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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung der von der Schweiz mit Frankreich und Italien abgeschlossenen Abkommen über die Errichtung nebeneinanderliegender Grenzabfertigungsstellen und die Grenzabfertigung während der Fahrt (Vom 20. März 1961)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren !

Wir beehren uns, Ihnen in der vorliegenden Botschaft den Entwurf zu einem Bundesbeschluss betreffend die Genehmigung der von der Schweiz am 28. September 1960 mit Frankreich und am 11. März 1961 mit Italien abgeschlossenen Abkommen über die Errichtung nebeneinanderliegender Grenzabfertigungsstellen und die Grenzabfertigung während der Fahrt zu unterbreiten.

I.

Die Schweiz bekennt sich seit langem zur Notwendigkeit, dass an bestimmten Grenzübergängen zur Beschleunigung und Vereinfachung des Verkehrs die beiderseitigen Grenzabfertigungen (Zoll- und Polizeikontrolle) ganz oder teilweise auf dem Gebiet des einen der beiden Staaten zusammengelegt werden müssen, sei es durch die Errichtung gemeinsamer Zollämter oder durch Verlegung der Abfertigung in den fahrenden Zug. So bestehen im Bahnhof Vallorbe das schweizerische und das französische Zollamt, und zwar gestützt auf das am 11. Juli 1914 zwischen der Schweiz und Frankreich abgeschlossene Abkommen betreffend den Zolldienst im internationalen Bahnhof Vallorbe (B S 12, 738).

Auch in den Bahnhöfen Genf-Cornavin und Pruntrut und im internationalen Personen- und Güterbahnhof Basel-SBB sowie im internationalen Güterbahnhof Basel St.-Johann wird die Grenzabfertigung gemeinsam durchgeführt. Im Bahnverkehr mit Italien sind die Übereinkunft vom 15.Dezember 1882 über den Zolldienst in den internationalen Bahnhöfen Chiasso und Luino (BS 12,

725 797), das Übereinkommen vom 24.März 1906 über den Zolldienst auf der Simplonlinie zwischen Brig und Domodossola (BS 12, 807) sowie das Übereinkommen vom 18. Januar 1906 zur Eegelung des Polizeidienstes in dem internationalen Bahnhof Domodossola zu nennen (BS 13, 219). Das erste Abkommen mit Österreich betreffend den Zolldienst in den Eisenbahnstationen Buchs und St.Margrethen, das inzwischen durch die Übereinkunft vom 30.April 1947 betreffend den. österreichischen Zolldienst in den Bahnhöfen St.Margrethen und Buchs sowie den Durchgangsverkehr der Zollorgane über kurze ausländische Verbindungsstrecken (AS 1948, 209) ersetzt worden ist, stammt aus dem Jahre 1872. Ebenfalls seit dem letzten Jahrhundert bestehen auch im Badischen Bahnhof in Basel gemeinsame Zollbüros (Übereinkunft zum Vollzug des Art. 16 des Vertrages vom 27. Juli 1852 zwischen dem Grossherzogtum Baden und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Weiterführung der Badischen Eisenbahn durch schweizerisches Gebiet vom 12. November 1853, BS 12, 745). Die gemeinsame Abfertigung im fahrenden Zug wird gegenwärtig auf den Strecken zwischen Domodossola und Brig, Pruntrut und Delle, Schaffhausen und Singen, Buchs und Feldkirch sowie zwischen St.Margrethen und Lindau durchgeführt. In allgemeiner Weise ist dann das Zusammenlegen der beiderseitigen Grenzabfertigung in den Grenzbahnhöfen und im fahrenden Zug als Mittel zur Vereinfachung und Beschleunigung der Grenzformalitäten in den beiden internationalen Abkommen vom 10. Januar 1952 zur Erleichterung des Grenzüberganges für Reisende und Gepäck bzw. für Güter im Eisenbahnverkehr anerkannt worden. Mit Bundesbeschluss vom S.März 1957 (AS 1957, 795) hat die Bundesversammlung diese Abkommen genehmigt. Im Luftverkehr bestehen nebeneinanderliegende Grenzabfertigungsstellen auf den Flughäfen Basel-Mülhausen in Blotzheim (Abkommen mit Frankreich vom 4. Juli 1949, AS 1950, 1299) und Genf-Cointrin (Abkommen vom 25. April 1956, AS 1958,129). Im Strassenverkehr sind die beiderseitigen Zollämter von ChiassoStrada zusammengelegt.

