheit die vorsorgliche (!) zweispurige Anlage der größern Unterbauohjekte gerechtfertigt erscheinen etc.a Der Bauvertrag zwischen Nordostbahn und Landesgegend sei, wie der Bundesrath s. Z. seihst erklärt habe, für ihn unverbindlich.

Das letztere versteht sich nun allerdings von selbst, enthebt aber den Bundesrath nicht der Nothwendigkeit, mit dem Umstände, daß die K o n t r a h e n t e n an die Bestimmungen des Vertrages gebunden sind, und den daraus f a k t i s c h sich ergebenden Konsequenzen zu rechnen.

Die letztern waren es denn auch, welche auf unsere angefochtenen Schlußnahmen bestimmend wirkten. Zwar hat im Streitfalle über die Interpretation der angerufenen Bestimmung des Bauvertrages, insbesondere über die Frage, ob in der Auflage der doppelspurigen Anlage des Albistunnels eine ausnahmsweise erschwerende Bedingung liege, der R i c h t e r zu entscheiden, und steht heute nicht fest, wie dieser Entscheid fallen würde, wenn auch dafür eineMuthmaßung nahe liegt. Allein nicht im Ungewissen war der Bundesrath üher die Intentionen der Nordostbahn und deren Vorgehen im Falle der A.ufrechterhaltung der Forderung des doppelspurigen Albistunnels. Die oben, Seite 1059, wiedergegebene Erklärung, deren Ernsthaftigkeit in Frage xu ziehen wir keinen Grund hatten, und die Ablehnung der Vorlage von Plänen für doppelspurigen Bau ließ keinen Zweifel darüber, daß die Gesellschaftabehörden der Nordostbahn ihrerseils die Auflage als eine a u s n a h m s w e i s e e r s c h w e r e n d e Bed i n g u n g auffaßten und entschlossen waren, daraus alle rechtlichen Konsequenzen zu ziehen und kurzweg auf die Konzession zu verzichten.

Dieser Stellungnahme gegenüber wäre das die Landesgegend vertretende Koniite geuöthigt gewesen, wenn es, wie angenommen werden muß, seinerseits auf Erfüllung des Vertrages und Ausführung der Linie bestehen wollte, den Prozeßweg zu beschreiten, der, abgesehen von der Ungewißheit des Erfolges, mindestens eine sehr bedeutende Verzögerung des Baues der Linie Thalweil - Zug in s i c h e r e m Gefolge gehabt hätte.

Zu einem solchen Verlauf der Dinge durch Aufstellung der von der
St. Galler Regierung anbegehrten Bedingung den Anstoß und die thatsächliche Unterlage zu geben, das zu vermeiden hielten und halten wir noch für unsere Pflicht.

Nach dem Dafürhalten der Rekurrentin hätte es allerdings der Bundesrath ruhig auf die angedrohte Verzichtleistung der Nordostbahn ankommen lassen dürfen. Denn, so nimmt die Regierung

1064 von St. Gallen an, ,, d e r N o r d o s t bah n w ä r e n g a n z s i c h e r u u d sehr bald a n d e r e U n t e r n e h m e r gefolgt, welche die Linie Thalweil-Zug satnmt einem zweispurigen A l b i s t u n n e l e r s t e l l t h ä t t e n . Die Linie Thal weil-Zug wäre unzweifelhaft wegen der Verzichtleistung nicht auf dem Papier geblieben , die daherigen Verhältnisse seien viel stärker als die auffallende Drohung einer Konzessionaverzichtleistung."

Wir müssen gestehen, daß wir uns zu einem solchen Optimismus in der Beurtheilungö der inaern Lebensfähigkeit und der O äußern Chancen der Linie Thalweil-Zug, besonders bei den heutigen Verhältnissen, nicht aufzuschwingen vermögen und ganz auf Seite des Komites stehen, welches trotz seiner gewiß nicht schlechten Meinung über das von ihm vertretene Projekt, auf Grund der Erfahrung, daß sich während 20 Jahren Niemand zum Bau meldete, sein Heil, d. h. die einzige Garantie für Erstellung der Linie, nur in der v e r t r a g l i c h e n V e r p f l i c h t u n g der N o r d o s t b a h n erblickt. Man wird deßhalb zugeben müssen, daß das Komite allen Grund hat, gegen Auflage einer Bedingung Protest zu erheben, die der Nordostbahn zum Anlaß oder Vorwand dienen könnte, sich ihren vertraglichen Verpflichtungen zeitweise, wenn nicht ganz zu entziehen, und der Einsicht sich nicht verschließen können, daß in dem starren Festhalten an der Forderung der doppelspurigen Anlage des Albistunnels eine Gefährdung des Zustandekommens der Linie Thalweil-Zug in der That liegen würde.

