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Bundesraths beschluß über

den Rekurs der Familie Käslin, ,,zum Freienhof, in Stansstad, betreffend Nichterneuerung des Wirthschaftspatentes.

(Vom 6. August 1891 ; theilweise abgeändert durch Bundesrathsbeschluß vom 16. Januar 1892.)

Der schweizerische Bundesrath

hat in Sachen des Rekurses der Familie K ä s l i n , ,,zum Freienhof, n Stansstad, betreffend Nichterneuerung des Wirthschaftspatentes; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements und nach Feststellung folgender aktenmäßiger Sach Verhältnisse :

I.

Durch Verfügung der Regierung von Nidwaiden vom 25. Mai 1891 wurde die Familie Käslin, ,,zum Freienhof", in Stansstad, aufgefordert, ihre Wirthschaft auf den 30. gl. M. zu schließen, widrigenfalls dies auf polizeilichem Wege geschehen würde.

Auf ein von Fürsprech Lussi in Staus Namens der Familie Käslin eingereichtes Gesuch verlängerte die Regierung unterm 1. Juni den Termin zur Schließung der Wirthsehaft unter gewissen Bedingungen um einen Monat, damit inzwischen die Unterhandlungen über den Verkauf des "Freienhofes" zu Ende geführt werden könnten.

II.

Unterm 27. Juni abhin reichte Fürsprech Lussi Namens der Familie Käslin gegen die Verfügung der Regierung von Nidwaiden

655 unter Berufung auf Art. 31 der Bundesverfassung und das Nidwaldener Wirthschaftsgesetz vom Jahr 1864 den staatsrechtlichen Rekurs an den Bundesrath ein. Der Rekurrent behauptet, unter Vorlage eines Leumundszeugnisses des Gemeinderathes von Stansstad, vom 16. Juni 1891, und einer Bescheinigung des Gemeinderathspräsidenten vorn 20. Juni 1891, daß die Familie Käslin sich keine Vergehen habe zu Schulden kommen lassen, welche nach dem oben angeführten Wirthschaftsgesetz die Schließuug einer Wirthschaft rechtfertigen würden. Leichtere Uebertretungen, z. B.

des Tanzgesetzes, der Polizeistunde etc., können hier nicht in Betracht fallen.

Die Schlußnahme der Regierung, durch welche die Besitzer der ,,Fremdenpension Freienhof"1 bei Beginn der Saison ohne Angabe eines Grundes inner Monatsfrist von Haus und Heim vertrieben werden sollen, sei eine unentschuldbare Härte, welche die Betroffenen in eine bedenkliche Lage bringen würde.

III.

Aus der Vernehrnlassung der Regierung von Nidwaiden, vom 22. Juli 1891, ergibt sich: 1. Am 13. Mai 1878 ertheilte die Nidwaldener Regierung, auf Begutachtung des Gemeinderathes von Stansstad, dem Alois Käslin die Wirthschaftsbewilligung auf den ,,Freienhof* daselbst, jedoch nur auf Wohlverhalten hin und mit gleichzeitiger Stellung der Wirthschaft unter Polizeiaufsicht, weil Käslin keinen Ausweis über guten Leumund beibringen konnte und sogar in Luzern wegen ungesetzlichen Wirthschaftsbetriebes bestraft worden war. -- Durch Urtheil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 18. Oktober 1877 waren Alois Käslin, damals Wirth ,,zum Mond" in Luzern, und seine Ehefrau Theresia, geb. Blättler, wegen Vorschubleistung zur Unzucht, ersterer überdies wegen Ueberschreitung der Wirthsbefugnisse, zu 8, bezw. 10 Tagen Gefängniß und Fr. 40 Buße verurtheilt worden. Zudem war den Eheleuten Käslin auf immer alles Wirthen gänzlich untersagt worden.

2. Schon fünf Vierteljahre nach der Wirthschaftsbewilligung -- am 4. August 1879 -- ging beim Landammannamt von Nidwaiden eine Klage ein, daß in der Wirthschaft ,,zum Freienhof1 der Unsittlichkeit Vorschub geleistet werde. Nach polizeiamtlicher Untersuchung wurde Eäslin vor das Landammannamt gerufen und verwarnt.