Mit dem grösseren und schnelleren Verkehr ist heute das Bedürfnis nach Beschleunigung und Vereinfachung der Grenzkontrollen noch stärker geworden.

Die Abfertigung im fahrenden Zug spielt wegen der wachsenden Konkurrenzierung unserer Eisenbahnen sowohl durch die ändern
Verkehrsmittel als auch durch die unser Land umgehenden Linien eine besondere Eolle. Das Interesse der Schweiz, im internationalen Eisenbahnverkehr mindestens so günstige Bedingungen bieten zu können wie die umliegenden Länder, liegt auf der Hand.

Eine zwingende Notwendigkeit des Zusammenlegens der Grenzabfertigung kann sich aber auch allein schon aus den örtlichen Verhältnissen ergeben, weil eine Anpassung bestehender und die Schaffung neuer Grenzübergänge oft nur mehr möglich ist, wenn die Grenzabfertigung auf diejenige Seite der Grenze verlegt wird, wo der nötige Platz für eine zweckmässige Anlage vorhanden ist.

Eechtlich setzen die Errichtung nebeneinanderliegender Grenzabfertigungsstellen und die Vornahme der Grenzabfertigung im Verkehrsmittel während der Fahrt voraus, dass der eine Staat (im folgenden « Gebietsstaat» genannt)

726 dem ändern Staat (nachstehend als «Nachbarstaat» bezeichnet) die Befugnis einräumt, auf seinem Gebiet Amtshandlungen vorzunehmen. Das Becht, auf fremdem Gebiet durch seine Grenzabfertigungsbeamten tätig zu werden, ist dem Nachbarstaat durch Staatsvertrag einzuräumen.

Mit Eücksicht auf das immer häufigere Vorkommen zusammengelegter Grenzabfertigungen besteht in jüngster Zeit in Buropa das Bestreben, die Eechte und Befugnisse, die den Bediensteten des Nachbarstaates im Gebietsstaat zustehen sollen, nicht mehr, wie dies bis dahin üblich war, für jeden Übergang neu zu regeln, sondern in einem allgemeinen Abkommen grundsätzlich und für sämtliche Grenzübergänge zwischen den Vertragsstaaten geltend festzulegen. So ist vor allem Deutschland in den letzten Jahren systematisch daran gegangen, eine Keine solcher Verträge mit den umliegenden Staaten abzuschliessen. Als die Begierungen Deutschlands und Frankreichs 1957 und 1958 auch an die Schweiz mit entsprechenden Entwürfen herantraten, ging der Bundesrat auf diese Anregung ein und beschloss seinerseits, gleiche Vertragsverhandlungen auch mit Italien und Österreich einzuleiten. Während die Verhandlungen mit Deutschland und Österreich noch bevorstehen, haben die Besprechungen mit Frankreich bereits im März und Juni 1960, jene mit Italien im März 1961 stattgefunden. Die Abkommen sind am 28. September 1960, bzw. am 11.März 1961 in Bern unterzeichnet worden.

II.