Daß dem Bund als Aufsichtsbehörde prinzipiell das Recht zusieht, jene Bedingung zu stellen, darüber besteht kein Zweifel ; dagegen machen es ihm im vorliegenden Falle Erwägungen praktischer Natur, Gründe der Opportunität, zur höhern Pflicht, von der Befugniß keinen schroffen Gebrauch zu machen, sondern den Verhältnissen billige Rücksicht zu tragen An der Richtigkeit dieses Gesichtspunktes lassen uns die Betrachtungen, welche die Regierung von St. Gallen über die Machtvollkommenheit des Bundes als Aufsichtsbehörde im Eisenbahnwesen am Schlüsse ihres Rekurses anzustellen für nöthig findet, nicht zweifelhaft werden. Um die Frage des rechtliehen Umfanges der gesetzlichen Machtvollkommenheit der Aufsichtsbehörde handelt es sich nicht, da, wie gesagt, die formelle Kompetenz zu der fraglichen
Verfügung von keiner Seite bestritten ist, wohl aber kann den Ausführungen der St. Galler Regierung, welche in der vorwürfigen Angelegenheit einen Prüfstein für die t h a t s ä c h l i c h e Macht und den f a k t i s c h e n Einfluß der Bundesgewalt auf die Gestaltung des Eisenbahnwesens erblickt, nicht ganz Unrecht gegeben werden.

Man wird zugeben müssen, daß, so lange der Bund die Bahnen

1065 nicht selbst übernimmt, bezw. baut und betreibt, sondern das wichtigste Verkehrsmittel in die Hand von Privatgesellschaften gegeben ist, solche Konflikte zwischen allgemeinen und Sonderinteressen immer wiederkehren werden, bei welchen nicht dem Bund, sondern dem die Eisenbahnunternehmungen gründenden Privatkapital das entscheidende Wort zukommt und wo die Aufsichtsbehörde mit den weitgehendsten Kompetenzen ohnmächtig ist. In Fällen wie der vorliegende bleibt dem Bund, welcher sich finanziell nicht betheiligt, wenn er das Privatkapital nicht zum Schaden einer Landesgegend völlig abschrecken, sondern den Interessen des Verkehrs wenigstens in dem anerbotenen beschränkten, aber immerhin dem Gesammtwohl förderlichen Umfange dienstbar erhalten will, nichts übrig, als das Privatkapital gewähren zu lassen.

In dieser Richtung muß übrigens betont werden, daß, so wünschbar immer die doppelspurige Anlage des Albistunnels gleich von Anfang an aus den verschiedensten Gesichtspunkten sein mag, doch die absolute N o t w e n d i g k e i t dieser Maßnahme keineswegs nachgewiesen erscheint. Es darf mit Fug und Recht darauf hingewiesen werden, daß mehrfach in der Schweiz auf eingeleisiger Strecke ein ebenso großer oder beträchtlicherer Verkehr bewältigt wird, als er für Thalweil-Zug zu erwarten steht.

Für den Anfang wird auch eine eingeleisige Linie Thalweil-Zug neben der bestehenden Linie über Affoltern die ihr zufallende Aufgabe zu erfüllen vermögen. Und wenn in der Folge das Bediirfniß für Erstellung des zweiten Geleises auf der ganzen oder einer Theilstrecke sich erzeigt, so ist dem Bundesrathe unbenommen, unter den Voraussetzungen des Art. 14, Alinea 3, die Bahngesellschaft zu dessen Ausführung zu verhalten. Der projektirten Linie St. Gallen-Zug, deren Zustandekommen wohl noch in weiter Ferne steht, ist mit Gestattung des einspurigen Albistunnels der Weg nach Zug nicht abgeschnitten ; er wird sie blos etwas ttfeurer zu stehen kommen, wenn er dannzumal selbstständig erstellt werden muß, statt jetzt in Verbindung mit dem Tunnelbau der Nordostbahn, was übrigens durch Leistung der Garantie für die Mehrkosten noch jetzt erzielt werden könnte.