3. Infolge neuer Klagen im Oktober 1880 mußte die Köchin Nina Dürring im ,,Freienhof11 wegen unsittlicher Aufführung poli-

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zeilich ausgewiesen werden. Wirth Käslin wurde bei diesem Anlaß wegen Vernachlässigung der Deposition von Ausweisschriften in eine Buße verfällt.

4. Vom Oktober 1881 bis zum September 1888 ist Käslin wegen Uebertretung des Tanzgesetzes 9 Mal zu Bußen veurtheilt worden.

5. Nach dem im Jahre 1888 erfolgten Tode des Alois Käslin ist die Wirthschaft ,,zum Freienhof auf die .Wittwe und Kinder übergegangen. Bis zum Frühjahr 1891 wurden diese wegen Uebertretung des Tanzgesetzes und der Polizeistunde, sowie wegen Nichtabgabe der Ausweisschriften ihrer Angestellten 3 Mal mit Bußen belegt und ihoen der Verlust des Wirthschaftsrechtes angedroht.

6. *) Die Behörden von Nidwaiden haben aus einer Reihe von Vorkommnissen den Schluß gezogen, daß die Wirthschaft ,,zum Freienhof" in Stansstad auch von Frau Käslin und ihren Töchtern in sittlicher Beziehung nicht tadellos geführt worden ist.

Der Regierungsrath glaubte daher bei der alljährlich im Monat Mai wiederkehrenden Patenterneuerung der Familie Käslin die Wirthschaftsbewilligung aus den angeführten Gründen verweigern zu sollen und stellt auch jetzt den Antrag auf Abweisung des vorliegenden Rekurses, zumal das in § l b des Nidwaldener Wirthschaftsgesetzes vom 8. Mai 1864 für die Wirthschaftsführung geforderte Requisit der ,,hinlänglichen Gewähr in sittlicher Beziehung" bei den Rekurrenten nicht als vorhanden betrachtet und die Langmuth der Behörden, welche zu wiederholten Malen die Familie Eäslin unter Androhung des Patententzuges und der Wirthschaftsschließung zu einer anständigen Führung ihres Etablissements (,,in Zucht und Ehren"1) aufgefordert haben, nicht länger ausgeschöpft wenden könne, wenn auch das Leumundszeugnis des Getneinderathes von Stansstad, welches die Regierung als ein ,,vorsichtig abgefaßtes" bezeichnet, bescheinige, ,,daß über die Familie Käslin laut Gemeinderathsprotokoll, außer einer Anzeige über verbotenes Tanzen an einem Sonntage, nie eine Klage oder Besehwerde hinsichtlich ihres Verhaltens und ihrer Wirthschaftsführung eingereicht worden ist, welche geeignet wäre, besagter Familie den Leumund zu mißkreditiren" ; in Erwägung:**) Die Nichterneuerung des Wirthschaftspatentes der Familie Käslin erweist sich nach Maßgabe der Akten als eine Verfügung, *) Diese Passung von Ziffer 6 ist vom Bundesrathe am 16. Januar 1892 beschlossen worden.

**) Die Erwägung ist vom Bundesrath durch Beschluß vom 16. Januar 1892 in vorliegender Fassung festgestellt worden.

657 zu welcher die Kantonsbehörde im Hinblick auf § l, litt, b, des kantonalen Wirthschaftsgesetzes befugt war, indem jene Gesetzesstelle verlangt, daß der Bewerber durch seine Persönlichkeit und seinen Leumund hinlängliche Gewähr für ordentliche Wirthschaftsführung biete, welcher Forderung des Gesetzes im vorliegenden Falle nicht Genüge geleistet ist, beschlossen: 1. Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

2. Dieser Beschluß ist der hohen Regierung von Nidwaiden und zu Händen der Rekurrenten dem Herrn Fürsprech Lussi in Stans schriftlich mitzutheilen.

B e r n , den 6. August 1891.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Bundesblatt. 44. Jahrg. Bd. I.

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Bundesrathsbeschluß über den Rekurs der Familie Käslin, ,,zum Freienhof, in Stansstad, betreffend Nichterneuerung des Wirthschaftspatentes. (Vom 6. August 1891 ; theilweise abgeändert durch Bundesrathsbeschluß vom 16. Januar 1892.)

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10.02.1892

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