Der Grundsatz der nebeneinanderliegenden Grenzabfertigungsstellen und der Grenzabfertigung während der Fahrt besteht darin, dass den Beamten des einen der beiden Staaten, die ihren Dienst im Gebiet des ändern Staates ausüben, das Eecht eingeräumt wird, innerhalb einer bestimmten Zone ihre eigenen Gesetze und Verordnungen anzuwenden. Diesen Beamten steht damit auch die Befugnis zu, Verhaftungen und Eückschaffungen vorzunehmen. Bis in die letzten Jahre hat sich der Bundesrat der Gewährung dieses Rechtes an ausländische Organe stets widersetzt und darauf verzichtet, es für die schweizerischen Beamten in Anspruch zu nehmen. Gegen eine solche Ausweitung der Amtsbefugnisse ausländischer Beamter auf Schweizer Boden erheben sich nämlich Bedenken politischer Art, so insbesondere wegen der Tatsache, dass bei dieser Regelung die Beamten des Nachbarstaates ihr Verhaftungs- und Rückschaffungsrecht nicht nur Ausländern, sondern auch Schweizerbürgern gegenüber geltend machen können, und zwar sogar wegen Handlungen, die nach schweizerischem Recht nicht strafbar sind. Das einzige zwischen der Schweiz und Frankreich bestehende Abkommen über internationale Bahnhöfe, dasjenige vom 14. Juni 1914 über den Zolldienst im Bahnhof Vallorbe, ermächtigt die französischen Behörden, Zollübertretungen, die in dem genannten Bahnhof begangen werden, festzustellen und zu verfolgen, sieht jedoch nicht vor, dass sie auf schweizerischem Gebiet Verhaftungen vornehmen dürfen. Das gleiche gilt für die entsprechenden zwischen der Schweiz und Italien abgeschlossenen Verträge.

727 Die zahlreichen, nach Kriegsende besonders gegenüber Frankreich und Italien unternommenen Versuche, die Zuständigkeit der ausländischen Organe zu regeln, führten zu keinem Ergebnis, da die Auffassungen der beteiligten Eegierungen zu stark voneinander abwichen. Die franzosischen Behörden hatten nämlich wiederholt erklärt, dass sie es vorziehen wurden, ihre Kontrollorgane aus den in der Schweiz gelegenen internationalen Bahnhöfen zurückzuziehen, falls ihre Bediensteten das Verhaftungs- und Ruckschaffungsrecht nicht ausüben könnten. Ähnliche Verhältnisse lagen gegenüber Italien vor. Schweizerischerseits vertrat man dagegen die Ansicht, die Regelung der Frage sei im Sinne einer Anpassung des Auslieferungsvertrages zu suchen.

Gegenüber Frankreich wurde die Stellung der Schweiz zudem dadurch erschwert, dass verschiedene kantonale Behörden in provisorischen Vereinbarungen mit französischen Begionalbehörden den französischen Beamten das Recht zugestanden hatten, in den internationalen Bahnhöfen Verhaftungen oder Rückschaffungen vorzunehmen. Diesen Vereinbarungen fehlte allerdings die verfassungsmässige Grundlage, da die Kantone nicht befugt sind, eine derartige Frage mit dem Ausland zu regeln. Die Vereinbarungen wurden dessen ungeachtet tatsächlich angewendet. Diese Sachlage zeigte die Dringlichkeit einer unverzüglichen Lösung des Problems. Die Notwendigkeit, die Grenzkontrollen mit Rücksicht auf die Verkehrsentwicklung und wegen der Gefahr einer Umfahrung unseres Landes zu beschleunigen, gebot aber die Einrichtung von nebeneinanderhegenden Grenzabfertigungsstellen immer mehr. Es ist jedoch nicht möglich, nur gerade die Zollkontrollen zusammenzulegen.

Jeder Staat hat nämlich ein offenkundiges Interesse daran, dass er die Polizeikontrollen, die er im Grenzverkehr für nötig erachtet, ohne Behinderung und lückenlos ausführen kann. Eine Verlegung seiner Kontrollbüros in fremdes Territorium kann er aus Gründen der Sicherheit und der öffentlichen Ordnung nur dann ins Auge fassen, wenn er die Gewähr dafür hat, dass dabei sein Interesse im wesentlichen im gleichen Masse gewahrt bleibt wie in seinem eigenen Staatsgebiet; mit ändern Worten, seine Organe, mit Einschluss jener, die mit der Polizeikontrolle betraut sind, müssen ihre Aufgaben im fremden Staatsgebiet mit den gleichen Befugnissen erfüllen können,
wie wenn sie sich im nationalen Hoheitsgebiet befänden.

Auf der ändern Seite zieht die Verlegung der Grenzkontrolle in fremdes Territorium rechtlich gesehen keine Nachteile für die Reisenden nach sich.