So schlimm, wie sie die St. Galler Regierung in ihrer Eingabe hinzustellen beliebt, und irreparabel sind also die Folgen der hierseitigen Schlußnahme der Gestattung der
eingeleisigeu Erstellung des Albistunnels keineswegs. Vielmehr trifft hier das Wort zu, daß das Bessere der Feind des Guten ist. Der Bundesrath glaubte dieses im Hinblick auf jenes nicht preisgeben zu dürfen und wollte die Ermöglichung einer einspurigen Linie Thalweil-Zug nicht durch die Forderung der Doppelspur beeinträchtigen.

1066 Damit dürfte nachgewiesen sein, daß das Vorgehen der St. Galler Regierung nur auf einer Verkennung der thatsächliehen Verhältnisse beruht und der Vorwurf, als habe der Bundesrath durch seine Schlußnahmen in dieser Sache das Gesammtinteresse bei der militärischen und volkswirthschaftlichen Ergänzung des schweizerischen Eisenbahnnetzes schwer geschädigt und sich in der Ausübung seines Aufsichtsrechtes über das Eisenbahnwesen eines unverzeihlichen Mißgriffes schuldig gemacht, grundlos ist.

Nicht unerwähnt darf endlich bleiben, daß die Regierung von St. Gallen im Irrthum ist, wenn sie (pag. 10 des Rekurses) annimmt, ,,daß sich die dermaligen Arbeiten am Albistunnel, dessen Vollendung im Jahre 1895 vorgesehen sei, noch so sehr im Stadium der Einleitung befinden, daß der Uebergang zu einer doppelspurigen Anlage ohne erhebliche Friktion bewerkstelligt werden könne".

Vorerst ist zu bemerken, daß in der Konzession vom 25. Juni 1890 (E. A. S. XI, 40) als Termin für die Vollendung der ganzen Linie der 1. Januar 1894 und nicht 1895 festgesetzt ist. Im Fernern hat die Nordostbahn, nachdem ihr der Baubeginn und zwar für einen einspurigen Albistunnel ertheilt worden war, die Ausführung auf dieser technischen Grundlage einem Unternehmer vergeben. Die Arbeiten sind seit Anfang des laufenden Jahres im Gange und bereits so weit vorgerückt, daß der Uebergang zum doppelspurigen Bau ernstliehe Verlegenheiten bereiten müßte.

Es leuchtet ein, daß die Nordostbahn, wenn nachträglich doppelspurige Anlage verfügt würde, den Vertrag mit dem Unternehmer, den sie nur mit Mühe gefunden hatte, lösen bezw. abändern und damit riskiren müßte, daß derselbe seinerseits vom Vertrage ganz zurücktritt. Infolge dessen müßte sie, abgesehen von voraussichtlicher Entschädigungsleistung wegen Vertragsbruches, für welche sie übrigens den Regreß auf den Bund sich ausdrücklich vorbehält, wieder nach einem neuen Unternehmer sich umsehen.

Die praktischen Schwierigkeiten, welche sich infolge einer Abänderung der hierseitigen Schlußnahrne vom 27. August und 22. Dezember 1891 notwendiger Weise für die Nordostbahn und das Unternehmen selbst ergeben müßten, sind demnach nicht so unerheblich, wie der Rekurs glauben machen will, und verdienen daher unseres Brachtens, wohl ernstlich in Betracht gezogen zu werden.

Wir schließen mit dem Antrage, Sie möchten auf den Rekurs der Regierung von St. Gallen, d. d. 24. Mai 1892, wegen Inkompetenz nicht eintreten, eventuell denselben als materiell unbegründet

1067 abweisen, und benutzen auch diesen Anlaß zur Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 20. Juni 1892.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Hauser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrathes an die Bundesversammlung, über den Rekurs der Regierung von St. Gallen betreffend die einspurige Anlage des Albistunnels. (Vom 20. Juni 1892.)

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29.06.1892

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