Diese können sich ordnungsgemäss nicht von einem Staat in den ändern begeben, ohne sich den Ausgangs- und Eingangskontrollen zu unterziehen. Sie haben in jedem Falle beim Grenzübertritt eine Kontrolle und die sich daraus ergebenden Ausführungsmassnahrnen zu gewärtigen. Dabei bildet es keinen wesentlichen Unterschied, ob diese Formalitäten an der Grenze selbst, in einem fahrenden Zug oder bei einem auf dem Gebiet des Nachbarstaates gelegenen Grenzposten erledigt werden. Es hegt somit kein Grund vor, ihre rechtliche Stellung gegenüber der einen oder der ändern Kontrollbehörde zu verändern, einzig deshalb, weil eine der beiden Kontrollen verlegt wird.

728 Der Bundesrat sprach sich 1956 für den Abschluss des schweizerisch-französischen Abkommens über den Ausbau des Flughafens Genf-Cointrin und die Errichtung nebeneinanderliegender Kontrollbüros in Ferney-Voltaire und in Genf-Cointrin aus. Dieses Abkommen sieht ausdrücklich vor, dass die französischen Beamten und Bediensteten in dem ihnen in diesem Flughafen zugewiesenen Sektor die Gesetze und Verordnungen anwenden, mit deren Vollzug sie betraut sind. Sie können alle Widerhandlungen feststellen und ihnen die durch diese Gesetze und Verordnungen vorgesehene Folge geben, was das Verhaftungsrecht einschliesst. Die eidgenössischen Bäte haben diese Bestimmungen genehmigt.

Es ist hervorzuheben, dass diese Regelung auf dem Grundsatz der Gegenseitigkeit beruht. Daraus folgt, dass die schweizerischen Beamten, die ihren Dienst bei Grenzposten im Nachbarstaat versehen, die gleichen Bechte zur Vornahme von Verhaftungen und Bückschaffungen haben wie die ausländischen Bediensteten bei den auf Schweizer Boden gelegenen Grenzabfertigungsstellen. Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass das Verhaftungs- und Bückschaffungsrecht auch von den ändern Nachbarstaaten der Schweiz beansprucht wird. Diese Begelung ist übrigens heute in die internationale Praxis eingegangen. Die meisten zweiseitigen Abkommen, die zwischen europaischen Ländern mit gemeinsamer Grenze abgeschlossen worden sind, sehen vor, dass dieser Grundsatz bei den nebeneinanderliegenden Grenzabfertigungsstellen zur Anwendung gelangt.

III.

Der Aufbau beider Abkommen ist gleich. Sie sind in sechs Teile gegliedert, von denen der erste Teil (Art. 1-3) die allgemeinen Bestimmungen enthält.

Wahrend Artikel l des Vertrages mit Frankreich die Errichtung nebeneinanderliegender Grenzabfertigungsstellen und die Grenzabfertigung wahrend der Fahrt allgemein, d.h. für den Verkehr zu Lande, zu Wasser oder in der Luft vorsieht, umfasst der entsprechende Artikel 2 des Abkommens mit Italien den Luftverkehr nicht. Dieser Unterschied ergibt sich aus der Tatsache, dass an der schweizerisch-französischen Grenze auf dem Gebiete jedes der beiden Staaten in GenfCointrin bzw. in Basel-Mülhausen bereits je ein internationaler Flugplatz errichtet worden ist.

Wo eine zusammengelegte Abfertigung dieser oder jener Art stattfinden soll, werden die in Artikel l bzw. 2, Absatz 3 der Abkommen vorbehaltenen Begierungsvereinbarungen bestimmen. Denn die Abkommen sind blosse «Bahrnen»- Verträge. Sie verpflichten die Vertragskontrahenten noch nicht, ihre Grenzabfertigungen auch tatsächlich auf dem Gebiet des ändern Staates vorzunehmen oder die Tätigkeit der Grenzabfertigungsorgane des ändern Staates auf ihrem eigenen Gebiet zu dulden. Die in den Bahmenverträgen vorgesehenen Bechte und Pflichten treten erst in Wirksamkeit, wenn die beiderseitigen Begierungen die in Absatz 3 erwähnten Vereinbarungen abschliessen. In diesen Begierungsvereinbarungen sind denn auch - im Bahmen der Staatsverträge - alle

729 durch die örtlichen Gegebenheiten und Bedürfnisse bedingten Einzelheiten zu ordnen.

Artikel 3 der Abkommen beschränkt die Befugnis des Nachbarstaates, im Gebietsstaat seine Grenzabfertigung vorzunehmen, örtlich auf eine genau begrenzte Zone. Die Festlegung dieses Bereiches bei der einzelnen Grenzübergangsstelle wird ebenfalls Sache der Begierungsvereinbarungen gemäss Artikel l, Absatz 3 des mit Prankreich (F) bzw. Artikel 2, Absatz 3 des mit Italien (I) abgeschlossenen Vertrages sein.

Der zweite Teil der Abkommen (F: Art. 4-9; I: 4-10) umschreibt die den mit der Zoll- und Polizeikontrolle betrauten Organen beider Staaten in der Zone zustehenden Befugnisse und obliegenden Pflichten. Artikel 4 bestimmt einerseits, dass in der Zone die Eechts- und Verwaltungsvorschriften des Nachbarstaates, die sich auf den Grenzübertritt von Personen und die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Waren und ändern Vermögenswerten beziehen, gelten und erteilt andererseits den Bediensteten des Nachbarstaates die Befugnis, die Vorschriften in dieser Zone auf gleiche Weise mit den gleichen Folgen anzuwenden wie in ihrem eigenen Lande. Diese Ermächtigung schliesst mit ihrer allgemeinen Fassung das Verhaftungsrecht in sich. Immerhin wird die Ausübung der in Artikel 4 dem Nachbarstaat eingeräumten Befugnisse durch Artikel 5 F (6 I) insofern beschränkt, als Personen, welche die Zone nicht zum Zwecke der Ausreise in den Nachbarstaat betreten, dort nur verhaftet werden dürfen, wenn sie in der Zone Widerhandlungen gegen die Zollvorschriften des Nachbarstaates begangen haben. Anderseits ist die Ausübung der Hoheitsrechte des Gebietsstaats in der Zone lediglich insofern eingeschränkt, als dessen Organe nach Artikel 6 F (7 I) die aus der Kontrolle des Nachbarstaats noch nicht entlassenen Personen bei der Einreise bzw. die aus seiner eigenen Kontrolle bereits entlassenen Personen bei der Ausreise grundsätzlich nicht mehr kontrollieren dürfen. Artikel 14, Absatz 2 des Vertrages mit Frankreich enthält die zusätzliche Beschränkung, dass Organe des Nachbarstaats wegen einer im Hinblick auf die Ausübung ihres Dienstes in der Zone begangenen strafbaren Handlung vom Gebietsstaat nicht verhaftet werden dürfen. Im übrigen gilt in der Zone das Eecht des Gebietsstaats (Art. 4, Abs. 3), dessen Beamte dort auch für die Aufrechterhaltung von Euhe
und Ordnung zu sorgen haben. Der Gerichtsbarkeit des Nachbarstaats unterliegen ausschliesslich die in der Zone begangenen Widerhandlungen gegen seine Grenzkontrollvorschriften (Art.4, Abs. 2).

Artikel 9 F (10 I) regelt die Frage der Eechtshilfeverpflichtung der mit der Grenzabfertigung betrauten Behörden der beiden Staaten. Im Gegensatz zur schweizerischen Praxis wird die Eechtshilfe in Fiskal- und Devisenstrafsachen von den Nachbarstaaten der Schweiz grundsätzlich als zulässig betrachtet. Die besondere Lage der die Grenzkontrolle auf fremdem Staatsgebiet ausübenden Beamten des Nachbarstaates rechtfertigt es auch, für die Untersuchung und Verfolgung in der Zone begangener Widerhandlungen gegen die Kontrollvorschriften dieses Staates in einem gewissen Masse Eechtshilfe zu leisten.

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Die in einem solchen Kahmenvertrag getroffene Eegelung der Eechtshilfe erf asst aber naturgemäss den grössten Teil des gesamten Verkehrs zwischen den Vertragsparteien. Es musste deshalb dafür Sorge getragen werden, dass die diesbezüglichen Vereinbarungen praktisch nicht einer vollständigen Aufgabe des Grundsatzes der Verweigerung von Rechtshilfe in Piskalsachen gleichkommen.

Die Eegelung des Artikels 9 F (10 I) trägt den schweizerischen Bedenken Eechnung, indem er die Eechtshilfepflicht der Vertragsparteien zugunsten des Nachbarstaates auf die Abklärung in der Zone begangener und während oder unmittelbar nach der Begehung festgestellter Verstösse gegen Zollvorschriften beschränkt, die sich auf den Grenzübertritt von Personen und Waren beziehen.

Damit ist Eechtshilfe in Devisenstrafsachen ausgeschlossen, der allerdings angesichts des fortschreitenden Abbaus der Devisenbeschränkungen keine so grosse Bedeutung mehr zukommt.

Der dritte Teil der Abkommen (F: Art.10-16; I: Art.11-15) umschreibt die Stellung der Bediensteten des Nachbarstaates im Gebietsstaat.

Der vierte Teil der Abkommen (F: Art. 17-22; I: Art. 16-21) regelt die im Zusammenhang mit der Errichtung der Büros stehenden Fragen, während sich der fünfte Teil (F: Art. 23 und 24; I: Art.22 und 23) mit den Zolldeklaranten befasst. Artikel 23 F (22 I) verhindert, dass die Stellung der Deklaranten des Nachbarstaates durch den Umstand, dass letzterer die Zollabfertigung auf fremdem Staatsgebiet vornimmt, irgendwie verschlechtert wird. Weil sowohl nach der französischen als auch nach der italienischen Zollgesetzgebung die Berufsdeklaranten zur Ausübung ihrer Tätigkeit eines Patentes bedürfen, wurde auf Antrag der schweizerischen Delegation die Bestimmung des Artikels 24 F (23 I) in das Abkommen aufgenommen. Artikel 24 F schützt die schweizerischen Berufsdeklaranten vor jeglicher Diskriminierung bei der Erteilung des Agrément durch die französischen Behörden. In einem einen integrierenden Bestandteil des Vertrages bildenden Briefwechsel sichert Frankreich die Anordnung der zu diesem Zwecke nötigen Massnahmen ausdrücklich zu. Artikel 231 geht sogar noch einen Schritt weiter und befreit die in der Schweiz niedergelassenen Berufsdeklaranten, die bei den in der Zone errichteten italienischen Zollamtern tätig werden, vom Patentzwang.

Der sechste Teil
der Abkommen (F: Art.25-29; I: Art.24-27) umfasst die Schlussbestimniungen. Von besonderer Bedeutung ist Artikel 28 F (26 I), der ausdrücklich die Massnahmen vorbehält, die durch eine der beiden Parteien aus Gründen der Souveränität oder der nationalen Sicherheit ergriffen werden könnten. Diese Bestimmung hat den Charakter einer Sicherheitsklausel, indem sie in den genannten Lagen die Suspendierung der Wirkungen des Abkommens zulässt.

Die Bestimmung des Schlussprotokolls, wonach die Abkommen auch auf die nebeneinanderliegenden Grenzabfertigungsstellen, die bereits Gegenstand von Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien bilden, Anwendung finden und den entsprechenden Vorschriften dieser Verträge vorgehen, sorgt für die

781 Einheitlichkeit der Ordnung bei den bereits bestehenden nebeneinanderliegenden Grenzabfertigungsstellen und den unter der Herrschaft der vorliegenden Abkommen errichteten oder neu geregelten.

Indem wir hoffen, dass Sie dem beiliegenden Beschlussesentwurf zustimmen werden, bitten wir Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung zu genehmigen.

Bern, den 20.März 1961.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident : Wahlen Der Bundeskanzler: Ch. Oser

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